Freundschaftsvertrag zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und dem Kaiserreich Persien
(Das Original ist in Französisch)
Abgeschlossen am 25. April 1934
Von der Bundesversammlung genehmigt am 8. November 1934
Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 1. Juni 1935
In Kraft getreten am 1. Juni 1935
Der Schweizerische Bundesrat und Seine Kaiserliche Majestät
der Schah von Persien,
vom Wunsche beseelt, die überlieferten freundschaftlichen
Beziehungen zwischen den beiden Staaten enger zu gestalten,
haben beschlossen, einen Freundschaftsvertrag abzuschliessen,
und haben zu diesem Zwecke zu ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
die, nach Austausch ihrer in guter und gehöriger Form
befundenen Vollmachten, über folgende Bestimmungen
übereingekommen sind:
Art. 1
Unverletzbarer Friede und aufrichtige, immerwährende
Freundschaft werden zwischen der Schweiz und dem Kaiserreich
Persien sowie zwischen den Angehörigen der beiden Staaten
bestehen.
Art. 2
Es besteht zwischen den hohen vertragschliessenden Teilen
Einverständnis darüber, dass ihre diplomatischen und
konsularischen Beziehungen gemäss den Grundsätzen und der
Übung des allgemeinen Völkerrechts fortzusetzen sind. Sie
kommen überein, dass die diplomatischen und konsularischen
Vertreter eines jeden von ihnen im Gebiete des andern die
Behandlung erfahren sollen, die durch die Grundsätze und die
Übung des allgemeinen Völkerrechts festgelegt ist und die,
unter der Bedingung der Gegenseitigkeit, nicht weniger günstig
sein darf als die den diplomatischen und konsularischen
Vertretern des am meisten begünstigten Landes gewährte
Behandlung.
1 Siehe auch das Wiener Übereink. vom 18. April 1961 über
diplomatische Beziehungen (SR 0.191.01) und das Wiener
Übereink. vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen
(SR 0.191.02).
Art. 3
Es besteht zwischen den hohen vertragschliessenden Teilen
Einverständnis darüber, dass ihre Beziehungen hinsichtlich der
Konsulate, des Handels und der Zölle sowie die Bedingungen der
Niederlassung und des Aufenthaltes der Staatsangehörigem des
einen Teils auf dem Gebiete des andern durch ein
Niederlassungsabkommen1, ein Handels- und Zollabkommen2 sowie
ein Konsularabkommen gemäss den Grundsätzen und der Übung des
allgemeinen Völkerrechts und auf der Grundlage vollkommener
Gleichheit und Gegenseitigkeit geregelt werden sollen.
1 SR 0.142.114.362
2 Siehe heute den Briefwechsel vom 1. Febr. 1964 über die
wirtschaftlichen Beziehungen mit Iran (SR 0.946.294.362).
Art. 4
Die hohen vertragschliessenden Teile kommen überein, alle
Streitigkeiten über die Anwendung oder die Auslegung der
Bestimmungen aller abgeschlossenen oder künftigen Verträge und
Abkommen, einschliesslich des gegenwärtigen Vertrages, die
zwischen ihnen entstehen sollen und die nicht binnen
angemessener Frist auf dem gewöhnlichen diplomatischen Wege
gütlich geregelt werden können, einem Schiedsverfahren zu
unterwerfen.
Diese Bestimmung findet gegebenenfalls auch Anwendung auf
die Vorfrage, ob sich die Streitigkeit auf die Auslegung oder
Anwendung der erwähnten Verträge und Abkommen bezieht.
Die Entscheidung des Schiedsgerichts ist für die Parteien
verbindlich.
Das Schiedsgericht wird auf Begehren eines der
vertragschliessenden Teile für jeden Streitfall in folgender
Weise gebildet: Innert Frist von drei Monaten nach Einreichung
des Antrages bezeichnet jeder der beiden hohen
vertragschliessenden Teile einen Schiedsrichter, den er unter
seinen eigenen Staatsangehörigen oder unter den Angehörigen
eines dritten Staates auswählen kann.
Hat nach Ablauf der erwähnten Frist von drei Monaten der
beklagte Staat noch keinen Schiedsrichter bezeichnet, so soll
die Wahl eines solchen auf Begehren des klagenden Staates
durch den Präsidenten des Ständigen Internationalen
Gerichtshof1 unter den Angehörigen des beklagten Staates
vorgenommen werden.
Innert einer Frist von zwei Monaten sollen sich die
Parteien über den Wortlaut der Schiedsordnung einigen, die den
Streitfall dem Schiedsgericht unterbreiten, dessen
Zuständigkeit festsetzt, die strittigen Punkte aufzählt und
das Verfahren für die Herbeiführung einer Lösung regelt. Wenn
die Frist von zwei Monaten abgelaufen ist, ohne dass die
beiden Parteien sich über die Schiedsordnung einigen konnten,
so wird die Festsetzung dem vom klagenden Staat angerufenen
Schiedsgericht überlassen.
Sofern sich die beiden Schiedsrichter innert Frist von zwei
Monaten seit dem Zeitpunkt, wo dem Schiedsgericht diese
Aufgabe anvertraut wurde, nicht über eine Schiedsordnung
einigen können, oder wenn sie innert einer angemessenen Frist,
die übrigens im Reglement über das Verfahren festgesetzt
werden soll, den Streitfall nicht beilegen können, so wählen
die beiden hohen vertragschliessenden Teile einen Angehörigen
eines dritten Staates als Obmann. Können sich die beiden
Parteien über die Wahl des Obmanns innert einer Frist von zwei
Monaten seit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag zur Wahl eines
Obmanns gestellt wurde, nicht einigen, so ersuchen sie
gemeinsam oder, wenn dieses gemeinsame Gesuch nicht innerhalb
einer neuen Frist von zwei Monaten gestellt wird, so ersucht
die Partei, die zuerst das Begehren stellt, den Präsidenten
des Ständigen Internationalen Gerichtshofs2, den Obmann unter
den Angehörigen irgendeines dritten Staates auszuwählen. Durch
Vereinbarung der Parteien kann ihm ein Verzeichnis der Staaten
unterbreitet werden, auf die sich die Auswahl beschränken
soll. Die Parteien behalten sich vor, sich im voraus für eine
bestimmte Zeitdauer über die Bezeichnung des Obmanns zu
verständigen.
Ist die Wahl eines Obmanns notwendig geworden und haben
sich die beiden vertragschliessenden Teile über die Regelung
des nach der Wahl zu befolgenden Verfahrens nicht einigen
können, so tritt der Obmann mit den beiden ersten
Schiedsrichtern zusammen; das auf diese Weise gebildete
Gericht bestimmt sein Verfahren selbst und legt den Streitfall
bei.
Alle Entscheide des Schiedsgerichts werden durch
Mehrheitsbeschluss getroffen.
Die hohen vertragschliessenden Teile kommen überein, getreu
ihren Verpflichtungen als Mitglieder des Völkerbundes auch
alle andern Streitigkeiten als diejenigen, die sich auf die
Anwendung oder Auslegung von Verträgen oder Abkommen beziehen
und die auf dem gewöhnlichen diplomatischen Wege nicht in
befriedigender Weise beigelegt werden, nur auf dem Wege
friedlicher Erledigung zu regeln. Sie werden in jedem
einzelnen Fall durch eine besondere Schiedsordnung das ihnen
am besten scheinende Verfahren festsetzen.
Die hohen vertragschliessenden Teile stellen ausserdem
fest, dass dieser Artikel der Anwendung der Bestimmungen des
von ihnen unterzeichneten Protokolls vom 16. Dezember 1920
über die obligatorische Zuständigkeit des Ständigen
Internationalen Gerichtshofes3 nicht entgegen steht.
Art. 5
Der Vertrag soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden
sollen sobald als möglich in Bern ausgetauscht werden. Er wird
mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft treten.
Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten
den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und ihre Siegel
beigesetzt.
Geschehen in doppelter Ausfertigung zu Bern, am
fünfundzwanzigsten April neunzehnhundertvierunddreissig.
Motta
Schlussprotokoll
A. H. Foroughi
Im Augenblick der Unterzeichnung des am heutigen Tage
zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem
Kaiserreich Persien abgeschlossenen Freundschaftsvertrages
haben die unterzeichneten Bevollmächtigten nachstehende
Erklärung abgegeben, die einen integrierenden Bestandteil des
Vertrages bildet:
Die beiden hohen vertragschliessenden Teile behalten sich
das Recht vor, die Bestimmungen von Artikel 4 des
gegenwärtigen Freundschaftsvertrages nach Ablauf einer Frist
von zehn Jahren nach Inkrafttreten des Vertrages einer
erneuten Prüfung zu unterziehen und sogar zu kündigen.
Bern, den 25. April 1934.
Motta
A. H. Foroughi
BS 11 660; BBl 1934 III 157