Gedichte im Islam
Niemals sucht in Wahrheit der Liebende

von Dschalaleddin Rumi übersetzt aus dem Englischen (R.A.Nocholson, Rumi, London 1950, S122/123) in Erich Fromms "Kunst des Liebens" (1956)

Niemals sucht in Wahrheit der Liebende, ohne von dem Geliebten gesucht zu werden.

Wenn das Licht der Liebe in dieses Herz gesenkt wurde, muss man wissen, dass es auch in jenes Herz gesenkt wurde.

Wenn die Liebe zu Gott in deinem Herzen wächst, hat Gott zweifellos auch Liebe zu dir.

Kein Händeklatschen stammt allein von einer Hand ohne die andere Hand. Göttliche Weisheit ist Bestimmung, und sein Ratschluss lässt uns einander lieben.

Die Vorbestimmung hat dafür gesorgt, dass jeder Teil der Welt mit seinem anderen Teil gepaart ist.

In den Augen des Weisen ist der Himmel der Mann und die Erde die Frau: die Erde nimmt sich dessen an, was der Himmel fallen ließ.

Fehlt es der Erde an Wärme, schickt der Himmel sie ihr; hat die Erde ihre Frische und Feuchtigkeit verloren, bringt der Himmel sie ihr wieder.

Der Himmel geht seiner Wege wie ein Ehemann, der um seiner Frau Willen nach Nahrung sucht;

Und die Erde hat mit dem Haushalt zu tun; sie hilft bei der Geburt und nährt das, was sie geboren hat.

Betrachte Erde und Himmel als Wesen, die mit Klugheit ausgestattet sind, da sie genauso handeln wie kluge Wesen.

Warum drängen sie sich so eng aneinander wie Liebende, wenn beide nicht Freude voneinander empfangen?

Wie sollten Blumen und Bäume blühen, wenn die Erde nicht wäre? Was würden Wasser und Wärme des Himmels allein wohl hervorbringen?

Wie Gott in Mann und Frau das Verlangen pflanzte, damit die Welt durch ihre Vereinigung bewahrt würde, so hat jeder Teil des Lebens das Verlangen nach dem anderen Teil eingepflanzt.

Tag und Nacht sind äußerlich Freunde; und doch dienen beide nur einem Zweck;

denn jeder liebt den anderen, um das gegenseitige Werk vollenden zu helfen.

Ohne die Nacht würde das Wesen der Menschen nichts empfangen, so dass der Tag nichts zu geben hätte.

 

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