Gedichte im Islam
Dg der Riese

von
Friedrich Rückert

Dg, der Riese, Sohn des Enak,
größter aller Enakskinder,
Der die Sündflut überlebte,
Sterben musst’ er doch nicht minder.

Da die Sünder all’ ertranken,
Die nicht in der Arche saßen,
Reichten ihm an’s Knie die Fluten,
Als sie vierzig Ellen maßen.

Wozu hat der Sünder feuchten
Untergang nun Gott beraten,
Wenn die Kleinen nur ertrinken
Und hindurch die großen waten?

Dg, der Riese, saß zu Berge,
Bot der Welt den Morgengruß;
Seine Scheitel war im Himmel,
Und das Meer zu seinem Fuß.

Frühstück wünschend, langt er nieder
In des Meer’s fischreiche Tonne,
Greift den Wallfisch, und zum Braten
Hält er ihn empor zur Sonne.

Wenn er will ein Volk vertilgen,
Räuspert er einmal und spuckt,
Und vom plötzlichen Ergusse
Werden Leut’ und Land verschluckt.

Als nun Mose durch die Wüste
Führt die Kinder Israels,
Manna aber Wachteln speisend,
Trinkend Brunnen aus dem Fels,

Naht zum Angriff Dg, der Riese,
Den nicht jener mit dem Stabe
Kann abschlagen, denn er ist
Gegen diesen Mann ein Knabe.

Aber Allah zur Errettung
Sendet seinen Abgesandten,
Widhopf=Hudhud, dessen Schnabel
Er ließ werden diamanten.

Über’s Haupt emporgehoben,
Ohne dass der sich bog,
Einen losgerissnen Bergstamm
Trägt, zum Angriff Schreitend, Dg.

Wann er näher ist gekommen,
Wird er ihn auf’s Lager werfen.
Aber Hudhud sizt schon droben,
Pickend mit des Schnabels Schärfen;

Pickt ein Löchlein in die Krone,
Groß genug für’s Riesenhaupt;
Und der Riese fühlt am Halse,
Was er auf der Scheitel glaubt.

Mit dem Wühlstein über’m Nacken,
Mit dem Bergkranz um die kehle,
Auf der Brust den Felsentragen,
Stöhnt er aus die Riesenseele.

Aus: Sieben Bücher Morgenländischer Sagen und Geschichten

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