Gedichte im Islam

Vier Gedichte zu Hadschi Kiwameddin

von Muhammad Schams ad-Din (Hafiz) aus seinen Ghaselen, übersetzt von Friedrich von Bodenstedt 1877

An den Wesir Hadschi Kiwámeddin.

Ihr klingenden Reime mit sinnigen Kern,
Fliegt hin als geheime Gesandte zum Herrn,
Sagt zu guter Stunde an stillem Ort
Ihm aus witzigen Munde ein scherzend Wort.
Wenn die zierliche Wendung ihm wohlgefiel,
So steckt eurer Sendung die Frage zum Ziel:
Ob's ziemlich erschiede – fragte scherzenden Tons –
Dass, wer treulich ihm diene, auch wert sei es Lohns?

An Hadschi Kiwámeddin.

Komm, erleuchte meinen Becher,
Saki, neu mit Weinesglut;
Sänger, sing' ein Lied, denn Alles
fügt sich meinen Wünschen gut.

In des Bechers Grunde seh' ich
holder Wangen Wiederschein;
O, Du ahnst Nichts von der Wonne
die mir quillt aus meinem Wein!

Wisse, dass dies Liebsgetändel
mir so lange nur behagt,
Bis, wie Pinien schwangend, wieder
die Zypresse vor mir ragt.

Wessen Herz belebt durch Liebe,
dem kommt nie das Sterben bei,
Drum im Buch der Welt geschrieben
steht, dass ich unsterblich sei.

Und am Tage des Gerichtes
Wird des Scheich's erlaubtes Brot
Höher nicht im Preis stehn, fürcht' ich,
als mein Wein, den man verbot.

Morgenwind, wehst Du vorüber
an der Freunde Rosenhain,
Hauch' dem Ohre meiner Liebe
meine schönsten Grüße ein!

Sprich: "Warum mit Absucht willst Du
Den vergessen der Dich liebt,
Da sich leider das Vergessen
mit der Zeit von selbst ergibt?"

Fand doch selbst der Liebe Auge,
dass es schön im Rausche sei,
Darum ließ man mir im Rausche
auch die Zügel immer frei.

Hafis, lass die Tränenperle
fallen, die im Aug' Dir hängt
Und vielleicht in ihrem Netze
noch den Liebesvogel fängt.

Sieh, das grüne Meer des Himmels,
und der Mond, der Silberkahn.
Tauchen unter in das Hadschi
Kiwan Gnadenocean!

An Hadschi Kiwámeddin.

Dem Weisen wird aus Weinesgrund
selbst das Geheimste offenbar,
Es macht ihm der Rubinenmund
das Wesen jedes Menschen klar.

Der Nachtigall allein erschließt
sich, was das Buch der Rose spricht,
Und Mancher der ein Blatt durchliest,
versteht dich seinen Inhalt nicht.

Dem vielerfahr'nen Herzen bot
ich beide Welten, dort und hier,
Doch fand es: Alles eilt zum Tod,
nur meine Liebe nicht zu Dir!

Wem Gott blies seinen Segen ein,
dem ward geheime Macht verliehn,
Dass er die Rose wie den Stein
in Onyx wandelt und Rubin.

Die Zeit ist hin wo mich verdross
was von mir sprach des Pöbels Mund,
Denn was sich einst geheim verschloss,
ist ohnehin jetzt Jedem kund.

Wenn dieses Liedes Perlenschnur
sich löste von Hafisens Geist,
Verdankt er es der Gnade nur
die ihm Hadschi Kiwán erweist.

Hafis auf den Tod des Wesirs Hadschi Kiwáneddin Hassán.

Des rechtes Hort, des Rates Licht, des Herrschers Freund, der beste Mann
Und der erleuchtetste Wesir, Haschi Kiwáneddin Hassán,
hat – siebenhundert Jahre war's und vierundfünfzig nach der Flucht
(Schon bei der Jungfrau ward der Mond, die Sonn' im Zwillingsbild gesucht)
Zur Mittagszeit des sechsten Tags im letzten Frühlingsmond geschah's
Auf des Allmächtigen Geheiß, der ihn zu höh'rem Sein erlas,
Den Himmelvogel seines Geist's vom Netze dieser Leidenswelt
Befreit, dass er zur Heimat sich ausschwinge in das Himmelszelt.

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