Gedichte im Islam
Diverse Gedichte von Muhammad Schams ad-Din (Hafiz), übersetzt von Vinzenz Rosenzweig von Schwannau (ca. 1860)

Komm zurück, denn meine Seele hofft auf deiner Schönheit Strahl;
Komm zurück, denn immer stöhnet dieses Herz in Trennungsqual;
Komm zurück, weil , o mein Theurer, fern von deinem Angesicht
Mir Verwirrten aus dem Auge eine Fluth von Wasser bricht.

...

Der du, o Herr, ein Helfer in Nöthen
Sie wie ein Richter aller Streite bist!
Was könnte ich Geheimnisse die vertrauen,
Da nicht Geheimes dir verborgen ist.

...

Hafis, Arabisch oder Türkisch
Ist eines und dasselbe hier;
In jeder die bekannten Sprache
Erzähle denn von Liebe mir!

...

Jene Frucht des Paradieses,
Die du, Seele, hiel'st in Händen,
Hast du nicht in's Herz gepflanzet,
Hast du lasse dir entwenden,
Wenn dich Jemand fragen sollte,
Was sich zugetragen dieses,
Magst du ihm das Räthsel lösen.
Sprechend: Frucht des Paradieses.

...

Nur durch das Wissen wird der Mensch zum Menschen
Fehlt Wissen ihm; gleicht er dem Thiere nur;
Und Thorheit ist das Handeln ohne Wissen.
Und Thorheit findet nie der Wahrheit Spur.

...

Aus: Buchstabe Je

43.

Gottes Heil, so lang die Nächte
Immer wiederkehren,

Und der Laute und der Zither1
Zweigespräche währen!

Ferner Heil dem Dornenthale,2
Ihm auch der's bewohnet,

Und dem fahnenreichen Zelte
Das auf Sande thronet!

Jedem Fremdlinge hienieden
Wünsch' ich Glück und Segen:

Darum bet' ich unablässig,
Bete allerwegen.

Lass, o Gott, wohin auch immer
Er sich möge wenden,

Deinen Schutz ihm angedeihen,
Und ihn nimmer enden!

Ruhig, Herz! denn die die Ketten
Seiner Locken tragen,

Finden in der wirr'sten Lage
Ordnung und Behagen.

Ich erliege noch der Sehnsucht;
Hätt' ich doch nur Kunde,

Wann mir Nachricht vom Genusse
Wird aus Botenmunde?

Deine Lieb' ist meine Wonne,
Ist's an jedem Tage,

Und dein Nam' ist mein Gefährte,
Ist's in jeder Lage.

Bis zum Aufersteh'n der Todten
Sollen heisse Triebe,

Dir geweiht, mein Herz erfüllen,
Und die höchste Liebe.

Find' ich irgendwo Genüsse,
Wie bei dir, o König?

 Mir, dem Zecher, dem Verruf'nen,
Liegt am Ander'n wenig.

Weil dir hundert neue Reize
Hat dein Flaum gegeben,

Soll durch hundert Ruhmesjahre3
Währen auch dein Leben!

Jenem Maler, dem allmächt'gen,
Muss man Beifall zollen,

Der des Neumonds Strich gezogen
Um den Mond, den vollen.4

Wenn nur du dein Dasein fristest,
Kann die hohen Ehren

Und des Reichthums Capitale
Man gar leicht entbehren.

Weiss der Herr doch, was Hafisens
Absicht sei hienieden;

Kennt erst Gott, was ich verlange,
Bin ich schon zufrieden.

 

1. Wörtlich: Der zweisaitigen und dreisaitigen Instrumente. - Auch dieses Ghasel ist zum Theil arabisch.

2. Das Dornenthal, Wadiul-erak, der eigene Name eines Thales, das mit dem dornigen Baume Erak gefüllt ist, aus dessen Ästen die Orientalen eine Art Bürstchen zum Putzen der Zähne vorfertigen, das Miswak genannt wird. - In dieses Thal scheint der Freund des Dichters gereist zu sein, als er dieses Ghasel sang.

3. Das kann auch heissen: Durch hundert Dschelalische Jahre, d.i. Jahre nach der Dschelaleddin'schen Zeitrechnung, welche Jahre zu den längsten Sonnenjahren gehören.

4. D.i. Der den Flaum auf das Gesicht gemalt hat.

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