Wir meiden Veranstaltungen
mit Alkohol
Die
Tatsache, dass Muslime keinen Alkohol trinken sollen, ist ja
allgemein bekannt. Aber die Ablehnung des Alkohols als Getränk
geht im idealistisch praktizierten Islam noch einen Schritt
weiter; es ist eine aktive Ablehnung der Droge. Daher ist es
für uns nicht möglich, an Veranstaltungen teilzunehmen, bei
denen Alkohol getrunken wird.
Selbstverständlich ist unser Verhalten für viele, die ja
praktisch mit dem Alkohol groß geworden sind, nicht ganz
nachvollziehbar, außer er ist Mitarbeiter der Anonymen
Alkoholiker. Aber umgekehrt konnten wir schon als Jugendliche
nicht nachvollziehen, dass der Kern jeder Feierlichkeit, jeder
Klassenfahrt, jeder Freude immer der Alkohol sein sollte. Es
wird zwar selten ausgesprochen, aber im Grunde sind die
gesellschaftliche Abhängigkeit und deren negative Folgen u.a.
für das Sozialsystem und die Unfallstatistik durchaus bekannt.
Unabhängig davon muss es aber doch gar nicht so schwer sein,
die Motivation eines derart praktizierenden Muslims zu
verstehen, warum er solchen Veranstaltungen fernbleibt. Wir
möchten einen Vergleich anführen, der im ersten Augenblick für
einen Europäer übertrieben erscheinen mag:
Man stelle
sich einmal vor, dass ein “normaler“ Bürger zu einer
Veranstaltung eingeladen wird, bei der er vor Eintritt in den
Saal weiß, dass ein Servierender mit einem Tablett herumlaufen
wird, auf dem gefüllte Heroinspritzen liegen, die Anwesenden
sich genüsslich davon bedienen und beim gegenseitigen Schuss
auch noch einen Rauschspruch von sich geben wie z.B. „zum
Wohl“. Eine wirklich absurde Vorstellung; und jeder
halbwegs verstandesgemäß bewusste Bürger würde solch einer
Veranstaltung fernbleiben, und zwar nicht nur weil es hier
verboten ist! Seine Kinder würde er, so weit es ihm möglich
ist, davon fernhalten, und ihm würde auch nicht im
Entferntesten der Gedanke kommen, dass er etwas verpassen
würde.
Natürlich
erscheint aus europäischer Sicht dieser Vergleich übertrieben,
aber genau so fühlen sich praktizierende Muslime eben auch
beim Alkohol, und daran ändert sich auch nichts, nur weil die
Mehrheit in Europa den Konsum von Alkohol fast schon zu einer
gesellschaftlichen Pflicht erkoren hat und viele in
Deutschland Bier gar nicht zu Alkohol zählen.
Sicherlich führt solch ein
Verhalten von Muslimen mehrfach zum “Anecken“, denn welcher
Normal-Deutsche will sich schon sein Bier madig machen lassen?
Und als “Drogenkonsument“ möchte auch niemand betrachtet
werden, weshalb er obigen Vergleich entschieden und beleidigt
von sich weist. Hingegen sind wir der Meinung, dass der
Alkoholkonsum dieser Gesellschaft einen großen Schaden zufügt,
aber zu viele Institutionen profitieren davon, so dass es zur
Zeit unmöglich erscheint, die Nachteile des Alkoholkonsums
wirksam öffentlich zu machen.
Dass es
durchaus auch Möglichkeiten zu einer gegenseitigen Annäherung
in diesem Bereich geben kann, haben wir selbst unter unseren
damaligen Arbeitskollegen erlebt, als ich mit meinem Bruder
noch gemeinsam an der Universität arbeitete. Zwar fanden alle
privaten Feierlichkeiten ausschließlich mit Alkohol statt, so
dass wir grundsätzlich nie teilnehmen konnten, aber ein Mal im
Jahr, bei der Weihnachtsfeier des Arbeitgebers, gab es einen
Weg zur Gemeinsamkeit. Die betriebliche Weihnachtsfeier begann
schon am Nachmittag mit Kaffee, Kuchen und Tee (ohne Schuss).
Ein Teil der meist sehr originellen Feierlichkeiten wurde bis
zum frühen Abend absolviert, und zu einer vorher festgelegten
Zeit verabschieden sich die Muslime dann. Und danach.... .
Häufiger
laden mein Bruder und ich Kollegen und Bekannte zu uns nach
Hause ein. Auch meine Promotionsfeier habe ich zu Hause
veranstaltet, und mein Bruder sogar innerhalb der Universität.
Selbst wenn diese Feierlichkeiten und Zusammenkünfte immer
ohne Alkohol stattgefunden haben, war das Beisammensein
dennoch fröhlich.
Zu einer
lautstarken Auseinandersetzung zum Thema Alkohol kam es einmal
an einem Elternabend am Gymnasium meines ältesten (damals
15jährigen) Sohnes nach einem Schulausflug. Dort hatte es
einen Alkoholmissbrauch großen Ausmaßes gegeben. Betrunkene
Schüler hatten sich übergeben, denn die Getränke, die
konsumiert wurden, waren für die meisten 16-jährigen in der
Klasse nicht verträglich. Die Besäufnisse gingen bis tief in
die Nacht hinein, und sehr viele Schüler waren daran
beteiligt. Obwohl mein eigener Sohn überhaupt nicht davon
betroffen war, äußerte ich in aller Sachlichkeit mein
Befremden über das Verhalten der Lehrer, die das alles
zugelassen hatten und meine Sorge über den Alkoholmissbrauch.
Der Vater eines anderen Schülers brüllte mich daraufhin an,
dass ich das nur wegen meiner Religion sagen würde, wir in
Deutschland seien, hier der Alkohol zulässig sei und die
Kinder den Umgang nur so lernen würden usw.. Fast alle anderen
Eltern schwiegen, obwohl jeder wusste oder wissen musste, was
geschehen war.
Da stellte sich also
jemand gegen mich, nur weil ich Muslim war, sogar in völliger
Missachtung der Gesundheit der eigenen Kinder. Dabei hatte ich
überhaupt keine Sorge um meinen Sohn, der keinen Schluck
dieser Volksdroge mittrinken würde. Ich war mir doch auch
bewusst, dass ich es niemals verhindern könnte, dass die
anderen Kinder von der Gesellschaft früher oder später an den
Alkohol gewöhnt werden würden. Den Ärger hatte ich mir an dem
Abend nur eingehandelt, weil ich versucht hatte, auf einen
Umstand hinzuweisen, der auch für Deutsche nicht normal sein
kann, dass sich minderjährige Kinder unter Aufsicht von
Lehrern auf einer Klassenfahrt betrinken und sich übergebend
ihre Kontrolle verlieren.
Am Ende des
Elternabends, als fast alle Eltern gegangen waren, kam der
Klassenlehrer, der sich die ganze Zeit zurückgehalten hatte,
zu mir und drückte mir sein vollstes Verständnis aus. Als
Lehrer – er war bei der Klassenfahrt nicht dabei – kannte er
seine Schüler und wusste, wie er mir bekundete, welche
Probleme mit dem Alkoholkonsum verbunden sind.
Als Muslime in dieser
Gesellschaft können und wollen wir niemandem etwas aufzwingen,
aber unser Engagement zur Verminderung von Problemen sollte
nicht nur deshalb abgewehrt werden, weil wir Muslime sind, und
Alkohol ist sicherlich ein ernsthaftes Problem dieser
Gesellschaft.