Prof. Steinbachs Bauchschmerzen
Sogenannte
“Islamexperten“ sprossen damals in der Medienlandschaft wie
Pilze auf feuchtem Waldboden, und viele Journalisten, die
einmal eine verschleierte Frau gesehen hatten, glaubten sich
Islamexperte nennen zu dürfen. Innerhalb kürzester Zeit war
eigentlich so gut wie jeder im Land ein Islamexperte. Die
einzigen, denen man die Interpretation des Islam nicht
zutraute, waren die Muslime. Bedauerlicherweise gibt es in
Deutschland im Verhältnis zu der Zahl selbsternannter Experten
nur wenige Wissenschaftler, denen auch von muslimischer Seite
eine gewisse Seriosität zugesprochen wird. Zu diesen gehörte
Prof. Dr. Udo Steinbach, der damalige Leiter des Deutschen
Orient-Instituts in Hamburg. Zwar vertritt Prof. Steinbach als
anerkannter Berater der Bundesregierung – wie nicht anders zu
erwarten – keine Position, die man als “pro-muslimisch“
bezeichnen würde, aber in seiner sehr deutlich und offen
ausgesprochenen Kritik gegenüber den Muslimen unterscheidet er
sich doch sehr wesentlich von vielen anderen: Er lässt es
nicht an Respekt gegenüber seinen Gesprächskontrahenten
vermissen, was insbesondere im Umgang mit Muslimen einen hohen
Stellenwert hat, und er scheut sich nicht, direkt in die
muslimischen Kreise einzutauchen und inmitten ihrer Vertreter
mit ihnen zu sprechen und offen mit ihnen zu diskutieren.
Aufgrund
seiner Eigenschaften und seiner Reputation hatte der
Islamische Weg e.V. Prof. Steinbach Ende 2001 zur jährlichen
“Islamischen Tagung deutschsprachiger Muslime“ zu einer
Podiumsdiskussion eingeladen. Nachdem er dem Senyurt-Team,
welches ihm vor dem Moscheeeingang aufgelauert hatte,
entronnen war, begrüßte ich ihn auf dem Gelände, und er fragte
mich, ob wir “Probleme“ mit den Journalisten hätten. Nachdem
ich ihm die Dinge kurz aus unserer Sicht geschildert hatte,
bemerkte er nur lapidar, dass er selbst kaum fernsehen würde.
Im Hauptsaal des Islamischen Zentrum
Hamburg an der Alster, welches wir für die jährliche
Veranstaltung gemietet hatten, warteten rund 500 Zuhörer in
einem übervollen Raum auf den Gast. Während der Diskussion
eröffnete Prof. Steinbach in seiner gewohnt deutlichen Art,
dass er “Bauchschmerzen“ mit so manchen Ansichten hätte, die
wir vertraten und veröffentlicht hatten, und wir gingen auf
die Vorwürfe ein. Sein Hauptgesprächspartner bei der
Diskussion war unser gütiger Freund aus dem Iran Mohammad-Ali
Ramin, der zu dieser Veranstaltung von uns eingeladen wird.
Ohne hier ins Detail zu gehen, endete die Diskussion mit
tosendem Beifall für das Podium und mit einer herzlichen
Verabschiedung des Gastes. Die unterschiedlichen Positionen
waren ausgesprochen und erörtert und Prof. Steinbach eröffnete
am Ende, dass seine “Bauchschmerzen“ sich zumindest zum Teil
gemindert hätten.
Im Jahr darauf entschloss sich der
Islamische Weg e.V. auf mehrfache Nachfrage der Muslime,
wiederum Prof. Steinbach als Gast einzuladen, und wir waren
dankbar, dass er der Einladung wiederum folgte. In der
Zwischenzeit hatte Mohammad-Ali Ramin eine im Iran viel
beachtete nichtstaatliche Organisation (NGO) mit dem Namen
“Die Zukünftige Welt“ gegründet, und die erste Konferenz
dieser Organisation fand unter Beteiligung hochrangiger Redner
aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und dem Klerus an der
Teheraner Universität statt. Die Veranstaltung trug den Titel:
“Die Welt nach den USA“. Darauf angesprochen, äußerte Prof.
Steinbach bei seinem zweiten Besuch wiederum seine
“Bauchschmerzen“, was zu einem Schmunzeln in der Zuhörerschaft
führte, war doch ein Großteil der Besucher das Jahr zuvor auch
anwesend gewesen. Auch dieses Mal konnten im Verlauf eines
zweieinhalb Stunden dauernden Gesprächs die “Bauchschmerzen“
gelindert und die gegenseitigen Positionen einander erläutert
werden. Insbesondere wurde von Seiten der Muslime deutlich
gemacht, dass die “Welt nach den USA“ gar nicht von den
Gegnern der US-Politik bewirkt wird, sondern, dass aufgeblähte
Weltmächte sich grundsätzlich selbst zerstören. Durch den
wiederholten Dialog verdeutlichte Prof. Steinbach den
anwesenden Muslimen, die nach westlicher Lesart fast alle als
“fundamentalistische Islamisten“ bezeichnet werden würden,
dass eine gegenseitige Verständigung durchaus möglich und auch
realistisch ist. Allerdings sind diejenigen, die offen mit uns
sprechen aber auch zuhören, sehr wenige im Verhältnis zu
denjenigen, die über uns polemisieren!
Erheblich größere Bauchschmerzen bekam
der in 2009 bereits emeritierte Prof. Steinbach, als er zur
ersten Diskussionsrunde in der ARD über das israelische
Massaker in Gaza eingeladen wurde. Diese Diskussionsrunde
fand, ca. eine Woche nach Beendigung des Massakers statt.
Vorher hatten sich die Öffentlich-Rechtlichen nicht an das
Thema herangetraut. Dort wurde ihm ständig das Wort entweder
im Hals umgedreht oder gleich entzogen, da er eine äußerst
Israel-kritische Position vertrat. Viele seiner Anmerkungen
und Äußerungen waren geprägt von Menschlichkeit und Sorge
bezüglich der zahllosen unschuldigen zivilen Opfer. Das
Aussprechen der für so viele Menschen erkennbaren Wahrheit,
wird sicherlich dazu führen, dass er von zionistischer Seite
nicht mehr in Ruhe gelassen wird. Möge Gott ihm helfen, die
Wahrheit in seinem Herzen trotz des äußerlichen Druckes zu
bewahren, weiter zu entwickeln und mutig weiter zu vertreten.