Der Verfassungsschutz
möchte uns engagieren
Mitte der
90er Jahre tauchten plötzlich unangekündigt zwei locker
gekleidete Männer mittleren Alters bei mir am Arbeitsplatz in
meinem damaligen Büro an der Universität Bremen auf. Sie
wiesen sich als Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums aus,
und der Wortführer nannte sich “Charles“. Sie würden gerne
einmal ein vertrauliches Gespräch mit mir in meiner Funktion
als Vorsitzender des Islamischen Weg e.V. führen und wollten
einen Termin mit mir vereinbaren. Da ich solch einen
ungewöhnlichen Ausweis noch nie vorher gesehen hatte, bat ich
höflichst um eine Telefonnummer des Bundesinnenministeriums,
damit ich mich über die “Echtheit“ dieser Personen überzeugen
konnte, habe ich doch vorher nur unechte Agenten in
Spielfilmen gesehen. Und die beiden Personen passten so gar
nicht in meine Spielfilmvorstellung. Die Telefonnummer wurde
mir prompt genannt und ein Termin für den nächsten Tag
vereinbart. Mein Kontrollanruf beim Bundesinnenministerium war
dann allerdings sehr ernüchternd: Ich fragte höflich nach der
Existenz eines Charles, und ob dieser zusammen mit seinem
Kollegen tatsächlich mit mir ein Gespräch führen sollte. Sehr
barsch antwortet die Stimme auf der gegenüberliegenden Seite,
dass es ja wohl so sei, wenn dieser sich mit Ausweis als
Mitarbeiter des Innenministeriums vorgestellt hätte. Ein
Freund und früherer Arbeitskollege aus der ehemaligen DDR, dem
ich die Geschichte später erzählte, fühlte sich an eigene
vergangen Tage erinnert.
Es kam am nächsten Tag tatsächlich zu dem
“geheimen“ Treffen nach meiner Arbeitszeit in einem Lokal bei
einem Minigolfplatz in der unmittelbaren Nachbarschaft der
Universität. Bei Kaffee und Tee wurde ich nicht nur über alle
Aktivitäten des Islamischen Weg e.V. ausgefragt, sondern
erstaunlicherweise auch über die sogenannte Kaplangruppe (mit
dem sogenannten damaligen “Kalifen von Köln“), über die ich
absolut nichts erzählen konnte außer meine grundsätzliche
Abneigung gegen selbsternannte Kalifen.
Am Ende erhielt ich und/oder mein Bruder
dann überraschend das Angebot zur Mitarbeit auf
“vertraulicher“ Ebene! Ich bot im Gegenzug an, all mein Wissen
und meine Kenntnisse im Rahmen öffentlicher Vorträge und
offenen Veranstaltungen für alle Sicherheitskräfte zur
Verfügung zu stellen. Das aber entsprach offensichtlich nicht
den Vorstellungen meiner Gesprächspartner. Und so gingen wir
ergebnislos auseinander, nachdem sich die beiden Fachleute
auch davon überzeugt hatten, dass ich als damaliger
Oberingenieur in einem universitären Institut, welches sich im
Wesentlichen mit Abwassertechnologie beschäftigt, nicht gerade
ein hohes Sicherheitsrisiko darstellte.
Da sich die Leute nicht wieder gemeldet
haben, dachte ich, dass ihr offenes Interesse an uns zumindest
geringer geworden sein müsste. Ihr verstecktes Interesse an
mir und meinen Telefonaten, Kontakten usw. hat mich nie
gestört, da wir nichts zu verbergen hatten und haben. Die
einzigen, die ernsthaften Ärger durch mögliche Abhöraktionen
erhalten haben dürften, waren die nächtlichen Störenfriede,
die uns ständig anriefen und es damit den öffentlich
auftretenden Muslimen mit ihren Beschimpfungen so “richtig
geben“ wollten. Wenn uns einmal mehr ein Störenfried des
Nachts belästigte, haben wir geduldig den Hörer offen beiseite
gelegt, bis die staatlichen Abhörer eine Adresse mehr in ihren
Datenbeständen hatten.
Es verging fast ein ganzes Jahr ohne
weitere Kontaktaufnahme, bis erneut unverhofft und plötzlich
zwei ähnlich locker gekleidete Personen vor meinem Büro
standen. Blaue Jeans scheinen ein Markenzeichen dieser Leute
zu sein. Zweifelsohne waren es zwei andere Personen, und auch
der Ausweis sah anders aus, denn dieses Mal kamen sie nicht
vom Bund, sondern vom Bundesland Bremen. Die waren mehr als
die Vorherigen an meinem Arbeitsplatz interessiert, aber
sowohl unser Technikum als auch die Labore boten immer nur
Techniken und Analysen für Wasser und Abwasser, und das schien
selbst den Bremer Insidern dann doch nicht gefährlich genug,
um mich allzu lange zu befragen. Es sei daran erinnert, dass
damals sowohl mein Bruder als auch ich in dem Institut
arbeiteten. Am Ende schilderte der eine Mitarbeiter mir auch
noch ein persönliches Kalkproblem in seiner Hausleitung, wofür
ich ihm einen Lösungsvorschlag unterbreitete. Mein
abschließender Hinweis auf ihre Kollegen vom Bund, die ein
Jahr zuvor zu Besuch waren, erweckte so etwas wie
Verlegenheit. Wahrscheinlich gab es damals noch nicht die
zentrale Datenerfassung, die es nach dem 11. September 2001
zumindest gegenüber Muslimen angeblich geben sollte, aber auch
das scheint nicht immer einwandfrei funktioniert zu haben, wie
mein Bruder Jahre später am eigenen Leib zu spüren bekam. Aber
das erzählt er besser selbst. Er verließ die Universität Ende
der 90er Jahre in Richtung freie Wirtschaft.
Viele Jahre später kam es – zumindest für
wenige Wochen – dann doch zu einer Art “Minikooperation“ mit
den Behörden, die aber im Fiasko endete. Doch dazu später
mehr.