Gebrüder Özoguz

Wir sind (keine) “fundamentalistische Islamisten“ in Deutschland

Eine andere Perspektive

Dr. Yavuz Özoguz und Dr. Gürhan Özoguz

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Der Verfassungsschutz möchte uns engagieren

Mitte der 90er Jahre tauchten plötzlich unangekündigt zwei locker gekleidete Männer mittleren Alters bei mir am Arbeitsplatz in meinem damaligen Büro an der Universität Bremen auf. Sie wiesen sich als Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums aus, und der Wortführer nannte sich “Charles“. Sie würden gerne einmal ein vertrauliches Gespräch mit mir in meiner Funktion als Vorsitzender des Islamischen Weg e.V. führen und wollten einen Termin mit mir vereinbaren. Da ich solch einen ungewöhnlichen Ausweis noch nie vorher gesehen hatte, bat ich höflichst um eine Telefonnummer des Bundesinnenministeriums, damit ich mich über die “Echtheit“ dieser Personen überzeugen konnte, habe ich doch vorher nur unechte Agenten in Spielfilmen gesehen. Und die beiden Personen passten so gar nicht in meine Spielfilmvorstellung. Die Telefonnummer wurde mir prompt genannt und ein Termin für den nächsten Tag vereinbart. Mein Kontrollanruf beim Bundesinnenministerium war dann allerdings sehr ernüchternd: Ich fragte höflich nach der Existenz eines Charles, und ob dieser zusammen mit seinem Kollegen tatsächlich mit mir ein Gespräch führen sollte. Sehr barsch antwortet die Stimme auf der gegenüberliegenden Seite, dass es ja wohl so sei, wenn dieser sich mit Ausweis als Mitarbeiter des Innenministeriums vorgestellt hätte. Ein Freund und früherer Arbeitskollege aus der ehemaligen DDR, dem ich die Geschichte später erzählte, fühlte sich an eigene vergangen Tage erinnert.

Es kam am nächsten Tag tatsächlich zu dem “geheimen“ Treffen nach meiner Arbeitszeit in einem Lokal bei einem Minigolfplatz in der unmittelbaren Nachbarschaft der Universität. Bei Kaffee und Tee wurde ich nicht nur über alle Aktivitäten des Islamischen Weg e.V. ausgefragt, sondern erstaunlicherweise auch über die sogenannte Kaplangruppe (mit dem sogenannten damaligen “Kalifen von Köln“), über die ich absolut nichts erzählen konnte außer meine grundsätzliche Abneigung gegen selbsternannte Kalifen.[1]

Am Ende erhielt ich und/oder mein Bruder dann überraschend das Angebot zur Mitarbeit auf “vertraulicher“ Ebene! Ich bot im Gegenzug an, all mein Wissen und meine Kenntnisse im Rahmen öffentlicher Vorträge und offenen Veranstaltungen für alle Sicherheitskräfte zur Verfügung zu stellen. Das aber entsprach offensichtlich nicht den Vorstellungen meiner Gesprächspartner. Und so gingen wir ergebnislos auseinander, nachdem sich die beiden Fachleute auch davon überzeugt hatten, dass ich als damaliger Oberingenieur in einem universitären Institut, welches sich im Wesentlichen mit Abwassertechnologie beschäftigt, nicht gerade ein hohes Sicherheitsrisiko darstellte.

Da sich die Leute nicht wieder gemeldet haben, dachte ich, dass ihr offenes Interesse an uns zumindest geringer geworden sein müsste. Ihr verstecktes Interesse an mir und meinen Telefonaten, Kontakten usw. hat mich nie gestört, da wir nichts zu verbergen hatten und haben. Die einzigen, die ernsthaften Ärger durch mögliche Abhöraktionen erhalten haben dürften, waren die nächtlichen Störenfriede, die uns ständig anriefen und es damit den öffentlich auftretenden Muslimen mit ihren Beschimpfungen so “richtig geben“ wollten. Wenn uns einmal mehr ein Störenfried des Nachts belästigte, haben wir geduldig den Hörer offen beiseite gelegt, bis die staatlichen Abhörer eine Adresse mehr in ihren Datenbeständen hatten.

Es verging fast ein ganzes Jahr ohne weitere Kontaktaufnahme, bis erneut unverhofft und plötzlich zwei ähnlich locker gekleidete Personen vor meinem Büro standen. Blaue Jeans scheinen ein Markenzeichen dieser Leute zu sein. Zweifelsohne waren es zwei andere Personen, und auch der Ausweis sah anders aus, denn dieses Mal kamen sie nicht vom Bund, sondern vom Bundesland Bremen. Die waren mehr als die Vorherigen an meinem Arbeitsplatz interessiert, aber sowohl unser Technikum als auch die Labore boten immer nur Techniken und Analysen für Wasser und Abwasser, und das schien selbst den Bremer Insidern dann doch nicht gefährlich genug, um mich allzu lange zu befragen. Es sei daran erinnert, dass damals sowohl mein Bruder als auch ich in dem Institut arbeiteten. Am Ende schilderte der eine Mitarbeiter mir auch noch ein persönliches Kalkproblem in seiner Hausleitung, wofür ich ihm einen Lösungsvorschlag unterbreitete. Mein abschließender Hinweis auf ihre Kollegen vom Bund, die ein Jahr zuvor zu Besuch waren, erweckte so etwas wie Verlegenheit. Wahrscheinlich gab es damals noch nicht die zentrale Datenerfassung, die es nach dem 11. September 2001 zumindest gegenüber Muslimen angeblich geben sollte, aber auch das scheint nicht immer einwandfrei funktioniert zu haben, wie mein Bruder Jahre später am eigenen Leib zu spüren bekam. Aber das erzählt er besser selbst. Er verließ die Universität Ende der 90er Jahre in Richtung freie Wirtschaft.

Viele Jahre später kam es – zumindest für wenige Wochen – dann doch zu einer Art “Minikooperation“ mit den Behörden, die aber im Fiasko endete. Doch dazu später mehr.

[1] Der Anführer der Gruppe wurde Jahre später wegen der Anstiftung zu einer Straftat festgenommen, verurteilt und die Gruppe in Deutschland verboten. Er hat seine Strafe in Deutschland abgesessen, und hatte politisches Asyl beantragt. Die wurde ihm nicht gewährt. Stattdessen wurde er 2004 in die Türkei abgeschoben, wo er zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

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