Der große Rufmord an Y. Özoguz
Sehr
viele Angriffe der pro-zionistischen Medien musste mein Bruder
schon ertragen und immer ging es gegen seine Person und seine
damalige Arbeitsstelle an der Universität Bremen, nie um die
Inhalte seiner Kritik gegen die Verbrechen Israels. Immer hat
man auch versucht, ihn von seiner Arbeit an der Universität
Bremen zu entfernen, doch bis 2005 ist es nie gelungen. Die
Universität stellte sich stets auf den Standpunkt, dass es die
Privatangelegenheit meines Bruders ist, da er seine
Privatansichten nicht mit seinem Beruf vermischte, zumal das
auch inhaltlich kaum denkbar war, arbeitete er doch als
Abwasserspezialist.
Doch das,
was ihm noch bevorstand, sollte alles Dagewesene bei weitem
übertreffen. Es ist auch ein Musterbeispiel dafür, wie in
Deutschland, welches sich selbst weltweit als Vorbild für
Meinungsfreiheit in einem Rechtsstaat aufspielt, mit Menschen
umgegangen wird, die eine andere Meinung vertreten. Die
täglichen Anklagen in den deutschen Medien bezüglich
angeblicher Missachtung von Meinungsfreiheit in anderen
Ländern werden so selbstbewusst vertreten, dass tatsächlich
viele Menschen in diesem aber auch insbesondere in anderen
Ländern glauben, dass man hier seine Meinung, sei diese auch
noch so konträr, ungestraft vertreten kann. Dies ist leider
ein absolut trügerisches und falsches Bild. Ich glaube sogar,
dass es hier viel schlimmer ist als in der früheren DDR. Es
gibt nur einen großen Unterschied. In der früheren DDR wussten
alle, dass man nicht öffentlich seine Meinung äußern konnte
und haben sich mit diesem Leben so arrangiert, dass Sie auch
in den Nachrichten zwischen den Zeilen lesen konnten. Hier
gibt es diese Fähigkeit nicht. Die Menschen glauben blindlings
was Ihnen vorgesetzt wird. Und vorgesetzt wird den Menschen
eine Einheitsmeinung von der Einheitspresse. Und diese
Einheitspresse hat sich Ihre Position als Meinungsmacher
allein durch finanzielle Mittel erkämpft. Eine andere Meinung
als die der Einheitspresse wird mit allen möglichen Mitteln
bekämpft. Der Mensch und seine Familie muss mit allen Mitteln
bekämpft und isoliert werden. Das ganze muss dann auch noch in
einem Licht erscheinen, dass angeblich alles rechtens ist. Die
Menschen, die noch in der DDR aufgewachsen sind, kennen das
schon. Ich glaube, dass das folgende Beispiel nur die Spitze
eines Eisberges der Verfolgung Andersdenkender in Deutschland
ist.
Es fing im Sommer im Forum des Muslim-Markt mit einer
Diskussion an, die von einem Teilnehmer hineingetragen wurde.
Er zitierte dort ständig aus den Büchern des sogenannte
Islamkritikers Hans-Peter Raddatz. “Islamkritiker“ ist
übrigens ein “Beruf“, für den man absolut nichts nachweisen
muss; ein “Beruf“, von dem es in den Medien nur so wimmelt.
Der Tenor der veröffentlichten Schriften war aus Sicht der
Muslime: Entweder schwört ein Muslim seinem Glauben ab oder er
müsste Deutschland verlassen, weil der Islam mit Demokratie
und Freiheit nicht vereinbar sei. Die Provokationen steigerten
sich in immer längeren Textpassagen aus den Büchern von
Raddatz. Fairerweise sei an dieser Stelle allerdings erwähnt,
dass der Zitierte wohl von diesen Vorgängen kaum etwas
mitbekommen haben dürfte. Die Diskussion endete, als mein
Bruder Yavuz auf eine altbewährte und bekannte islamische
Tradition zurück griff, die so genannte “Mubahala“, oder auf
Deutsch Selbstverfluchungsordal.
Mubahala
bedeutet "Flehen" zu Allah und bezieht sich auf folgenden Vers
aus dem Heiligen Qur´an:
„Und wenn
sich jemand mit dir über sie (die Wahrheit) streitet, nachdem
das Wissen zu dir (oh Muhammad) kam, so sprich: 'Kommt her,
lasst uns rufen unsere Söhne und eure Söhne unsere Frauen und
eure Frauen und unsere Seelen und eure Seelen. Als dann wollen
wir zu Allah flehen und mit Allahs Fluch die Lügner
bestrafen'.“
Damals
stritten die Christen von Nadschran mit dem Propheten Muhammad
(s.) über die Wahrheit. Es heißt, dass sie unter Führung von
Abdul Masih (Diener des Messias) zu Prophet Muhammad (s.)
gekommen waren und es einen Disput darüber gab, ob Jesus (a.)
der Sohn Gottes sei, was von Prophet Muhammad (s.) abgelehnt
wurde.
Als der
Prophet Muhammad (s.) sie dann zur Mubahala – dem
gegenseitigen Flehen und Beten zu ALLAH, wer recht hat, mit
anschließender Verwünschung des Lügners – einlud, kamen sie
mit 70 Personen, denn sie nahmen an, dass der Prophet Muhammad
(s.) mit vielen seiner Gefährten und Scharen von Muslimen
aufmarschieren würde. Ihre Hoffnung war dann als kleinere
Gruppe zumindest moralischer Sieger zu werden.
Er kam
aber ganz anders: Prophet Muhammad (s.) kam nur mit Ali,
Fatima, Hassan und Husain (Friede sei mit ihnen allen). Als
der Bischof der Christen diese großartigen Menschen sah, rief
er seine Gemeinde dazu auf, von der “Mubahala“ Abstand zu
nehmen, da er wusste, dass diese gesegneten Menschen recht
hatten und somit der Fluch Gottes über sie kommen würde, und
so verzichteten sie darauf, und es kam nicht zur Verwünschung.
In manchen Quellen heißt es, dass Abdul Masih darauf verwies,
dass falls jene fünf Menschen darum beten würden, dass ein
Berg sich versetzen möge, dieser es tun würde.
Das
Besondere an der Mubahala besteht darin, dass jede am Disput
beteiligte Partei für sich selbst die Verfluchung erfleht,
sollte sie im Unrecht sein. Somit wird ein irdisch nicht
lösbarer Konflikt auf das Jenseits und Gottesurteil (Ordal)
verlagert, weshalb der Begriff auch als
Selbstverfluchungsordal bezeichnet wird. Da die deutsche
Übersetzung aber den Begriff nicht hinreichend wiedergibt,
wird oft der eingedeutschte Begriff “Mubahala“ verwendet. Und
ausgehend von diesem Vorbild forderte mein Bruder im
Muslim-Forum sein Gegenüber auf, die Aufrichtigkeit seiner als
Hetze empfundenen Texte durch ein gemeinsames Gebet zu
bekräftigen. Yavuz schlug vor, falls der Schreiber aufrichtig
sei – er gab immerhin vor Christ zu sein – dass er einem
gemeinsamen Gebet einstimme, und ansonsten seine Hetze beende.
Sein Gebetsvorschlag im Wortlaut sollte später in vielen
deutschen Medien zitiert werden:
„Wenn der
Islam so ist, wie Herr Raddatz es immer wieder vorstellt, dann
möge der allmächtige Schöpfer alle Anhänger jener Religion
vernichten! Und wenn Herr Raddatz ein Hassprediger und Lügner
ist, dann möge der allmächtige Schöpfer ihn für seine
Verbrechen bestrafen und diejenigen, die trotz mehrfacher
Hinweise auf die verbreiteten Unwahrheiten von Raddatz immer
noch darauf bestehen, auch.“
Sein
Gegenüber ging auf jenen gemeinsamen Gebetsvorschlag nicht
ein, und damit hörte jene Diskussion zumindest im Muslim-Forum
auf. Was wir damals nicht wussten ist, dass erklärte
Muslim-Feinde sich an Hans-Peter Raddatz und das Fernsehen
wandten und behaupteten, dass es sich um einen “geheimen“
Mordaufruf handele. Ca. drei Monate später am 17. Oktober 2005
strahle das ARD- Fernsehmagazin Report Mainz des
Südwestrundfunks einen Beitrag über jene Veröffentlichung im
Muslim-Markt. Einige von Raddatz beauftragte sogenannte
Islamexperten kamen in ihren der Staatsanwaltschaft
zugeleiteten Schriften zu der Erkenntnis, dass die Erklärung
im Internet als verklausulierter Aufruf zum Mord zu verstehen
sei.
Bereits
am Abend der Ausstrahlung jenes Beitrages, es war ein
Montagabend, wusste ich, dass meine Widersacher dieses Mal
einen “Frontalangriff“ gestartet hatten. Sicher, ich hatte
weder offen noch verklausuliert zu irgendetwas aufgerufen,
geschweige denn zu einem Mord. Aber diese Report Mainz Sendung
hatte es in sich. Und wieder ging es nicht allein um
irgendeinen Sachverhalt, der von irgendwelchen “Experten“
bestätigt werden sollte. Wieder ging es in dem Beitrag auch
darum, dass ich in Deutschland gegen Israel an Demonstrationen
teilgenommen hatte. Über ein Jahrzehnt hatte ich als
Oberingenieur an der Universität Bremen gearbeitet und war ein
anerkannter und angesehener Mitarbeiter, weit über mein
eigenes Fachgebiet hinaus, aber jetzt wusste ich bereits am
Montagabend, dass diese Episode meines Lebens ein Ende nehmen
musste. Mir war zwar klar, dass ich die Angelegenheit
rechtlich überstehen könnte, denn es lag ja noch nicht einmal
eine Anklage gegen mich vor, so dass die Universität zunächst
auch keinerlei rechtliche Handhabe gegen mich haben würde,
aber darum ging es nicht.
Alle meine Vorgesetzten – vom Rektor bis
hin zu meinem eigenen direkten Institutsleiter – hatten mich
stets fair behandelt. Jetzt würde in den Nächsten Tagen eine
geballte Ladung der Mediendresche über sie herfallen, dass
auch der langmütigste Vorgesetzte das kaum unbeschadet
durchstehen könnte. Da ich den Schaden von meiner Familie
nicht mehr abwenden konnte, musste zumindest die Universität
geschützt werden, die Universität, die mich so viele Jahre
sehr fair behandelt hatte. Die Zeichen waren klar und
unmissverständlich. Es war Zeit, Abschied zu nehmen.
Bereits
am Abend der Sendung teilte mein Bruder der gesamten
Großfamilie – unsere Eltern waren auch anwesend – mit, dass er
tags darauf seine Arbeitsstelle kündigen werde. Wir versuchten
ihn zu beschwichtigen, dass er nichts Unüberlegtes tun soll.
Unsere Mutter – Gott habe sie selig – hat die Angelegenheit
eher für einen schlechten Scherz gehalten. Sie konnte sich
einfach nicht vorstellen, dass man ihrem Sohn so etwas
vorwerfen würde. Die nächsten Tage und vor allem Abende
sollten mit den unvorstellbarsten Flüchen vergehen, die eine
Mutter gegen so viele Menschen aussprechen konnte, und wir
mussten sie immer wieder beschwichtigen, sie, die sonst so
besonnen war. Das Ereignis hat sie möglicherweise mehr
getroffen, als alle anderen in der Familie. Sie dachte immer
so gut von allen Menschen, selbst von den Gegnern des Islam,
dass sie sich nicht vorstellen konnte, dass man so
hinterhältig und so gefühllos das Leben einer ganzen Familie
bewusst betrügerisch zerstören wollte und dabei auch die
Demontage einer eigenen Universität im Kauf nahm, nur und nur
um letztendlich Israel zu schützen. Der Hinweis anderer an
uns, dass die Frankfurter Buchmesse bevorstand und dass der
Zeitpunkt der Kampagne gut gewählt war, um Bücher von
sogenannten “Islamkritikern“ zu fördern, haben wir eher nur
nebenbei zur Kenntnis genommen. Mein Bruder aber war fest
entschlossen, seinen Job aufzugeben, doch es sollte noch
einige Tage dauern.
Am
Dienstag trat ich meine Arbeit mit einer Mail an sämtliche
Kollegen an, dass ich für die Report-Mainz-Angelegenheit
zunächst nicht zu sprechen bin. Ich bat alle Kollegen mir Zeit
zu geben, bis ich mit meinen Vorgesetzten gesprochen hatte;
danach würde ich für alle Kollegen und für alle Fragen Rede
und Antwort stehen. Die Stimmung im Institut war sichtlich
gedrückt, aber ich musste zunächst meine Kündigung klären.
Dabei wollte ich einen fairen Abgang, was für mich bedeutete,
dass ich die seit fast zwei Jahren aufgetürmten
Urlaubsansprüche nicht verliere (die Arbeit ließ es nicht zu,
dass ich vorher Urlaub nahm) und dass mein Weggang für das
Institut zu keinen zu großen Nachteil führt, so dass
schnellstmöglich ein Nachfolger eingestellt werden kann.
Doch sollte sich die Kündigung als
äußerst schwierig darstellen. Mein direkter Vorgesetzte – der
Leiter des Instituts, an dem ich arbeitete – war im Urlaub und
telefonisch nicht erreichbar, und der Rektor der Universität
ließ durch seine Sekretärin stets mitteilen, dass er mich
baldestmöglichst zurückrufen werde, aber er tat es nicht. Es
waren wohl die längsten und schwierigsten Tage in meinem
Leben. Die Pressestelle der Universität wurde überrannt mit
Anrufen aus der ganzen Welt bis sogar aus Japan. Die
pro-israelischen Medien machten mich am nächsten Tag zum
Monster auf zwei Beinen, und mir waren die Hände gebunden und
ich konnte nichts machen. Die Abende verbrachten wir im
Großfamilienkreis und studierten die Medien. Lauter Experten
meldeten sich zu Wort und wussten meine “geheime“ Botschaft zu
deuten. Tauchte einmal ein Experte auf, der anders urteilte –
darunter auch ein gewisser Prof. Steinbach – fand das großes
Interesse in der ganzen Familie. Aber letztendlich gingen jene
wenigen kritischen Stimmen unter im medialen “hängt ihn“ unter
und der Rufmord hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Selbst der
Bundesinnenminister wurde von Tageschaujournalisten auf den
“Fall“ angesprochen. Aber auch wenn die Medien mich schon
verurteilt hatten, so lag rechtlich nichts gegen mich vor.
Es war
aber schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn wir morgens gemeinsam
das Haus verließen. Am Ende unserer Sackgasse stand jeden
Morgen ein Fahrzeug, das in dem Moment, in dem wir das Haus
verließen, die Scheinwerfer einschaltete und uns “bestrahlte“.
Wir wissen nicht, wer in dem Fahrzeug saß, aber es würde mich
nicht wundern, wenn unser besagter “zuständiger“
Polizeibeamter Meyer darunter war.
Endlich,
am Donnerstagmorgen, erhielt ich einen Anruf vom Rektorat,
dass ich einen Termin beim Rektor erhalten sollte. Der Rektor
empfing mich sehr höflich in Anwesenheit des Leiters der
Rechtsabteilung. In einer sehr fairen Atmosphäre konnte ich
ihm die Geschehnisse aus meiner Sicht darlegen. Der Rektor
kannte mich noch von einem früheren Forschungsverbundprojekt,
an dem er beteiligt war und welches ich koordiniert hatte.
Allein von jener Zeit her schätzte er zumindest meine
wissenschaftliche Arbeit und auch mein menschliches Auftreten,
so dass die “Berichte“ der Medien bei ihm nicht ganz so viel
Schaden anrichten konnten wie bei jenen, die mich nicht
kannten. Am Ende meiner detaillierten Darlegung eröffnete ich
ihm meine Kündigungsabsicht und den Wunsch, die Trennung fair
zu gestalten. Ich bot an, dass wir noch am selben Tag eine
entsprechende Pressemitteilung herausgeben könnten, und die
Universität dann aus dem Schussfeld herausgenommen werden
würde. Der Rektor hörte sich das Angebot an und bat mich,
zurück in mein Büro zu gehen, um ihm Bedenkzeit zu geben. Jene
Bedenkzeit wollte er wohl auch dazu nutzen, irgendwie Kontakt
mit meinem direkten Vorgesetzten aufzubauen.
Am frühen Nachmittag erhielt ich
telefonisch das OK. Sofort unterschrieb ich meine
vorgefertigte Kündigung, lief zur Rechtsstelle und übergab sie
persönlich. Um ca. 15:00 Uhr gab die Pressestelle eine
entsprechende Nachricht an die Medien, und ca. 16:00 stand es
in fast allen Tickern. In der harmlosesten Variante hieß die
Nachricht “Deutscher Islamist gibt auf“. Damit war die
Angelegenheit für mich sozusagen “bereinigt“. Ich lud alle
Kollegen für den späten Nachmittag zu einer Gesprächsrunde
ein, bei der ich Ihnen meine Kündigung mitteilte und ihnen die
Gelegenheit eröffnete, mich alles zu fragen. Es gab aber wenig
zu fragen. Nachdem sie den Fernseh-Schock überwunden hatten,
war das der nächste Schock. Damit hatten sie nicht gerechnet.
Bei aller Kritik an meiner politischen Einstellung, die manche
hatten, schätzen doch alle meinen Ratschlag in schwierigen
Situationen und arbeiteten letztendlich gerne mit mir
zusammen. Und obwohl ich theoretisch ein Vorgesetzter war,
behandelte ich alle wie gleichberechtigte Kollegen und das
wurde sehr geschätzt. Doch das sollte jetzt ein Ende haben.
Eigentlich fragte niemand irgendetwas Wesentliches. Der
einzige Einwand, den ich vernahm, war von einem ebenfalls für
seine Sachlichkeit bekannten technischen Mitarbeiter, der
meinte, dass doch rechtlich nichts gegen mich vorliegen würde
und ich zu überhastet gehandelt hätte. Wie dem auch sei, ich
hatte diesen “Brocken“ auf meinem Herzen abwerfen können –
Gott sei dank – und fuhr erleichterten Herzens nach hause.
Das
“Timing“ unseres Schöpfers ist immer wieder hinreißend und
faszinierend zugleich. Drei Tage musste Yavuz warten, bis er
endlich kündigen konnte, und jene Meldung wurde erst am späten
Nachmittag über die Medien verbreitet. Am gleichen Abend
erschien eine Meldung im Internet, die uns allesamt
überraschte: Das Bundeskriminalamt (BKA) entlastet “deutschen
Islamisten“ – es war kein Mordaufruf. Zwei Experten des BKA,
dem man nun sicherlich nicht nachsagen konnte, pro-islamisch
zu sein, hatten ein Gutachten veröffentlicht, in dem
verdeutlicht wurde, dass der Text, um den es ging, eben keine
Straftat darstellte. Man stelle sich nur vor, der Text wäre
etwas früher gekommen, oder der Rektor hätte meinen Bruder
etwas später empfangen; möglicherweise wäre es dann nie zu
einer Kündigung gekommen.
Die wohl rührendste Szene der gesamten Ereignisse folgte in
diesem Moment. Ich druckte jene Entlastungsmeldung aus,
drückte sie voller Freude meiner damals zehnjährigen Tochter
in die Hand und sagte ihr, sie soll zu ihrem Onkel in die
untere Wohnung laufen und ihm sagen, dass er “entlastet“ ist.
Plötzlich
kam meine Nichte im Vollspurt die Treppe heruntergerast und
rief mir zu “Amdscha, Amdscha“ (obwohl wir uns meist
nur deutsch unterhalten, rufen mich meine Nichten in Türkisch
“Onkel“ (Amdscha). „Amdscha, Amdscha, Du bist entlastet“.
Ich nahm den Bericht in die Hand, las ihn mehrmals und konnte
es kaum glauben. Das Strahlen des Gesichtes meiner Nichte war
aber noch viel schöner als der Bericht. Die Freude sprang ihr
förmlich aus den Augen. Daher fragte ich sie ganz vorsichtig:
„Weißt Du denn, was “entlastet“ bedeutet?“ Sie schaute
zurück, strahlte weiter, und sagte „nein“. Ihr war
egal, was das bedeutete. Sie hatte einfach nur gespürt, dass
sich ihr Vater gefreut hat und freute sich auch darüber, mir
eine Freude machen zu können.
Während der Tage ist natürlich viel mehr
passiert. Und vieles kann man aus meiner Danksagung entnehmen,
die ich dann am Montag im Muslim-Markt verfasst habe:
Sehr geehrte Leser des Muslim-Markt,
liebe Freunde, verehrte Geschwister im Islam,
der Friede Gottes sei mit Ihnen allen.
Ich weiß, dass alle Leser seit Tagen
geduldig auf meine persönliche Reaktion zu den aktuellen
Ereignissen warten, und ich entschuldige mich im Voraus, dass
ich Sie so lange habe warten lassen. Es war mir vorher nicht
möglich Ihnen zu schreiben. Nachdem die ARD-Sendung "Report
Mainz" am letzten Montag einen aus meiner Sicht gut
durchdachten und exzellent ausgeführten Rufmord an meiner
Person ausgeübt hat, waren meine Familie und ich dermaßen
eingebunden in die Schadensabwehr, dass der Muslim-Markt nur
noch in einer Art "Notbetrieb" aufrecht erhalten wurde.
Bereits in der Nacht zum Dienstag
unmittelbar nach der Ausstrahlung in der ARD stand für mich
fest, dass ich den Schaden für die Universität Bremen als
meinen Arbeitgeber, in diesem Fall nur noch durch eine
kurzfristige Kündigung vermindern kann. Die Universität Bremen
hat mich 16 Jahre lang mehr als fair behandelt, und es war ein
Gebot des Anstandes, dass ich jetzt so schnell wie nur
irgend möglich mich für diese Fairness bedanke.
Bedauerlicherweise befand sich mein direkter Vorgesetzter im
wohl verdienten Erholungsurlaub (dem ich ihm durchweg vermiest
haben dürfte), und der Rektor einer solch großen Universität
hat einen extrem vollen Terminkalender, so dass ich erst am
Donnerstag einen Termin erhalten konnte. Nach dem
wahrgenommenen Termin habe ich von mir aus gekündigt, und
hoffe nunmehr, weiteren Schaden von der Universität und dem
Institut abwenden zu können.
Auch im privaten Bereich war das
gesamte Muslim-Markt-Team fast völlig lahm gelegt. Hunderte
von Mails aus allen Richtungen, darunter detaillierte
Schilderungen, was man mit meiner Frau und meinen Kindern vor
meinen Augen alles machen wolle, mehrere unaufhörlich
klingende Telefone, Journalisten, die zu Besuch kamen, und
vieles andere mehr haben unsere Zeit sehr beansprucht.
Jetzt aber, so hoffe ich, wird wieder
ein wenig mehr Besonnenheit einkehren, so dass wir uns in
aller Liebe auf die bevorstehenden heiligen Nächte am Ende des
Monats Ramadan vorbereiten können. Daher empfinde ich es an
der Zeit, mich im Namen des gesamten Muslim-Markt-Teams, aber
insbesondere auch in meinem eigenen Namen bei so vielen
Menschen zu bedanken und mich bei denen zu entschuldigen, die
ich verletzt habe. Alle Dankbarkeit gebührt dem Herrn der
Welten, und er ist es, der uns dazu auffordert, sich in Seinem
Namen bei denen zu bedanken, die jenen beistehen, die der
Hilfe bedürfen.
Ich danke von ganzem Herzen den
unzähligen Glaubensgeschwistern wie auch Christen, Juden und
solchen, die glauben Atheist zu sein, die sich dieser Tage so
sehr für mich öffentlich oder im Hintergrund eingesetzt haben,
die Trost gespendet haben, und den vielen, die für uns gebetet
haben! Die Ereignisse waren wie ein Miniaturspiegelbild der
erwarteten Erlösung, wie sie in den islamischen Prophezeiungen
beschrieben steht. Ausdrücklich bedanken möchte ich mich an
dieser Stelle bei Thomas Immanuel Steinberg, dessen Großeltern
im KZ Auschwitz ermordet wurden und den israelischem
Friedensaktivisten Shraga Elam. Während Ersterer sich in
seinen eigenen Publikationen zum Fall extrem weit hervorgewagt
hat, und dadurch sicherlich hinreichend Zorn auf sich selbst
gezogen haben dürfte, hat der Zweite mir Gebete des Judentums
erläutert, die von Sensationsjournalisten viel übler
misinterpretiert werden könnten, obwohl sie ebenfalls nur
jenseitig gemeint sind. Ich habe sie nur deshalb nie erwähnt,
weil ich einen Missbrauch jener Gebete gegen das Judentum
verhindern will. Ich weiß, dass beide Genannten die
namentliche Erwähnung in dieser Danksagung unbeschadet
überstehen werden, so dass es mir ein Herzenswunsch ist, sie
zu nennen.
Genau so bedanken möchte ich mich bei
einem katholischen Chefredakteur einer deutschen Zeitschrift,
der durch seine intensiven Recherchen und das zur Verfügung
gestellt Material versucht hat, mir beizustehen und meiner
Familie persönlichen Trost gespendet hat, sowie einem
protestantischen Arbeitskollegen, der mir tagtäglich seine
direkte Anteilnahme unmissverständlich verdeutlicht hat. Beide
haben meine Familie und mich in ihre Gebete eingeschlossen,
und ich erwähne sie nur deshalb nicht namentlich, um sie und
ihre Familien zu schützen, obwohl es mir ein Herzenswunsch
wäre, sie zu erwähnen.
Daneben gab es unzählige Versender von
Newslettern und weitere Betreiber, von teilweise sehr
bekannten Internetseiten, die ich teilweise gar nicht oder
kaum kenne, die sich für uns eingesetzt haben, indem sie auf
geeignete Artikel verwiesen oder eigene Texte versendet und
publiziert haben. Ihnen allen sei Dank.
Ich nutze die Gelegenheit, um mich bei
einem Islamischen Dachverband zu entschuldigen, der sich
möglicherweise durch die Berichterstattung gekränkt sah: Der
Muslim-Markt hat niemals behauptet, die größte oder
meistbesuchte deutschsprachige muslimische Internetseite zu
sein und wird dieses auch niemals tun! Es ist ausschließlich
dem Sensationsjournalismus zu verdanken, dass sie ihre eigenen
Meldungen über den Muslim-Markt dadurch versuchen aufzuwerten,
indem sie ihm eine übertriebene Bedeutung zumessen.
Ich bedanke mich bei allen Muslimen,
die trotz intensiver Aufrufe in der Presse, sich vom
Muslim-Markt zu distanzieren, sich nicht haben einschüchtern
lassen und uns ihre Solidarität bekundet haben.
Ich bedanke mich beim
Bundeskriminalamt (BKA), dass offensichtlich in einer
unglaublich kurzen Zeit ein Gutachten erstellt hat, dass zu
meiner Entlastung führt, was sicherlich nicht
selbstverständlich ist. Ich entschuldige mich bei den
beteiligten Staatsanwaltschaften, dass ihnen durch mich
unnötig zusätzliche Arbeit entstanden ist. Ich danke meiner
Anwältin und meinem Anwalt für die sachkompetente Beratung und
Unterstützung.
Ausdrücklich und intensiv bedanke ich
mich bei der Universität Bremen für das entgegengebrachte
Vertrauen in 16 Jahren und die wissenschaftlichen und
fachlichen Möglichkeiten, die mir hier geboten wurden. Mein
Dank gilt zuallererst Prof. Dr.-Ing. habil. Räbiger, dem
Leiter des Instituts für Umweltverfahrenstechnik, für die
herausragende Menschlichkeit in schwierigen persönlichen
Zeiten, sowie dem Rektorat, der Pressestelle und der
Rechtsstelle, die mich allesamt zu jeder Zeit sehr fair
behandelt haben, sowie jenen Kollegen, deren Zweifel an mir
dieser Tage nicht zu groß geworden sind. Bei denjenigen, die
sich dem äußeren Druck nicht entziehen konnten, entschuldige
ich mich für den Ärger, den ich ihnen bereitet habe.
Ich bedanke mich recht herzlich bei
all den Nachbarn, die in solchen Krisenzeiten immer wieder ihr
wahres Gesicht der gutnachbarlichen und warnherzig
freundschaftlichen Beziehung zeigen und sich nicht scheuen,
Solidarität zu bekunden.
Mein großer Dank gilt den unzähligen
Glaubensgeschwistern von jung bis als, die sich dieser Tage
und Nächte so intensiv für uns eingesetzt und für uns gebetet
haben. Ich schäme mich dafür, ihnen diesen Einsatz niemals
vergelten zu können. Ich weiß aber, dass Sie es um Gottes
Willen getan haben und Er der beste Vergelter ist! Darunter
sind so gutherzige Menschen, die ich als meine Vorbilder
betrachte, und so viele Jungendliche, die mit ihren so jungen
fastenden Herzen so viel Nähe gezeigt haben. Darunter sind
sehr neue Muslime, für die solche Ereignisse eine zusätzliche
Belastung darstellen, die sie so meisterlich bewältigt haben
und so viele andere mehr.
Mein abschließender Dank gilt meiner
gesamten Familie, die dieser Tage in einer unglaublich
aufopferungsvollen Art und Weise mich in jeder Hinsicht
unterstützt und nach besten Möglichkeiten entlastet haben.
Insbesondere danke ich meinen Eltern die mir in hohem Alter
und trotzt Meinungsunterschieden in Detailfragen von Religion
und Politik uneingeschränkte Unterstützung gewährt haben und
auch in einer möglicherweise schwierigeren Zukunft immer zu
mir stehen wollen. Und ebenfalls intensiv danke ich meiner
lieben Ehefrau, die mir dieser Tage in jeder Hinsicht eine
sehr große Stütze war, meinem Bruder für seinen bis an die
Grenzen der Belastbarkeit gehenden Einsatz und ebenfalls
meiner Schwägerin für die so liebe Hilfe, allen Kindern und
Jugendlichen des Hauses für ihre immense Unterstützung je nach
Alter. Die gemeinsamen Gebete dieser Tage waren intensiver und
schöner als je zuvor.
Ich weiß, dass ich noch viele
unerwähnt gelassen habe, sei es aus meiner Vergesslichkeit
oder sei es, weil ich von Ihrem Einsatz noch gar nicht gehört
habe; bei allen bedanke ich mich für ihre Unterstützung von
ganzem Herzen.
Ich bete zum Allmächtigen und zur
Quelle aller Liebe, dem Barmherzigsten aller Barmherzigkeit,
dass er Sie alle aus Seiner unerschöpflichen Quelle der Liebe
reichlich lohnen möge und mir vergebe, dass ich Ihnen meinen
Dank nur in dieser einfachen unpersönlichen Form zukommen
lassen kann.
All denjenigen, die sich jetzt um
meine Zukunft sorgen und nachfragen, was ich denn nach einer
geordneten Übergabe aller meiner Arbeiten beruflich tun werde,
kann ich derzeit noch keine konkreten Pläne nennen, denn in
solch kurzer Zeit kann keine neue Lebensplanung nach einem
16-jährigen Lebensabschnitt aufgestellt werden. Aber wir alle
seien daran erinnert: Warum sollte der Allmächtige, der mich
46 Jahre lang mehr als reichhaltig und in jeder Hinsicht so
enorm großzügig versorgt hat, mich nicht auch weiterhin
versorgen?
Gottes Frieden und Segen sei mit Ihnen
allen ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen einen gesegneten
Verlauf der heiligsten Zeit in diesem heiligen Monat.
Ihr Dr. Yavuz Özoguz
Wenige Wochen darauf folgte in der
nächsten Report-Mainz-Sendung ein Frontalangriff gegen das
Gutachten des Bundeskriminalamtes. Der zuständige Staatsanwalt
hörte mit seinen “Ermittlungen“ nicht auf und erhob im März
2006 Anklage gegen mich. Diese wurde aber vom Landgericht
Oldenburg durch Beschluss vom 2. August 2006 zurück gewiesen.
Die Eröffnung eines Hauptverfahrens wurde abgelehnt. In der
Ablehnung wurde insbesondere der Charakter der Gutachten, auf
die sich die Anklage stützte, hinterfragt. Das war auch kein
Wunder, zumal einer der Gutachter beispielsweise den Heiligen
Qur´an mit Hitlers “Mein Kampf“ verglichen hat.
Der Staatsanwalt war mit der Entscheidung
des Gerichtes nicht einverstanden und so musste sich auch noch
das Oberlandesgericht Oldenburg mit dem Fall beschäftigen. Die
aber bestätigten die Vorinstanz. Doch das führte ganz und gar
nicht dazu, dass der Staatsanwalt uns daraufhin in Ruhe ließ.
Was dann folgen sollte, empfanden wir fast wie eine Treibjagd.
Doch zunächst waren einige Dinge zu
klären. Im Raum stand die Frage, wie es mit mir beruflich
weiter gehen sollte. Außerdem war da immer noch dieses
BKA-Gutachten, das an meiner bis zu dem Zeitpunkt
praktizierten strikten Kooperationsablehnung nagte. Sie hätten
mich so problemlos gegen die Wand fahren lassen können. Die
Medienstimmung war so aufgeheizt, dass einige Jahre Gefängnis
durchaus möglich gewesen wären. Aber sie haben es nicht getan;
warum? Diese Fragestellung sollte später zu einer
Kurzzeitkooperation führen, die dann aber letztendlich in
einem Fiasko enden sollte. Doch zunächst musste ich meine
religiöse Pflicht erfüllen und den Lebensunterhalt meiner
Familie sichern. Die Türen, die sich dafür öffneten, hätte ich
mir zuvor nicht einmal im Traum vorstellen können.