Islam und Volkstum
Heute überschatten die
Symptome eines Minderwertigkeitskomplexes wegen der
abendländischen industriellen Überlegenheit und ihrer
tödlichen Folgen das ganze Leben der östlichen Völker. Mancher
Muslim ist so von westlichen Ideen erfüllt, das er alles durch
eine westliche Brille anschauen möchte, weil er meint, der
Fortschritt verlange in Sitte und Moral, Gesetzen und
Gesetzgebung eine Kopie westlicher Machart. Diese vollständige
Kapitulation schweißt den Ring der Sklaverei in unseren
Ohren. Wir breiten den roten Teppich unserer Selbstachtung,
unseres materiellen und moralischen Reichtums, unseres
religiösen und nationalen Erbes an Gesittung ihnen vor die
Füße. Das ist’s, was die Kraft der muslimischen Völker
anzapft, körperlich wie geistig. Muslime sind sie vielleicht,
aber sie haben die islamische Denkweise eingebußt, ihre
muslimische Sehweise gegenüber den Weltereignissen abgelegt,
sich dem Glauben und der Kultur des Islam entfremdet und
wollen jegliche muslimische Verhaltensweise verwestlichen. Die
größten Probleme der Menschheit kann man aber nicht im
Laboratorium lösen.
Soll ausländischer Druck uns
daran hindern, dass wir unseren Platz in der Karawane der
Zivilisation einnehmen? Stellen wir uns vor, wir folgten weder
der kapitalistischen noch der kommunistischen Spur. Nehmen wir
an, es herrsche vollkommene soziale Gerechtigkeit bei uns und
gewinne uns die Achtung der Welt, stelle unser
althergebrachtes Prestige unter den Regierungen der Völker
wieder her. Könnte dies uns und die Menschheit nicht vor
weiteren Kriegsschrecken bewahren?
Warum lassen wir nicht zu,
dass die Gesetze und Vorschriften unserer Religion unsere
internen Probleme lösen? Wenn uns aber das davor bewahren
kann, den Sitz eines Bettlers an der Tafel der Menschheit
einzunehmen und wir stattdessen die Meisterwürde in jenem
Hause zum Wohle aller übertragen bekämen, wäre das etwas
Geringes? Kann ein reicher und großmütiger Geber zum Bettler
werden? Kann ein Mann, der zum Befehlen geboren wurde,
unterwürfig werden, katzbuckeln, kriechen wie ein Untergebener
und sein Recht aufgeben, diejenige Strafe zu wählen, die er
als die richtige kennt?
Unsere überkommenen Schätze
haben der Menschheit in der Vergangenheit Segen gebracht.
Weder der Westen noch der Osten wagen es, diesen Tatbestand zu
ignorieren und uns als rückständig und hilflos zu verachten,
so sehr sie auch bestrebt sind, unser Selbstvertrauen zu
verwirren und unsere Hoffnung zu entmutigen, so das wir ihnen
leicht zum Opfer fallen. Unsere lange Erfahrung über
dreitausend Jahre Geschichte hat uns müde gemacht. Hier und
dort haben wir uns jahrhundertlang Verhaltens- und Denkweisen,
Gesetze, Gepflogenheiten herausgepflückt und in wahllosen
Zusammenstellungen übergestreift, so das wir uns eher zu
lächerlichen Karnevalsfiguren gemacht haben als zu den
angesehenen Persönlichkeiten, die wir sein sollten, die ihre
eigene nationale Tracht mit Auszeichnung tragen und ihre
Nationalgerichte mit bewusster Würde verzehren.
Nehmen Sie unsere
gegenwärtige Verfassung. Zuerst schrieben wir französische
Vorbilder ab; dann kamen welche aus anderen europäischen
Nationen hinzu; bei jeder Gelegenheit suchten wir, wenn der
Ruf nach neuen Gesetzen ertönte, unser Vorbild an anderer
Stelle, so das es einen endlosen Konflikt gab zwischen dem
Geist der Gesetze, den wir von auswärts borgten, und dem
nationalen Geist, für den Gesetze schließlich gemacht werden.
Im Ergebnis gewinnt ein Gesetzesübertreter in jeder Weise
nationales Renommee; man huldigt und hilft ihm in jeder Weise.
Warum? Weil es etwa die Gemeinschaft nicht besser kennt? Nein!
Denn die Gebildeten befolgen die Gesetze nicht. Nein, es ist
der Widerspruch zwischen dem Volksgeist und den erborgten
Gesetzen, die in keiner Beziehung stehen zu den sozialen
Erfordernissen, historischen Voraussetzungen, dem
Volksbewusstsein, den persönlichen Überzeugungen, welche in
einer Umgebung entstanden, die dem Geist unseres Volkes völlig
fremd ist. Jedes ausgeliehene Gesetz entstammte einer
Lebensgemeinschaft mit eigener Geschichte, Religion,
Bedürfnissen und Besonderheiten. Und dabei kann keines von
ihnen dem eigenen Volk eine völlig positive Antwort erteilen,
wie fortwährende Rebellionen erweisen.
Prof. Hocking von Harvard
schreibt in „Spirit of World Politics“: „Die islamischen
Länder werden nicht vorankommen, wenn sie einfach westliche
Anordnungen und Wertbegriffe übernehmen. Kann der Islam neue
Denkweisen, eigene Gesetze und sachdienliche Bestimmungen
hervorbringen, die zu den neuen Erfordernissen einer modernen
Gesellschaft passen? Ja - und mehr als das! Der Islam bietet
der Menschheit größere Möglichkeiten für ein Vorankommen als
andere. Was ihm fehlt, ist nicht das Können, sondern der
Wille, Gebrauch davon zu machen. In Wirklichkeit enthält der
Shar’ia (siehe Glossar) alle dazu notwendigen Bestandteile.“
Die iranische überregionale
Tageszeitung „Keyhan“ berichtete am 14. Dey 1345: „Gestern,
am Jahrestag des Martyriums Imam Alis (a.), praktizierte ganz
Teheran die Gebote des Islam 100%. Resultat: keine
Verbrechen; Gerichte ohne Arbeit; keine Mordfälle; keine
Profanierungen; kein Kräuseln der friedlichen Oberfläche.
Bezirksvorsteher und Polizei von keinerlei Anrufen behelligt;
selbst Familiengezänk zu Hause aus Verehrung für den „Fürsten
der Gläubigen“, den Märtyrer, rasch zum Schweigen gebracht.“
Der persische Reader’s
Digest, Jahrgang 25, Nr. 35, erhärtete das: „Die Anzahl der
Getöteten in den Leichenhallen von Teheran betrug letztes Jahr
(zur Schahzeit) im Tagesdurchschnitt sechs - weniger natürlich
an religiösen Feiertagen, mehr an einigen anderen Tagen. Am
Jahrestag (13. Dey) von AIis Martyrium in der vorigen Woche
herrschte völliger Friede, ein Beweis für die anhaltende
Kraft religiöser Überzeugung und für die Ruhe und Vernunft,
die eine´ Gesellschaft an den Tagen erreicht, wo der Verkauf
von Alkohol verboten ist und die Vergnügungshäuser geschlossen
bleiben.“
Das kommt dabei heraus, wenn
Muslime die Gebote ihrer Religion 24 Stunden lang einhalten.
Könnte eine einzige Stadt im Westen wahrend 24 Stunden, ja nur
60 Minuten, keinen einzigen Zwischenfall, keinen Diebstahl
oder Mord melden? Wann wird die Menschheit das reife
Erwachsensein erreichen, die einfache Lehre begreifen, die so
leicht zu äußerem und zu innerem Frieden und der Eintracht
führt, die wir uns alle wünschen? Es käme einer unerwarteten
glücklichen Entdeckung gleich, in den Worten des Dichters:
„Rund um den Erdball schweifte ich, den Himmel suchend,
Kam heim und fand: mein
Himmel war zu Hause.“