Warum werden Produktionsmittel nicht am Gewinn beteiligt?
Wir müssen uns noch einer letzten Frage
stellen, welche die Bestimmungen aus dem Überbau über die
Gewinnbeteiligung betrifft. Wir wollen diese Frage mit einer
Zusammenfassung unserer bisher gewonnenen Erkenntnisse
vorbereiten. So erfuhren wir, dass die Theorie des Islam über
die Verteilung “dessen, was nach der Produktion existiert“,
Einkünfte nur auf der Grundlage “aufgewendeter Arbeit“
erlaubt, und dass es zwei Arten von “aufgewendeter Arbeit“
gibt, nämlich direkte Arbeit, die gleichzeitig geleistet und
“aufgewendet“ wird, wie die Arbeit eines Lohnarbeiters, und
“losgelöste“, gespeicherte Arbeit, die zu einem früheren
Zeitpunkt geleistet wurde, und “aufgewendet“ wird, während ein
Mieter das Objekt, in dem sie gespeichert ist, benutzt, wie
die in einem Haus oder einem Produktionsgerät gespeicherte
Arbeit, die “aufgewendet“ und verbraucht wird, während ein
Mieter darin wohnt, bzw. es benutzt. Wir erfuhren weiterhin,
dass das Eigentum an Geldkapital keine Einkunftsquelle sein
darf und daher die Kreditvergabe gegen Zinsen verboten ist,
weil Zinsen nicht auf “aufgewendeter Arbeit“ beruhen, und wir
konnten sämtliche Arten von feststehenden Gebühren erfassen,
sowohl die zulässigen, wie die Mietgebühr für ein Haus, als
auch die verbotenen, wie die Kapitalzinsen, und darauf mit
Erfolg das besagte Prinzip in seiner positiven und negativen
Bedeutung anwenden. Aber wir haben bisher kein Wort zur
Erklärung der nicht feststehenden Gebühren und Löhne gesagt,
die im Überbau vorgestellt wurden, und damit meine ich die
Beteiligung am Gewinn und die Verknüpfung des Einkommens mit
den Ergebnissen der Tätigkeit, ob Gewinn oder Verlust. So
erhält der Agent bei einem
Kapitalbeteiligungsvertrag [mudaraba] keinen
feststehenden Lohn, den er auf jeden Fall vom Kapitaleigner
verlangen kann, sondern er wird Teilhaber am Gewinn, und sein
Einkommen wird entsprechend den Ergebnissen seiner Tätigkeit
begrenzt bzw. ausgedehnt. Ebenso verhält es sich mit dem
Arbeiter bei einem Pachtvertrag [mudhara'a]
oder
Agrarpartnerschaftsvertrag [musaqat], dem
Einkünfte auf der Basis von Gewinn- oder Ertragsbeteiligung
gestattet sind, wie das aus den Abschnitten 3), 6), und 8)
hervorging, und daher sagten wir zu Beginn der nachfolgenden
systematischen Untersuchung, dass für Arbeit zwei Arten von
Einkommen bezogen werden dürfen, entweder ein Lohn, oder eine
Gewinnbeteiligung. Ebenso ist es auch dem Besitzer von
Handelskapital bei einem
Kapitalbeteiligungsvertrag [mudaraba], dem
Landbesitzer bei einem Pachtvertrag
[mudhara'a], und dem Besitzer von Bäumen und
Schösslingen bei einen
Agrarpartnerschaft-Vertrag [musaqat]
jeweils gestattet, auf der Grundlage seiner
Gewinnbeteiligung Einkünfte zu beziehen. Jeder von ihnen
bekommt seinen Anteil vom Gewinn, so wie er in jenen Verträgen
vereinbart wurde, wie aus den eben erwähnten Abschnitten
hervorgeht.
Im Gegensatz dazu sind Produktionsgeräte
von einer Beteiligung am Gewinn ausgeschlossen, und das
islamische Recht [scharia] erlaubt kein
Einkommen auf dieser Grundlage, sondern gibt ihren Besitzern
lediglich die Möglichkeit von Einkommen auf der Grundlage
feststehender Mietgebühren. Wer also Eigentümer eines
Produktionsgerätes ist, kann es nicht einem Arbeiter mit der
Auflage überlassen, dass er am Ertrag oder am Gewinn beteiligt
wird, wie es aus dem Abschnitt 11) des Überbaus hervorgeht, wo
es heißt, dass jemand, dem ein Fischernetz oder sonst
irgendein Gerät gehört, es nicht einem Arbeiter mit der
Auflage, an dem Fang beteiligt zu werden, zur Verfügung
stellen darf, dass also dem Arbeiter, wenn er etwas fängt, der
ganze Fang gehört, während dem Besitzer des Netzes nichts
davon zusteht.
Dieses sind auffällige Merkmale, die sich
an den im Überbau angeführten islamischen Bestimmungen
eindeutig feststellen lassen, und wir sind es der Untersuchung
schuldig, im Zusammenhang damit die folgenden Fragen
aufzuwerfen: Warum ist der Arbeit ein Einkommen auf der
Grundlage von Gewinnbeteiligung gestattet, aber nicht den
Produktionsgeräten? Und warum werden die Besitzer von
Produktionsgeräten von dieser Art von Einkünften
ausgeschlossen, während die Besitzer von Handelskapital, Land
oder Bäume die Möglichkeit haben, solche zu beziehen?
Tatsächlich hat die unterschiedliche Bewertung von Arbeit und
Produktionsgeräten, die dafür verantwortlich ist, dass es der
Arbeit, aber nicht den Produktionsmitteln erlaubt ist, an dem
Ertrag beteiligt zu werden, ihren Ursprung in der Theorie der
Verteilung “dessen, was vor der Produktion existiert“. Wir
erfuhren bei der Untersuchung dieser Theorie, dass die Arbeit
– die Ausführung von Tätigkeiten der Nutzung und Ausbeutung –
die allgemeine Vorbedingung für persönliche Rechte an “rohen“
natürlichen Reichtümern ist, und dass es vom Standpunkt der
wirtschaftlichen Ideologie des Islam her keine andere Ursache
für das Eigentum oder den Erwerb eines persönlichen Rechts an
solchen Gütern gibt. Wir erfuhren ebenfalls, dass das
persönliche Recht, welches der Einzelne an natürlichen
Reichtümern durch die Ausübung von Arbeit erwirbt, bestehen
bleibt, solange die Arbeit, auf der sich das Recht begründet,
noch Auswirkungen zeigt. Unter diesen Umständen kann eine
andere Person nicht durch Aufwendung weiterer Arbeit daran ein
besonderes Anrecht auf solche Güter erwerben, was im
Zusammenhang mit der Theorie der Verteilung “dessen, was vor
der Produktion existiert“, in aller Ausführlichkeit dargelegt
wurde. Das bedeutet aber nicht, dass sich die neue Arbeit
ihrer Natur nach von der ersteren Arbeit unterscheiden würde,
sondern beide gelten jeweils für sich als ausreichende
Bedingung dafür, dass dem Arbeiter der Grundstoff, den er
bearbeitet, gehören würde, nur dass die neue Arbeit deshalb
nicht eine solche Auswirkung hat, weil der zeitliche Vorrang
der ersten Arbeit, die bereits vorher das Eigentumsrecht des
ersteren Arbeiters bewirkt hat, berücksichtigt werden muss. Es
ist also das Recht des ersten Arbeiters aufgrund einer
zeitlich früheren Arbeit, das der Arbeit des zweiten diese
Auswirkung vorenthält. Daher ist es nur natürlich, dass die
zweite Arbeit ihre Auswirkung zurückerhält und den normalen
Effekt hat, wenn der erste Arbeiter auf sein Recht teilweise
verzichtet, und genau das geschieht bei den Verträgen der
Pacht [mudhara'a], der
Agrarpartnerschaft [musaqat], der
Kapitalbeteiligung [mudaraba] und der
Honorarvertrag [dschu’ala].
So wendet z.B. der Arbeiter bei einem
Pachtvertrag [mudhara'a] Mühe auf und verrichtet
eine Arbeit, indem er Saatgut nutzt und es in Kulturen von
Getreide umwandelt. Diese von ihm ausgeführte Arbeit verleiht
ihm nur deshalb nicht das Eigentumsrecht an dem Getreide, weil
der Grundstoff, an dem er seine Arbeit verrichtet – das
Saatgut – bereits einer anderen Person gehört, nämlich dem
Landbesitzer. Wenn also der Landbesitzer dem Arbeiter in einem
Pachtvertrag [mudhara'a] erlaubt, die Früchte
seiner Arbeit zu ernten, und z.B. zur Hälfte auf sein Recht an
dem Grundstoff verzichtet, dann gibt es keinen Grund mehr, der
gegen eine Aneignung der Hälfte des Getreides durch den
Arbeiter spricht. Somit erkennen wir, dass die Teilhaberschaft
des Arbeiters am Ertrag in Wirklichkeit Ausdruck der Rolle
seiner Arbeit ist, die er an dem Objekt – z.B. dem Saatgut,
dem Baum oder dem Handelskapital – verrichtet, und Ausdruck
des Anrechtes, welches entsprechend der allgemeinen Theorie
der Verteilung “dessen, was vor der Produktion existiert“,
durch diese Tätigkeit entsteht. Diese Rolle oder dieses
Anrecht werden nur gelegentlich aufgrund eines zeitlich vorher
etablierten Anrechtes, das eine andere Person genießt, außer
Kraft gesetzt. Wenn also diese Person in einem Vertrag wie dem
Pachtvertrag [mudhara'a] oder einem anderen der
Teilhaberverträge zwischen einem Arbeiter und dem Besitzer
eines Gutes teilweise auf dieses Recht verzichtet, dann gibt
es keinen Hinderungsgrund mehr, dem Arbeiter sein Anrecht auf
das “Material“ – und zwar in dem Umfang, wie der erste
Eigentümer darauf verzichtet – als Ergebnis der Arbeit, die er
daran vornimmt, zu gewähren. Hingegen unterscheidet sich das
Vermieten von Produktionsmitteln grundsätzlich von der Arbeit,
die der Arbeiter im Rahmen dieser Verträge verrichtet. So
leistet der Landarbeiter, der mit dem Besitzer des Landes und
des Saatgutes durch einen
Pachtvertrag [mudhara'a] verbunden ist, während
der Feldbestellung eine Arbeit und wendet Mühe auf, so dass er
das Recht hat, sich in dem Maße, wie es der Vertrag erlaubt,
das Ergebnis seiner Arbeit anzueignen.
Dagegen verrichtet der Eigentümer eines
Netzes, das er einem Fischer zum Fischen überlässt, keine
Arbeit bei der Tätigkeit des Fischens, und wendet keine Mühe
auf, um der Fische habhaft zu werden, sondern derjenige, der
die Arbeit ausführt und die Mühe aufwendet, ist allein der
Fischer. Es gibt also keine Rechtfertigung dafür, dass der
Besitzer des Netzes ein Eigentumsrecht an dem Fang erwirbt,
denn diese Rechtfertigung besteht in der Ausübung der Arbeit,
und der Besitzer des Netzes hat beim Fischen keine Arbeit
verrichtet, um dieses Recht zu erwerben. Auch wenn ihm der
Fischer dieses Eigentumsrecht zugestehen würde, reichte das
nicht aus, um es ihm zu gewähren, denn das würde nicht im
Einklang mit der allgemeinen Theorie der Verteilung stehen. Es
ist hier also nicht das Anrecht des Fischers, das einer
Aneignung des Fangs durch den Besitzer des Netzes
entgegensteht, sondern die Tatsache, dass es dafür keine
theoretische Rechtfertigung gibt. Damit erkennen wir den
Unterschied in dieser Hinsicht zwischen der direkten und der
gespeicherten Arbeit: Die direkte Arbeit ist eine Bearbeitung
des Materials durch den Arbeitenden, die rechtfertigt, dass er
sich etwas davon aneignet, wenn derjenige, dem es zuerst
gehört, auf sein zeitliches Vorrangsrecht verzichtet. Dagegen
ist die in einem Produktionsgerät gespeicherte Arbeit keine
von dem Besitzer des Gerätes während des Produktionsvorgangs
ausgeübte Arbeit, und verschafft ihm kein Eigentumsrecht an
dem Material, ob derjenige, der die Arbeit ausführt – z.B. der
Fischer – auf sein Recht verzichtet oder nicht. Der Besitzer
des Gerätes hat nur das Anrecht auf eine Gebühr als Vergütung
und Entschädigung für seine gespeicherte Arbeit, die während
des Produktionsvorganges entschwindet. In diesem Sinne können
wir auch den Unterschied zwischen den Besitzern von
Produktionsgeräten, denen keine Beteiligung am Ertrag erlaubt
ist, und dem Landbesitzer in einem
Pachtvertrag [mudhara'a], dem Besitzer von
Handelskapital in einem
Kapitalbeteiligungsvertrag [mudaraba] und
anderen, denen ein Anteil am Gewinn gestattet ist, verstehen;
denn jenen Eigentümern, denen ein Anteil am Gewinn oder Ertrag
gestattet ist, gehört in Wirklichkeit das Material, an dem der
Arbeiter seine Tätigkeit verrichtet. So gehört dem
Landbesitzer auch das Saatgut, welches der Arbeiter kultiviert,
und dem Besitzer des Handelskapitals gehört die Ware, mit
welcher der Agent Handelsgeschäfte macht. Wir haben im
Zusammenhang mit der Theorie der Verteilung “dessen, was vor
der Produktion existiert“, erfahren, dass das Eigentum einer
Person an dem Material nicht aufhört, wenn eine andere Person
dieses Material umwandelt oder ihm einen neuen Wert verleiht.
Dann ist es natürlich, dass dem Besitzer des Saatkorns oder
des Handelskapitals ein Anrecht auf den Ertrag bzw. den Gewinn
entsteht, denn ihm gehört jeweils das Material, das der
Arbeiter bearbeitet.
Eine Untersuchung der Umstände, unter
denen es demjenigen, der ein Kapital zur Verfügung stellt,
erlaubt ist, sich einen Teil vom Ertrag bzw. Gewinn
anzueignen, wie bei der Pacht [mudhara'a],
der Kapitalbeteiligung [mudaraba],
der Agrarpartnerschaft [musaqat]
und ähnlichen Vereinbarungen, bekräftigt die
Richtigkeit der Erklärung, die wir für diese Aneignung
vorgebracht haben, denn alle diese Umstände haben ein
gemeinsames Merkmal, nämlich dass das Material, mit dem der
Arbeitende zu tun hat, dem Kapitalgeber bereits gehört.