Theorie der Verteilung der produzierten Güter
Theoretische Grundlage der Verteilung produzierter Güter
auf die Faktoren der Produktion
Überbau
1) Muhaqqiq al-Hilli schreibt im “Kitab al-Wakala“ seines
Werkes “al-Scharia“, dass die stellvertretende Beauftragung
beim Schlagen von Holz und dergleichen Arbeiten in der Natur
nicht zulässig sei. Wenn also jemand eine andere Person
beauftragt, für ihn z.B. Holz im Wald zu schlagen, dann ist
diese Delegierung von Arbeit rechtsungültig, und dem
Auftraggeber gehört nicht das Holz, welches der Arbeiter
fällt, denn das Holzfällen und ähnlich geartete Arbeiten in
der Natur haben keine eigentumsrechtlichen Konsequenzen, bzw.
schaffen kein besonderes Recht für eine Person, solange sie
die Arbeit nicht selbst ausführt und direkte Mühe bei Arbeiten
wie dem Fällen von Holz, dem Schneiden von Gras und
dergleichen aufwendet. Die Verwirklichung der Absicht des
Gesetzgebers hängt also davon ab, wie es Mahaqqiq al-Hilli
ausrückt, dass der Betreffende diese Arbeiten eigenhändig
ausführt. Das entsprechende Zitat lautet: „Für solche
Handlungen, die nicht delegiert werden können, gilt als
allgemeine Regel, dass die Verwirklichung der Absicht des
Gesetzgebers davon abhängt, dass der Betreffende sie direkt
selbst vornimmt, wie die rituellen Waschungen [tahara] ... und
das Ritualgebet [salat] als lebenslängliche Pflichten, und das
Fasten, die spirituelle Zurückgezogenheit [itikaf]
und die Pilgerfahrt [hadsch], die jeweils für denjenigen, der
dazu imstande ist, vorgeschrieben sind, und Eidesleistungen
und Gelübde [nadhr], ... und die gerechte Aufteilung der
Zuwendung des Ehemannes an die Ehefrau, denn diese ist mit
Genuss verbunden, und die Aufkündigung der Ehe, die
Bezichtigung des Ehebruchs, die Vollendung der Wartezeit einer
Frau nach dem Tode ihres Mannes, das Pflücken und Sammeln von
wild wachsenden Früchten usw., das Schlagen von Holz und das
Schneiden von Gras.“
2) Im Buch “al-Tadhkira“ von Allama al-Hilli heißt es zum
Thema der Delegierung [al-wakala]: „Die Zulässigkeit
der Delegierung von Arbeiten an den jedermann freigestellten
Ressourcen der Natur, wie der Jagd, des Fällens von Holz, des
Schneidens von Gras, der Urbarmachung von Ödland, des
Auffangens von Wasser und dergleichen lässt sich kaum belegen.
Und manche Autoren zitieren die Auffassung einiger
schafiitischer Rechtsgelehrter, dass solche Delegierung nicht
zulässig sei.“
3) Im Buch “al-Qawa´id“ heißt es, dass die Delegierung der
Schaffung persönlicher Ansprüche auf allgemein zugängliche
natürliche Ressourcen, wie durch Sammeln, Jagd, Schneiden von
Gras und Schlagen von Holz, hinsichtlich ihrer Zulässigkeit
umstritten ist.
4) Diese Rechtsmeinung wird von den Autoren einer Anzahl
weiterer Werke der Rechtswissenschaft [fiqh], wie “al-Tahrir“,
“al-Irschad“, “al-Idah“ und anderer, geteilt.
5) In einer Anzahl weiterer Werke der Rechtswissenschaft [fiqh]
ist nicht nur von “Schwierigkeiten“ und “Vorbehalten“ die
Rede, sondern sie erklären im Einvernehmen mit dem bereits
zitierten Buch “al-Schara´i“, dass die Delegierung der
besagten Arbeiten unzulässig sei, wie im Buch “al-Dschami´
fil-Fiqh“, und gleichfalls in “al-Sara´ir“ hinsichtlich der
Jagd, wie auch bei Scheich Tusi im “Mabsut“ – in einigen
Angaben – ein Verbot der Delegierung im Falle der Erschließung
von Ödland usw. überliefert wird. Ebenfalls wir von ihm das
Verbot der Delegierung beim Schlagen von Holz und Schneiden
von Gras überliefert.
Und Abu Hanifa schreibt, um zu belegen, dass bei der Gewinnung
allgemein freigestellter Naturschätze, wie beim Schneiden von
Gras, keine Teilhaberschaft zulässig ist: „...denn
Teilhaberschaft erfordert die Delegierung von Arbeit, und eine
Delegierung ist bei diesen Dingen nicht erlaubt, denn wer sie
nimmt, dem gehört sie.“
6) Allama al-Hilli zeigt den Zusammenhang zwischen der
stellvertretenden Beauftragung und der Lohnarbeit, und weist
darauf hin, dass, wenn die Delegierung solcher Arbeiten keine
Rechte für den Auftraggeber schafft, dann auch nicht die
Beschäftigung von Lohnarbeitern. Denn ebenso wie dem
Auftraggeber nicht das Ergebnis der Arbeit desjenigen gehört,
den er mit dem Fällen von Holz, mit der Jagd oder mit der
Urbarmachung von Ödland beauftragt hat, gehören dem Lohngeber
nicht die Ergebnisse der Arbeit des Lohnarbeiters an der
Natur. Das entsprechende Zitat aus dem Buch “al-Tadhkira“
lautet: „Wenn wir bei diesen Arbeiten die stellvertretende
Beauftragung erlauben, dann müssen wir auch deren Durchführung
auf der Grundlage von Lohnarbeit gestatten, so dass es
zulässig wäre, wenn eine Person dafür bezahlt würde, dass sie
Holz fällt oder Wasser an die Oberfläche schöpft oder Land
urbar macht und das Ergebnis ihrer Arbeit dem Lohngeber
gehören würde. Wenn wir aber das eine verbieten, dann müssen
wir auch das andere untersagen, und das Ergebnis der
produktiven Tätigkeit gehört dem Lohnarbeiter.“
Und der Muhaqqiq al-Isfahani bestätigt in seinem “Kitab al
Idschara“, dass die Zahlung von Lohn nicht zu einem
Eigentumsrecht des Lohngebers an den Gütern führt, die der
Lohnarbeiter durch seine Arbeit an der Natur gewinnt und in
Besitz nimmt, denn wenn der Lohnarbeiter etwas für sich selbst
in Besitz nimmt, dann gehört ihm das in Besitz genommene Gut,
und der Lohngeber hat keinerlei Anspruch darauf.
Zu derselben Ansicht gelangt der “zweite Märtyrer“ in den “Masalik“,
wo er schreibt: „Es bleibt in dieser Angelegenheit noch
eine andere Frage zu untersuchen; wenn man nämlich,
entsprechend einer der beiden Rechtsaussagen, von der
Zulässigkeit der Lohnarbeit – d.h. der Lohnarbeit beim
Schlagen von Holz, beim Schneiden von Gras oder bei der Jagd –
ausgeht, dann fällt dennoch das Eigentum an den gewonnenen
Gütern dem Lohngeber nur zu, wenn dies der Absicht des
Lohnarbeiters entspricht. Wenn letzterer aber die Absicht hat,
sie sich selbst anzueignen, dann fallen die Güter ihm zu, da
gemäß sämtlicher Rechtsauffassungen die Voraussetzungen dafür
gegeben sind; und die Tatsache, dass es dem Lohngeber zusteht,
aus der von ihm bezahlten Arbeit während jener Zeit seinen
Vorteil zu ziehen, widerspricht nicht diesem Eigentumsrecht
des Lohnarbeiters.“
7) Allama al-Hilli schreibt in den “Qawa´id“: „Wenn ein
Mensch jagt oder Holz schlägt oder Gras schneidet, und die
jeweiligen Naturschätze mit der Absicht in Besitz nimmt, dass
sie einem anderen gehören sollen, dann hat diese Absicht keine
rechtliche Auswirkung, sondern sie gehören allesamt ihm selbst.“
8) Aus “Miftah al-Karama“ geht hervor, dass Scheich Tusi,
Muhaqqik al-Hilli und Allama al-Hilli einmütig urteilen, dass
einer Person, die natürlichen Reichtum in Besitz nimmt, dieser
auf jeden Fall zusteht, unabhängig davon, ob er nach ihrer
Absicht für sie selbst oder für einen anderen bestimmt war.
9) In den “Qawa´id“ des Allama al-Hilli heißt es, wenn eine
Person einem Fischer ein Netz gibt, um am Fang beteiligt zu
werden, dann gehört der Fang dennoch allein dem Fischer, der
nur eine Gebühr für das Netz entrichten muss.
Dies bestätigen noch eine Anzahl weiterer Werke der
Rechtswissenschaft, wie “al-Mabsut“, “al-Muhadhdhab“, “al-Dschami´“,
und “al-Schara´i“.
10) Muhaqqiq al-Hilli
schreibt in den “Schara´i“: „Die Jagd mit einem geraubten
Jagdgerät ist zwar verboten, aber die Jagdbeute ist in so
einem Fall trotzdem nicht tabu; sie gehört dem Jäger und nicht
dem Besitzer des Gerätes, und der erstere muss eine
angemessene Gebühr entrichten.“
Muhaqqiq al-Nadschafi kommentiert in seinem Buch
“al-Dschawahir“ die besagte Bestimmung, wonach dem Jäger und
nicht dem Besitzer des Jagdgeräts die Jagdbeute gehört, mit
den Worten: „ ... denn die Jagdbeute gehört zu den
jedermann freigestellten Gütern, welche durch direkte
Inbesitznahme angeeignet werden. Letztere hat der Räuber des
Jagdgerätes realisiert, auch wenn ihm eigentlich dessen
Benutzung verboten war ... Jawohl, ihm – d.h. dem Jäger –
obliegt die Zahlung einer angemessenen Gebühr an den
Eigentümer des Gerätes wie im Falle von sonstigen geraubten
Wertgegenständen. Selbst wenn er gar nicht damit gejagt hat,
obliegt ihm die Gebühr, denn der Nutzwert des Gerätes hat sich
verringert, während es sich in seiner Hand befand.“
Eine vergleichbare Aussage findet sich in “Mabsut“ des
hanafitischen Rechtsgelehrten al-Sarachsi, der folgendes
schreibt: „Wenn jemand einem Mann ein Netz gibt, womit
dieser Fische fangen soll, wobei vereinbart wird, den Fang
unter den beiden aufzuteilen und letzterer viele Fische fängt,
dann gehören sie alle demjenigen der gefischt hat ... Denn der
Mensch, der etwas in Besitz nimmt, erwirbt ein Anrecht, und
nicht das Gerät, also gehört das Ergebnis ihm. Dabei kann er
auch das Gerät eines anderen verwenden, unter der
Voraussetzung, dass er dem Besitzer des Gerätes eine
Entschädigung zahlt, die nicht näher bezeichnet ist. Dem
letzteren steht also eine angemessene Gebühr seitens des
Fischers zu.“
Das bedeutet, das Gerät bekommt keinen Anteil an der
produzierten Ware.
11) Vom Scheich Tusi
findet sich zum Thema der Teilhaberschaft in dem Buch
“al-Mabsut“ folgendes Zitat: „Wenn ein Mann einen anderen
beauftragt, für ihn zu jagen, und dieser ein Jagdtier erbeutet
mit der Absicht, dass es für den Auftraggeber und nicht für
ihn selbst sein soll, wem gehört dann die Jagdbeute? Dazu wird
gesagt: Es verhält sich wie mit dem jedermann zugänglichen
Wasser aus dem Fluss usw., welches ein Wasserträger mit der
Absicht herausschöpft, dass es zwischen ihm und seinen
Teilhaber aufgeteilt werden soll. Dessen Gegenwert gehört aber
nur ihm – d.h. dem Wasserträger – unter Ausschluss seines
Teilhabers, und ebenso gehört die Jagdbeute nur dem Jäger und
nicht dem Auftraggeber, denn der erstere hat die Inbesitznahme
allein durchgeführt. Und es gibt eine gegensätzliche
Auffassung, wonach die Beute dem Auftraggeber gehören soll, da
der andere sie für ihn gejagt habe, und die Absicht maßgeblich
sei. Die erstere Auffassung erscheint aber richtiger.“
12) Muhaqqiq al-Hilli
führt in den “Schara´i“ an: „Wenn jemand z.B. ein
Arbeitstier einem Wasserträger zur Verfügung stellt, und ein
anderer ein Schöpfrad, wobei das Ergebnis der Arbeit zu nicht
näher bezeichneten Konditionen untereinander aufgeteilt werden
soll, dann gehört das ganze geförderte Wasser dem
Wasserträger, der seinerseits eine angemessene Gebühr für das
Tier und das Schöpfrad entrichten muss.“
Die gleiche Auffassung vertritt Allama al-Hilli in den
“Qawa´id“.
Dieselbe Frage wird auch in dem Buch “al-Mugni“ des Ibn Qudama
erörtert, wobei von al-Qadi und al-Schafi´i die gleiche oben
erwähnte Rechtsentscheidung überliefert wird, nämlich dass das
geförderte Wasser dem Wasserträger gehört, während dieser dem
Besitzer seiner Arbeitsgeräte eine angemessene Gebühr
schuldet.
Auf die erwähnte Rechtsentscheidung weist auch Scheich Tusi
hin, wobei er dieser die Auffassung, wonach der Gewinn zu je
einem Drittel an den Besitzer des Arbeitstieres, den Besitzer
des Schöpfrades und den Wasserträger verteilt werden sollte,
gegenüberstellt, der letzteren aber nicht zustimmt.
Das bedeutet, die Produktionsmittel, deren sich der
Wasserträger bedient, bekommen keinen Anteil an dem Produkt
der Arbeit, sondern dem Anbieter obliegt die Zahlung einer
angemessenen Gebühr dafür.