Rolle der Bedürftigkeit bei der Güterverteilung
Die Arbeit als Bedingung für Eigentum,
wie soeben erläutert, ist das wesentliche Kriterium beim
System der Güterverteilung. Das andere Kriterium, das für die
Verteilung von wesentlicher Bedeutung ist, ist die
Bedürftigkeit. Und die kombinierte Rolle, welche die Arbeit
und die Bedürftigkeit für diesen Bereich spielen, bestimmt die
primäre und allgemeine Form der Verteilung von Gütern in der
islamischen Gesellschaft. Und diese kombinierte Rolle, an der
die Bedürftigkeit Anteil hat, zu verdeutlichen, können wir die
Mitglieder der Gesellschaft in drei Gruppen einteilen. Die
Gesellschaft umfasst gewöhnlich:
a) diejenigen, die – dank ihrer
intellektuellen und praktischen Begabungen und Fähigkeiten –
in der Lage sind, sich ein Leben in Wohlstand und Überschuss
zu sichern,
b) diejenigen, die zwar arbeiten können,
aber mit ihrer Arbeit gerade genug produzieren, um ihre
unverzichtbaren Grundbedürfnisse zu befriedigen, und
c) diejenigen, die nicht arbeiten können,
wegen körperlicher Schwäche, geistiger Defekte oder aus
ähnlichen Gründen, welche die Aktivität des Menschen lahmlegen
und ihn aus der Welt der Arbeit und Produktivität
ausschließen.
Nach den Prinzipien der islamischen
Wirtschaftsordnung gewinnt die erste Gruppe ihren Anteil bei
der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums durch Arbeit,
in deren Eigenschaften als Bedingung für Eigentum und
wesentliches Kriterium bei der Güterverteilung, und jeder
Einzelne aus dieser Gruppe bekommt seinen Anteil entsprechend
seinen persönlichen Fähigkeiten, auch wenn dieser größer ist,
als seine Bedürfnisse, solange er von seinen Möglichkeiten
innerhalb der Grenzen Gebrauch macht, welche die islamische
Wirtschaftsordnung den wirtschaftlichen Aktivitäten der
Individuen gesetzt hat. Die Bedürftigkeit spielt also für
diese Gruppe überhaupt keine Rolle, sondern nur die Arbeit,
die ihren Anteil bei der Verteilung des gesellschaftlichen
Reichtums bestimmt. Während sich die erste Gruppe allein auf
Arbeit stützt, beruht das Einkommen und die wirtschaftliche
Existenz der dritten Gruppe im Islam allein auf dem Prinzip
der Bedürftigkeit, denn da sie nicht arbeiten kann, bekommt
sie ihren Anteil, der ihren Lebensunterhalt sichert,
vollständig mit Blick auf ihre Bedürfnisse zugestellt,
entsprechend den Grundsätzen der allgemeinen Bürgschaft und
der gegenseitigen Sicherung in der islamischen Gemeinschaft.
Jedoch die zweite Gruppe, die arbeitet, aber durch ihre Arbeit
nur das Existenzminimum verdienen kann, stützt sich bei ihren
Einkommen sowohl auf Arbeit, als auch auf ihre Bedürftigkeit.
Die eigene Arbeit sichert ihnen das Lebensnotwendige, und ihre
Bedürftigkeit erfordert – entsprechend den Prinzipien der
Bürgschaft und der gegenseitigen Sicherung – dass das
Einkommen dieser Gruppen vermehrt wird, durch Mittel und Wege,
die in der islamischen Wirtschaftsordnung vorgeschrieben sind,
wie später noch ausgeführt wird, um den Personen dieser Gruppe
zu einem angemessenen Lebensstandard zu verhelfen. In diesem
Sinne können wir die unterschiedlichen Bewertungen der
Bedürfnisse als Kriterium der Verteilung von Gütern in der
islamischen Wirtschaftslehre und anderen Wirtschaftsideologien
verstehen.