Rolle der Arbeit bei der Güterverteilung
Um die Rolle der Arbeit bei der
Güterverteilung zu erkennen, müssen wir den gesellschaftlichen
Zusammenhang zwischen der Arbeit und den Werten, die sie
hervorbringt, untersuchen. Arbeit wird zur Gewinnung
verschiedener Naturprodukte aufgewendet: Bodenschätze werden
aus der Erde gefördert, zur Holzgewinnung werden Bäume
gefällt, nach Perlen wird im Meer getaucht, Vögel werden aus
der Luft erjagt und dergleichen mehr Materialien gewinnt der
Mensch aus der Natur durch Arbeit. Die Frage, der wir in
diesem Zusammenhang nachgehen, ist die: Welche Art von
gesellschaftlichem Charakter gewinnt die Materie durch die
menschliche Arbeit? Und welche Art von Beziehungen hat der
arbeitende Mensch zu den Werten, die er durch seine Arbeit
schafft?
Es gibt eine Sichtweise, die den
gesellschaftlichen Zusammenhang zwischen der Arbeit bzw.
demjenigen, der sie ausführt, und ihrem Objekt bestreitet, und
behauptet, das der Arbeitende lediglich das Recht habe, seine
Bedürfnisse zu befriedigen, unabhängig von der von ihm die
Gesellschaft dadurch vergilt, dass sie die Befriedigung seiner
Bedürfnisse garantiert. Diese Sichtweise entspricht dem
Standpunkt der kommunistischen Wirtschaftslehre, denn sie
betrachtet die Gesellschaft als ein großes Gebilde, in dem
Individuen aufgehen, so dass jeder Einzelmensch den Platz
einer Zelle in einem einzigen Organismus einnimmt. Nach dieser
Sichtweise, die alle Individuen in dem großen Schmelztiegel
der Gesellschaft vereinigt und zu einem riesigen Gebilde
zusammenschmilzt, erscheinen die Arbeiten, die von den
Einzelpersonen der Gesellschaft verrichtet werden, nicht mehr
als Einzelleistungen, denn alle Individuen sind in dem großen
Gebilde aufgegangen. Dadurch wird die Verbindung des
Arbeitenden mit dem Produkt seiner Arbeit abgeschnitten und
die Gesellschaft wird zum eigentlichen Arbeiter und Eigentümer
der Produkte der Arbeit aller Einzelpersonen, und denen steht
nur die Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu, gemäß der
kommunistischen Formel – die wir bereits in unserer
Untersuchung des historischen Materialismus erwähnt haben:
„Jeder nach seinen Fähigkeiten und jedem nach seinen
Bedürfnissen.“ Die Individuen in einer kommunistischen
Gesellschaft gleichen also völlig den Teilen, aus denen ein
mechanischer Apparat zusammengesetzt ist. Denn jedes Teil im
Apparat darf soviel Öl verbrauchen, wie es benötigt, um seine
besondere Aufgabe zu erfüllen, so dass alle mechanischen Teile
jeweils gleiche Portionen von Öl bekommen, obwohl sie
verschieden wichtige und verschieden komplizierte Aufgaben
erfüllen. So erhält jedes Mitglied der Gesellschaft nach dem
kommunistischen Verteilungssystem Güter “nach seinen
Bedürfnissen“, auch wenn sie an der Werte schaffenden Arbeit
verschieden großen Anteil haben. Der Einzelne arbeitet also,
aber die Früchte seiner Arbeit gehören ihm nicht, bzw. er darf
sie nicht beanspruchen, sondern hat nur das Recht, seine
Bedürfnisse zu befriedigen, gleichgültig ob diese den Wert
seiner Arbeit übersteigen oder geringer sind. Nach diesem
Prinzip spielt die Arbeit bei der Verteilung nur eine passive
Rolle, denn sie ist nach ihrem kommunistischen
Bedeutungsinhalt nur ein Produktionsmittel für Waren und nicht
ein Mittel, um deren Verteilung zu regeln, und allein die
Bedürftigkeit bestimmt die Art und Weise, in der die Güter an
die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft verteilt werden.
Deren jeweiliger Anteil an der Verteilung unterscheidet sich
also entsprechend ihrer Bedürftigkeit und nicht entsprechend
ihrer verschiedenen Arbeitsleistung. Dagegen definiert die
sozialistisch-marxistische Wirtschaftslehre die Beziehung des
Arbeiters zum Produkt seiner Arbeit im Lichte ihrer besonderen
Vorstellung vom Wert und Mehrwert, und vertritt die Ansicht,
dass allein der Arbeiter den Tauschwert des Materials schafft,
durch die Arbeit, die er darauf verwendet, d.h. die Materie an
sich hat angeblich keinen Wert ohne die in ihr verkörperte
menschliche Arbeit. Da die Arbeit also die Grundursache für
den Wert darstellt, muss die Verteilung der produzierten Werte
– in Gestalt verschiedener Sorten von Gütern – auf der
Grundlage der geleisteten Arbeit erfolgen, so dass jedem
Arbeiter das Produkt seiner Arbeit, bzw. das Material, an das
er Arbeit aufgewendet hat, gehört, weil es nur durch seine
Arbeit einen Wert erhielt, mit anderen Worten: „Jedem nach
seiner Arbeitsleistung“, und nicht nach seinen
Bedürfnissen, denn der Arbeiter hat das Recht, die Werte, die
er schafft, für sich selbst zu erhalten. Da die Arbeit
angeblich der einzige Werte schaffende Faktor ist, ist sie
auch das alleinige Kriterium für die Verteilung. Während in
der kommunistischen Gesellschaft die Bedürftigkeit das
Kriterium für die Verteilung von Gütern sein soll, wird in der
sozialistischen Gesellschaft die Arbeit zum grundsätzlichen
Kriterium erklärt.
Der Islam unterscheidet sich sowohl von
der kommunistischen als auch von der sozialistischen
Wirtschaftslehre. Er widerspricht dem Kommunismus, die die
Verbindung zwischen der Arbeit des Einzelnen und ihrem Produkt
abschneidet und den Schwerpunkt auf die Gemeinschaft als
alleinigen Eigentümer der Produkte der Arbeit aller Individuen
legt, da der Islam die Gemeinschaft nicht als ein großes,
hinter den Einzelpersonen verborgenes Wesen, das sie in diese
oder jene Richtung manipuliert, ansieht, sondern die
Gemeinschaft für nichts weiter als eine große Anzahl von
Individuen erachtet, als Menschen, die agieren und arbeiten,
und es keinesfalls möglich ist, die Verbindung zwischen dem
Arbeitenden und dem Ergebnis seiner Arbeit abzuschneiden. Der
Islam unterscheidet sich ebenfalls von der sozialistischen
Wirtschaftslehre, die behauptet, dass der einzelne Mensch der
Materie erst durch seine Arbeit zu ihrem Tauschwert verhilft,
denn die Rohmaterialien der Natur, wie Holz oder Bodenschätze
oder sonstige natürliche Reichtümer erlangen ihren Wert – nach
islamischer Sichtweise – nicht durch die Arbeit, sondern jeder
Artikel erlangt seinen Weg durch die allgemeine Nachfrage nach
ihm in der Gesellschaft, wie wir das in unserer Untersuchung
des historischen Materialismus verdeutlicht haben.Die Arbeit ist nach islamischer Sicht der Grund dafür,
dass der Arbeitende sich das Produkt seiner Arbeit aneignen
darf, und dieses Privateigentum auf der Grundlage von
geleisteter Arbeit ist Ausdruck der Anerkennung des
natürlichen Wunsches im Menschen, das Ergebnis seiner Arbeit
zu besitzen. Diese Neigung geht auf das Gefühl jedes einzelnen
Menschen zurück, über seine eigene Arbeitsleistung zu
bestimmen, denn dieses Gefühl lässt naturgemäß den Wunsch
entstehen, auch über die Ergebnisse und Gewinne der Arbeit zu
verfügen. Insofern ist das Privateigentum auf der Basis
eigener Arbeit ein Recht des Menschen, das auf seine
ursprünglichen Gefühle zurückgeht, und selbst diejenigen
Gesellschaften, von denen uns der Kommunismus weismachen will,
sie hätten das Privateigentum abgeschafft, streiten das Recht
auf Eigentum auf der Grundlage von Arbeit, als eine
ursprüngliche Neigung im Menschen, nicht ab, sondern in
solchen Gesellschaften hat die Arbeit einen kollektiven
Charakter, so dass das auf ihrer Grundlage definierte Eigentum
ebenfalls kollektiven Stempel trägt.
Die Tatsache bleibt bestehen, dass sich
der natürliche Wunsch nach Eigentum auf der Grundlage von
Arbeit auf keinen Fall verändern lässt, auch wenn sich die Art
des Eigentums je nach Art der geleisteten Arbeit, die
individuell oder kollektiv sein kann, unterscheiden mag. Die
Arbeit ist also nach islamischer Sicht die Grundlage für die
Aneignung einer Sache durch den Arbeitenden, und nach diesem
Prinzip ist sie ein wesentlicher Faktor des islamischen
Verteilungssystems, denn jeder Arbeitende erhält die Werte,
die er aus der Natur durch Arbeit gewinnt, und darf sie sich
nach dem Prinzip, dass Arbeit die Bedingung für Eigentum ist,
aneignen.
So können wir abschließend die
verschiedenen ideologischen Standpunkte hinsichtlich der
sozialen Beziehungen zwischen dem arbeitenden Menschen und dem
Produkt seiner Arbeit zusammenfassen: Das kommunistische
Prinzip in diesem Zusammenhang besagt: Die Arbeit bedingt das
Eigentum der Gemeinschaft, nicht das des Einzelnen. Und das
sozialistische Prinzip: Die Arbeit bedingt den Wert des
Materials und folglich dessen Aneignung durch den Arbeitenden.
Und das islamische Prinzip: Die Arbeit bedingt die Aneignung
des Materials durch den Arbeitenden, aber nicht dessen Wert.
Wenn also ein Arbeiter Perlen aus dem Meer herausholt, gibt er
ihnen durch diese Arbeit nicht ihren Wert, aber er darf sie
sich aneignen.