Phänomen der Beständigkeit des Eigentums in der Theorie
Wir können den Unterschied zwischen der
islamischen und der marxistischen Theorie in zwei Kernpunkten
zusammenfassen: Einer dieser beiden Punkte ist, dass die
islamische Theorie der Verteilung produzierter Güter dem
arbeitenden Menschen nur dann die ganzen von ihm produzierten
Güter zuerkennt, wenn es sich bei dem Grundstoff, an welchem
der Arbeiter seine produktive Tätigkeit verrichtet, um einen
natürlichen Reichtum handelt, der keiner anderen Person
gehört, wie das Holz, das der Arbeiter von den Bäumen des
Waldes schlägt, oder die Fische und Vögel im Meer und in der
Luft, die der Jäger aus der Natur erjagt, oder die
mineralischen Rohstoffe, die der produzierende Mensch aus
ihren Fundorten hervorholt, oder das Ödland, das der
Ackerbauer kultiviert und für die Produktion erschließt, oder
die Quelle, deren Wasser eine Person aus den Tiefen der Erde
an die Oberfläche fließen lässt.
Alle diese Reichtümer sind in ihrem
Naturzustand nicht Eigentum irgendeiner Einzelperson, daher
verleiht die jeweilige produktive Tätigkeit dem Menschen, der
sie ausführt, ein persönliches Recht daran, während aus dem
Besitz der materiellen Produktionsmittel kein
Eigentumsanspruch an solchen Gütern entsteht, wie wir bereits
erfahren haben. Wenn aber der Grundstoff, an welchem der
Mensch seine produktive Tätigkeit verrichtet, einer anderen
Person gehört, bzw. ein anderer aufgrund der Prinzipien, die
wir im Zusammenhang mit der allgemeinen Theorie über die
Verteilung “dessen, was vor der Produktion existiert“,
dargelegt haben, daran ein persönliches Recht erworben hat, so
bedeutet das, dass die Aneignung oder Zueignung dieses
Grundstoffes bereits vollzogen wurde, so dass er nicht
aufgrund eines weiteren Produktionsvorganges dem arbeitenden
Menschen oder irgendeinem Hilfsmittel, welches er bei seiner
Tätigkeit benutzt, zuerkannt werden kann. Wer also eine
gewisse Menge Wolle, die einem Hirten gehört, spinnt und
verwebt, hat nicht das Recht, sich die von ihm verwebte Wolle
anzueignen, oder auch nur aufgrund der darauf verwendeten
Arbeit am Eigentum des Hirten beteiligt zu werden; vielmehr
gilt das ganze gewebte Tuch als Eigentum des Hirten, da diesem
der Grundstoff, d.h. die Wolle, gehört. Das Eigentumsrecht des
Hirten an der Wolle, die er produziert hat, hört also weder
auf, noch verringert es sich, wenn eine andere Person weitere
Arbeit daran wendet, indem sie die Wolle spinnt und verwebt.
Dieses Phänomen bezeichnen wir als “Beständigkeit des
Eigentums“. Im Gegensatz dazu vertritt der Marxismus die
Auffassung, dass dem Arbeiter, der die Rohstoffe von dem
Kapitalisten zur Verfügung gestellt bekommt und darauf seine
Mühe wendet, so viel von dem verarbeiteten Material gehören
soll, wie dem neuen Tauschwert entspricht, welchen er diesem
durch seine Arbeit verliehen hat. Daher ist nach marxistischer
Ansicht der Arbeiter rechtmäßiger Eigentümer der produzierten
Ware, abzüglich des Materialwertes der ihm von dem
Kapitalisten vor der Produktion zur Verfügung gestellten
Rohstoffe. Dieser Gegensatz zwischen dem Marxismus und dem
Islam geht darauf zurück, dass der Marxismus sowohl Eigentum
und Tauschwert, als auch Tauschwert und Arbeit jeweils
miteinander verknüpft. So ist der Marxismus – in
wissenschaftlicher Hinsicht – davon überzeugt, dass der
Tauschwert einer Ware durch die Arbeit, die darauf verwendet
wird, entsteht, und interpretiert – in ideologischer Hinsicht
– das Eigentumsrecht des Arbeiters an dem von ihm bearbeiteten
Material auf der Grundlage des Tauschwertes, den er durch
seine Arbeit an diesem Material geschaffen hat. Infolgedessen
entsteht jedem Arbeiter, wenn er einem Material zu einem neuen
Wert verhilft, das Eigentumsrecht an diesem Wert, den er in
dem Material Gestalt annehmen ließ.
Im Gegensatz zum Marxismus setzt der
Islam Eigentum und Tauschwert in keinen Zusammenhang
zueinander, und gewährt dem Arbeiter das Eigentumsrecht an
Gütern nicht auf der Grundlage des neuen Wertes, den der
Arbeiter dem Material verleiht, sondern macht die Arbeit zur
direkten Grundlage von Eigentum, wie wir es bei der Erörterung
der Theorie über die Verteilung “dessen, was vor der
Produktion existiert“, erfahren haben. Wenn also eine Person
aufgrund von Arbeit Eigentümer eines Gutes geworden ist und
die Ursache dafür weiterbesteht, dann ist es einer anderen
Person nicht erlaubt, ein neues Eigentumsrecht an dem Gut zu
erwerben, auch wenn sie diesem durch ihre Arbeit zu einem
neuen Wert verhilft. Damit können wir die islamische Theorie
wie folgt zusammenfassen:
Wenn das Material, welches ein produktiv
tätiger Mensch bearbeitet, nicht bereits irgendeiner Person
gehört, dann stehen alle produzierten Werte diesem Menschen
zu, während alle sonstigen Faktoren, die an der Produktion
Anteil haben, als dem Menschen dienend gelten und von ihm
vergütet werden müssen, aber nicht auf der gleichen Ebene wie
er selbst an dem Ertrag beteiligt werden. Wenn das Material
aber bereits einer bestimmten Person gehört, dann bleibt es
deren Eigentum, welche Veränderungen daran auch vorgenommen
werden mögen, entsprechend dem Prinzip der Beständigkeit des
Eigentums, wie wir es am Beispiel der Wolle gesehen haben.
Manch einem mag es so erscheinen, als ob dieser
Eigentumsanspruch – d.h. die Tatsache, dass dem Besitzer der
Wolle das auch mit seiner Wolle gewebte Tuch gehört, und dass
allgemein dem Eigentümer des Rohstoffes sein Eigentumsrecht
daran erhalten bleibt, ungeachtet der Verwandlung, die dieser
durch die Arbeit eines anderen erfährt – bedeutet, dass die
produzierten Güter dem Kapital und dem materiellen produktiven
Potential vorbehalten seien, wenn man berücksichtigt, dass das
Rohmaterial der produzierten Ware – nämlich die Wolle in
unserem Beispiel – in wirtschaftlicher Hinsicht als eine Art
von Kapital beim Vorgang des Spinnens und Webens anzusehen
ist, da das Rohmaterial jeder produzierten Ware eine Art von
Kapital für deren Produktionsprozess darstellt. Es ist aber
ein Fehler, das Phänomen der Beständigkeit des Eigentums auf
kapitalistischer Grundlage zu interpretieren, wenn dem
Eigentümer der Wolle auch das Tuch gehören soll, welches der
Arbeiter aus seiner Wolle webt, dann beruht dieser Anspruch
nicht auf dem Kapital-Charakter der Wolle, und bedeutet nicht,
das ihm das Kapital deshalb ein Recht auf Aneignung der
produzierten Ware – des Tuches – verschaffen würde, weil es am
Vorgang der Produktion des Tuches beteiligt wäre oder dessen
Grundlage darstellen würde. Denn wenn auch die Wolle als
Rohstoff ein Kapital beim produktiven Prozess des Spinnens und
Webens ist, so haben die Geräte, die für deren Spinnen und
Weben verwendet werden, ebenfalls Kapital-Charakter, und in
ihrer Eigenschaft als eine andere Art von Kapital an der
Produktion Anteil, aber sie verschaffen ihrem Besitzer kein
Eigentumsrecht an den produzierten Gütern, und erlauben ihm
nicht, zusammen mit dem Eigentümer der Wolle am Eigentum des
Tuches beteiligt zu werden.
Dies beweist, dass die islamische
Theorie, wenn sie das Eigentum des Hirten an der Wolle
bewahrt, auch nachdem der Arbeiter daraus ein Tuch gefertigt
hat, damit nicht beabsichtigt, das Eigentumsrecht an den
produzierten Gütern allein dem Kapital vorzubehalten, denn sie
gewährt dieses Recht nicht dem in Geräten und Maschinen
verkörperten Kapital. Vielmehr ist es Ausdruck der
Respektierung des privaten Eigentums, das an dem Rohstoff
bereits etabliert war, bevor er versponnen und verwebt wurde,
durch die Theorie.
Die Theorie konstatiert, dass die bloße
Umwandlung eines Gutes dieses nicht aus dem Bereich des
Eigentums seines ursprünglichen Besitzers herausführt, auch
wenn diese Umwandlung daran einen neuen Wert schafft. Dies
bezeichnen wir als das Phänomen der Beständigkeit des
Eigentums. Dem Kapital und den materiellen Hilfsmitteln, die
an der Produktion Anteil haben, werden von der islamischen
Theorie ein Anrecht auf die produzierten Güter nicht in ihrer
Eigenschaft als Kapital und an der Produktion beteiligte
Kräfte zugesprochen, denn in dieser Eigenschaft werden beide
nur als Diener des Menschen angesehen, der die zentrale Rolle
beim Produktionsvorgang spielt, und in dieser Eigenschaft
müssen sie von ihm vergütet werden. So erlangt der Hirte, dem
in unserem Beispiel die Wolle gehört, das Eigentumsrecht an
dem Tuch, weil es sich bei dem Tuch letztlich um dieselbe
Wolle handelt, die ihm gehört, und nicht, weil die Wolle ein
Kapital beim Produktionsvorgang des Tuches ist.