Unsere Wirtschaft

Unsere Wirtschaft / Iqtisaduna

Muhammad Baqir al-Sadr

“Wirtschaftliche Handlung“ ist nach der Theorie die Grundlage von Rechten

Die Theorie unterscheidet zwei Arten von Handlungen: Einerseits die Nutzung der Ausbeutung, und anderseits die Monopolisierung und ausschließliche Beanspruchung. Handlungen der Nutzung und Ausbeutung haben ihrer Natur nach wirtschaftlichen Charakter, während Handlungen der Monopolisierung und ausschließlichen Beanspruchung auf dem Prinzip der Macht beruhen, und noch keine direkte Nutzung und Ausbeutung der jeweiligen Güter beinhalten. Der Ausgangspunkt persönlicher Rechte ist nach der Theorie eine Handlung der ersteren Art, wie das Fällen von Holz aus dem Wald, oder der Abtransport von Steinen aus der Wüste, oder die Urbarmachung von Ödland. Dagegen hat die zweite Art von Handlungen keinen wirtschaftlichen Wert, denn sie ist nur eine Erscheinungsform von Gewalt, und keine wirtschaftliche Aktivität, wie die der Nutzung und Ausbeutung der Natur und ihrer Reichtümer. Und Macht ist keine Quelle persönlicher Rechte und keine ausreichende Rechtfertigung dafür. Nach diesem Prinzip wertet die Theorie die Inbesitznahme von Land und die Gewalt einer Person darüber nicht als Arbeit, und begründet darauf keinerlei persönliche Rechte, denn es handelt sich dabei in Wirklichkeit um reine Machtausübung, und nicht um Handlungen der Nutzung und Ausbeutung.

Inbesitznahme kann zweierlei Charakter haben

Wenn wir dies feststellen, dann sind wir mit der Frage nach dem Unterschied zwischen der Inbesitznahme von Land einerseits, und der Inbesitznahme von Steinen, indem man sie aus der Wüste abtransportiert, von Holz, indem man es im Wald schlägt, und von Wasser, indem man es aus dem Fluss schöpft, anderseits, konfrontiert. Wenn die Inbesitznahme eine Erscheinungsform von Gewalt ist, und keine wirtschaftliche Qualität hat, wie die Handlungen der Nutzung und Ausbeutung, wie legitimiert dann der Islam die Tatsache, dass er zwischen der Inbesitznahme von Land und der von Holz unterscheidet, und die letztere mit der Gewährung persönlicher Rechte belohnt, während er die erstere ablehnt und aller daraus abzuleitenden Rechte entkleidet? Die Antwort auf diese Frage lautet, dass die Unterscheidung zwischen Handlungen der Nutzung und Ausbeutung einerseits, und solchen der Monopolisierung und ausschließlichen Beanspruchung anderseits, in der islamischen Wirtschaftstheorie nicht durch die formale Art der Handlung begründet ist. Vielmehr kann ein und dieselbe Form von Tätigkeit einmal den Charakter einer Nutzung und Ausbeutung haben, und ein anderes Mal den einer Monopolisierung und ausschließlichen Beanspruchung, je nach dem Bereich, in dem derjenige, der sie ausführt, tätig wird, und je nach der Art von Gütern, denen die Handlung gilt. So ist z.B. die Inbesitznahme formal gesehen eine einzige Art von Handlung, aber sie unterscheidet sich hinsichtlich ihrer allgemeinen Bewertung durch die Theorie, je nach der Art von Reichtümern, derer sich ein Einzelner bemächtigt. Denn die Inbesitznahme von Holz durch Abschlagen von Bäumen, oder von Steinen durch deren Abtransport aus der Wüste – hier als Beispiele genannt – ist eine Arbeit der Nutzung und Ausbeutung, während die Inbesitznahme von Land und die Erlangung von Gewalt über eine Mine oder eine Wasserquelle nicht zu diesen Arbeiten gehört, sondern ein Phänomen der Machtausübung und der Herrschaft über andere ist.

Um dies zu belegen können wir uns hypothetisch einen Menschen vorstellen, der ganz allein auf einer großen Landfläche, die reich an Wasserquellen und Bodenschätzen und sonstigen natürlichen Reichtümern wäre, fern jeder Konkurrenz und Störung durch andere leben würde, und dessen Verhalten studieren, nämlich welche Art von Inbesitznahme er durchführen würde. So ein Mensch würde nicht auf den Gedanken kommen, eine große Landfläche, einschließlich der darin vorhandenen Bodenschätze und Wasserquellen, in seine Gewalt zu bringen und zu beschützen, weil er dazu keine Veranlassung sieht und es ihm keinen Vorteil in seinem Leben bringt, solange ihm das Land jederzeit zur Verfügung steht und es ihm niemand streitig macht. Vielmehr würde er sich direkt der Urbarmachung eines Teils von dem Land widmen, das dem Grad seiner Nutzungsmöglichkeiten angemessen wäre. Aber auch wenn er nicht auf den Gedanken der Inbesitznahme großer Landflächen kommt, nimmt er doch ständig Wasser in Besitz, indem er es in seinen Gefäßen auffängt, und Steine, die er zum Bau seiner Behausung abtransportiert, und Holz zum Feuermachen, denn er kann diese Dinge in seinem täglichen Leben nur nutzen, wenn er sie zuvor in Besitz genommen und für seinen Gebrauch zugänglich gemacht hat. Die Inbesitznahme von Land und ähnlichen natürlichen Produktionsquellen ist also ohne Bedeutung, solange es keine Konkurrenz gibt, vielmehr ist in diesem Fall die Erschließung die alleinige Handlung, die ein Einzelner an solchen Reichtümern der Natur vornimmt, um sie zu nutzen und auszubeuten. Die Inbesitznahme von Land erlangt erst dann ihre Bedeutung, wenn ein Konkurrenzkampf um das Land aufkommt und sich verschärft, und jeder Einzelne dazu übergeht, eine möglichst große Landfläche in seine Gewalt zu bringen und vor den anderen zu schützen. Das bedeutet, die Inbesitznahme von Land und dergleichen natürlicher Produktionsquellen ist keine Handlung mit wirtschaftlicher Qualität, wie die Arbeiten der Nutzung und Ausbeutung, sondern eine Handlung der Absicherung einer natürlichen Ressource und ihrer Bewahrung vor der Nutzung durch andere. Im Gegensatz dazu ist die Inbesitznahme von Holz, Steinen oder Wasser keine Machtausübung, sondern ihrer Natur nach eine wirtschaftliche Handlung, wie andere Arbeiten der Nutzung und Ausbeutung. Daher sehen wir, dass der hypothetisch vorgestellte allein für sich lebende Mensch diese Art von Inbesitznahme durchführen würde, obwohl er von allen Antrieben der Macht und des Gebrauchs von Gewalt frei wäre. So erkennen wir, dass die Inbesitznahme beweglicher Dinge unter den Reichtümern der Natur nicht einfach eine Art von Machtausübung darstellt, sondern prinzipiell eine Arbeit der Nutzung und Ausbeutung, die ein Mensch auch dann vornimmt, wenn es für ihn keinen Anlass zum Gebrauch von Macht gibt.

Auf dieser Grundlage können wir Beschlagnahmung natürlicher Produktionsquellen, wie Land, Lagerstätten von Bodenschätzen und Wasserquellen den Handlungen der Monopolisierung und Gewalt zuordnen, denen in der Theorie kein wirtschaftlicher Wert beigemessen wird, und die Inbesitznahme mobiler und transportfähiger Reichtümer der Natur können wir zu den Arbeiten der Nutzung und Ausbeutung zählen, welche als alleinige Ausgangspunkte persönlicher Rechte an solchen Gütern gelten. Wir kommen damit zu einem Ergebnis, nämlich dass der wirtschaftliche Charakter einer Arbeit die notwendige Voraussetzung dafür ist, dass diese persönliche Rechte schafft. Die Arbeit wird also nicht zur Ursache der Aneignung von Gütern, solange sie nicht ihrer Natur nach zu den Arbeiten der Nutzung und Ausbeutung gehört.

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