Unsere Wirtschaft

Unsere Wirtschaft / Iqtisaduna

Muhammad Baqir al-Sadr

Entwicklung der Produktion

Möglicherweise der einzige Punkt, bei dem sich der Islam, der Kapitalismus und der Marxismus auf ideologischer Ebene allesamt einig sind, ist die Propagierung der Entwicklung der Produktion und der weitestgehenden Nutzung der Natur innerhalb des allgemeinen Rahmens der jeweiligen Ideologie. Alle diese Ideologien betonen einstimmig die Wichtigkeit dieses Zieles, und die Notwendigkeit, es mit allen Mitteln und Wegen, die sich in den allgemeinen Rahmen der jeweiligen Ideologie einfügen, zu erreichen, ebenso wie sie jede Methode ablehnen, die nicht mit ihrem jeweiligen ideologischen Rahmen zu vereinbaren ist, da innerhalb jeder Ideologie ein organischer Zusammenhang besteht. Denn das Prinzip der Entwicklung der Produktion und der weitestgehenden Nutzung der Natur ist jeweils ein Teil des Ganzen, der in jeder Ideologie mit den anderen Teilen zusammenwirkt, und entsprechend seinem Stellenwert innerhalb des ideologischen Gebäudes und seiner Beziehung zu den anderen Elementen modifiziert wird. So lehnt z.B. der Kapitalismus solche Methoden der Entwicklung der Produktion und der vermehrten Schaffung von Werten ab, die dem Prinzip der wirtschaftlichen Freiheit widersprechen, und der Islam lehnt solche Methoden ab, die nicht mit seinen Theorien über die Güterverteilung und seinem Ideal von Gerechtigkeit vereinbar sind, während der Marxismus, gemäß seiner Theorie über den deterministischen Zusammenhang zwischen der Produktionsweise und dem System der Güterverteilung, glaubt, dass die Ideologie sich der Entwicklung der Produktion nicht in den Weg stellt, sondern sich mit dieser in gleicher Richtung bewegt, was noch ausgeführt werden wird. Auf jeden Fall werden wir bei unserer Untersuchung der islamischen Theorie der Produktion von dem Prinzip der Entwicklung der Produktion ausgehen, an das der Islam glaubt, und an welchem sich zu orientieren er der islamischen Gesellschaft auferlegt. So macht er ideologisch die Schaffung von Werten und die weitestmögliche Nutzung der Natur zu einem Ziel der Gemeinschaft, die in diesem Sinne ihre Wirtschaftspolitik formuliert, welche einerseits durch den vorgegebenen allgemein ideologischen Rahmen, und anderseits durch die objektiven Umstände und Bedingungen bestimmt wird, und welche der Staat innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens durchsetzen muss.

Dieses Prinzip der Entwicklung der Produktion können wir deutlich anhand der Praxis zur Zeit des Islamischen Staates und der offiziellen islamischen Anweisungen erkennen, von denen die historische Überlieferung einen Teil bis heute bewahrt hat. Zu diesen Anweisungen gehören die politischen Leitlinien, welche Imam Ali (a.) als Kalif seinem Gouverneur in Ägypten, Muhammad ibn Abu Bakr, setzte, und nach welchen zu handeln und sie wirksam werden zu lassen er ihm auftrug. So geht es aus den “Amali“ von Scheich Tusi hervor, dass der Kalif an Muhammad ibn Abu Bakr, als er ihn zum Gouverneur von Ägypten berief, ein Schreiben richtete, und befahl, es vor der Bevölkerung Ägyptens verlesen zu lassen, und entsprechend den darin enthaltenen Anweisungen zu handeln. In diesem Dokument schrieb der Imam (a.) wörtlich:

Oh ihr Diener Allahs, die Frommen erlangen das Gute im Diesseits und im Jenseits, sie haben am diesseitigen Wohlergehen derjenigen, die nur für diese Welt leben, Anteil, aber die letzteren haben keinen Anteil an deren Belohnung im Jenseits. Allah erlaubt ihnen, von den Gütern dieser Welt so viel zu besitzen, dass es sie befriedigt und reich macht, und sprach im Qur´an:

'Wer hat etwa den Reichtum Allahs, den er für seine Diener hervorbrachte, und die guten Dinge, mit denen er sie versorgt, diesen verboten? Sprich: Es ist für die Gläubigen in diesem Leben bestimmt, und ausschließlich für sie am Tage der Auferstehung. So erläutern wir die Zeichen für Leute, die verstehen.' [1]

Die Frommen sollen diese Welt so gut wie möglich bewohnen, vom Besten essen, und am diesseitigen Wohlergehen der diesseitsbezogenen Menschen teilhaben. Sie essen also mit ihnen von den guten Dingen, die jene essen, trinken die guten Dinge, die jene trinken, kleiden sich mit den besten Sachen, mit den sich jene kleiden, bewohnen die besten der Häuser, die jene bewohnen, reiten die besten der Tiere, auf denen jene reiten, und haben wie alle auf dieser Welt an ihren Genüssen teil, und sind doch morgen die Nachbarn Allahs, die ihre Wünsche an ihn richten, wobei er ihnen gibt, was sie erwünschen, keine ihrer Anrufungen abweist, und ihnen keinen Genuss vorenthält. Dies, oh Diener Allahs, ersehnt sich jeder, der Verstand hat, und handelt dafür in Gottesehrfurcht. Und es gibt keine Macht und keine Kraft außer bei Allah.

In diesem eindrucksvollen historischen Schriftstück erzählt der Imam (a.) nicht von der realen Lage der Frommen auf dieser Erde, oder von deren historischer Realität, sondern er beabsichtigt auszudrücken, welche Einstellungen die Frommen zum Leben haben sollen, und das Ideal vorzugeben, das die Gemeinschaft der Frommen auf dieser Erde verwirklichen soll. Deshalb befahl er, den Inhalt des Schreibens zur Anwendung zu bringen, und entwarf eine Politik im Sinne der darin enthaltenen Anweisungen und Ratschläge. Aus dem Schreiben geht also ganz deutlich hervor, dass der materielle Wohlstand, welcher durch die Entwicklung der Produktion und die weitestmögliche Ausnutzung der Natur verwirklicht wird, ein Ziel ist, das die Gemeinschaft der Frommen anstreben soll, und zu dem sie die Weltsicht verpflichtet, welche sich diese Gemeinschaft zu eigen macht, und in deren Sinn sie ihr Leben gestalten. Dieses Ziel ist gleichzeitig in einen ideologischen Rahmen gestellt und durch die Beschränkungen der Ideologie eingegrenzt, wie es der edle Qur´an mit den Worten feststellt:

Oh ihr diejenigen, die überzeugt sind, erklärt die guten Dinge, die Allah euch zugelassen hat, nicht für verboten; doch übertretet auch nicht. Wahrlich, Allah liebt nicht die Übertreter.[2]

Das Verbot der Schrankenlosigkeit im Bereich der Nutzung und Ausbeutung der Natur ist also der qur´anische Ausdruck jenes allgemeinen ideologischen Rahmens.

[1] Heiliger Qur´an 7:32

[2] Heiliger Qur´an 5:87

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