Einschränkung der Nutzungsvollmacht des Eigentümers
Es gibt im Islam zahlreiche
Beschränkungen der Verfügungsgewalt des Eigentümers über sein
Vermögen, deren jeweiliger Ursprung unterschiedlich ist. So
ergeben sich einige aus der Theorie der Verteilung “dessen,
was vor der Produktion existiert“, wie die zeitliche
Begrenzung der Verfügungsgewalt des Eigentümers über sein
Vermögen auf seine Lebensdauer und die Tatsache, dass er nicht
über die Verwendung der Güter, die ihm gehören, nach seinem
Tode bestimmen darf, die bei der Erörterung jener Theorie
erwähnt wurde. Und einige dieser Beschränkungen ergeben sich
aus der Theorie der Verteilung “dessen, was nach der
Produktion existiert“, wie die Einschränkung der Vollmacht des
Kapitaleigners über sein Vermögen, indem ihm verboten wird,
auf der Grundlage von Zinsgeschäften dadurch Einkünfte zu
beziehen, und es ihm nicht gestattet ist, Kredite gegen Zinsen
zu vergeben. Diese Theorie ergibt sich aus der Theorie der
Teilung produzierter Güter, welche unter anderem Einkünfte von
aufgewendeter Arbeit – direkter oder gespeicherter – abhängig
macht, wie wir vor kurzem gesehen haben.
Weiterhin gibt es in der islamischen
Wirtschaftsordnung Beschränkungen, die im Zusammenhang mit dem
religiösen und ethischen Verständnis von privatem Eigentum
stehen. So wird im Islam das Recht des Einzelnen auf Eigentum
religiös und ethisch in unmittelbarem Zusammenhang mit der
Einbringung des Einzelnen in die Gemeinschaft gesehen, für die
Allah die Natur und deren Reichtümer bereit und in den Dienst
gestellt hat, und es ist nicht zulässig, wenn sich das private
Eigentum von seiner Grundlage entfernt und zu einem Faktor der
Schädigung und Beeinträchtigung der Gemeinschaft wird, denn
damit verlöre es seine Eigenschaft als eine Erscheinungsform
der Nutzung seitens der Gemeinschaft und des Rechts eines
Einzelnen als Mitglied der Gemeinschaft, für deren Nutzung die
Reichtümer der Natur zur Verfügung stehen sollen. Auf dieser
Grundlage ist es natürlich, dass die Verfügungsgewalt des
Eigentümers über sein Vermögen eingeschränkt wird, und er es
nicht in einer Weise verwenden darf, die andere schädigt und
die Gemeinschaft beeinträchtigt. Im Gegensatz dazu wird das
Eigentumsrecht auf kapitalistischer Grundlage nicht als
Erscheinungsform der Nutzung seitens der Gemeinschaft
angesehen, sondern im Kapitalismus ist es Ausdruck des Rechts
eines Einzelnen auf den größtmöglichsten Genuss von Freiheit
in allen Bereichen. So ist es natürlich, dass es nur durch die
Freiheit der anderen eingegrenzt wird, und jeder Einzelne sein
Vermögen verwenden kann, wie er will, solange er nicht die
formale Freiheit
der anderen beeinträchtigt.
Wenn man z.B. Eigentümer eines großen
Unternehmers ist, dann hat man nach dem kapitalistischen
Verständnis von Privateigentum die Möglichkeit, mit seinem
Unternehmen verschiedene Strategien zu verfolgen, die es einem
erlauben, die kleineren Unternehmen zu ruinieren und vom Markt
zu verdrängen, in einer Art und Weise, die zu deren
Zusammenbruch und der schweren Schädigung ihrer Besitzer
führt, denn dies widerspricht nicht der Achtung von deren
formaler Freiheit, welche der Kapitalismus allen gewähren
will.
Das gesetzgeberische Prinzip des Islam,
welches die Verfügungsgewalt des Eigentümers über sein
Vermögen durch das Verbot der Schädigung anderer einschränkt,
geht aus einer Anzahl von Überlieferungen [hadith]
hervor, von denen wir die folgenden anführen:
1) In einer Anzahl von Überlieferungen
heißt es, dass ein gewisser Samura ibn Dschundab Dattelpalmen
besaß, und dass sein Weg dorthin durch das Haus eines
Medinensers führte, wobei er ohne dessen Erlaubnis zu seinen
Pflanzen zu gehen pflegte. Schließlich sagte ihm der
Medinenser: „Oh Samura, du hörst nicht auf, uns in einem
Zustand zu überraschen, in dem wir nicht überrascht zu werden
wünschen; wenn du also unser Haus betreten willst, dann bitte
um Erlaubnis!“ Er sprach: „Ich frage nicht um Erlaubnis
auf dem Weg, der zu meinen Pflanzungen führt!“ Da
beschwerte sich der Medinenser bei Allahs Gesandtem (s.), und
dieser ließ nach Samura schicken und sprach: „Der und der
hat sich über dich beschwert, und behauptet, du trittst ohne
Erlaubnis bei ihm und seiner Familie ein, bitte ihn also in
Zukunft um Erlaubnis, wenn du sein Haus betreten willst!“
Sumara ibn Dschumbad sprach: „Oh Allahs Gesandter, soll ich
etwa für den Zugang zu meinen Palmen um Erlaubnis bitten?!“
Darauf sagte der Prophet: „Lass ihn in Ruhe, du kannst als
Ersatz Palmen an einem anderen Ort da und da bekommen!“
Sumara ibn Dschumbad sagte: „Nein!“ Da sprach Allahs
Gesandter (s.) zu ihm: „Du bist ein schändlicher Mann, und
kein Schaden und keine Schädigung zu Lasten eines Gläubigen
ist zulässig.“ Und auf Befehl von Allahs Gesandtem (s.)
wurden die Palmen ausgerissen und vor ihn hingeworfen.
2) Von Imam al-Sadik (a.) wird
überliefert, dass Allahs Gesandter (s.) unter den Leuten von
Medina die Streitfrage der Bewässerung der Dattelpalmen
entschied, und anordnete, dass niemand an der Nutzung der
Quellen gehindert werden dürfe, und dass er unter den Beduinen
entschied, dass niemand von überreichlichem Wasser und damit
von überzähligem Weideland ausgeschlossen werden dürfe, wobei
er verkündete: „Kein Schaden und keine Schädigung!“
Und al-Schafi´i überliefert unter Berufung auf Abu Huraira,
dass Allahs Gesandter (s.) gesagt habe: „Wer andere an der
Nutzung überzähligen Wassers hindert, um sie damit von der
Nutzung reichlich vorhandenen Weidelandes abzuhalten, dem wird
Allah am Tage der Auferstehung den Überschuss seiner Gnade
vorenthalten.“ Zu dieser Überlieferung merkt al-Schafi´i
an: „Diese Überlieferung ist ein Beleg dafür, dass niemand
sein überschüssiges Wasser anderen vorenthalten darf. Denn der
Überschuss der Gnade Allahs wird nur demjenigen verwehrt, der
sich Allah widersetzt, und da das Vorenthalten überschüssigen
Wassers Ungehorsam bedeutet, hat niemand das Recht dazu.“
3) Von Imam al-Sadik (a.) wird
überliefert, dass man ihn über eine Mauer befragte, welche
einem Mann gehört, und als Trennwand zwischen ihm und seinem
Nachbarn dient, und die verfällt, worauf er sich weigert, sie
wiederaufzubauen. Dazu sagte der Imam (a.): „Er ist nicht
dazu verpflichtet, es sei denn, er wäre gegenüber dem Besitzer
des anderen Hauses diese Verpflichtung als Vorbedingung für
sein Eigentum eingegangen. Aber man soll ihm sagen: 'Repariere
sie auf eigene Kosten und in eigener Verantwortung, wenn du
willst!'“ Darauf fragte man den Imam: „Wenn die Mauer
aber nicht von selbst verfallen ist, sondern er sie zerstört
oder zerstören will, und damit seinen Nachbarn schädigen, ohne
eine Veranlassung zu deren Zerstörung zu haben?“ Er
antwortete: „Das soll man nicht zulassen, denn Allahs
Gesandter hat gesagt: 'Kein Schaden und keine Schädigung!',
und wenn er sie zerstört hat, wird er verpflichtet, sie
wiederaufzubauen.“
4) Im “Musnad“ des Ahmad ibn Hanbal steht
folgende Überlieferung von Abada: „Allahs Gesandter
entschied, dass kein Schaden und keine Schädigung eines
Gläubigen hingenommen werden kann, und er entschied, dass
einem ungerechten Menschen aufgrund seiner Abstammung keine
Sonderrechte zustehen, und er entschied unter den Leuten von
Medina über die Bewässerung der Dattelpalmen, dass niemand an
der Nutzung eines Brunnens gehindert werden dürfe, und er
entschied unter den Beduinen, dass niemandem das überschüssige
Wasser und damit das reichlich vorhandene Weideland
vorenthalten werden dürfe.“