Tausend und ...

Tausend und Ein Tag im Orient

Friedrich von Bodenstedt

Berlin, 1850 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Drittes Kapitel

Ein Pferd und zwei Jungfrauen

Die Zeiten sind vorüber, wo Kolchis alljährlich seinen Tribut von schönen Jungfrauen in das Harem des Padischah der Gläubigen schickte, und so lange der Russenkaiser die Krone von Georgien unter den hundert Kronen seines Reiches wahrt, werden jene Zeiten auch nicht wiederkehren, so sehr die Sunniten auch jammern mögen, daß ihrem Sultan das schönste, altherkömmliche Liebesopfer des Beiram, die Dur Gjirdshistanen (die Perle von Georgia) fehlt.

Aber heimlich werden aus den östlichen Küstenländern, und vorzugsweise aus Guria, noch immer eine Menge hübscher Mädchen nach Anatolien hinübergeschafft, wo sie auf dem Markte von Trapezunt entweder gleich Liebhaber und Käufer, oder doch sichere Gelegenheit zum Weiterkommen nach Stambul finden, dem höchsten und letzten Ziel ihrer Wünsche. Von Poti oder St. Nikolaus (den nächstgelegenen Küstenplätzen ) bis Trapezunt ist nur ein kleiner Sprung für ruderkundige Schiffer; eine einzige Nacht genügt, um auf den leichten, schnabelförmig zugespitzten Kajiks der griechischen Küstenfahrer, oder selbst auf kleinen Kosakenbarkassen die kurze Meeresstrecke zu durchschneiden. Und an schmucken Mädchen, welche sich bereit finden zu der abenteuerlichen Fahrt, fehlt es nie.

***

Mein Gastfreund in Osurgethi hatte zwei Töchter, wovon die ältere Nino, und die zweite, wenn ich nicht irre, Thamar hieß. Beide waren, obwohl in Gehalt und Gestalt wesentlich verschieden, ein paar so anmuthig gebaute Wesen, daß sie an Schönheit wetteifern konnten mit den herrlichsten Töchtern der Adighe.

Nino, eine hochgewachsene, schlanke Cypressengestalt, fein von Händen und Füßen, klein von Mund und Ohren, und mit einem dunklen Haarwuchs geschmückt, üppig und lang genug um ein Dutzend unerfahrener Männer auf Einmal darin zu verstricken.

Es war ein Weib, geboren zum Herrschen. In den großen, schwarzen Augen, den feinen, enganliegenden Lippen und der leise gebogenen, kühn gezeichneten Nase lag ein entschieden männlicher Ausdruck. In Weibern dieser Art spielt die Liebe immer nur eine untergeordnete Rolle.

Thamar, die jüngere Schwester, hatte nicht so bestimmt schöne Formen wie Nino; sie war kleiner, voller von Gestalt und weniger regelmäßig in ihren Zügen, aber unendlich liebreizender und weiblicher in ihrem ganzen Wesen. Für den etwas zu großen Mund entschädigten die rosigen Lippen und die kerngesunden, schneeweißen Zähne mit ihrem weichen Schmelz.

Die Farbe des Gesichts, des vollen Halses und Nackens war von durchsichtiger Reinheit. Sie hatte, was man so selten vereint findet, himmelblaue Augen mit langen, dunkelseidenen Wimpern, und ein glänzendes, schwarzes Haar.

Ich befand mich, diesen beiden schönen Wesen gegenüber, gerade in der richtigen Lage eines unparteiischen Beurtheilers. Mein Herz war anderweitig in Beschlag genommen, und mein sterbliches Theil dermaßen vom Gallenfieber geplagt, daß ich für nichts weniger Sinn hatte, als für verliebte Abenteuer.

Dazu kam noch, daß es mit meiner Baarschaft zu Ende ging, und ich vor Allem daran denken mußte, baldmöglichst nach Odessa zu gelangen, um bei Herrn Konsul Bellino einen Wechsel in Gold zu verwandeln; denn die ganzen Wälder von Kolchis entlang hätte mir kein Mensch für einen Wechsel von zweihundert Dukaten auch nur zweihundert Kopeken gegeben. Und eine Geldverlegenheit in uncivilisirten Ländern eines fremden Welttheils gehört nicht zu den geringsten Verlegenheiten des Lebens.

Trotzdem hatte ich große Freude an den Töchtern meines Gastfreundes, denn hübsche Mädchen, wie ein reiner Himmel und duftige Blumen, üben allewege auf Leidende wie Gesunde einen heilsamen Zauber aus.

Und hier möge eine Bemerkung eingeschaltet werden, die sich mir oft aufgedrängt hat in den Ländern des Südens, daß man dort selbst bei den Töchtern der ärmsten und niedrigsten Volksklassen niemals jene unbeholfene und eckige Steifheit der Bewegungen findet, wie bei uns. Setzt der geringsten Töchter dieser Länder eine auf einen Königsthron, und sie wird in Haltung und Geberde die Königin nicht verläugnen.

Ich hatte Giorgi beauftragt, einen Käufer für mein Reitpferd zu suchen, ein prächtiges Thier, welches mir Fürst Andronikow geschenkt hatte. Es kam mir schwer an, von dem treuen Thiere zu scheiden, das ich lieber als Andenken mit nach Europa genommen hätte, wenn der Transport nicht mit unüberwindlichen Schwierigkeiten verknüpft gewesen wäre.

Regelmäßige Kommunikation war damals noch nicht auf dem Schwarzen Meere; im glücklichsten Falle hätte ich das Pferd auf einem russischen Kriegsboote nach der Krimm schaffen können, und von dort über Odessa nach Konstantinopel. Aber so gern ich alle damit verbundenen Unkosten getragen hätte, bei der Gewißheit, daß das Roß wohlbehalten den Ort seiner Bestimmung erreichte, so wenig konnte ich mich unter den vorwaltenden Umständen dazu entschließen.

Einerseits war es sehr zweifelhaft, ob sich ein Kriegsboot zum Transport des Pferdes bereit gefunden hätte, und andererseits noch zweifelhafter, ob das Pferd die Reise ohne Gefahr machen konnte. Denn die russischen Kriegsboote kreuzen auf dem Schwarzen Meere nicht zu ihrem Vergnügen, sondern um Jagd auf die türkischen Sklavenschiffe zu machen, welche Tscherkessenmädchen nach Stambul führen.

So hielt ich es, Alles in Betracht gezogen, für das Klügste, das Pferd in Guria zu verkaufen, obwohl ich vorher wußte, daß in diesem armen Lande kein hoher Preis dafür zu erzielen sein werde.

Gleich am Abend desselben Tages, an welchem ich Giorgi beauftragt hatte, sich nach einem Käufer umzusehen, kam der verschmitzte Armenier zu mir in's Zimmer, wo ich eben in Nachdenken versunken auf meinem Teppich lag, und sagte: »Aga, ich habe meinen Mann gefunden, und Insch Allah! so Gott will! werden Sie mit dem Kaufpreise zufrieden sein.«

»Wer ist der Käufer?« fragte ich.

– Unser Kunak (Gastfreund) – antwortete Giorgi.

»Dolu!« (dummer Kerl!) rief ich und fuhr ärgerlich mit der Hand über die Stirne, denn einen unangenehmern Käufer als unsern Gastfreund hätte Giorgi mir nicht bringen können Nach asiatischem Brauche mußte ich ihm das Pferd entweder ganz schenken, oder es ihm wenigstens für ein Spottgeld überlassen.

Giorgi suchte mich zu besänftigen. Er habe ja an nichts weniger gedacht, als gegen meinen Vortheil zu handeln. In diesem Lande, wo die Leute selbst so wenig zu verschenken hätten und Fremde eben so selten wären wie Geld, seien sie auch nicht eben verwöhnt mit Geschenken und man brauche es hier mit dem alten »Bu begjanerem« (dieses gefällt mir) und »Alssen« (so nimm es!) so genau nicht zu nehmen.

»Was will der Kunak denn geben für das Pferd?« unterbrach ich Giorgi.

»Sein Gesicht verzog sich zu einem triumphirenden Lächeln und mich mit schlauen Blicken fixirend, antwortete er: »Nino!«

»Kerl! bist Du des Teufels?« entgegnete ich heftig.

Er ließ sich aber nicht aus der Fassung bringen. Mit immer sieggewisserm Ausdruck im Gesichte fuhr er fort: »Glauben Sie denn, ich hätte gleich zugeschlagen, Aga? Bin ich ein Kaswiner

Man erzählt sich von der Stadt Kaswin,
Daß sie voll von lauter Thoren wäre,
Daß voll Thorheit schon von Anbeginn
Jeder, der daselbst geboren wäre.

Ueber den Bazar der Stadt einst lief
Ein Kaswiner frohen Angesichts,
Pries die Gnade Allah's laut und rief
Daß sein Esel ihm verloren wäre,

Ohne daß er je das Thier beschritten! –
Warum dankst du Gott – fragt ihn ein Andrer –
Daß Du auf dem Grauthier nie geritten,
Als ob's nicht zum Ritt erkoren wäre?

Weil – entgegnete der schlaue Mann –
Hätt' ich auf dem Esel mich befunden
Als er sich verloren, ich alsdann
Sicher selber mit verloren wäre!

 

, der seinen Esel verliert und Gott dankt, daß er nicht selbst mit verloren gegangen. Hamdn lillah! Lob sei Gott! das bin ich nicht! Ich habe gesagt zum Kunak: Freund! hab ich gesagt. für wen hältst Du meinen Herrn, daß Du glaubst, er werde dieses Pferd weggeben für Nino? Wenn mein Herr sein Pferd verkauft, so muß er mindestens beide Mädchen dafür haben, Nino und Thamar! Wohlgemerkt, Aga, mindestens beide Mädchen! Er hat noch nicht zugeschlagen, aber ich will kein Adam (Mensch) bleiben, ich will ein Grauthier werden, wenn Sie nicht beide Mädchen bekommen für dieses Roß. Was sagen Sie nun, Aga? – setzte Giorgi schmunzelnd hinzu.

Ich unterlasse es, die Gefühle zu schildern, welche der Antrag des schnurrigen Kauzes in mir hervorrief. Der Versuch zu einer solchen Schilderung würde doch ein sehr buntscheckiger und unvollkommener werden.

Ein Reisender, der seine Erstlingsstudien der Menschen- und Völkerkunde in Rußland gemacht, wo das Schicksal vieler Millionen Menschen verschiedenster Race, Sitte und Bildung von dem Willen eines Einzigen abhängt, und der weiße Sklavenhandel nicht zu den schlimmsten Vorkommnissen des Tages gehört, findet es natürlich weniger überraschend, als es der Mehrzahl der freundlichen Leser erscheinen wird, einen Vater seine zwei eigenen Töchter als Kaufpreis für ein Pferd darbieten zu sehen.

Statt hier mit schönen Gefühlen zu kokettiren, will ich Euch lieber die Ursachen solch trauriger Erscheinungen zu erklären suchen.

Seit Jahrhunderten lebten die Völker kartwel'scher Race – wozu auch die Gurier gehören – in fremder Abhängigkeit; abwechselnd waren sie den Tataren, den Persern, den Türken und den Russen unterthan, so daß alle Spuren der früheren Kultur, des Wohlstandes und der Blüthezeit Georgiens, bis auf die Erinnerung an Thamar und Davith, die glorreichsten Herrscher dieser Länder, ausgerottet wurden.

Handel, Gewerbe und Ackerbau kamen in Verfall; die Einwohner, gewohnt sich nur als willenlose Werkzeuge der fremden Unterdrücker des Landes mißbraucht zu sehen, versanken in Trägheit und Stumpfsinn, denn alle Triebfedern der Kraftäußerung waren gelähmt.

Niemand strebte nach Reichthum, denn wer viel hatte, mußte viel geben. Niemand strebte nach Auszeichnungen, denn der Uebertritt zum Islam war die erste Bedingung, um zu Ansehen und Macht zu gelangen; und dem Glauben ihrer Väter sind die Stämme von Kartwel durch alle Leiden und Drangsale vieler Jahrhunderte treu geblieben bis auf den heutigen Tag.

Wie denn überhaupt die christlichen Völker dieser Gegenden, bis hinauf zu der Hochebene des Ararat, ihren islamitischen Bedrückern gegenüber dieselbe Rolle spielten, wie in Europa die Juden gegenüber ihren christlichen Peinigern.

So wurde der Fluch, der bei uns durch die blutdürstigen Apostel der sanften Lehre Jesu die Kinder Israel traf, gerächt an den treuesten und ältesten Bekennern des Christenthums bis ins zehnte und zwölfte Glied.

Zieht man die Summe der Drangsalsperioden der Völker von Kartwel und Haighk, so umfaßt die Zeit, welche den Rahmen zu diesem blutigen Gewebe des Unglücks bildet, über ein Jahrtausend.

Zerstört sind die Feuertempel der Parsen, zerstört die Denkmäler und Bauten der Römer, zerstört die Kirchen und Paläste der Byzantiner und Georgier, welche einst die immergrünen Wälder von Kolchis schmückten, und mit dem Untergang dieser Kunstdenkmäler ist auch der Sinn des Volks für die Künste des Friedens untergegangen.

Am härtesten trafen diese Schicksalsschläge immer diejenigen Landestheile, welche den Mittelpunkten der Macht und des Verkehrs, den Hauptstädten, am fernsten lagen. Guria war einer dieser unglücklichsten Stämme kartwel'scher Race.

Daher die Verwilderung des Landes; daher die Trägheit, die Erschlaffung, die Entartung seiner Bewohner.

Diese Menschen, welche seit Jahrhunderten daran gewöhnt wurden, die schönsten Jungfrauen aus ihrer Mitte in die Hareme der Türken oder Perser entführt zu sehen, mußten nach und nach abgestumpft werden gegen solche Vorgänge.

Wir haben der Schönheit der Mädchen von Guria schon früher rühmend Erwähnung gethan. Viele dieser Mädchen, welche das Schicksal in die Hareme islamitischer Großen geführt hatte, nachdem sie im Vaterhause eine freudenleere und sorgenvolle Jugend verlebt, kehrten nach einer Reihe von Jahren, beladen mit Geschenken und Kostbarkeiten in die Heimath zurück, und genossen hier dann eines Ansehens und Einflusses, welche der Reichthum überall erzwingt.

Hiedurch wurde der Neid und das Streben anderer Mädchen rege gemacht, zu ähnlichem Ansehen und Einfluß zu gelangen. Der einzige Weg dazu führte durch's Harem.

So geschah es denn, daß bald die Mädchen gar nicht mehr gezwungen zu werden brauchten, ihr Glück in der Fremde zu suchen, daß vielmehr ein förmliches Drängen, ein förmlicher Wetteifer unter ihnen entstand, nach Trapezunt oder Konstantinopel eingeschifft und einem Pascha oder Vesier anverkauft zu werden.

Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß ein solches Verhältniß nicht den zarten Anforderungen entspricht, welches wir an eheliches Beisammenleben zu stellen gewohnt sind; aber bemerkt muß hier werden, daß man im Orient auch nicht jene ehelichen Rohheiten findet, welche bei uns so mancher armen Frau das Haus zur Hölle machen.

Genießt im Orient die Frau nicht jene hohe Achtung und Verehrung, wie solche aus den deutschen Wäldern hervorgegangen und in England ihren höchsten Ausdruck gefunden, so wird sie doch niemals jener rohen Behandlung unterworfen, die bei uns nicht zu den seltensten Vorkömmnissen gehört.

Der Moslem ist zu stolz, um ein Weib zu mißhandeln; er kennt nicht jenen feigen Philistermuth der sich nur innerhalb seiner vier Pfähle äußert und ein wehrloses Weib das entgelten läßt, was die Welt in ihm Schlimmes erzeugt.

Mißfällt einem türkischen Großen auf die Dauer seine Auserwählte, so nimmt er sich eine Andere, und entläßt die Erste mit Geschenken, oder sorgt anderweitig für ihr Unterkommen. Es ist das ein Gebot des Koran und der Menschlichkeit, welches fast nie übertreten wird . . .

Bei dieser Gewißheit, ihre Töchter (nach der landesthümlichen Anschauungsweise) gut versorgt zu sehen, stellen die Eltern ihnen nicht nur keine Schwierigkeiten entgegen, sondern sorgen selbst nach Kräften für ihr Unterkommen in einem Harem.

Wenn ein Mädchen im eigenen Lande eine erträgliche Ehe nach christlichem Brauche schließen kann, so wird sie ihren Angehörigen dadurch immer eine größere Freude machen, als wenn sie ein abenteuerliches Glück in der Ferne sucht.

Ich habe nie gehört, daß hier zu Lande ein Vater seine Tochter, ein Bruder seine Schwester gezwungen habe, ihr Schicksal der Barke eines Sklavenhändlers anzuvertrauen; wenn aber die Mädchen selbst Gelüste der Art hegen, so wird der Kaufpreis für die schönen Auswanderinnen den Angehörigen zur Verbesserung ihrer eigenen dürftigen Häuslichkeit allezeit willkommen sein.

Bekanntlich suchen die Russen, sowohl in den ihnen unterworfenen, wie in den feindlichen kaukasischen Ländern, der Menschenausfuhr alle möglichen Schranken zu setzen; in wieweit dieses aber aus sittlichen oder christlichen Gründen geschieht, dürfte leicht festzustellen sein, wenn man weiß, daß ein gutes karabagh'sches Pferd, nach dem üblichen Geldwerthe berechnet, in Rußland nicht zwei, sondern sechs Mädchen aufwiegt.

***

Die obigen Betrachtungen erschienen mir nöthig, um den Leser auf den richtigen Standpunkt der Beurtheilung zu stellen.

Daß Guria, wie das ganze Kaukasus-Land, eines gewaltigen civilisirenden Einflusses zu seiner Hebung und Verbesserung bedarf, wird kein vernünftiger Mensch in Zweifel ziehen; daß aber gerade Rußland berufen und tüchtig sei, einen solchen heilsamen Einfluß auszuüben, wird jeder vernünftige Mensch in Zweifel ziehen, dessen persönliche Interessen nicht allzunahe mit den russischen Interessen verwandt sind.

Wir fahren jetzt in unserer Erzählung fort.

Ich bedeutete Giorgi mit aller Entschiedenheit, daß aus dem Handel nichts werden könne, und gab ihm dafür die einzigen Gründe an, welche in seinen Augen Gewicht haben konnten, nämlich: daß es mit meiner Baarschaft stark auf die Neige gehe, so, daß meine Reisemittel bis Odessa kaum für uns Beide ausreichen würden, wenn wir sparsam lebten, geschweige denn, wenn wir ein paar Mädchen, die doch vor Allem reich ausgeputzt werden müßten, in unserm Gefolge führten.

Ferner stellte ich ihm die Gefahren vor, welche uns von den Russen droheten, wenn wir es versuchten, die Mädchen auf türkisches Gebiet zu schaffen.

Es bedurfte für Giorgi keiner weiteren Argumente, denn die Gefahr scheute er so, daß das bloße Wort ihn schon in Schrecken versetzte.

Uebrigens schien ihm das Mißlingen des Geschäfts doch wesentlich böse Laune zu machen; »Aman! Aman! (Ach! Ach!)« rief er ein Mal über das andere, so daß sich mir unwillkürlich die Vermuthung aufdrängte, er habe sein Vermittlergeschäft nicht ausschließlich in meinem Interesse betrieben.

Aber noch mehr, als über das Mißlingen des Handels, gerieth er außer sich über mein Bekenntniß, daß es mit dem Gelde auf die Neige gehe. Dies wollte ihm gar nicht einleuchten. Meine Börse hatte er für unerschöpflich gehalten wie seinen Witz. »Wo ist nur all das Geld geblieben,« fragte er kopfschüttelnd.

»Das mußt Du am besten wissen, – entgegnete ich – denn Dir ist es alle durch die Finger gegangen! Wer dachte daran, daß in diesen armseligen Ländern solche Theuerung sein würde? Hast Du mir nicht bei Deinem Kopf geschworen, als wir zum letzten Male Abrechnung hielten, und ich mich wunderte über die hohen Preise, Du hättest in Redut-Kalé den griechischen Kaufleuten jedes Huhn mit einem Dukaten bezahlen müssen, wegen des Osterfestes? Statt mir das vorher zu sagen, um eine andere Einrichtung möglich zu machen, kommst Du mit Deinen Klageliedern lange nachdem die theuren Hühner alle verzehrt sind! Hast Du mir nicht zwei Abbas auf die Rechnung gesetzt für jedes Hemde zu waschen, und sind nicht alle meine Hemden, nach dieser Rechnung öfter gewaschen, als ich sie getragen habe? Ist es da ein Wunder, wenn das Geld durch die Finger läuft, wie das Wasser durch's Sieb?«

Giorgi sah mich verblüfft an, ohne ein Wort zu erwiedern, und verließ dann, rückwärts gehend und die Blicke abwechselnd auf den Boden und auf mich heftend, langsamen Schrittes das Zimmer . . .

Es war schon spät am Abend. Ich warf einen leichten Schlafrock über, der mir in den warmen Sommernächten zugleich als Decke diente, behielt meine weiten, rothseidenen Beinkleider an und legte mich schlafen, nachdem ich, wie immer in diesen Gegenden, wo Schloß und Riegel noch zu den seltensten Luxusartikeln gehören, Etwas gegen die Thüre gestellt, um durch das Geräusch des Umfallens beim Oeffnen geweckt zu werden.

Es dauerte lange, ehe ich die Ruhe finden konnte, deren ich so sehr bedurfte.

Zuerst kamen durch die glas- und gitterlosen Oeffnungen, welche oben in der Wand angebracht, die Stelle der Fenster vertraten, ein Paar Vögel hereingeflogen und schwirrten so lange im Zimmer umher, bis es mir gelang, sie durch Zischen und Werfen zu verscheuchen.

Kaum hatte ich die Augen wieder geschlossen, als ich durch etwas mir in's Gesicht Fallendes von Neuem aufgeweckt wurde. Es war ein Stückchen Lehm, oben von der Wand losgebröckelt durch eine junge Katze, welche, wie ich die Augen aufschlug, eben die Wand herabgeklettert kam. Die mondhelle Nacht machte es mir zum Glück möglich, die Gegenstände meiner Beunruhigung ausfindig zu machen und zu beseitigen.

Doch sollte ich in dieser Nacht keine dauernde Ruhe finden. Eine Stunde mochte etwa vergangen sein, seit ich die Katze glücklich vertrieben hatte, und in festen Schlaf versunken war, als ich durch ein lautes Gepolter an der Thüre abermals gestört wurde.

Ich sprang ärgerlich auf, griff in der Schlaftrunkenheit nach meinem Pistol und – wer beschreibt mein Staunen, als mir eine hohe weibliche Gestalt, gespensterhaft in weißes Gewand gehüllt, entgegentritt, vor mir niedersinkt, meine Hand küßt und mich beschwört, sie nicht zu verlassen.

Es war Nino, die Tochter des Gastfreundes. Sie hatte von Giorgi das Mißlingen der Handelspläne vernommen und kam deshalb selbst, um einen letzten Versuch zu machen, mich zu bewegen, sie mit mir zu nehmen.

Daß sie dabei einen großen Aufwand rührender Worte und liebevoller Gesinnungen für mich machte, lag in der Natur der Sache. Hinzufügen muß ich, daß sie das Wort mit bewundernswürdiger Gewandtheit handhabte und ihren Artigkeiten in hohem Grade einen Anstrich der Aufrichtigkeit zu geben wußte.

Alle meine Einwendungen und Ausflüchte wurden immer schnell durch passende Antworten beseitigt.

Ich bewunderte und lobte die natürliche Beredtsamkeit des Mädchens, blieb aber nichts desto weniger hartnäckig bei meiner Weigerung.

In sehr feiner Wendung gab Nino mir zuletzt zu verstehen, daß es ihr um den Besitz des Pferdes durchaus nicht zu thun sei; ich möchte das Thier immerhin anderweitig verkaufen, wenn ich nur meine Einwilligung gäbe, heimlich mit ihr zu entfliehen und ihr Herz in meine Hand zu nehmen. Und wenn es ihr nicht gelänge, in mir einen Funken von Zuneigung für sie zu erwecken, so stände es mir ja immer noch frei, sie in Trapezunt oder Constantinopel zu verkaufen. Mit einigem Selbstgefühl gab sie mir dabei zu verstehen, der Preis für eine solche Schöne werde doch in den genannten Städten kein allzu geringer sein.

Wie sehr mir auch diese materielle Anschauungsweise mißfiel, und wie sehr überhaupt das Benehmen Nino's meinen Gefühlen widerstrebte, so war ich doch dergestalt bezaubert von der Schönheit dieses formvollendeten Mädchens, daß ich wirklich einen Augenblick schwankend wurde in meinem Entschlusse. Aber der Kampf war nur ein kurzer.

Und ich muß der Wahrheit die Ehre geben und gestehen, daß wenn ich mich hätte entschließen können, eines der beiden lieblichen Wesen mitzunehmen, ich nicht Nino, sondern Thamar, ihre minderschöne Schwester, gewählt haben würde.

So aber blieben sie Beide zurück, und ich verließ Osurgethi zwei Tage später, nachdem ich das Pferd durch Vermittelung des Polen zu einem geringen Preise verkauft hatte.

Doch ich darf dem Gange der Dinge nicht vorgreifen; vor meiner Abreise hatte ich noch ein kleines Erlebniß, dessen Nicht-Erwähnung eine Unterlassungs-Sünde sein würde.

Davon im nächsten Kapitel.

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