Vorrede (Band 2)
Noch ein Fläschchen Rosenöls, Wohlgeruch liebende Leser,
das Sie nach orientalischer Sitte ungeöffnet zwischen Papier
und Wische legen, oder womit, wenn Sie aus dem Schwitzbade des
Geschäftlebens kommen, und gemächlich auf Ihrem Sofa ruhen,
Sie sich zur Zeitverkürzung durchdüften mögen. Wir verbürgen,
dass es nicht weniger rein und ächt ist, als das erste,
wiewohl Kenner gar bald den verschiedenen Gehalt der beyden
Fläschchen unterscheiden werden. Das erste war bloß aus
persischen Rosen gesammelt, deren vorzüglicher Wohlgeruch
Ihnen aus Saadi's Rosenhain und aus Hasisens Liebesgesprächen
zwischen Rosen und Nachtigall gewiß längstens bekannt ist.
Außer dem indischen und persischen Otr aber gibt es auch, wie
Sie wissen, syrisches, ägyptisches, barbarisches und
türkisches Rosenöl. Die Rosen von Damaskus, von Fajum[3] und
Adrianopel düften weniger stark, aber deshalb nicht weniger
lieblich, als die persischen. Was wir aus unserem kleinen
Vorrat derselben an reinem Otr erpressen konnten, erhalten Sie
in diesem Riechfläschchen.
Es sind dreihundert Tropfen gesammelt aus sieben
orientalischen Distillirkolben, deren Einrichtung und
Beschaffenheit weiter unten näher beschrieben wird.
Es ward sorgfältig darauf gesehen, dass das Wasser
verdünste, damit Sie vielleicht statt des versprochenen
Rosenöls nicht Rosenwasser erhielten, von dem es leicht wäre,
in zinnernen oder bleiernen Flaschen einen so ansehnlichen
Vorrat herzuschaffen, dass Sie sich damit nicht nur die Augen
auswischen, sondern darin auch baden könnten.
Aber je mehr es gutes Rosenwasser giebt, desto seltner ist
ächtes Rosenöl, von dem wir Ihnen ein Paar Fläschchen zu
liefern versprachen, und hier mit dem zweiten Wort halten.
Oder mit schlichten Worten:
Es wäre ein Leichtes gewesen, aus den sieben unten
genannten Werken mehr als dreihundert Geschichten und
Anekdoten zu übersetzen,[4] indem die türkische große
Anekdotensammlung, deren allein über vierzehnhundert enthält,
aus denen nur ein halbes Hundert gewählt ward. Die meisten der
übrigen sind unserem Urteile nach so gemein, platt und
wässerich, dass es nicht der Mühe wert schien, mit solchem
Gewäsche die Zeit des Lesers sowohl als des Übersetzers zu
verderben.
Eben so sparsam wurden einige der arabischen Quellen
benutzt, aber aus einem andern von dem vorigen ganz
verschiedenen Grunde. Dort ward das Wässerichte, hier das
Beißende übergangen. Possen und Mährchen in Aretin's und
Crebillon's Geschmacke. Stoff zu Erzählungen à la Bocaccio und
á la Fontaine des Franzosen, deren Ausführung besser seinen
Landsleuten, als dem Deutschen überlassen bleibt.
Das blütenreichste der durchwühlten Rosenbeete ist das
Alaimon-nas, eine arabische Anekdotensammlung von
entschiedenem Werte, deren aus arabischen Geschichtsschreibern
zusammen getragene Inhalt von den späteren Zeiten der
morgenländischen Geschichte unter den Kalifen nicht weniger
für rein historisch gilt, als [5] Tabari für die Zeiten der
ältesten Geschichte der Propheten und persischen Könige.
An die Stelle der Glorie, welche die Werke der alten
Propheten, und die Taten der Heroen überstrahlte, brach der
Prachtschein hervor, welcher den Kalifenstuhl umleuchtete, und
die Wunder der Vorwelt unter den großen Fürsten des Islams
erneute.
Die Regierung der vier ersten Kalifen, die des Hauses Ommia
und der Familie Abbas ist die taten- und lehrreichste Epoche
der arabischen Geschichte. Omar, der strenge Kalif,
Hedschadsch, der tyrannische Statthalter, und Abbas, der
blutdürstige Usurpator beherrschten die Völker mit härenem
Sack und blutiger Geißel, und eisernem Szepter. Der Koran und
das Schwert waren die Herolde des Glaubens und die Säulen des
Reichs. Unter den Abbasiden aber spross aus den Ruinen des
persischen Reichs, auf dessen Trümmern der Kalifenstuhl
erhoben war, die zarte Pflanze der Wissenschaft und weiser
Regierungskunst verjüngt empor, und trieb Blüten unverwelkbar
in der Geschichte. Die Kleinodien des Kalifats, der Mantel und
der Stab des Propheten[6] wurden die Hülle und Stütze, worin
sich die Völker sicher bargen, und worauf sich die Fürsten
schirmend lehnten. Die Nationen waren die Diener Gottes, und
der sichtbare Statthalter desselben, der Nachfolger des
Propheten auf Erden, der Kalife. Durch Harun, Mamun, und durch
die Barmekiden, die unter und mit ihnen herrschten, ward die
Regierungskunst des Kalifates bis zur größten Vollkommenheit
gesteigert. Der Hang des Ersten nach Pracht und Genuss, die
Wissenschaftsliebe des Zweiten, die Freigebigkeit des Letzten
riefen alle Keime der Kunst ins Leben, und alle Talente ins
Dasein. Wem sind diese Namen unbekannt geblieben, und wer hat
nicht von dem Glanze Harun's, von Mamun's Gelehrsamkeitsflore
und von der Großmut der Barmekiden gehört? Die Nachtigallen
dieser Rosenzeit, die Horaze und Virgile dieser Auguste und
Mäcene, Asmai, Ebinuwas, Ebu-moßab, Hossein, AlKalii,
Seineddin, und Ibnal-wardi haben uns die schönsten Blüten
aufbehalten.
Sie lebten zu den Zeiten Harun's und Mamun's, und der
Barmekiden, und erzählen die verschiedenen kleinen
Begebenheiten und Abenteuer von dem Hofe des Kalifen, worein
sie entweder selbst verwickelt waren, oder wovon sie durch
Andere gehört hatten. Sie waren die täglichen Gesellschafter
und unzertrennbaren Begleiter der genannten Kalifen und
Wesire, eingeweiht in die Geheimnisse ihrer vertrautesten
Gesellschaft, und selbst des Harems. Ihnen zu Gunsten lüfteten
sich manchesmal die undurchdringbaren Schleyer des
Frauengemachs, und das Talent der Dichtkunst, der
Erzählungskunde und der Musik erwarb ihnen nicht selten die
Gunst, hierin mit den Sklavinnen des Harems einen Wettstreit
zu beginnen; auch teilten sie mit Mesrur, dem obersten
Verschnittenen und Vorsteher des Harems, die Ehre, den Kalifen
verkleidet auf seinen nächtlichen Ausflügen und Streifereyen
durch Bagdad zu begleiten, und Zeugen zu sein der guten Laune
des Kalifen, worin er oft des Weinverbotes des Propheten
vergaß. Was sie hievon erzählen, ist eigentlich die Blüte
ihres Witz- und Fantasiespieles, und gibt den Ton der
damaligen besten Gesellschaft, nämlich der Gesellschaft am
Hofe des Kalifen.
Unter allen gesellschaftlichen Talenten ward keines höher
geschätzt, als das, zu improvisieren und zu erzählen. Die oben
genannten sieben schönen Geister waren die privilegierten
Hofdichter und Hoferzähler. Sie mussten sich den ganzen Tag
hindurch in den Vorzimmern des Palastes aufhalten. Wenn der
Kalife, von Regierungsgeschäften ermattet, sich einige
Augenblicke erholen wollte, ließ er sie hereinrufen, um ihm
Etwas aus dem Stegreife zu reimen, oder zu erzählen, und oft,
wenn er des Nachts von Sorgen geplagt kein Auge zutun konnte,
ließ er sie wieder rufen, um ihm durch ihre Verse und
Anekdoten die lange Weile der schlaflosen Nächte zu
vertreiben. Besonders ist Harun Raschid durch seine
schlaflosen Nächte, durch seine unüberwindbare Neugierde, und
durch seinen Hang zum Seltnen und Wunderbaren vor allen andern
Kalifen weitberühmt, weswegen ihn auch die Sammler der tausend
und einen Nacht so oft zum Helden ihrer Mährchen gewählt
haben. Der Unterschied der kürzeren (bisher in Übersetzung
angekündigten, aber noch nicht erschienenen) Erzählungen der
tausend und einen Nacht, und der hier gesammelten besteht
darin, dass jene oft nichts als Mährchen seyn wollen, diese
hingegen immer auf historische Wahrheit Anspruch machen.
Sollte ihnen auch diese Anforderung von europäischen Lesern
gar nicht, oder wenigstens nicht so unbedingt zugestanden
werden, so bleibt doch immer den einen wie den andern die
individuelle Wahrheit treuer Sittenmalerei.
Aus diesem Gesichtspunkte ist die Auswahl derselben
getroffen, und viele sonst gar nicht interessante
Geschichtchen sind bloß deswegen, weil sie einen treuen Zug
oder charakteristischen Stempel arabischer Sitte an sich
trugen, vor andern erlesen worden. Bey der Sündflut von
Geschichten, Romanen, Mährchen, Anekdoten, Possen, Schwänken
und sinnreichen Einfällen, womit die europäische Literatur
überschwemmt ist, fliegt die ästhetische Taube umsonst aus
nach unentdeckten blühenden Auen und goldenen Saatfeldern,
aber ein grünes Zweiglein kann sie dennoch brechen, von
fremdem Strauch, der noch aus der Flut hervorragt, und als
exotisches Gewächs den Werth der Neuheit hat. Schwerlich wird
ein künftiger Übersetzer Erzählungen auffinden, die durch
Neuheit[10] der Anlage, Wendung, Verflechtung und Entwickelung
vor den schon bekannten Etwas voraus hätten, aber die Sitte
des Orients ist uns noch immer fremd und neu, und folglich
interessant, sobald sie nur mit Wahrheit dargestellt wird.
Diese Anekdoten durchlaufen den ganzen Zeitraum von
Mohammed bis zu den ägyptischen Schattenkalifen, und die
Personen handeln im Diwan und im Harem, am Hofe und in der
Wüste.
Kalifen und Prinzen, Frauen und Verschnittene, Statthalter
und Vögte, Beduinen und Stadtleute, Wesire und Emire, Dichter
und Tonkünstler, Pferdediebe und Sklavenhändler, sind nach der
Natur gemalt, und leben und weben im deutschen Gewande, wie
bei sich zu Hause unter Baldachinen und Zelten. Das Studium
dieser Sittengemälde dürfte niemanden nützlicher sein, als
europäischen Dichtern und Erzählern, die ihre Szenen nach
Orient verlegen, deren Helden aber ungeachtet orientalischer
Namen und Ausstaffierung im Orient wildfremd sind.
So hat z.B. die europäische Bühne kein einziges Stück
aufzuweisen, worin die besonderen Sitten des Morgenlandes treu
beobachtet wären. Voltaire's Mohammed und Zaire sind
Franzosen, wie Collin's 3 Schäfer Engländer sind; und
Klinger's Giafar der Barmekide ist weder ein Araber, noch ein
Perser.
Der Verfasser kennt aus Hadschi Chalfa ein halbes Hundert
ähnlicher Geschichten und Anekdotensammlungen, deren
Bearbeitung künftigen Übersetzern vorbehalten bleibt, denen
das Glück solch einen Fund bescheret. Hier folgt nur die
nötigste bibliographische Notiz der sieben Werke dieses
Faches, die der Übersetzer auf seinen Reisen im Morgenland
fand und kaufte, und dermalen im Okzident besitzet und
benützet.