65. Einige Züge
Einige Züge zur Lebensbeschreibung Asmais, des ersten
Hofdichters Harun Raschids, dürften, ihm selbst nacherzählet,
nicht missfallen.
Von armen Eltern in Basra geboren, sagt er, ging ich dorten
in die Schule. Mein täglicher Weg führte mich bei einem
Gewürzkrämer vorbei, der mich mehr als einmal im Vorbeigehen
aufhielt, und mir zuredete, meine Zeit nicht mit Erlernung
unnützer Dinge zu verlieren, sondern mich lieber auf ein
nützliches Brodhandwerk, wie das seinige, zu verlegen. Gib
mir, sagte er, deine Papiere, ich will Wasser darauf gießen
und die Tinte abwaschen, und Tüten daraus machen, um
Zuckerwerk darein zu füllen. Ich gab seinen Vorschlägen kein
Gehör, sondern setzte meine Studien fort, wiewohl ich kaum
einen Rock hatte mich zu kleiden.
Eines Tages kömmt ein Diener, und ruft mich zum Emir von
Basra, der von meinem Fortgange in den Studien gehört hatte.
Woher kennt mich der Emir? fragte ich, und ging hin, ganz
beschämt ob meines zerfetzten Kaftans. Ich ward neu gekleidet,
und er kündigte mir an, dass er mich zum Unterrichte der
Prinzen des Chalifen ausersehen habe. So reiste ich dann nach
Bagdad, wo mir der Fürst der Rechtgläubigen alle mögliche
Sorge für den Unterricht und die Erziehung seines Sohnes
Mohammed Emin anempfahl, mit dem Versprechen, mich, wenn er
zufrieden wäre, zum Hofimam zu machen. Meine monatliche
Besoldung waren nicht weniger als zehn tausend Dirhem.
Auf diese Art ward ich gar bald reich, und als ich glaubte,
dass der Prinz gehörige Fortschritte gemacht hatte, bat ich
den Chalifen, selbst die Prüfung vorzunehmen. Er war ungemein
zufrieden, und erlaubte mir, am nächsten Freytage die Kanzel
als Hofimam zu besteigen. Nun mangelte nichts an meinem
Glücke; und um alle meine Wünsche zu gewähren, erteilte er mir
noch die Erlaubnis, mich nach Bassora zu begeben, wohin ich
mich schon längstens gesehnt hatte. Ja, es ward sogar dem
Statthalter von Bassora der Befehl erteilet, dass alle Große
der Stadt sich einmal in der Woche bei mir versammeln sollten,
um aus meinen Unterredungen Frucht und Nutzen zu ziehen.
Eines Tages kam auch der Gewürzkrämer, der mich aber nicht
mehr erkannte. – Erinnerst du dich nicht mehr, sagte ich ihm,
auf den guten Rath, den du mir gabst, Wasser auf meine
Schriften aufzugießen, und Tüten aus dem Papier zu machen, um
Zuckerwerk darein zu füllen. Du siehst, ich habe deinen Rath
befolgt, und lasse mir nun das Zuckerwerk schmecken.