22. Ebuseid Eleshedi
Ebuseid Eleshedi erzählt: Ich ging eines [Rand: Alaim.]
Tages hin zu Suleiman, dem Sohne Abdolmeleks, dem Chalifen. Er
saß in einem Saale, dessen Wände mit rotem Marmor, dessen
Boden mit grünem Samt belegt war. Vor den Fenstern des Saales,
der mitten im Garten lag, rauschten Flieder und Quellen ins
Lied der Nachtigallen und ins Gekose der Turteltauben. Am
Kopfe und zu den Füßen des auf's Sofa hingestreckten Chalifen
standen Mädchen, eine schöner als die andere. Die Sonne sank
eben unter, und Rubinenglut durchfloss den smaragdenen Schmelz
der Bäume, deren Äste sich zum Wohllaut der Vögel wiegten.
Heil dir! sprach ich, Fürst der Rechtgläubigen, Nachfolger
des Propheten, Gottes Barmherzigkeit und Segen sei über dich!
Der Chalife hob sein Haupt auf und sprach: Ebaseid wünsche mir
Frieden und Ruhe in solcher Zeit. – Der Herr möge dir Frieden
und Ruhe schenken, und den Preis derselben. – Ebaseid, und was
wünschest denn du dir? – Herr, ich wünsche mir nichts als
einen rabinroten Trank in spiegelndem Kristall; aber kredenzt
müsste er mir werden durch das schönste und
leichtgeschürzteste Mädchen von Bagdad, dass ich ihn aus ihrer
hohlen Hand trinken, und dann den Mund an ihrem Arme abwischen
könnte.
Suleiman schwieg, aber Funken des Zorns sprühten[45] aus
seinen Augen. Grimmig rollten dieselben und die Sklavinnen
zitterten. Endlich hob er das Haupt empor und sprach: Ebaseid,
du bist in deiner letzten Stunde gekommen, und ich lasse dir
den Kopf vor die Füße legen, wenn du mir nicht sogleich mit
Wahrheit gestehest, wie du zu diesem Wunsche gekommen, der
gewiss nicht ohne außerordentliche Veranlassung deinem
nüchternen Gehirne entdampft. – Deine Majestät hat es erraten.
Ich saß am Thore deines Bruders Saad, des Sohnes Abdolmeleks,
als sich die Pforten öffneten, und ein Mädchen aus dem
Pallaste trat, zart und luftig wie eine Gaselle, so dem Netze
des Jägers entwischt. Sie war gekleidet in ein feines
durchsichtiges Hemd von alexandrinischer Seide, das den
schönen Busen weder drückte noch schmückte, sondern Form und
Farbe zugleich verriet. Goldne Fußbänder klirrten an den
Knöcheln, deren Weiße vom roten Saffian der Pantoffeln wie
weißer Samt abstach. Ihre Brauen hatten Bogen gespannt ober
den mit Zauberei erfüllten Augen. Die Wangen waren aus weißen
und roten Rosenblättern aufgehaucht, und der Mund schien ein
aufgeschnittener Pfirsich aus welchem Blut träust.
Sie sprach für sich im Gehen: Was klaget die Laute, was
lärmet die Trommel? was flötet die Nachtigall, was seufzet die
Rose? Ach! Liebe und Leben, wie bitter und kurz! Das Herz
pocht, der Verstand grollt, der Geist ermattet, die Kraft
erstirbt. Ein[46] langer Schlaf senkt sich herunter auf die
Müden. Gottes Segen über die, so getrennt leben, aber doch
vereint sterben! Ach wie schön, wenn sich das Glück durch
List, und die Liebe nach Wunsch fände; wie glücklich wäret ihr
nicht alsdann ihr Männer! ihr Frauen! Doch wer hat Anka
gesehen auf dem Gipfel des Kafs?
Als sie ausgesprochen hatte, redete ich sie an: Mädchen,
bist du eine Menschen- oder eine Dschinnentochter? ein
irdisches oder ein himmlisches Geschöpf? Dein hoher Geist,
dein tiefes Gefühl, haben mir Herz und Sinne geraubt. – Sie
verhüllte dann ihr Gesicht mit dem Ärmel ihres Hemdes, als ob
sie mich nicht ehe zuvor schon gesehen hätte. Verzeih', sprach
sie, du Schönredner, traurig ist die Stunde, wo sich das Herz
allein ergießt, und keinen Vertrauten als die Luft anspricht.
Sie kehrte um und entfloh. Und bey Gott, o Fürst der
Rechtgläubigen, seitdem schwebt mir ihr Bild in jedem
Augenblicke vor den Augen. Ich kann nichts Gutes genießen,
ohne mich an sie zu erinnern, ich kann nichts Schönes sehen,
ohne ihrer eingedenk zu sein. –
Deine Beschreibung, Ebaseid, sprach der Chalife, bat meinen
Unwillen versöhnet, und ich fühle mich dir wieder in Gnaden
gewogen, wiewohl mein gefasster Verdacht sich mit Gewissheit
bestätiget hat. Ich dachte sogleich, es müsse ein
außerordentliches Geschöpf gewesen sein, dem es gelang, einen
Kopf wie deinen, Ebaseid, in helle Flammen zu setzen. Ich
dachte, dies müsste nur meiner Delfa möglich sein, und so ist
es. Delfa ist's, die du gesehen, meine Lieblingin Delfa, von
der mit Recht der Dichter gesungen:
Delfa, du bist ein einz'ger Rubin aus Bedachschan's Minen,
Der aus dem Säckel das Geld fürstlichen Käufern entlockt.
Tausendmal tausend und mehr gib ich für dich mit Vergnügen,
Liebst du nur immer auch mich, den, der am teuersten zahlt.
Immer von Liebe beseelt wird dir ein ewiges Leben,
Denn der Hass allein wird von dem Grabe gedeckt.