102. Mamun liebte
Mamun liebte vor vielen andern seiner Sklavinnen Eime Nesim,
oder Zephyrine genannt. Sie war beständig in seinem Geleite,
so in der Stadt als auf dem Lande. Doch musste sie zuletzt
einer neu angekommenen griechischen Sklavin weichen, welche
den Chalifen für sich einnahm. Zephyrine verzehrte sich in
Kummer und Schmerz, aber sie klagte nicht. Am neuen Jahrstage,
wo Alles dem Chalifen Glück wünschte und Geschenke brachte,
erschien auch sie mit einem Becher aus Kristall, der mit einem
gestickten Tuche bedeckt war. Im Kristall war diese Inschrift
eingegraben:
Trinke, mein Freund, in langen Zügen den Becher der Liebe,
Lasse für mich darin nur ein Tröpflein zurück.
Der Chalife, bezaubert vom schönen Gedanken, und vom
Gefühle, das denselben ausgesprochen hatte versprach der
Geberin, noch diesen Abend den Becher in ihrer Gesellschaft zu
leeren, und hielt Wort.
Diese Inschrift ward in der Folge berühmt, und findet sich
daher noch heut' auf Bechern, Gläsern und anderen
Trinkgeschirren eingegraben.