33. Das Paradies
[Rand: Feraid. S. 259.]
Die Bewohner des Paradieses, sagt der Prophet, werden
eingehen in dasselbe, geschoren an Haupt und Lenden, als
Männer von drei und dreißig Jahren; was so zu verstehen ist,
dass sowohl Greise als Kinder in diesem Alter blühender
männlicher Kraft erscheinen, und ewig in selbigem verbleiben
werden.
Die erste Schar, so ins Paradies eingeht, wird eingehen
schön von Gestalt, wie der volle Mond; die folgenden schön,
wie die großen Sterne des Himmels.
Die Diener des Paradieses kommen ihnen entgegen, und
begrüßen sie; und ihre Fußstapfen dampfen Wohlgeruch auf
fünfhundert Jahre Weges weit.
Vor dem Paradiese, sagt Ali, steht ein Baum, an dessen Fuß
zwei Quellen entspringen. Die Auserwählten baden sich in der
einen, und trinken aus der andern. Die erste reiniget ihren
Leib, die zweite ihr Gemüt von irdischem Unrat.
Wenn sie nun an die Thore des Paradieses kommen, öffnen
sich dieselben, und der Hüter Riswan bewillkommt die
Auserwählten mit den Worten: Heil Euch. Euch ists wohl
geworden. Geht herein, um ewig hier zu verbleiben13.
Die Zahl der Himmel ist, wie die der Höllen [Rand: Feraid.
S. 263.], sieben.
Der erste Eden, der zweite Firdews oder Paradies, der
dritte Dschenneton-naim oder Gnadenhimmel, der vierte
Darol-Chaled oder Haus der Ewigkeit, der fünfte Darol-meva
oder Haus gastfreier Aufnahme, der sechste Dares-selam, das
Haus des Heiles, der siebente Oliun oder der Oberste.
Der vornehmste dieser sieben Himmel ist Eden, in dem sich
der Palast des Propheten befindet, und wo nur Propheten und
Blutzeugen wohnen. Im Paradies der gastfreien Aufnahme halten
sich die Erzengel Michael und Gabriel auf. Nach andern
Überlieferungen gibt es acht, nach andern nur vier Paradiese,
zwei aus Gold und zwei aus Silber.
Alle Gegenstände des Paradieses sind zwar den irdischen,
die uns umgeben, dem äußeren Ansehen nach ähnlich, aber in der
Tat von edlerer Natur; so ist die Erde Moschus, der Mörtel
Silber, die Blätter und Blumen weiche Smaragden und Rubinen.
[Rand: Feraid. S. 266.] So fließen auch die Wasser des
Paradieses keineswegs, wie auf der Erde, in Betten, sondern
über der Erde wie kristallene Bänder fort, und richten ihren
Lauf nach dem Belieben der Auserwählten, wohin diese wollen.
Nach einer vom Imam Termedi aufbewahrten mündlichen
Überlieferung des Propheten sind im Paradiese vier Seen, der
eine aus Wasser, der andere aus Honig, der dritte aus Milch,
der vierte aus Wein, aus denen sich vier Flüsse ergießen. Die
Erde, über der sie fließen, ist mit Rubinen besäet, weiß wie
Kampfer und wohlriechender als Moschus.
Der Koran erwähnt auch der Quellen des Paradieses.
Eine Quelle, von der die Diener Gottes trinken;
Eine Quelle, genannt Selsebil14.
Die Quelle Selsebil entspringt unmittelbar unter dem
himmlischen Gezelte, und strömt für alle Bewohner des
Paradieses.
Ein zweiter Quell heißt Tesnimm, so genannt von der Höhe,
von der er herabstürzt. Der dritte ist Rahik, oder der
überströmende, weil er von Gottes Gnade überfließt. Der vierte
Sendschibil, der wie der Quell Selsebil nach Moschus duftet.
Außer diesen vier Quellen ist auch im Paradiese das große
Wasserbecken Kewßer, aus dem der Fluss gleiches Namens
entspringt.
Kewßer, sagt der Prophet, ist ein Fluss im Paradies, dessen
Ufer Gold, dessen Sand Perlen, dessen Wasser duftender als
Moschus, süßer als Honig, weißer als Schnee ist.
[Rand: Feraid. S. 269.] Der Koran und die mündliche
Überlieferung kehren oft zur Beschreibung des Paradieses
zurück. Die Paläste des Paradieses sind aus Rubin, Perlen,
Smaragden und Gold erbauet; die Köschke mit den reichsten
Stoffen und Matten behangen. Die Einrichtung besteht aus
goldenen Geschirren und diamantenen Gläsern.
Jeder Auserwählte hat siebzig Polster, sich darauf zu
stützen und zu legen, und ruht auf erhabenen Betten. Diese
Betten sind eins über das andere so hoch aufgepolstert, dass
nach der Meinung einiger Ausleger, die senkrechte Höhe eines
solchen Himmelbettes, zu dem die Engel die Leiter halten,
fünfhundert Jahre Weges beträgt.
Des Paradieses Herrlichkeit übersteigt zehnmal die
Herrlichkeit der Welt. Der geringste der Paradiesesbewohner
hat achtzigtausend Diener. Das sind die Paradiesesknaben, die
weder Engel noch Menschen sind, mit prächtigen Kleidern und
Ohrgehängen und Kopfschmuck angetan, von denen der Koran sagt:
Um sie (die Auserwählten) gehen herum schöne Kinder,
zerstreuten Perlen gleich. Einige von ihnen schöpfen in
diamantenen Geschirren aus den Paradiesesquellen, andere
tragen auf goldenen Tassen die Früchte des Paradieses auf, und
wieder andere machen die Himmelsbetten zurechte.
Außer diesen achtzigtausend Paradiesesknaben hat der
geringste Auserwählte auch noch zwei und siebzig Gemahlinnen,
die so leicht bekleidet und so zart geformt sind, dass man
durch siebzig Schleier, mit denen sie verhüllet sind, das Mark
der Schenkel durchsieht. Zwei und siebzig ist die geringste
Zahl, welche die Ausleger angeben, denn nach Einigen steigt
die Zahl derselben von siebzig bis auf fünfhundert und
darüber, nach den verschiedenen Graden der Tugend und des
Verdienstes. Kein Auserwählter ist unvermählt, und Kinder, die
in der Wiege sterben, haben, weil sie drei und dreißig Jahre
alt ins Paradies eingehen, achtzigtausend Knaben, und zum
wenigsten zwei und siebzig Frauen.
Die Köschke des Paradieses, in denen die Auserwählten mit
Knaben und Frauen der höchsten Glückseligkeit genießen, sind
aus einer einzigen Perle gebohrt, mit Kuppeln aus Rubin und
Smaragden bedeckt. Die Breite eines jeden solchen Köschks ist,
nach einer Überlieferung, wie die Entfernung zwischen den zwei
Städten Dschabia und Sanaa deren die eine in Syrien, die andre
in Arabien gelegen ist; und jedes Köschk trägt zwei Kronen,
deren Edelsteine wie Sterne funkeln.
Die Kleider der Auserwählten sind schwerer und leichter
Goldstoff und Seidenstoff, meistenteils grüner Farbe, welche
die Lieblingsfarbe des Paradieses ist.
Der Baum des Paradieses heißt Tuba. Gott allein kennt die
Größe und Ausdehnung desselben; unter einem seiner Zweige
könnte ein Reiter siebzig Jahre lang in gestrecktem Galoppe
reiten. Auf demselben sitzen Vögel, groß wie Kamele, und die
Blätter sind Kaftane, Shawle und andere Ehrenkleider, die der
Baum für die Bewohner des Paradieses abschüttelt. Seine Zweige
überspreiten alle Paläste und Köschke, und ragen weit über die
Mauren des Paradieses hinaus. Wenn der Wind durch die Blätter
rauscht, so bringt er eine liebliche Harmonie von Tönen
hervor, welche die Tafel- und Nachtmusik der Auserwählten ist.
Außerdem stehen ihnen auch die Chöre der Vögel zu Diensten,
welche auf jeden Wink bereit sind, die schönsten Konzerte
aufzuführen.
Der Name der Paradiesesmädchen ist Huri'ain. Hur ist die
vielfache Zahl von Huri und Ain von Aina. Das erste bedeutet
ein Mädchen von schönem Körper, weiß und rein wie
ausgeschlacktes Silber. Aina heißt ein Mädchen mit großen
Augen, deren Weiß äußerst weiß, deren Schwarz äußerst schwarz
ist. Weil nun die Jungfrauen des Paradieses zarte Körper, wie
Silber, und große schwarze Augen haben, heißen sie Huri'ain in
der vielfachen, und Huri'aina in der einfachen Zahl.
Sie sind nach dem Worte Gottes, dem Koran: beschränkten
Blickes, das ist, sie lassen ihre Blicke nicht herumschweifen,
und beschränken dieselben auf ihren Gemahl; schön geformten
Busens, wie zwei Orangen nämlich, und ewiger, sich stets
wiederherstellender Jungfraunschaft. Mit ihren Männern
zufrieden werden sie beständig den Herrn preisen, dass ihnen
grade der, und kein anderer Gemahl zu Teil geworden, werden
immer in ihren Zelten bleiben und nie auszugehen verlangen,
wie unsere Weiber auf Erden. Es haben aber auch (um das Eine
wie das Andere zu sagen, der Wahrheit zur Steuer) die
Auserwählten die Kraft, von hundert gewöhnlichen Männern.
Den Vers des Korans:
Die Engel werden zu Euch eingehen bei jeder Türe und sagen:
Heil Euch, weil Ihr geduldig waret; wie schön ist Eure
Wohnung! erklären die einsichtsvollsten Ausleger
folgendermaßen:
Jeder Palast im Paradiese hat siebzig Türen, an deren jeder
ein Engel Wache steht. Gott der Herr wird den Auserwählten
kleine Geschenke und Briefe schicken, welche die türhütenden
Engel übernehmen, und den Auserwählten mit vieler Ehrerbietung
darbringen. Die Briefe sind alle nach einem Modell abgefasst,
und lauten, wie folgt:
[Rand: Feraid. S. 277.] Von wegen Seiner Allmacht des
lebendigen Gottes, an seinen lebendigen Diener, der nicht mehr
stirbt.
Mein Lieber und Getreuer! ich lade Dich ein zum Feste
meiner Anschauung von Angesicht zu Angesicht. Heil Dir!
[Rand: S. 179.] Im Paradiese sind hundert Stufen, jede so
hoch wie der Abstand vom Himmel zur Erde. Diese Stufen sind
von den verschiedenen Graden der Glückseligkeit zu verstehen.
So steht der Gottesgelehrte eine Stufe höher als der
Blutzeuge, und dieser eine Stufe höher als der Fromme. Nach
Einigen gibt es im Himmel so viele Stufen der Seligkeit, als
Verse des Korans.
Die Bewohner des Paradieses, sagte der Prophet, formen
hundert Reihen, wovon Ihr, mein Volk, achtzig ausmacht.
Wenn der Fromme die ihm angewiesene Stufe des Paradieses
betritt, fragt er um seinen Vater, und sein Weib, und seine
Kinder. Sie sind nicht hier, wird ihm geantwortet, denn sie
haben den Grad der Vollkommenheit nicht erreicht, den du
erreicht hast auf Erden. Ich habe, fährt der Rechtgläubige
fort, sowohl für sie als für mich gute Werke getan. Hierauf
befiehlt der Herr, ihm zu Gefallen, dass seine Verwandten zur
selben Stufe der ewigen Glückseligkeit erhoben werden.
Gott der Herr wird die Auserwählten fragen: Seid ihr mit
mir zufrieden? und sie werden antworten: Wie sollten wir's
nicht sein, da Du uns bereichert hast mit Gnaden, wie keines
Deiner übrigen Geschöpfe. Doch will ich Euch noch Besseres
geben als das, spricht Gott. O Herr! was ist noch besser als
das, antworten die Seligen; – Meine Zufriedenheit, die von nun
nimmer von Euch weichen soll, spricht der Herr.
In dem höchsten Überfluss des Köstlichsten und Schönsten
und Besten, der den Seligen von allen Seiten zuströmt, so,
dass ihnen Nichts mehr zu wünschen übrig bleibt, wird ihnen
der Herr doch noch ein Fest geben, das die höchsten Genüsse
übertreffen soll, nämlich das Fest der Anschauung von
Angesicht zu Angesicht, von dem wir schon oben die
Einladungs-Billete gesehen haben. Gott wird zu diesem Ende dem
Erzengel Gabriel auftragen, die Seligen im Palast, das
himmlische Jerusalem genannt, zu versammeln. Gabriel wird
sogleich sich aufmachen, um den Palast aufzusuchen, aber
nachdem er lange umsonst gesucht haben wird, kehrt er zurück
und sagt, dass er ungeachtet seiner topographischen Kenntnis
des Paradieses, denselben nicht finden könne. Gott belehrt
ihn, dass dieser Palast sich im vierten Paradiese, das Haus
der Ewigkeit genannt, befinde. Gabriel findet denselben auf,
und grüßt den türhütenden Engel, den er sein Lebetag zuvor nie
zu Gesicht bekommen. Wer bist du? fragt der Türhüter. Ich bin
Gabriel, der Bote Gottes. Diesen Namen hab' ich nie gehört,
sagt der Türhüter, und ich sehe wohl, dass es außer diesem
Paradiese noch andere geben müsse, wo auch Engel Thor stehen
wie ich. Gabriel besieht nun mit Erstaunen das himmlische
Jerusalem mit seinen Mauern aus Diamant, mit seinen Gärten und
Palästen, und Flüssen und Hainen, und nimmt es auf den Rücken,
um dem Befehle des Herrn zu gehorchen, dem er es bringen soll.
Er stellt es nieder zum Fuße des Throns, und ruft, dass es
weit durch alle Himmel erschallt: Herbei zum Feste des Herrn!
Ihr Propheten und Heilige, und alle Selige, zum Feste des
Herrn herbei! Auf diesen Ausruf steigen die Seligen von ihren
hohen Köschken und Himmelsbetten herab, setzen sich auf die
Borake oder Himmelsrosse (auf deren einem Mohamed seine
nächtliche Reise durch die Himmel machte) und reiten in vollem
Galopp, so dass ihnen Alles, was sie nur begegnen, Bäume und
Berge aus dem Wege gehen. Wie der Blitz reiten sie vorbei an
den Perlenköschken, Rubinpallästen und Moschusbergen, bis sie
endlich von weitem das Licht des himmlischen Jerusalems
erblicken, wohin aber noch eine gute Strecke Weges von
zehntausend Jahren ist, die sie schnell wie der Blitz
zurücklegen.
Endlich gelangen sie im himmlischen Jerusalem an, und gehen
bis zur Essenszeit spazieren. Die Cherubim bringen den runden
Tisch, der zehntausend Jahre Weges im Durchmesser hat, und die
Paradiesesknaben tragen die Schüsseln auf, in deren jeder
siebzigerlei Gerichte sind. Auch werden die demantenen
Trinkgeschirre mit reinem Getränke aus den Quellen des
Paradieses gefüllt, und hierauf spielt der Vers des Korans an:
Und der Herr hat sie getränkt mit reinem Getränk15.
Sodann befiehlt der Herr den Engeln Kaftane und
Ehrenkleider, und Ringe und Armbänder auszuteilen, und jedem
Seligen eine Krone aufzusetzen, aus Karfunkeln, die wie die
Sonne scheinen. Nun bringt das Rauchwerk, sagt der Herr.
Sogleich holen die Engel die großen Vögel, welche auf dem
Baume Tuba aufsitzen, bestreuen ihre Flügel mit Ambra und
Moschus, begießen dieselben mit Rosenessenz, und lassen sie so
über den Häuptern der Seligen schweben, die dann von Kopf zu
Fuß in Wohlgeruch gebadet werden; zugleich ertönt die
Blätterharmonika und das Vögelkonzert.
Nachdem die Seligen auf diese Art gespeist, gekleidet, mit
Rauchwerk und Musik bewirtet, und also gleichsam zur
göttlichen Audienz würdig vorbereitet worden, fragt der Herr:
Ist euch nun noch ein Wunsch übrig geblieben? Dich zu schauen
von Angesicht zu Angesicht, schreien die Seligen zusammen aus
voller Kehle, dass die sieben Himmel dröhnen. Nun enthüllt
sich Gottes Majestät, und zeigt sich im Glanze der höchsten
Herrlichkeit den Seligen. Diese vergessen darob aller übrigen
Freuden und Genüsse, werfen sich anbetend nieder, und rufen
einstimmig:
»Herr der Ehre! Herr der Macht! Lob und Preis Dir, o Gott!
Du bist Einer von Ewigkeit, und außer Dir ist Keiner; keine
Kraft und keine Herrschaft außer Dir; Lob und Preis dem
Herrn!«
Gott spricht dann auch zu den Seligen:
»Heil Euch, meine Diener, Heil Euch, meine Geliebten! Heil
Euch, meine Heiligen! Ich bleibe Euch in Gnaden gewogen. Ich
habe Euch nicht gerufen mich anzubeten, das habt ihr auf Erden
getan. Hier aber sollt ihr bloß frohen Muths und guter Dinge
sein. Heil Euch, meine Auserwählten!« –
Sie kehren nun zurück, wie sie gekommen, und ihre
Gemahlinnen verwundern sich über den Schein, der von ihren
Gesichtern strahlt, und sie noch einmal so schön macht.
Es ist, antworten die Auserwählten, der Abglanz von Gottes
Antlitz, den wir von Angesicht zu Angesicht geschaut haben;
und dies ist das höchste Glück, das kein Auge gesehen, das
kein Ohr gehöret, und das in keines Menschen Herz
hinabgestiegen.
Fußnoten
13 Selamaleikum, tubtum fe edchalu ha Chaledin. Diese Worte
sind gewöhnlich mit großen goldenen Buchstaben aber dem
Eingang der Moscheen geschrieben.
A.d.U.
14 Stinen jeschrib biha ibadollah,
Stinen fiha tesema selsebilen.
Diese zwei Koranstexte kommen häufig vor auf den
Innschriften der mit so vielem Aufwand aufgeführten und
erhaltenen Fontainen in Konstantinopel.
A.d.U.
15 Ve sakahum rebbuhum scheraben tuhuren.
Dieser Vers kömmt nicht weniger häufig als die zwei oben
angeführten, als Innschrift auf Fontainen vor.