22. Moses
[Rand: Thabari.] Ehe wir von Moses sprechen, dem Befreier
seines Volkes vom Sklavenjoch und Tyrannenherrschaft, wollen
wir mit dem Dränger und Farao seiner Zeit selbst Bekanntschaft
machen.
Rijan, der Sohn Welid's, hieß der Farao, unter welchem
sieben unfruchtbare Jahre auf sieben fruchtbare folgten, und
der Jusuf den Sohn Jakobs zum Wesir erhoben hatte; der Farao
zu Mosis Zeit war Welid, der Sohn Moßabs. Von Geburt weder ein
Landes- noch ein eheliches Kind, in Chorasan während einer
vierjährigen Abwesenheit des Gemahls seiner Mutter geboren,
und von demselben zwar als Bastard erkannt, aber zu Vermeidung
des Ärgernisses an Kindesstatt angenommen.
Als säugendes Kind biss Welid der Mutter die Brustwarze ab,
als Knabe misshandelte er seine Gespielen mit Schlägen und
Stößen. Im zwanzigsten Jahre verlor er seinen Vater, und
brachte sogleich die Erbschaft durch.
Er ging nach Merno, wo er mit einem gewissen Haman
Freundschaft stiftete, und beide wanderten nach Ägypten, dem
Schlaraffenland aller Abenteurer, dort ihr Glück zu versuchen.
Sie brachten aus Persien Melonensaamen mit sich, und bebauten
damit einen Garten vor den Thoren von Memf, der alten
Hauptstadt Ägyptens: dies waren die ersten Melonen, welche in
Ägypten gepflanzt wurden, und seitdem von ihrer
Vortrefflichkeit nichts verloren haben.
Welid trug die Melonen nach der Stadt, sie dort zu
verkaufen. Als er ans Tor kam, forderte die Wache die
Zollgebühr; eine damals in Persien noch unbekannte
Einrichtung, die ägyptischer Finanzgeist erfunden, und Welid,
wie sogleich erzählt werden soll, zur höchsten Stufe des
Tarirungssystems hinaufgetrieben hat. Er weigerte sich, zu
zahlen, die Wasche, ihn einzulassen, die Melonen teilten die
Zolleinnehmer unter sich.
Die beiden Perser gingen am nächsten Morgen nach Hof, sich
über das ihnen zugefügte Unrecht zu beklagen. Auf dem Throne
saß damals Welid der Sohn Enchoß, der Sohn Welids, der Sohn
Rijan's. Er nahm die Bittschrift gnädig an, und verbescheidete
sie selbst: Niemand soll den Fremden stören in Handel und
Wandel, er beginne, was er wolle.
Welid und Haman führten eine große Mauer auf rings um den
Begräbnissplatz der Hauptstadt Ägyptens. Durch ein einziges
Thor blieb der Eingang offen; an beiden Seiten des Thors
hatten sie Bogen angebracht, worin sie Wache hielten. Der
ersten Leiche, die da kam, verwehrten sie den Einzug, wenn
nicht zehen Pfennige dafür erleget würden. Die Träger und die
Verwandten zankten und schrieen; je mehr sie schrien, desto
höher trieben die beiden Hüter die Forderung; zuletzt bequemte
man sich lieber zu zahlen, als den Toten wieder nach Haus zu
tragen; man zweifelte gar nicht, dass der Totenzoll eine neue
Finanzerfindung der Regierung, und von derselben an die
Fremden verpachtet worden sei.
So trieben sie ihr Wesen, den Totenzoll nach Stand und
Würde fordernd, bis zu unglaublichen Summen. Jetzt starb die
Tochter des Wesirs, und man forderte nicht weniger, als
hunderttausend Goldstücke für den Einlaß. Der Wesir, dem
bisher das Ganze unbekannt geblieben, ließ die Totenzöllner
vorfordern, aber sie gehorchten nicht. Der Wesir beschwerte
sich beim König, der die Fremden längst vergessen hatte. Sie
kamen und wiesen sich mit dem königlichen Bescheide aus. Farao
freute sich der Entwickelung eines so großen Finanzgenies in
seinen Staaten, er machte Welid zum Defterdar und nach dem
Tode des Wesirs zum Wesire.
Der Farao starb ohne Erben, und Welid, hochberühmt durch
seine Staats- und Rechenkunst, fand Wege und Mittel, sich
selbst auf den Thron zu setzen, indem er das Land versicherte,
Ägyptens Volk sollte künftig von allen Abgaben befreit
bleiben, und die Lasten des Staates ganz allein den jüdischen
Kolonisten aufgelegt werden.
Dies hatte er als Wahlkapitulation beschworen, und blieb
seinem Schwure getreu. Die Kinder Israels allein wurden
niedergedrückt, und ins Joch gespannt und ausgesaugt. Alle
Abgaben wurden nur unter sie verteilet, aller Staatsroboth
lastete auf ihnen allein.
Eines Nachts, als Farao ruhig und weich auf ägyptischem
Linnen am Busen eines ägyptischen Mädchens schlief, hörte er
im Traume vernehmlich diese Worte:
»Farao! Gott ists, der diese Welt erschaffen, Gott ists,
der dir diese Herrschaft gegeben. Aus Israels Kindern, deren
Nacken du in Stand niedertrittst, wird ein Rächer erstehen,
der dir die Herrschaft über sein Volk entreißen, und dasselbe
von deiner Drängnis retten soll.«
Farao fuhr erschrocken auf, seine Gesichtsfarbe war den
ganzen Tag hindurch schwarzgelb, er aß und trank nicht, er
berief seine Staatsräthe und Minister und Sterndeuter und
Wahrsager.
Sie suchten ihn zu beruhigen, und giengen hinaus auf die
Berge und in die Wüsten, um der Stimme der Genien und Dämonen,
die nur in der Einsamkeit vernehmlich sprechen, aufzuhorchen.
Die Zeit, wo Moses geboren werden sollte, war nahe. Gott
der Herr hatte den nächsten Cherubim, den Trägern des
himmlischen Gezeltes, anvertraut, am ersten Freitage des
Monates Schaban werde in Ägyptens Seestadt, die später
Alexandria hieß, der Retter der Kinder Israels in Mutterleib
empfangen werden. Die Eherubim erzähltens den Erzengeln, diese
den übrigen Engeln. Das Herannahen der Empfängniß Moses am
ersten Freitage des Monates Schaban war das Tagegespräch der
sieben Himmel.
Die Dämonen und Höllengeister, welche auf ewig verstoßen
sind, unterlassen doch nicht, von Zeit zu Zeit zu den Zinnen
des Himmels aufzusteigen, mit dem Gedanken, sich, wo möglich,
hineinzustehlen; freilich schleudern die Hüter des Himmels,
sobald sie der unreinen Geister gewahr werden, dieselben von
den Zinnen des Himmels zur Schwelle der Hölle zurück (und dies
sind die feurigen Streifen, welche die Volksmeinung für
fallende Sterne hält) aber es ist unmöglich, dass manchesmal,
ehe die Engel der Teufel gewahren, die Gespräche der ersten
von den letzten nicht sollten behorchet werden. Was sie dann
erhorchen, erzählen sie wieder ihren Freunden und Vertrauten,
den Zauberern, Wahrsagern, Sterndeutern und Herrenmeistern,
die sie in der Einöde und Wildnis besuchen.
So hatten sie auch diesmal die Neuigkeit der himmlischen
Zirkel von Moses naher Geburt aufgefangen, und den Abgesandten
Farao's mitgeteilt. Nach reifer Erwägung, und mit Beistimmung
des Staatsrates beschloss Farao, den Allerhöchsten himmlischen
Hof Lügen zu strafen. In der Nacht des ersten Freitags des
Monates Schaban ließ er alle Juden zu einem großen Feste laden
in einem vor der Stadt gelegenen Pallaste, um zu verhindern,
daß keiner sein Weib berühren möge. Der einzige Omran, sein
treuer Türhüter, sollte im Pallaste vor seinem Schlafzimmer
wachen, nachdem alle Thore sorgfältig versperrt worden waren.
Farao schlief, Omran hielt die Wache; um Mitternacht ging die
Türe des Vorgemachs auf, und siehe da, es war Omran's Weib,
die aus Sehnsucht angetrieben nach Ihrem Gemahle in den
Pallast gekommen, und durch die Hand des Herrn alle Türen
offen gefunden hatte. Omran, wohl kundig des Verbotes und der
Gefahr, konnte doch dem süßen Schmeicheln seines Weibes nicht
widerstehen. Er umarmte sie.
In diesem Augenblicke erscholl lautes Wehgeschrei und
Klagausruf von allen Sternwarten und Zinnen und Türmen der
Stadt. Die Zauberer und Sterndeuter und Wahrsager, welche die
Nacht durchwachten mit unverwandtem Auge nach dem himmlischen
Zeichen, hatten in dem Augenblicke, als Omran sein Weib
umarmte, ein neues funkelndes Gestirn am Himmel erblickt, das
sie für den Stern des Retters der Kinder Israel erkannten, und
hatten deshalben das Zetergeschrei erhoben. Farao,
aufgeschreckt aus dem Schlafe, rief nach Omran: was ists? –
Mit Geistesgegenwart den Armen seines Weibes sich entreißend,
antwortete dieser: Nichts, Herr, als die gewöhnliche Runde der
Mitternacht, und das Zurufen der Wachen von Turm zu Turm rund
um das Schloss. Farao legte sich auf die andere Seite und
schlief fort, aber am Morgen erfuhr er mit Schrecken die wahre
Ursache des mitternächtlichen Geschreis. Neun Monate darnach
war Ägyptens Hauptstadt der Ort, wo Moses mit seinem Kopfe die
Erde berührte, als er dem Schoße der Mutter entsank.
Farao, der nicht hatte verhindern können, daß Moses im
Mutterleibe empfangen ward, wollte das ihm gefährliche Kind in
der Geburt, oder bald nach derselben vernichten. Ein strenger
Befehl erging, alle Knaben der Kinder Israels im neunten Monde
nach der Erscheinung des neuen Gestirns geboren, zu tödten.
Der Mutter Moses war es gelungen, ihre Geburt zu
verheimlichen; sie bestellte bei einem Tischler eine kleine
bedeckte Wiege, darin ihren Schatz den Augen der Verfolger zu
entziehen. Der Tischler verfertigte die Wiege, gieng aber dann
hin zu Farao's Verordneten, um die Hehlerinn und das verhehlte
Kind anzugeben. Er wollte reden, und konnte nicht; seine Zunge
war gebunden, er stotterte unvernehmliche Töne heraus.
Als er nach Haust gekommen, fand er den Gebrauch seiner
Zunge wieder, und abermals ging er hin, dieselbe zu
missbrauchen. Er stotterte zum zweiten wie zum ersten, zum
dritten wie zum zweiten Male. Er ward mit Blindheit
geschlagen, und fiel im Rückweg in einen Brunnen; dort fand
er, wenn nicht die Wahrheit, doch Gesicht und Sprache, und ein
reuiges Herz. Er erkannte seinen Fehler, und bekehrte sich zu
dem Herrn. In der Folge war er einer der ersten, die an Moses
als Propheten glaubten, und er wird im Koran durch deu Tert
gemeint: Ein rechtgläubiger Mann aus Farao's Familie.
Die Mutter war ausgegangen, und hatte den kleinen Moses
seiner Schwester überlassen. Farao's Schaarwache kam, die
Hausuntersuchung vorzunehmen, und die Schwester, welche sich
nicht zu helfen, welche wusste, dass, wenn man den Knaben
fände, es nicht nur um denselben, sondern auch um sie
geschehen sei, warf ihn samt der Wiege in den brennenden
Kohlenherd. Die Wache kam, durchsuchte das Haus, nahm auch den
Deckel des Kohlenherds weg, ans dem helle Flammen ihnen ins
Gesicht fuhren. Sie gingen, wie sie gekommen. Als die Mutter
zurückgekehrt, und die Jammergeschichte aus der Tochter Miene
vernommen, rannte sie wahnsinnig zum Kohlenherd, des Kindes
Gebein von der Asche zu sondern.
Sie hob den Deckel ab, und siehe da, Moses lag in der
Wiege, und die Wiege in den Flammen unversehrt; seine Rechte
hatte er ausgestreckt, und spielte mit den Gluten, wie mit
Rosen.
Die Mutter erkannte an diesem Wunderzeichen des Knabens
künftiges großes Geschick, und da sie ihn ob stets erneuerter
Hausdurchsuchung nicht bei sich behalten konnte, beschloss
sie, denselben samt der Wiege den Wogen des Nils
anzuvertrauen, fest überzeugt, dass des Wassers Flut nicht
schaden konnte dem Wunderkind, so in des Feuers Glut
unverletzet geblieben war.
Freundlich plätschernd empfingen die Wogen das Kind, und im
selben Augenblicke, als die Wiege in des Niles Fluten getaucht
ward, tauchte sich auch am Himmel das neue Gestirn in dichtes
Gewölk.
Dies hinterbrachten die Zauberer und Sterndeuter dem Farao
mit größter Freude. Sie meinten, das neue Gestirn sei
untergegangen, weil es ihren Augen unsichtbar geworden, die
Törichten! wussten sie denn nicht, dass das Gestirn eines
Gottgesandten, eines Himmelbegünstigten Mannes, wenn auch eine
Zeitlang versteckt durch des Schicksals dunkle Wolken,
denselben zuletzt mit hellerem Licht enttauche. Farao war nun
über Reich und Thron beruhiget, aber es peinigte ihn noch die
Krankheit seiner vielgeliebten Tochter Asia, welche mit
Aussatz behaftet war; die Wahrsager hatten ihr Heilung
versprochen von dem Speichel eines neugebornen, in den Fluten
des Nils gefundenen Kindes.
Sie wandelte mit ihrem Vater an den Ufern des Nils, als die
Wiege herangeschwommen kam. Sie nahm das schöne Kind mit
strahlendem Angesicht, nahm es auf die Arme, liebkoste es, und
siehe, wo immer des Kindes Speichel ihre Haut benetzet hatte,
verschwand der Aussatz. Deß freuten sich Asia und Farao über
alle Maßen. Sie nannten den Findling Moses, das ist, das
Wasserkind, weil es vom Wasser Hergetrieben worden; um es aber
nicht bei Wasser aufzuziehen, wurden Ammen gesucht, und der
Mutter Moses ward die süße Pflicht, dem eigenen Kinde die
Milch der Brust zu geben.
Farao gewann den Findling mit jedem Tage lieber und lieber,
und achtete der Warnungen der Wahrsager nicht, welche ihn
aufmerksam machten, dieses Kind könne das Kind des neuen
Gestirnes sein, ungeachtet die Sterndeuter dasselbe aus dem
Gesichte verloren hätten. Aber Farao schlug ihre Worte in den
Wind, bis eines Tages der kleine Moses, den er spielend auf
den Armen liebkoste, ihn mit einer Hand beim Barte bis zur
Erde niederzog, und mit der andern ihm die Krone vom Haupte
schlug. Da ergrimmte Farao, und glaubte den Warnungen der
Wahrsager, und befahl, den Findling zu töten; Asia warf sich
ihm zu Füßen, und bat den Vater, ein unschuldiges Kind, das
noch den Gebrauch der Vernunft nicht erlangt, nicht
hinzurichten.
Farao, der den Knaben liebte, wankte im Entschlusse. Seine
Räthe gaben den Einschlag, die Probe vorzunehmen, ob das Kind
schon den Gebrauch der Vernunft erlangt habe, oder nicht. Man
stelle, sagten sie, ihm ein Becken voll Gluth, und ein Becken
voll Gold hin. Hat das Kind noch nicht den Gebrauch der
Vernunft, so wird es nach den glühenden Kohlen, und nicht nach
den Goldstücken greifen. Farao billigte die Probe, die
sogleich vorgenommen ward. Moses wollte zwar nach dem Golde
greifen, allein der Erzengel Gabriel leitete ihm die Hand nach
der Glut, die er zum Munde führte. Dies entschied zu Gunsten
des unmündigen Kindes, und Moses war für diesesmal abermals
gerettet von Farao's Grimm.
Mit heranwachsendem Alter ward Moses unterrichtet in den
Wissenschaften der Ägypter und in den Lehren seines Volks.
Aller Israeliten Augen waren auf ihn gerichtet, als auf den
versprochenen Retter von Farao's Tyrannenjoch, und der
Sklaverei Ägyptens. Als er zwanzig Jahre alt war, schlug er
unvorsätzlicher Weise einen Ägypter tod, welcher einen
Israeliten bedränget hatte; er musste flüchten, und nahm den
Weg nach Medain. Dass ihm der Weg und die Zeit nicht lang
werde, befahl Gott seinen Engeln Gabriel und Michael, ihm
Gesellschaft zu leisten. Sie nahmen die Gestalt schöner
Jünglinge an, und gingen vor ihm her im traulichen Gespräch
begriffen.
Moses, der ihnen zuhörte, merkte bald, es seien
Rechtgläubige, und begrüßte sie als solche. Sie nahmen ihn,
der eine unter den rechten, der andere unter den linken Arm,
und schlenderten so fort, Zeit und Weg durch erbauliche
Gespräche verkürzend. Des Nachts verschwanden sie. Als Moses
am Morgen die Augen öffnete, war er erstaunt, die Mauern und
Thore einer Stadt zu erblicken; es waren die von Medain: Die
Thore öffneten sich, und Herden strömten heraus, um an einem
weit vor der Stadt gelegenen Brunnen gewässert zu werden.
Zwei Mädchen begleiteten eine Herde Schafe. Es waren die
Töchter des Propheten Schoaib, auf syrisch Jethro. Moses gab
und erhielt Gruß und Gegengruß. Ein Gespräch entspann sich
nach patriarchalischer Weise. Moses fragte, ob ganz Medain nur
einen Brunnen habe, die Mädchen zeigten ihm noch einen andern,
und der Stadt näheren, der aber seit Jahren mit der Last eines
ungeheueren Felsen bedeckt unzugänglich war. – Mit Hülfe
Gottes will ich den Stein heben, sprach Moses, und Euch den
längeren Weg er sparen. Erspare dir selbst die Mühe, sagten
die Mädchen, fünfzig Männer der gegenwärtigen Zeit würden den
Stein nicht bewegen.
Moses legte Hand ans Werk im Namen Gottes des Starken! und
hob den Felsen. Die Mädchen dankten ihm, und tränkten die
Schafe, und zogen nach Haus. Welch eine Stärke! sagte die
eine, welch eine Güte! sagte die andere. In einer Brust, die
so stark und so gut ist, fielen sich beide zugleich in die
Rede, muss der wahre Glauben wohnen. Schoaib verwunderte sich
über die frühe Rückkehr seiner Töchter, und über die Stärke
und Güte des jungen Fremdlings. Er befahl seiner älteren
Tochter Sagura, noch einmal hinauszugehn ins Feld und den
Fremden ins Haus zu laden, um ihm mit gastfreundlicher
Bewirtung zu danken.
Sagura entledigte sich ihres Auftrages, sie ging vor Moses
her, der ihr mit zur Erde gesenkten Augen folgte. Da beschloss
Satan, den Gerechten des Herrn zu versuchen, ob er ihn nicht
verführen könne. Er versammelte die Getreuen der Hölle um
sich, und fragte, wer von Euch nimmt es auf sich, Moses zum
Fall zu bringen?
Sagura ist schön, Moses in der Blüthe männlicher Kraft, das
Feld ist einsam und das Gebüsch dicht. Keine solche
Gelegenheit wird uns nimmer.
Wir sind dir unterthänig, antworteten die Fürsten der
Hölle, aber umsonst würden wir einen Propheten Gottes, der
weit über alle Verführung erhaben ist, versuchen wollen.
Ihr seid arme Teufel, sprach Satan mit Spott und Hohn, wenn
ihr euch solche Kleinigkeit ins Werk zu stellen nicht
getrauet. Sind meine Beispiele für Euch denn verloren? Habe
ich nicht den ersten der Propheten, den Vater der Menschen,
aus dem Paradiese auf die Erde verführt? – Hab' ich nicht
seinem Sohne Kain den großen Gedanken des Brudermords
eingegeben? Hab' nicht Ich durch meine Rathschläge eine
schuldige Welt durch die Sündflut ertränkt? Hab' nicht Ich das
Volk Huds und Salehs, die Stämme Aad und Themud verführet, und
Verderben und Vernichtung vom Himmel auf sie heruntergebracht!
Ihr seid elende Wichte!
Deswegen, antworteten die Fürsten der Hölle, bist du unser
Herr und Meister; wir brennen von hohem Ehrgeiz, deiner würdig
zu sein, aber mit Prophetenversuchung laß uns unversucht.
Solche Taten sind nur deinem Genius aufbehalten.
Nun so schaut und lernet, sprach Satan. Er sandte einen
lauen, schmeichelnden wollustathmenden Wind, der im Gehen
Sagura's Rock hoch aufhob, und ihrem Begleiter verbotne
Einsicht gab. Sagura! rief Moses, lass uns die Plätze
wechseln, der Wind lüftet den Vorhang deines Harems, und ich
bin keiner von denen, welche Frauengeheimnisse erspähen
wollen. Sagura trat beschämt zurück, und folgte ihrem
Begleiter ins väterliche Haus; Satan entfloh beschämt zur
Hölle1.
Zur Belohnung solcher Enthaltsamkeit, an der Schoaib den
Gläubigen des Herrn erkannte, gab er ihm seine Tochter Sagura
zur Ehe, nachdem er sie außerdem noch durch siebenjährigen
Hirtendienst verdienet hatte. Seit zehn Jahren hatte Moses
keinen seiner Verwandten, und keinen seines Volkes gesehen. Es
ergriff ihn das Heimweh Ägyptens. Mit Bewilligung seines
Schwiegervaters zog er von hinnen. Zum Geleite, mein Sohn,
sprach Schoaib, nimm einen meiner Reisesröcke aus der Kammer.
Moses ging hinein, nahm einen schönen, geglätteten,
zweigablichten Stock, und trat die Reise an. Schoaib hatte
vergessen, dass einer dieser Stöcke nicht ihm zugehöre,
sondern ihm einst von einem unter Menschengestalt reisenden
Engel als Pfand hinterlassen worden sei; und gerade diesen
Stock hatte Moses genommen. Schoaib ritt ihm nach, das Pfand
zurückzufordern, das Moses nicht herausgeben wollte. Als sie
sich hierüber stritten, erschien ihnen ein Engel in
Menschengestalt, den sie zum Schiedsrichter nahmen. Sein
Ausspruch war: Moses sollte den Stock von sich werfen, beide
sollten ihn dann aufzuheben versuchen, wer es vermöchte, der
sollte ihn davon tragen. Schoaib versuchte es umsonst, den
Stock zu heben, der wie eine Säule auf der Erde lastete, Moses
schwang ihn mit leichtem Arme empor, und trug ihn fort. Dies
ist der Wunderstab, mit welchem Moses Zeichen tat, und sein
Volk beherrschte. Nicht jedem Propheten ists gegeben, den
Herrscherstab leichten und sicheren Armes emporzuschwingen.
Als Moses auf seinem Wege an Sinais Fuß gekommen war,
überfiel ihn die Nacht. Sternenlose Finsternis dunkelte um ihn
her, und kalt blies der Wind aus der Wüste. Umsonst versuchte
er lange Zeit, dem Kiesel einen Funken zu entlocken, bis er
von ferne ein Feuer erblickte. Er nahte sich. Es war ein
brennender Dornbusch, und aus den Flammen ging die Stimme des
Herrn: Moses, ziehe deine Schuhe aus. Er empfing vom Herrn die
Sendung des Prophetentums. Von daher ist der im Morgenlande
allgemein beobachtete Gebrauch gekommen, sich die Schuhe
auszuziehen, wenn man in Moscheen oder vor große Herren tritt.
Denn jene sind Tempel Gottes, und diese ein brennender
Dornbusch. Moses kam nach Aegypten, und rief den König auf zur
Gerechtigkeit, und zum wahren Glauben als ein Gesandter
Gottes. Zum Beglaubigungsschreiben des Himmels diente ihm der
zweigablichte Wunderstab, der, als zweigehörnte Schlange, die
Zauberstäbe der Gaukler auffraß. So vernichtet ächte
genialische Tatenkraft das leere Zauberspiel unbefugter
politischer Gaukler. Aber die Stimme des Rechts und der
Wahrheit, selbst im Munde von wunderbeglaubigten Gottgesandten
findet nicht Gehör am Hofe der Volksbedränger und Faraonen.
Zwanzig Jahre lang lud Moses den König ein zur Annahme der
wahren Glaubenskonfession, und zum Bündnis mit dem Herrn;
umsonst war sein Bemühn und seine Worte. Farao, aufgeblasen
von Erobererstolz und Tyrannendünkel, war taub dem Rufe des
Gottgesandten. Kaiser der Kaiser, und König der Könige wähnte
er sich selbst ein Gott auf Erden. Haman, sein Wesir,
unübertroffen von den Wesiren seiner Zeit an ägyptischer
Staatsklugheit und persischer Hofkunst, an politischer Kraft
und moralischer Verderbtheit, war, wenn nicht der Rathgeber,
doch der treue Gehilfe, und das vielseitige Werkzeug seines
Herrn zur Ausdehnung des Weltdespotismus, und zur Vernichtung
der Völkerfreiheit. Unersättliche Raubsucht sog das Mark des
fremden unterjochten Volkes aus und täglich beugten neue
Lasten den Nacken der Kinder Israels tief in den Staub.
Monumente neuer angehörter Art sollten den Übermuth des
Drängers, und die Schmach der Bedrängten verewigen. Andere
Faraonen hatten sich ungeheure Grabmale errichtet, bloß in der
Absicht, den Beweis ihrer Sterblichkeit zu verunsterblichen.
Schweren und breiten Fußes auf ihrer Grundfläche lastend, und
sich von vier Seiten bald in einen Punkt zusammenneigend heben
sich die Pyramiden nicht so wohl zum Himmel empor, als sie von
demselben auf die Erde herabgesenkt scheinen, als
Gewichtsteine um Ägyptens Papyrusfluren niederzudrücken. Dass
der Bau dieser ungeheueren Massen, so ganz auf die Erde, an
der sie lastend kleben, berechnet ist, verbürgt ihre Dauer auf
der Oberfläche derselben.
Aber die äonenlange Dauer dieser Grabmonumente genügte
nicht Farao's grenzenloser Unsterblichkeitsbegier. Er wähnte
sich keinen Menschen, sondern einen Gott, bestimmt das
Schicksal der Sterblichen zu lenken; Er wollte sich kein Grab,
sondern einen Tempel bauen. Er verwarf die Form der Pyramide,
die auf breitem Grunde sich erhebend erst langsam und dann
schneller in mehreren Menschenaltern nur vollendet wird.
Dieses Symbol eines weisen und festgegründeten Staatenbaus,
war seinem rastlosen Treiben nach unmittelbarer Befriedigung
der Unsterblichkeitsbegier nicht angemessen. Er wählte die
Form der Sphäre im Zylinder, das Unendliche im Höchsten, ein
bis in die Wolken steigender Turm sollte ihn sogleich dem
Himmel nahe bringen. Den Bürden, welche so schwer die Kinder
Israels drückten, wurde noch die hinzugefügt, dass sie die
Ziegel zum Baue des großen Monumentes verfertigen mussten. Sie
schlugen dieselben Tag und Nacht aus Lehm und Stroh, wie noch
heute alle Dörfer Ägyptens aus solchen ungebrannten Ziegeln
gebaut sind. Der stolze Turm erhob sich in die Wolken; die
Schnelligkeit des Baus ließ die kurze Dauer desselben
voraussagen; denn jede Übereilung in der Gegenwart ist
Zeitverlust in der Zukunft, und in den Schöpfungswerken des
Genius, wie in denen der Natur, ist die längste Dauer dem
vorbehalten, was am langsamsten zur Reife gedeiht, die
Pyramiden trotzen Jahrtausenden, die Lehmziegel Farao's hat
längst der Nil verschwemmet.
Als nun Moses so lange fruchtlos bei Farao geprediget
hatte, schlug er das Land mit Plagen aufden Befehl des Herrn,
um seine Sendung zu bekräftigen. Diese neun Plagen waren die
Plage der Fliegen, der Frösche, der Heuschrecken, der
Hungersnot, der Verwandlung des Wassers in Blut, und des
Staubs in Ungeziefer, der Beulen an Menschen und Tieren, der
Finsternis, und des Todes aller Erstgeburt. Diese Plagen, eine
die andere verfolgend, lasteten schwer auf Ägypten, und schwer
büßte das Volk für Farao's Frevel. So gesegnet Ägyptens Boden
und Himmel ist, so haben sich seitdem doch alle diese Plagen
dort als einheimisch erhalten, und kehren wieder von Zeit zu
Zeit als Zeichen des Herrn.
Schwärme von Fliegen und Schnacken bedecken das Land; die
Kleider der Reisenden scheinen schwarz, und auf den Augen der
Kinder sitzt statt der Wimpern ein Kreis von Fliegen, die sich
gar nicht vertreiben lassen; ein Schauspiel, eben so ekelhaft
und wahr, als es erbarmenswürdig und unglaublich scheint.
Umsonst verschließen die Reichen die Fenster ihrer Speisesäle,
und stellen die Dienerschaar mit Pfauenwedeln auf, die
lästigen Gäste abzuwehren. Ein unausstehliches Gesumme
vertritt die Stelle der Tafelmusik, und alle Speisen sind mit
Fliegen gepfeffert. Umsonst umhängen sie ihre Betten mit
Gälsengarnen und das Gesicht mit Schleiern, singend umschwirrt
das fürchterliche Heer das Bette, und genug derselben stehlen
sich hinein, um Gesicht und Leib zu zerstechen, und allen
Schlaf zu rauben. Manchesmal lässt die zurücktretende Fluch
des Nils ein Heer von Fröschen und Kröten zurück, die sich aus
dem sonnenerwärmten Schlamme zu entwickeln scheinen, und zur
Sage vom Entstehen des Lebendigen aus der Mischung von Hitze
und Feuchtigkeit Anlass gegeben haben; manchesmal führt der
Wind aus der Wüste Wolken von Heuschrecken daher, welche die
Sonne verfinstern, und in wenigen Stunden die Hoffnung des
Landmanns vernichten; und manchesmal scheint wirklich aller
Staub in Ungeziefer verwandelt, das nicht nur das Lager und
das Kleid, sondern vorzüglich den Bart des Beduinen bevölkert.
Oft wenn der Nil die gehörige Höhe nicht erreichet, schlägt
Hungersnot das Land, oft wenn er nach heftigen Regengüssen im
oberen Afrika, die rötliche Erde der Berge abspült, und mit
Granitstaub aufsiedend Flut auf Flut daher strömt, scheint er
blutige Wogen zu wälzen; jedesmal wenn die Überschwemmung den
höchsten Punkt erreichet, sind die Bewohner mit dem
gewöhnlichen Nilausschlage, und Augengeschwüren behaftet,
anderes Aussatzes und der Elephantiasis nicht zu gedenken.
Außer den gewöhnlichen Sonnenfinsternissen, und der
Verdunkelung derselben durch Heuschreckenwolken, verfinstert
nicht selten der Samum den ganzen Horison mit Dunst und Qualm.
Schrecklich endlich straft der Todesengel das Land mit der
Geißel Gottes, der Pest, keiner Erstgeburt, weder der Menschen
noch des Viehes schonend. So bewähren sich noch heut in
Aegypten die Zeichen des Herrn.
Auf Moses Geheiß bereiteten sich die Kinder Israels zum
Auszug aus Ägypten, den ihnen Farao bisher immer verwehrt, und
nur auf die neunte und schrecklichste der Plagen erlaubet
hatte. Der letzte Wille Jusufs, dass wenn sein Volk einst
auszöge, es auch seine Gebeine mitnehmen möge, hatte sich
durch Überlieferung unter dem Volke Israels erhalten, aber
Niemand wusste mehr das Grab zu finden, und ungeachtet der
kurzen Zeit, die seit seinem Tode verflossen, war der Eingang
der Katakomben, worin er beigesetzt worden, unbekannt. Eine
nicht ungewöhnliche Erscheinung in Ägypten, wo den Eingang der
unter irdischen Grabgallerien oft der Sand der Wüste, und oft
die Flut des Nils bedeckt.
Das Letzte war der Fall mit Jusufs Grab. Eine Ägypterin,
die nahe am Orte wohnte, wo der Nil seine Dämme durchbrochen,
und das Totenfeld in einen Totensee verwandelt hatte, gab den
Israeliten die nötige Auskunft. Sie leiteten das Wasser ab,
räumten den Schlamm auf, und fanden den Marmorblock, der den
Eingang der Katakomben versperrte. Dieses Weib, welches Jusufs
Grab anzeigte, und der Tischler, der die Wiege für Moses
verfertiget hatte, waren die zwei einzigen Personen aus
Aegyptens Volk, welche sich zum Glauben der Kinder Israels
bekehrten, und mit ihnen aus Ägypten auszogen.
Außer Jusufs Sarg nahmen sie noch mit sich die Gold- und
Silbergeschirre, die Edelgesteine und alles Geschmeide, das
sie auf des Herrn Befehl den Ägyptern abgeborgt hatten, als
freiwilliges Darlehn und Reisezehrung.
Sie wandten sich gegen Norden zum roten Meer. Des Tages
diente ihnen ein Ungewitter, das der Süd vor sich her
peitschte, und des Nachts ein Nordlicht als Wolken- und
Feuersäule zu Wegweisern.
Eh' sie noch den tiefsten Einbug des arabischen Meerbusens
umgehen konnten, hatte sie Farao mit seinem Heere erreicht.
Vor ihnen war das Meer, und hinter ihnen das Heer Farao's.
Alle Rettungshoffnung schien verloren.
Da befahl Gott seinem Propheten Moses, das Meer mit seinem
Stabe zu schlagen, und zugleich rief er den Engel der Meere.
Dieser thront auf den Wogen des Ozeans, und hält das
Gleichgewicht der Wasser. Die Ungeheuer der Tiefe spielen zu
seinen Füßen, und auf seinen Schwingen fährt die [Rand:
Adschaib.] Windsbraut einher. Wenn er mit seinem ungeheuren
Fuß die Wasser niederdrückt, steigen sie rund um empor und
schwellen hinan an die Gestade; wenn er ihn wieder hebt,
kehren die Wasser zurück in ihre Stelle, und ins vorige
Gleichgewicht. Dies ist die Flut und Ebbe des Ozeans.
Die Mittelmeere, wo der Hüter des Ozeans nicht die tägliche
Runde hält, haben keine Ebbe und Flut. Itzt befahl Gott erst
dem Moses das Meer zu schlagen mit seinem Stabe, und die
Wasser entflohen, und die Kinder Israels zogen eilig über den
entblößten Meeresgrund ans andre Gestade. Als aber Farao mit
seinem Heere nachzog, befahl der Herr dem Engel der Meere, mit
aller Macht auszutreten auf die Flut, und sie drängte sich
hinweg unter dem mächtigen Fußtritt, und stürzte hinan ans
alte Gestade, und verschlang Farao's Heer, so Reiter als Roß.
Moses pries den Herrn mit Sieg- und Jubelgesang. [Rand: Ibn
Kessir.] Seine Schwester Amran, Dichterin und Seherin
zugleich, stellte sich an die Spitze der Weiber, und sang
Hymnen des Dankes und Preises, die sie mit dem Getöne der
Halbtrommel begleitete. So uralt ist diese aus Aegypten
entsprungene und dorten heute noch eben so genau beobachtete
Sitte des weiblichen Triumphgesanges. Dem Sieger gehn die
Weiber entgegen mit Palmzweigen und Halbtrommeln in der Hand,
und bewillkommen ihn mit Paianen in gleichgehaltenem Takt, den
die andern, welche keine Halbtrommeln haben, mit den Händen
dazu schlagen2.
Der Untergang Farao's mit den Ersten und Mächtigsten seines
Hofes und Heeres, führte in Ägypten eine auffallende
Veränderung in Rücksicht der Weiber herbei, die sich alldorten
noch bis heute, eben so wie die beschriebenen Triumphgesänge,
erhalten hat. Als nämlich die Vornehmsten und Mächtigsten des
Reichs mit Farao ertrunken waren, gingen ihre Gemahlinnen, die
männerlos geblieben waren, Mißverbindungen ein, teils mit
ihren Sklaven, teils mit andern Mänuern gemeinen Schlages, die
sie zur Ehe nahmen. Vorher gewohnt, dieselben als ihre Diener
zu behandeln, änderten die Frauen Nichts an dem Tone, und
behielten immer die Herrschaft, die eigentlich die Männer
führen sollten, in ihren Händen.
Dieser auffallende Einfluss der Weiberherrschaft, der bis
in den neuesten Zeiten so vielfältig in Ägypten seine
Wirkungen an Tag gelegt hat, und mit der untergeordneten
dienenden Harems Lebensweise an derer islamitischer Länder
stark absticht, schreibt sich von jener Mißverbindung der
edeln ägyptischen Frauen her3.
Das meiste Gold und Silber, das die Israeliten [Rand:
Thabari.] aus Ägypten mitgenommen hatten, bestand in
Geschirren, denn die Jable, als Gegenstände der Verehrung,
wollten die Ägypter nicht entweihen durch Verleihung in die
Hände eines fremden Volkes. Während Moses auf den Berg
gegangen war, um die Gesetze für sein Volk zu empfangen,
ergriff die Kinder Israels der eitle Wahn und Dünkel, sich
selbst einen Gegenstand der Verehrung aufzustellen. Das Bild,
das in Ägypten unter allen am häufigsten und unter den
mannigfaltigsten Formen gefunden ward, war das eines Stieres,
einer Kuh, oder eines Kalbes. Diese allgemeine Verehrung soll
sich auf eine besondere Vorliebe Faraons fürs Rindvieh
gegründet haben.
Ochsenköpfe standen bei Hof, im Ministerium und bei der
Armee in großem Ansehen; die Weibeter kasteiten sich mit
Ochsensehnen, und die Männer trugen die Hörner als Amulette.
In den Raths- und Tanzfälen waren Kälber als Statuen
aufgestellt, um die man sich versammelte, so zu Ernst als zu
Lust. Alle diese Erinnerungen schwebten den Kindern Israels
mit ungemeinem Reize vor den Augen; sie hatten Goldes der
Menge, und es bedurfte nur eines Künstlers, daraus ein Kalb zu
formen, um es den Ägyptern gleich zu tun. Auch der fand sich;
Samiri, ein geborner Perser, ehmals in die Geheimnisse des
Magiendienstes eingeweiht, erbot dazu seine Kunst.
Er schmolz das Gold, das die Kinder Israels mit Freuden
hergaben, in ein großes stattliches Kalb zusammen, das auf
einer Säule aufgestellt ward. Das Werk lobte den Künstler,
aber Eines fehlte, was ägyptische Künstler ihren Werken
mitzutheilen im Stande waren; die Sprache, ja die Sprache,
denn alle Werke ägyptischer Kunst sprechen sich klar und
deutlich und bestimmt aus, so nämlich, daß die Rinder
brüllten, die Böcke meckerten, die Kolossen sprachen. Kein
Kunstwerk war vollkommen, wenn es nicht zugleich tönte; das
Gold musste sprechen, das Erz tönen, der Marmor reden, und das
Silber singen.
Samiri war in die Geheimnisse, wodurch die ägyptische Kunst
diese Wunder bewirkte, nicht eingeweiht, doch ersetzte sein
Beobachtungsgeist den Mangel des Unterrichts. Er hatte
beobachtet, dass, so oft Gabriel bei Moses Besuch machte, die
Erde unter seinen Schritten vernehmlich tönte. Er sammelte
also den Staub, wo die Fußstapfen des Engels eingedrückt
waren, und fand zu seiner Verwunderung, dass es Goldstaub war.
Damit rieb er dem goldenen Kalb die Zunge, und siehe, zu
allgemeiner Verwunderung und Freude gab es tönenden Laut von
sich. So löset Goldstaub selbst Kälbern die Zunge.
Indessen war Moses den Berg hinaufgestiegen; unter Donner
und Blitz sprach der Herr sein Gesetz aus. Moses verlangte vom
Herrn, Ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Mensch!
erscholl die Donnerstimme, kein sterbliches Geschöpf hält
meinen Anblick aus; sieh hin auf jenen Berg, den ich itzt
anblicken will. Moses schaute auf den Berg hin, den Gott
anblickte, und siehe! er zerging in Dunst und Rauch. Moses
warf sich anbetend nieder.
Als er herabstieg, und das Volk ums tönende Kalb tanzen
sah, zerschmiss er in heiligem Grimni die Gesetzestafeln;
Feuer verzehrte die Diener des Kalbs und Samiri den Künstler.
Die Kinder Israels, ein halsstarriges hartnäckiges Volk,
weigerten sich, die Gesetze Moses anzunehmen; Moses bat den
Herrn, sie durch Furcht und Schrecken dazu zu zwingen. Gott
erteilte seinem Propheten die Macht, einen Berg in Lüften
schwebend über ihren Häuptern zu erhalten, so dass er immer
herabzustürzen und sie zu vernichten drohte. Die Halsstarrigen
wollten noch immer nicht gehorchen, sie rannten nach allen
Seiten, um von diesem gefährlichen Obdach sich hinaus ins
Freie zu retten; je weiter sie aber liefen, je weiter dehnte
sich die Grauen drohende Masse aus. Als sie sahen, es sei
umsonst, dem Herrn und seinen Schreckmitteln zu entfliehen,
warfen sich nieder zur Erde, dem neuen Gesetze zu huldigen.
Aber ihre Unterwürfigkeit war nur erzwungen durch Furcht und
Schrecken. Statt sich mit der Stirne anbetend niederzuwerfen,
warfen sie sich auf eine Seite des Gesichts, und blickten mit
der andern gegen Himmel, um zu sehen, ob der fürchterliche
Berg noch immer herabzustürzen drohe. Dies ist die Ursache,
warum noch heut die Juden in ihren Religionsübungen sich nur
mit einer Seite des Gesichts zur Erde werfen.
Moses wollte nun auch den Goldklumpen, woraus das Kalb
geformt war, und den das Feuer zwar geschmolzen, aber nicht
verzehret hatte, vertilgen. Er erholte sich deshalben Rath bei
Carun, dem Gott, auf Moses Bitten, die Kunst des Steins der
Weisen verliehen hatte. Er war der erste Alchymiste.
Carun verwandelte mit demselben Zusatz, der Staub in Gold
verwandelt, das Gold in Staub. Durch seine Kunst ward er so
ungeheuer reich, dass bloß siebzig Kamele die Schlüssel seiner
Schatzkammer trugen, von denen jeder siebzig Koffer
aufsperrte. Aber stolz auf seinen ungeheueren Reichtum
verweigerte er das gesetzmäßige Almosen, und suchte sogar
Moses durch falsche Beschuldigungen beim Volke verhasst zu
machen. Da erging über ihn das Gericht des Herrn. Die Erde
verschlang ihn und seine Schätze, und seine Schlüssel, und
seine Bücher. Was seitdem an unterirdischen Schätzen gefunden
worden, ist nur ein kleiner Teil der Schätze Caruns; die
Auffindung seiner Bücher, welche das Geheimnis des Steins der
Weisen enthielten, beschäftiget seitdem alle Alchymisten. In
Ägypten, wo die Erde den größten Teil seiner Schätze
verschlungen hatte, entstand ein See, dessen Fluten alle
Nachgrabung unmöglich machen. Dies ist der See Birketol –
karnn, nahe be Kairo, und Ägypten ist das Vaterland der
Alchymie.
Eine der sonderbarsten Begebenheiten, die sich zwischen
Moses und den Kindern Israels in der Wüste zutrug, ist die der
Kuh, von jener des Kalbes sorgfältig zu unterscheiden. Eine
der schönsten4,
längsten und wichtigsten Suren des Korans, die zweite nämlich,
nimmt davon Namen und Inhalt her. Mehrere Ausleger sind mit
der wahren Veranlassung dieser Geschichte unbekannt; darunter
gehört selbst der persische klassische Geschichtschreiber
Mohammed Ben Dschevir Al-thabari, wie sein türkischer
Uebersetzer sagt, der die Geschickte umständlich erzählt, und
nach dem türkischen hier der deutsche:
Ein alter reicher Mann, der keine Kinder, und nur zwei
Neffen zu Erben hatte, war von denselben der Erbschaft willen
erschlagen worden. Sie warfen den Leichnam zwischen den
Lagerort zweier Stämme und erhoben am Morgen großes Geschrei.
Nach Moses Gesetz mußte, wenn der Mörder unbekannt geblieben,
das Blutgeld von dem Stamme, in dessen Bezirk der Leichnam
gefunden ward, entrichtet werden. Weil diesmal der Erschlagene
gerade zwischen zwei Stämmen lag, entstand zwischen denselben
großer Hader und Streit über die Erlegung des Blutgeldes. Die
beiden Stämme wandten sich an Moses und baten ihn, die
Uneinigkeit beizulegen; Moses wandte sich an den Herrn.
Der Herr befahl, sie sollten eine Kuh schlachten und mit
dem Eingeweide den Erschlagenen berühren, der dann den Mund
öffnen und seinen Mörder angeben werde. Moses that den Auftrag
des Herrn dem Volke kund. Dieses, dem die Geschichte des
Kalbes und der dafür erlittenen Züchtigung noch im frischen
Angedenken war, glaubte, Moses wolle durch Anspielung darauf
ihrer spotten.
[Rand: Koran II.]
67. Wie? sagten sie, Moses! eine Kuh!
Du spottest unsrer; Puh!
Gott bewahre, sprach er, dass ich von den Thoren sei!
68. Frage, sagten sie, den Herrn, was für eine Kuh.
Nicht zu alt, und nicht zu jung, tut, was Euch der Herr
geraten.
69. Frage, sagten sie, den Herrn, was für Farb' sie sei?
Goldgelb, sprach er, dass ihr Anblick Aller Aug' erfreu.
70. Frage, sagten sie, den Herrn, dass er näher sich erklär',
Kuh von Kuh zu unterscheiden ist uns schwer,
Doch wir wollen auf den wahren Weg geraten.
71. Nimmer, sprach er, hab das Joch auf ihr gelastet,
Nimmer hab' bewässert sie die Saaten,
Unbeflecket sei sie, unbetastet.
Das ist, riefen sie, die Wahrheit, und sie schlachteten die
Kuh.
Wenig fehlte, dass sie es nicht taten.
72. So, als Ihr den Mord begangen,
Und darüber Zank habt angefangen.
Zog der Herr ans Licht verborgne Taten.
73. Mit dem Eingeweide, sprach der Herr, sollet
Ihr dem Leichnam Streiche geben.
So erwecket Gott vom Tode zu dem Leben,
Will durch seine Wunder Euch beraten.
74. Dann verhärtete der Herr die Herzen hart wie Stein.
Härter noch; was will Fels dagegen sein.
Denn aus den gespaltnen Felsen sprungen Quellen,
Stürzen hoch herab aus Furcht des Herrn in Wasserfällen.
Doch der Herr wacht über Eure Taten.
So weit der Koran. Zur Verständlichkeit dieser Stelle diene
folgende Erläuterung: Moses als Prophet wusste gar wohl, wer
die Mörder des Erschlagenen seien, und hätte also gar nicht
Not gehabt, zu dem Ausspruch durch die Kuheingeweide seine
Zuflucht zu nehmen. Er hatte dabei bloß die Absicht, einer
armen Witwe zu helfen, und das Volk zu zwingen, ihr Gutes zu
tun. Unter dem ganzen Volke fand sich nur eine einzige Kuh,
wie die beschriebene, sie gehörte der armen Witwe, und war ihr
einziger Unterhalt. Moses kannte die Halsstarrigkeit und die
Schikanen seines Volkes zu gut, als dass er nicht im voraus
gewusst hätte, dass, statt auf den ersten Ausspruch die
nächste beste Kuh herbeizuführen, man ihn mit Fragen um nähere
Bestimmung quälen und bestürmen werde. Hierauf hatte er die
Wohltat, die der Witwe zustießen sollte, berechnet, und hatte
sich in seiner Rechnung nicht betrogen. Denn sobald er die
erste Bestimmung, nicht zu alt und nicht zu jung, sondern
mittlern Alters, ausgesprochen hatte, liefen sie hin zur armen
Witwe, deren Kuh gerade dies Alter hatte, um ihr dieselbe
wegzunehmen. Die Witwe, hievon schon verständiget, foderte
tausend Silberstücke für ihre Kuh, als die einzige Quelle
ihres Unterhalts. Die beiden Stämme, die das Geld nicht geben
wollten, sich aber auch die Kuh nicht mit Gewalt wegzunehmen
trauten, aus Furcht vor Moses, kehrten zurück, um ihn durch
weitere Fragen zu schikanieren.
Frage, sagten sie, den Herrn, was für Farb sie sei?
Goldgelb, sprach er, daß ihr Anblick Aller Aug erfreu.
Nun war im ganzen Lager die Kuh der Witwe die einzige von
goldgelber Farbe. Sie kehrten also zu ihr zurück, und
begehrten dieselbe wieder; diesmal forderte die Witwe
zweitausend Silberstücke, und die beiden Stämme gingen hinweg,
erbost auf Moses, um ihn mit neuen Fragen zu peinigen.
Frage, sagten sie, den Herrn, dass er näher sich erklär',
Kuh von Kuh zu unterscheiden ist uns schwer,
Und wir wollen auf den wahren Weg geraten.
Nimmer, sprach er, hab das Joch auf ihr gelastet,
Nimmer hab' bewässert sie die Saaten,
Unbeflecket sei sie, unbetastet.
Abermals lauter Unterscheidungszeichen, so nur auf die Kuh
der Witwe passten, welche aber itzt dreitausend Silberstücke
forderte, und dieselben auch erhielt; denn sie fürchteten
sich, dass durch neue Fragen dieselbe Kuh durch die Antworten
Moses mit schärferen Androhungen noch unerlässlicher, und von
der Witwe der Preis noch höher gefordert werden dürfte.
Deswegen riefen sie für diesmal:
Das ist die Wahrheit, und schlachteten die Kuh,
Wenig fehlte, dass sie es nicht taten.
Sobald der Tote mit den rauchenden Eingeweiden berührt
ward, fing das Blut wieder an zu fließen, er erhob sich, und
gab seine Neffen als seine Mörder an.
Die verfälschte Sage von dieser Andeutung durch die
Eingeweide der geschlachteten Kuh hat in späteren Zeiten bei
verschiedenen Völkern den ersten Anlass zu den Deutungen aus
den Eingeweiden der Opfertiere gegeben. Diese haben itzt ihr
Ansehen verloren, aber der Charakter der Kinder Israels hat
sich von Moses Zeiten bis auf diesen Tag in Nichts geändert.
Es gehöret heute noch zur Eigenheit derselben, dass sie
gesetzmäßige Forderungen mit Halsstarrigkeit verweigern,
denselben durch Schikanen zu entgehen suchen, und dann
gewöhnlich durch eingejagte Furcht, wie von Moses, um das
Doppelte und Dreifache gestrafet werden.
Die Weisheit des Gesetzgebers besteht in der [Rand: Ibn
Kessir.] Kenntnis des Charakters seines Volkes. Moses, wiewohl
er denselben tief studiert hatte, wiewohl er selbst Prophet
und Gesetzgeber war, konnte sich doch nicht ganz von der,
seiner Nazion anklebenden, ungläubigen Zweifelsucht befreien.
Wie er sein Volk zurechtwies, so ihn der Herr. Einst stieg
ihm der neugierige Gedanke auf, ob Gott der Herr wohl schlafe.
Diese Neugierde quälte ihn gar sehr, und er hätte dieselbe um
Alles in der Welt gerne befriedigt. Da sandte Gott einen
seiner Engel mit dem Befehle: Moses sollte zwei brennende
Lampen nehmen, in jede Hand eine, und damit stehen auf einer
Stelle, die ganze Nacht hindurch.
Moses gehorchte der Botschaft des Engels, aber nach einiger
Zeit überfiel ihn der Schlaf; sein Haupt nickte, die Hände
sanken. Er ließ die Lampen fallen, die in Scherben
zerschellten. »So, rief der Engel, o Moses, würden, wenn der
Herr schliefe, die Sonnen und Erden zerschellen, die er stets
wachend in seinen Händen hält.«
Einmal hatte Moses dreißig Tage und dreißig Nächte
gefastet, als ihn der Herr zu sich berief zu einer
Unterredung. Moses bedachte, wie dass er auf so langes Fasten
übel aus dem Munde riechen müsse, und aß daher einige Wurzeln
und Kräuter, um nicht mit bösem Odem vor des Herrn Angesicht
zu treten.
Gott fragte ihn, warum er die Fasten gebrochen, und als
Moses die Ursache davon angab, sprach der Herr: O Moses! der
Geruch und Odem aus dem Munde eines Fastenden ist mir süßer
und angenehmer als Moschusgeruch.
O Sittenverderbnis der Großen und Reichen, der Herren und
Frauen, denen die Nase feiner steht als Gott dem Herrn. Das
sind die Könige wie Farao, die Wesire wie Haman, die Reichen
wie Carun, von denen Gott der Herr in der Sura, die Spinne
betitelt, nachdem er der Völker Aad und Themud erwähnet hat,
folgendermaßen spricht:
Farao, Haman, Carun, die Reichen,
Wir sandten ihnen Boten mit Zeichen,
Sie waren stolz auf Erden.
Doch ward ihnen Dauer nicht,
Denn wir gingen mit ihnen ins Gericht.
Unter allen Feinden, welche Moses auf Befehl des Herrn zu
bekämpfen hatte, war der größte und fürchterlichste Audsch,
der Sohn Anaks, der gewaltige Riese, dem die Sündflut nur bis
an die Kniee ging, und der mit einer Hand Wallfische fing im
Grund des Meeres, und sie mit der andern, gegen Himmel empor
haltend, an der Sonne briet.
Moses schickte zuerst zwölf Kundschafter ab, um von ihm
nähere Kenntnis einzuziehen. Als sie ihn erblickten, erhoben
sie aus Schrecken lautes Zetergeschrei. Was hör' ich da unten
summen im Staub meiner Füße, sprach der Anakssohn, und hob die
zwölf Kundschafter auf dem kleinen Finger zum Ohre empor. Als
er vernommen hatte, sie kämen als Kundschafter ihres Volkes,
das ihn mit Krieg überziehen wollte, lachte er, dass die Berge
bebten, und die Wolken donnerten.
Er reinigte sich mit dem Finger das Ohr, und ließ die zwölf
Kundschafter bis an die Ohren im Unrat stecken, die ganze
Nacht hindurch. Am Morgen rüttelte er sich abermal mit dem
kleinen Finger das Ohr, weil es ihm schien, als ob es ihn
juckte; es waren die zwölf Kundschafter, die sich aus dem
Morast, wo sie stacken, aufzuarbeiten bemühten. Er schnellte
sie mit einemmal zur Erde, ohne dass sie sich Leides täten im
Falle, was billig zu verwundern.
Sie brachten die Schreckenkunde den Kindern Israels, die an
der Unternehmung verzweifelten, und die Ehre davon dem Moses
allein als ein wahres Prophetenabenteuer überlassen wollten.
Zwei allein der Kundschafter stimmten nicht in die
Kleinmütigkeit ihrer Gefährten mit ein, sondern ermahnten und
ermunterten das Volk zum Kampf, weil auch Anaks Sohn mit des
Herrn Hilfe ihrem Arm erliegen werde. Doch brachte dies
Zureden wenig Muth hervor, und sie griffen erst zu den Waffen,
als sie sahen, dass Audsch angezogen kam. Er selbst höher als
der höchste Berg, einen Berg auf den Händen über dem Kopf
emporhaltend, um mit einem Wurf das ganze Volk zu vertilgen.
Da sandte Gott ein Vögelein mit einem Steinchen [Rand:
Adschaib.] in dem Mund. Das Vögelein ließ das Steinchen auf
den emporgehaltenen Berg fallen, und sogleich zerrollte er als
eine Steinlawine über alle Glieder des Riesen herab, der sich
nur den Staub abschüttelte. Moses, voll Vertrauen auf den
Herrn, [Rand: Al-Thabari.] nahte mit seinem Wunderstabe. Moses
war zwölf Spannen hoch, der Stab zwölf Spannen lang; Moses
hielt ihn mit ausgedehnter Rechte, und sprang zwölf Spannen
hoch empor, den Riesen zu schlagen. Er traf ihn ober der
Ferse, wo er ihm mit der Spitze des Stabes die Achillessehne
durchbohrte. Der Riese fiel. Durch Gottes Hilfe und
Prophetenmut wird auch dem Schwachen Sieg über Anakssöhne.
Moses war durch des Herrn Offenbarungen tief eingedrungen
ins Reich der Wissenschaft. Doch genügte ihm die erworbene
Kenntniss nicht, immer wollte er mehr und mehr wissen, denn
der Durst nach Wissenschaft ist unersättlich, wie der Durst
nach Ehren, Gütern und Lebensgenuss. Nicht also, weil Moses
sich schon für den größten Gelehrten und Weisen seiner Zeit
hielt, sondern weil er immer noch lernen, immer seine
Kenntnisse vervielfältigen wollte, fragte er Gott den Herrn,
ob es einen Gelehrteren, einen Weiseren auf Erden gebe als
ihn, damit er seine Bekanntschaft machen, und sich durch
Umgang mit ihm ausbilden möge.
Ja, sprach der Herr, Chisr, mein Diener, der am
Zusammenfluss der beiden Meere wohnt, ist gelehrter, ist
weiser als Du. Moses band sich sogleich mit Josue die Sohlen,
um die Reise anzutreten zum Zusammenfluss der beiden Meere,
und als Wegzehrung und Wegweiser befahl ihnen der Herr
mitzunehmen gedörrten Fisch. So sonderbar es heut scheinen
würde, sich statt der Magnetnadel mit einem geselchten Häringe
als Wegweiser auf eine weite Seereise zu versehen, so wenig
fand Moses etwas Seltsames daran. Wer die Wissenschaft auf dem
Wege des Glaubens verfolgt, darf Nichts bezweifeln, Nichts
bewundern.
Wer Chisr eigentlich gewesen sei, ob ein Prophet, ob ein
Heiliger, ob ein Weiser, ist durch die Legende nicht
entschieden. Nach der vorwiegenden Meinung war er ein Weiser,
zu Moses Zeit geboren, wie Lokman zur Zeit Davids. Ihm ward
das Glück, das Wasser des Lebens zu finden, und seitdem ist er
zum Hüter desselben bestimmt auf Erden. Der Quell des Lebens
sprudelt im Lande der Finsternis, von grünem Schein
umleuchtet, gehütet von Chisr, dem ewig blühenden Jüngling in
grünem Kleide, mit grünendem Flaum um die Lippen. Grün ist die
Farbe des Lebens, des Wachsthums, der Wiederverjüngung. Der
Schein der Hoffnung, die Kraft des Ruhms, und selbst die
Stärke des Alters grünet. Wenn sich im Frühlinge die Erde
wieder verjüngt, so ists Chisr, der die Bäume mit grünem
Laubwerk schmückt, und den grünen Teppich der Fluren
ausbreitet, der die Quellen entsiegelt, und in den Purpur des
Abendroths den Schmelz des heiteren Grün mischt. Durch ihn
grünet der Flaum um die Lippen der Jünglinge und Mädchen, als
grünes Gebüsche um den Born des Mundes, aus dem die Liebe
ewiges Leben trinkt. Wenn verloschne Schönheit wieder
aufblühen, wenn sich das Alter wieder verjüngen und verdorrtes
Gebein zum Leben aufwachen soll, so ists Chisr, dem der Herr
das Geschäft überträgt. Seit Aeonen wandelt er auf der Erde in
ewiger Jugend und Schönheit, indess Menschenalter und
Naturrevolutionen ihren unaufhaltbaren Gang fortgehen.
[Rand: Adschaib.] So wandelte Chisr einst an einer großen
Stadt vorüber, und fragte einen der Bürger, seit wann dieselbe
gebaut sei. Von uralten Zeiten her, antwortete er, über unser
und unsrer Väter Gedenken hinaus. Nach fünfhundert Jahren kam
er wieder vorbei. Es war keine Spur einer Stadt zu sehen. Gras
deckte das Land, und Männer sammelten Kräuter. Seit wann,
fragte Chisr, ist die Stadt, so hier gestanden, zu Grund
gegangen? Wir wissen von keiner Stadt, war die Antwort, und
haben auch von unsern Vätern nie von einer gehört. Fünfhundert
Jahre später kam Chisr auf dieselbe Stelle; es war ein See,
auf dem Fischer ihre Netze ausspannten. Seit wann, fragte
Chisr, ist dieser See entstanden? Wir wissen nicht, erwiderten
sie, dass hier jemals trocknes Land gewesen sei, und wissen's
so von unsern Vätern. Fünf andere Jahrhunderte verflossen, eh'
Chisr auf denselben Ort zurückkehrte. An der Stelle des Sees
war trocknes Land mit Saat und Busch. Wie ist der See
verschwunden? fragte Chisr die Ackersleute. Wir haben nie von
einem See gehört, gaben sie zur Antwort, seit Mannsgedenken
wird hier das Feld gebaut. Endlich führte Chisr's Weg abermal
dort vorüber nach fünfhundert Jahren, und er fand eine große
Stadt, deren Bewohner ihm eben so wenig, als die Bewohner des
Ortes in den verflossenen zweitausend Jahren, über die
Geschichte der Vorzeit Auskunft geben konnten.
So oft der Herr Tote zum Leben erwecken oder Königen Lehren
und Ermahnung senden will, ist Chisr das Werkzeug seiner
Allmacht, das Organ seiner Langmut, oder auch der Vollzieher
seines Strafgerichts.
Einem frommen Mann, der seinen Esel vor sich her trieb, um
in einer Stadt für einige Pfennige Brod einzukaufen, und damit
zu beladen, kamen während seines Weges Zweifel über die
Auferstehung der Todten in den Sinn. Sein Esel fiel auf dem
Wege um. So ists dahin, dachte er, mein treues Tier, und wird
nicht wieder aufstehen. So geht's uns Andern, das ist der Weg
alles Fleisches, und einmal dahin ist dahin, wie mit dem Esel,
so mit mir.
In diesem Augenblicke berührte ihn die Hand des Herrn, und
er verfiel in sanften Schlummer. Als er nach fünf
Jahrhunderten wieder aufwachte, stand ein Fremder zu seiner
Seite; Es war Chisr, dem der Herr den Auftrag gegeben hatte,
den frommen Mann aus dem Schlummer, und den Esel zum Leben zu
erwecken.
Siehst du, fragte er ihn, dies weiße an der Sonne
gebleichte, an der Luft vertrocknete Gebein; es sind die Reste
deines Lasttiers, der Herr will dasselbe wieder beleben, und
sogleich stand der Esel gehend da. Der fromme Mann zweifelte
nun nicht mehr an der Auferstehung der Toten, denn der Odem
des Herrn beseelt morsches Gebein, sagt der Koran, dessen Text
von der Auferstehung sich auf diese Geschichte gründet.
Die Erscheinungen Chisr's vor dem Thron der Könige mit
weisem Rath und strenger Ermahnung sind zahlreich aufgeführt
in den morgenländischen Sagen. Er wars, der jenem Schah als
Arzt das Schlägelspiel anempfahl statt aller Arznei für seine
Cacherie, und als er hingerichtet ward, mit aufgehobenem Kopfe
davon ging, nachdem er zuvor dem Schah ein Buch zum Angedenken
hinterlassen, in dessen vergifteten Blättern er seinen
verdienten Lohn fand5.
Diese Offenbarungen sind, wie natürlich, einfacher in der
älteren Geschichte, seltner in der neueren; keine derselben
aber hat sich in den Annalen des Morgenlandes so sehr zum
Ansehn unbezweifelter historischer Wahrheit hinaufgeschwungen,
und dabei bis itzt erhalten, als Chisr's Zusammenkunft mit
Alexander, dem Zweihörnigten, dem Welteroberer, und mit Moses,
dem Propheten. Die erste dieser Sagen, von der bei Alexandern
die Rede sein soll, beruhet auf dem einstimmigen Zeugniß aller
morgenländischen Geschichtschreiber6,
die zweite auf der mündlichen Überlieferung des Propheten,
oder wenigstens seiner Jünger.
Dieser zufolge wanderte Moses mit Josue dem [Rand:
Al-Thabari.] arabischen Meerbusen entlang, um zum
Zusammenfluss der beiden Meere, wo nämlich der rote See sich
mit dem Ocean vereinigt, zu gelangen. Sie waren nicht mehr
weit davon entfernt, als sie sich Abends auf einen großen
Stein niederließen, um auszuruhn von den Beschwerden des
Tages. Moses schlief ein, Josue wachte. Von ihrem Vorrate war
ein einziger gedörrter Fisch übrig geblieben, der auf dem
Steine lag. Neben dem Steine entsprudelte dem Felsen ein
Quell. Ein Tropfen dieses Wassers fiel auf den Fisch. Sogleich
ward er lebendig, und sprang ins Meer. Josue fand dies zwar
seltsam, aber seit langem an Wunder und außerordentliche
Begebenheiten gewohnt, weckte er nicht nur allein Moses nicht
auf, sondern vergaß es sogar ihm zu sagen, als er aufwachte,
und sie ihre Reise fortsetzten.
Erst als am andern Tage Moses Mahlzeit halten wollte,
erzählte ihm Josue das Abenteuer, das dem Fische begegnet.
Moses erkannte hierin sogleich den Fingerzeig des Herrn, der
ihm gedörrten Fisch nicht nur als Reisezehrung, sondern auch
als Wegweiser anempfohlen hatte. Sie kehrten zurück zum Stein,
wo Chisr saß. Seid mir gegrüßt, Redner Gottes! und Propheten
der Kinder Israels, redete er die beiden Reisenden an. Ich
sehe wohl, dass du mehr weißt als ich, und dass ich von dir
Vieles zu lernen habe. O Chisr, antwortete Moses, willst du
mich auf meiner Rückreise zu Meer begleiten, damit ich in
deine Weisheit und Wissenschaft eingeweiht werden möge. Gerne,
antwortete Chisr, aber Moses, du bist zu ungeduldig, und nur
Geduld bahnt den Weg der Wissenschaft.
Moses, der wirklich viele natürliche Ungeduld besaß (in
einer Anwandlung derselben hatte er den Ägypter dort
geschlagen, und später hernach in der Wüste die Gesetzestafeln
zerschmissen) versprach alle mögliche Geduld. Sie schifften
sich also mitsammen ein. Das Erste, worüber Moses Belehrung
verlangte, war ein kleines Vögelein, das sich aufs Tauwerk
setzte, und zwitschernd ein Tröpfchen Wasser aus dem Munde
fallen ließ. Moses fragte sogleich, was dies sage oder
bedeute, denn er wusste wohl, Nichts in der Welt sei ohne Sinn
und Bedeutung. Chisr antwortete: Menschliches Wissen in
Vergleich der Wissenschaft Gottes ist noch winziger, als dies
Tröpfchen Wassers in Vergleich mit dem Meere. Dies sagt das
Zwitschern des Vögeleins. Bald hernach nahm Chisr ein Beil,
und fing an wie aus langer Weile den Bord des Schiffes zu
zerhauen. Aber was tust du denn da, Chisr? fragte Moses
aufbrausend. Hab ich dir nicht gesagt, antwortete Chisr, du
sollst Geduld lernen, Geduld bringt Rosen. Moses, ein andermal
brause nicht auf, eh du den Grund der Dinge erkannt hast.
Abends landeten sie, Kinder spielten um sie her am Ufer. Eh
sie sich wieder einschifften, schlug Chisr eines derselben mit
einem Steine tot. Mörder, rief Moses ergrimmt, was hat das
Kind an dir verschuldet? Moses, erwiderte Chisr, ist dies die
versprochene Geduld? Hast du denn noch nicht gelernt, dass nur
die Geduld den Sieg verleiht, so über sich, wie über andere?
Lerne dich vor Allem mäßigen.
Am nächsten Tage, als sie wieder landeten, hatte Chisr
nichts Geschäftigeres, als eine alte halbverfallne Mauer eines
Hauses wieder aufzubauen. Das heiß ich mir die Zeit gut
angewendet, rief Moses, der voll Ungeduld sich schon wieder
einschiffen wollte. Moses, Moses, du bist nicht von den
Geduldigen, sprach Chisr, und auf solchem Wege wirst du nicht
zu höherer Wissenschaft gelangen. Doch um dir dein Unrecht zu
zeigen, wisse, dass ich das Schiff zerhieb, weil in dem Hafen,
wo diese armen Leute einlaufen werden, der König Beschlag
gelegt hat auf alle guten und neuen Schiffe; um das Haab
dieser armen Leute zu retten, hab ich ihnen diese kleine
Hackerei gemacht zum Nutzen, nicht zum Schaden; das Kind
entrückte ich diesem Leben, weil es in späteren Jahren zum
Verbrecher geworden wäre, und die Mauer baute ich auf, damit
sie nicht zusammenfalle, bis dass die unmündigen Kinder, denen
das Haus gehört, zum Gebrauche der Vernunft kommen. Denn ein
Schatz liegt darunter verborgen, der, wenn itzt die Mauer
zusammenfiele, von fremden Händen würde versplittert werden.
So ist deine ungeduldige Neugierde befriediget, nun magst du
aber auch allein deine Reise fortsetzen, denn die Wissenschaft
gesellt sich schlecht zur Ungeduld. Nur die Geduld ist der
Schlüssel so der Kenntnis wie des Vergnügens. Ungeduldiger
Mensch! Du magst ein großer Redner und Gesetzgeber, Feldherr
oder gar Prophet, nie aber kannst du ein großer Gelehrter, und
noch weniger ein Weiser sein.
[Rand: Adschaib.] Auf eine ähnliche Weise ward des
Propheten anmaßende Unwissenheit und vorgreifende Neugierde
von Gott dem Herrn durch die bekannte Geschichte des
erschlagenen Greises beschämt. Ein Reiter hatte seine Börse am
Quell vergessen, ein Hirte fand sie, und gieng hinweg. Ein
abgelebter Greis kam mit einer Last Holz auf dem Rücken, um
einige Minuten auszuruhen. Der Reiter kehrte zurück, forderte
die Börse vom Greis und erschlug ihn. Der Herr belehrte Moses,
dass der Greis den Vater des Reiters erschlagen, dass dieser
dem Hirten die in der Börse enthaltene Summe schulde, dass
hiermit die Geld- und Blutschuld getilgt, und das
Wiedervergeltungsrecht vollzogen sei.
Moses wusste die bestimmte Lebenszeit seines [Rand:
Al-Thabari.] Bruders Aaron; als dieselbe um war, ging er mit
ihm hinaus ins Feld, sie fanden einen Baum mit seltsam
verschlungenen Ästen, mit Früchten besonderer Art; unter dem
Baum war ein Thron errichtet. Aaron äußerte Lust, denselben zu
besteigen. Sobald er ihn bestiegen hatte, entschlief er, und
Moses am Fuße desselben. Als Moses erwachte, sah er weder den
Thron, noch seinen Bruder. Es ward ihm klar, dass ihn der Herr
zu sich genommen habe, und er kehrte zurück zu den Kindern
Israels, ihnen davon Kunde zu geben.
Sie glaubten ihm nicht, sondern meinten, Moses habe seinen
Bruder aus Prophetenbrodneid aus dem Wege geräumt. Drei Jahre
hernach ging Moses mit Josue seinem Nachfolger im Prophetentum
hinaus ins Freie. Es war der Sterbetag Moses. Der Todesengel,
der sich den Propheten nur mit Scheu und Ehrfurcht nähert, um
ihnen den Geist nicht gewaltsam zu entreißen, sondern
gleichsam abzulisten, hatte sich als Totengräber verkleidet,
und schaufelte als solcher ein neues Grab aus. Moses, von
Natur neugierig und ungeduldig, fragte sogleich, für wen das
Grab bestimmt sei. Ich darfs nicht sagen vor deinem Gefährten,
antwortete der Totengräber, aber wenn du herein kommen willst,
so will ich dirs vertrauen. Moses stieg hinunter, der Engel
des Todes schloss das Grab zu, nahm seinen Geist in Empfang,
und ließ vom Körper Nichts als das Herz zurück in der Gruft.
Josue, nachdem er einige Zeit gewartet hatte, eröffnete das
Grab, und als er Nichts als das Herz fand, wusste er, der Herr
habe den Propheten zu seinen Vätern versammelt, und nur sein
Herz sollte unter seinem Volke bleiben. Er trug es mit sich
heim, aber die Ungläubigen meinten, Moses sei von ihm aus dem
Wege geräumt worden, wie Aaron von Moses, zur Wiedervergeltung.
Dieses Vermächtnis an ihr Volk haben seitdem mehrere
Fürsten durch besonders verordnete Beisetzung ihres Herzens
nachgeahmt.
[Rand: Ibn Kessir.] Als Moses ins Paradies gelangte,
begegnete ihm zuerst Adam. Der Redner des Herrn vergaß, dass
er nicht mehr auf Erden sei, und wollte den Vater der Menschen
hofmeistern, wie er seine Nachkommen als Prophet gehofmeistert
hatte. He he! sagte er, du bist Adam, den seine Lüsternheit
aus dem Paradiese vertrieben, und der du hierdurch allen
künftigen Propheten so viel zu schaffen gegeben hast mit
deinen Enkeln.
Wie! antwortete Adam, und du bist Moses, den der Herr
ausgezeichnet hat durch Redner- und Prophetengabe? Du nimmst
dirs heraus mich zur Rede zu stellen über einen Vorfall, der
durch göttliche Weisheit lange vor meiner Erschaffung
vorherbestimmt war? Wie, entgegnete Moses, du bist Adam, dem
der Herr den Geist eingeblasen, dem das Chor der Engel
gehuldiget, und der bei alle dem das Paradies verloren hat?
Ei! erwiderte Adam, und du bist Moses, zu dem der Herr im
brennenden Dornenbusch, und vom rauchenden Gipfel Sinais
gesprochen hat, und der deß ungeachtet so wenig dich zu
mäßigen gewusst, dass du die Gesetztafeln zerschmissen, wie
die Lampen, die im Schlafe deinen Händen entfielen? Wie!
begann Moses noch einmal, du bist Adam, den Gott zum Herrn der
Erde gemacht, und der sich durch ein Weib, das Satan verführet
hatte, betören ließ? Ein schöner Menschenvater. Ei! gab Adam
die Rede zurück, und du bist Moses, der du dein Volk
beherrschtest, ohne deine Neugierde und Ungeduld beherrschen
zu können. Ein sauberer Prophet! So begrüßten sich Adam und
Moses im Paradiese dreimal mit wechselseitiger Stachelrede.
Daher ist nicht zu wundern, wenn sich auch heute
Gottbegeisterte Männer und Volksbeherrscher von Kanzeln und in
Staatsschriften manchesmal wacker ausschimpfen, wie Adam und
Moses im Paradiese.
Seit dem vierzigsten Jahre, wo Moses das Prophetenthum
erhalten, umloderte die Flamme der göttlichen Begeisterung
sichtbar sein Haupt; hoch schlug sie empor von der Stirne, und
von beiden Seiten des Hauptes in Gestalt von Hörnern
aufwirbelnd. Dies ist die Glorie des Genius, das Anzeichen
göttlicher Kraft, woraus späterhin Strahlendiademe, und
Heiligenscheine entstanden. Rühmlich und göttlich ists, Hörner
zu tragen wie Moses, aber nicht alle Hörner auf den Häuptern
der Gottgesandten und Völkerhirten sind Flammengarben des
Prophetengeistes.
Fußnoten
1 Che sciagura für Satan, und für junge Herren, die keinen
Prophetensinn besitzen. Diese drollichte Legende erinnert den
Uebersetzer an einen englischen Schwank, mit dem man in
Gloucestershire die Bewohner des Ortes Durslei zum Besten hat.
Man bringt ihnen auf, dass, wenn sie in finstrer Nacht nach
London gehen, dort ihre Erzeugnisse zu verkaufen, der erste
als Wegweiser, dem die andern folgen, das Hemde rückwärts aus
den Beinkleidern herauszieht, damit die andern dem Weißen im
Dunkeln desto leichter folgen mögen. Dies heißen sie dann the
Dursleimoon; doch gehört dies vielleicht nicht hieher, wegen
des wesentlichen Unterschiedes zwischen diesem Dursleimoon,
und dem Vollmond Sagura's.
d.U.
2 Als im Jahre 1801 die Osmanischen Truppen vom Lande
wieder Besitz nahmen, sangen sie:
Allah jansur issultan (bis) Almensur, Al Kemir (bis) Gott,
gieb' Siege dem Sultan! Ihm dem Sieger, Ihm dem Guten!
3 Wirklich enthält die neueste Geschichte nicht nur von der
Zeit Ibn Kessirs, sondern auch unserer Tage hiezu die
stärksten Belege. Der Einfluss und das Ansehen, das die Frauen
der Beghen unter der Mameluken Herrschaft ausübten, ist
bekannt. So ward Muradbeis Gemahlin von allen anderen Beghen
als Gebieterin und Mutter verehrt. Die französischen und
englischen Befehlshaber vernachlässigten sie eben so wenig,
als die türkischen. Die Generale Bonaparte und Hutchenson
statteten ihr Besuche ab. Der Übersetzer selbst hat mit ihr
mehrmals Unterredungen gehabt, ohne jedoch daß er jemals ihr
immer ganz verhülltes Gesicht zu Gesicht bekommen.
4 Dies ist die Sura, vor deren prächtigem und erhabenem
Anfang Lebid, einer der sieben alten klassischen arabischen
Dichter, sich anbetend niederwarf, als vor göttlichem Wort,
vor dem alle Dichtkunst verstummt.
5 Diese beiden Sagen verdienen hier um so weniger
ausführlich erzählt zu werden, als dieselben Wielands
Meisterhand in seinem Schah Lolo so vortrefflich in das
Rosengewand seines Genius gekleidet hat. Der Sammler erwähnt
ihrer hier, nur um auf die morgenländische Quelle hinzuweisen,
aus der samt vielen anderen Erzählungen Voltaire's und
Wielands auch des Letzten, Hann und Gulpeneh geflossen ist. In
Schah Lolo ist Duban, und in Gulpeneh Aisa der Prophet Chisr.
6 Die historische Wahrheit, die hier unter der Fabel
verborgen liegt, ist gewiss Nichts anders, als Alexanders Zug
zum Tempel Ammons. Die grünende Orsis mitten in unwirthbaren
Wüsten ist dem Morgenländer der Quell des Lebens mitten im
Lande der Finsternis.