Zivilisation und ...

Reise einer Wienerin in das Heilige Land

Ida Pfeiffer

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Reise von Konstantinopel über Beirut nach Jerusalem

Cypern

23. Mai 1842

Heute wurden unsere Sehorgane in ziemlicher Ruhe gelassen, wir waren auf hoher See. Erst spät abends erblickten die Matrosen in weiter Ferne gleich einer Nebelwolke die Gebirge von Cypern. Ich hatte kein so geübtes Auge, ich sah nichts als abermals den Sonnenuntergang auf dem Meer, ein Schauspiel, von dem ich mir eine viel erhabenere Vorstellung machte. Der Auf- und Untergang der Sonne auf diesem Element ist nicht halb so schön wie in einer großen Gebirgslandschaft. Der Himmel ist gewöhnlich wolkenlos, und die Sonne sinkt nach und nach ohne Strahlenbrechung, ohne Farbenspiel ins nasse Grab hinab und betritt ebenso einförmig des Morgens ihre alte Bahn. Wie erhaben ist dagegen dieses Schauspiel auf dem Rigi in der Schweiz! Dies ist fürwahr ein Bild, um in Andacht aufgelöst auf die Knie zu sinken und in lautlosem Staunen Gott in seinen Werken zu bewundern.

24. Mai 1842

Als ich um fünf Uhr morgens auf das Verdeck kam, sah ich die Insel Cypern, die, je mehr man ihr naht, desto häßlicher erscheint. Um zehn Uhr fuhren wir im Hafen von Larnaka ein. Die Lage dieses Städtchens ist ebenso häßlich; einer arabischen Sandsteppe ähnlich, ragen einzelne fruchtlose Dattelpalmen über die steinernen, dachlosen Häuser.

Ich würde gar nicht an Land gestiegen sein, wenn nicht der Herr Doktor F., den ich in Konstantinopel kennengelernt und der vier Wochen vor meiner Abreise als Quarantänearzt hierhergekommen war, mich abgeholt hätte. Die Straßen von Larnaka sind nicht gepflastert, und wir mußten im eigentlichsten Sinn des Wortes bis über die Knöchel in Sand und Staub herumwaten. Die Häuser sind klein, die Fenster unregelmäßig, bald hoch und bald niedrig angebracht und mit sehr engen hölzernen Gittern versehen. Die Dächer bilden Terrassen. Diese Bauart fand ich in der Folge in ganz Syrien.

Von einem Garten oder grünen Plätzchen war nirgends eine Spur. Die Sandfläche erstreckt sich bis an die Gebirge, die, von dieser Seite gesehen, ein ebenso farbloses wie ödes Bild gewähren. Hinter diesen Bergen soll die Insel das Bild einer üppigen Landschaft bieten. Dahin und nach Nikosia, der Hauptstadt der Insel, von Larnaka sechs Stunden entfernt, kam ich nicht.

Herr Doktor F. führte mich in seine Wohnung, die viel besser aussah, als ich vermutete, indem sie aus zwei sehr großen Zimmern, man könnte sagen Sälen, bestand. Eine behagliche Kühle war überall verbreitet.

Öfen oder Kamine sah ich nicht, denn hier vertritt schon eine ziemlich laue Regenzeit die Stelle des Winters. Im Sommer soll die Hitze oft unerträglich sein und bis über sechsunddreißig Grad Réaumur steigen; heute hatten wir in der Sonne dreißig Grad nach Réaumur.

Auf eine glückliche Rückkehr in mein teures Vaterland ward mit echtem altem Cypernwein getrunken. Ach, werd' ich es wieder erblicken? Gewiß, wenn meine Reise nur halb so glücklich fortgeht wie bisher.

Syrien ist zwar ein böses Land und das Klima schwer zu ertragen, aber mit Mut und Vertrauen zu Begleitern hoffe ich doch meine Aufgabe zu lösen. Der gute Doktor war in großer Verlegenheit, daß er mir nichts als Cypernwein und einiges Biskuit aus seinem Vaterland servieren konnte. Obst gibt es zu dieser Zeit noch nicht, und die Kirschen gedeihen hier nicht mehr, weil das Klima schon zu heiß ist. In Smyrna aß ich die letzten für dieses Jahr. Als ich mich des Nachmittags wieder eingeschifft hatte, kam Mr. B. in Gesellschaft des englischen Konsuls an Bord, um, wie er sagte, eine so wackere Frau, die es wagen könne, eine so große, beschwerliche Reise ganz allein zu unternehmen, kennenzulernen. Noch mehr wuchs sein Erstaunen, als er hörte, ich sei eine ganz bescheidene Wienerin. Er war so gütig, mir für den Fall der Rückreise sein Haus als Absteigequartier anzubieten und mich zu fragen, ob er mir mit einigen Empfehlungsschreiben an englische Konsuln in Syrien dienen könne. Wie sehr rührte mich diese herzliche Teilnahme von einem ganz fremden Mann und noch dazu von einem Engländer, die man für kalt und unhöflich hält.

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