Der Quran im Islam
Bemühungen der Muslime um die Erhaltung des Qur´an
Wie schon erwähnt, war der Qur´anische
Text sowohl während des ersten als auch des zweiten
Unternehmens bereits unter den Muslimen weit verbreitet,
welche sich besonderer Mühe unterzogen, um ihn zu erhalten.
Darüber hinaus waren eine große Anzahl von Prophetengefährten
und ihre Nachfolger nur mit dem Vortragen des Qur´an
beschäftigt. Und weil das Sammeln des Textes in einem Mushaf
in aller Öffentlichkeit vonstatten ging, akzeptierten alle das
ihnen vorgelegte Exemplar und fertigten davon weitere
Abschriften an.
Als zur Zeit des dritten Kalifen Uthman
(während des zweiten Unternehmens) beabsichtigt wurde, den
Vers „Und diejenigen, die Gold und Silber horten“
(9:34) ohne „und“ einzuleiten, wurde dies verhindert. Der
Prophetengefährte Abi ibn Ka'b zog sein Schwert und drohte,
gegen die Sammler zu kämpfen, wenn dieses Wort weggelassen
wird, bis man schließlich einwilligte, den Vers mit „und“
aufzunehmen.
Der zweite Kalif rezitierte eines Tages
den Satz „und diejenigen, die ihnen auf ordentliche Weise
gefolgt sind“ (9:100) ohne „und“ und wurde deswegen von
den anderen so angefeindet, dass er sich korrigieren musste.
Imam Ali (a.) hatte zwar selber den
Qur´an in chronologischer Ordnung gesammelt, seine
Aufzeichnungen den Muslimen gezeigt, die sie akzeptierten, und
war an keinem der Unternehmen beteiligt, akzeptierte aber
trotzdem die offizielle Sammlung und stellte sie niemals —
auch nicht während seiner Amtszeit als Kalif — in Frage.
Ebenfalls stellten die Imame aus dem Hause des Propheten, die
ja seine Nachfolger sind, niemals — auch nicht unter ihren
vertrauten Parteigängern — die Gültigkeit des Mushaf in Frage.
Im Gegenteil, sie beriefen sich in ihren Äußerungen stets
darauf und wiesen ihre Parteigänger an, der Lesungsart der
Leute zu folgen.
Man kann die Behauptung wagen, dass Imam
Alis (a.) stillschweigende Hinnahme der offiziellen
Qur´an-Sammlung, obwohl sie sich in der Anordnung von seiner
eigenen Sammlung unterschied, wohl darin begründet war, dass
die Mitglieder der Familie des Propheten den Qur´an ohnehin
durch den Quran auslegten und dass bei diesem Verfahren die
Reihenfolge der Verse und Suren sowie der Ort ihrer
Offenbarung in Bezug auf die hohen Intentionen des Quran
irrelevant sind, denn bei der Auslegung eines Verses werden
alle Verse des Quran berücksichtigt. Die allgemeinen
Intentionen und Themen einer universalen und ewigen Schrift
dürften von den Faktoren der Zeit und des Ortes sowie den
Ereignissen der Offenbarungszeit nicht beeinflusst werden.
Die Kenntnisse dieser Detailfragen sind
insofern von Nutzen, als geklärt wird, wie die
islamisch-religiösen Erkenntnisse, Gebote und Geschichten zur
Zeit der Offenbarung entstanden sind und wie der Ruf zum Islam
während der dreiundzwanzigjährigen Missionstätigkeit des
Propheten (s.) die Menschen erreicht hat. Doch die islamische
Einheit – wie sie schon immer von den Imamen der Familie des
Propheten angestrebt wurde – ist wichtiger als dieser
Nebenvorteil.