Nahdsch-ul-Balagha
Pfad der Eloquenz - Nahdsch-ul-Balagha

Aussprache: nah-dschul-balagha
arabisch:
نهج البلاغة
persisch:
نهج البلاغة
englisch: Peak of Eloquence

Mehr zum Thema siehe: Nahdsch-ul-Balagha

189. Predigt – Über die Überzeugung [iman] und die Verpflichtung zur Auswanderung

Über die Überzeugung [iman] und die Verpflichtung zur Auswanderung

Die Überzeugung [iman][1] ist das, was sich fest und verankert in den Herzen befindet, und eins davon ist das, was als Darlehen zwischen den Herzen und den Brüsten bleibt bis zu einer bestimmten Frist. Und wenn ihr euch von jemandem befreien wollt, dann wartet, bis der Tod zu ihm kommt, denn das ist die (zeitliche) Grenze für die Befreiung.

Die Verpflichtung zur Auswanderung

Die Auswanderung steht immer noch (als Verpflichtung) an ihrer ersten Position. Allah ist niemandes unter den Erdenbewohnern bedürftig, der seinen Zustand verheimlicht, noch dessen, der ihn offen legt. Der Begriff Auswanderung [hidschra] trifft nur auf jemanden zu, der den Beweis (Allahs) auf Erden erkannt hat. Wer ihn erkannt und bekräftigt hat, der ist ein Auswanderer [muhadschir]. Der, zu dem der Beweis (Allahs) gekommen ist, dessen Ohr ihn gehört und dessen Herz ihn bewahrt hat, auf den trifft die Bezeichnung “entrechtet“ [mustadh´af] nicht zu.

Die Schwierigkeit der Überzeugung [iman]

Wahrlich, unsere Sache ist schwer und kompliziert. Nur ein gläubiger (Gottes-)Diener kann es aushalten, dessen Herz Allah mit Überzeugung [iman] getestet hat, und nur vertrauenswürdige Herzen werden unsere Überlieferungen bewahren sowie (Menschen von) solidem Verstand.

Oh ihr Menschen, fragt mich, bevor ihr mich verliert, denn die Wege des Himmels sind mir bekannter als die Wege der Erde, und bevor ein Unheil auf die Füße springt, (selbst) auf seine Nasenzügel tritt und den Leuten den Verstand raubt.

Erläuterung

Im ersten Teil wird auf ist die Interpretation der Bezeichnungen Auswanderer [muhadschir] und Entrechteter [mustadh´af] eingegangen. Im Heiligen Qur´an heißt es dazu:

„Wahrlich, die – Unrecht gegen sich selbst verübend - von den Engeln dahingerafft werden, werden diese sprechen: „Wonach strebtet ihr?“ Sie werden antworten: „Wir waren auf Erden entrechtet. „Da sprachen Wir: „War Allahs Erde nicht weit genug für euch, dass ihr darin hättet auswandern können?“ Sie sind es, deren Aufenthalt die Hölle sein wird, und übel ist die Bestimmung. Außer nur die Entrechteten unter den Männern, Frauen und Kindern, die außerstande sind, einen Plan zu fassen oder einen Weg zu finden. Diese sind es, denen Allah bald vergeben wird, denn Allah ist Allvergebend, Allverzeihend.“[2]

Imam Ali (a.) erläutert hier, dass die Auswanderung [hidschra] nicht nur zur Lebenszeit des Propheten (s.) verpflichtend war, sondern es eine andauernde Verpflichtung ist. Diese Auswanderung ist selbst jetzt verpflichtend, um den Beweis Allahs zu erlangen und die wahre Religion. Daher, wenn jemand den Beweis Allahs erreicht und daran geglaubt hat, dann ist er nicht verpflichtet auszuwandern, selbst wenn er mitten unter den Ungläubigen seines Ortes lebt. Der Entrechtete [mustadh´af] hingegen ist jemand, der unter den Ungläubigen lebt und weit davon entfernt ist, vom Beweis Allahs zu erfahren, und gleichzeitig nicht in der Lage ist, auszuwandern, um die Beweise Allahs zu erlangen.

Imam Chomeini[3] hat den Begriff der Auswanderung in einen noch viel tieferen Sinn interpretiert, indem er auf die Auswanderung des “Ich“ aus dem eigenen Herzen hinwies, um das Herz dem Geist Gottes zu überlassen. Eine ähnliche Hinwendung kann auch aus Imam Alis (a.) Worten herausgelesen werden.

Die Aussage Imam Alis (a.), dass ihn die Wege des Himmels bekannter seien, haben Manche Leute dahingehend erklärt, dass sie bedeute, dass er mit der Passage mit der Erde die weltlichen Angelegenheiten meint, und mit der Passage über den Himmel die Angelegenheiten des religiösen Gesetzes und dass der Befehlshaber der Gläubigen (a.)[4] sagen will, dass er die Angelegenheiten und Gebote des religiösen Rechts besser kennt als die weltlichen. Daher schreibt Ibn Maitham al-Bahrani[5] in Scharh Nahdsch-ul-Balagha, Band 4, S. 200-201: „Es wird von Allama al-Wabari überliefert, dass der Befehlshaber der Gläubigen zu sagen beabsichtigte, dass die Bandbreite seines religiösen Wissens größer ist als sein Wissen über Weltliches.“

Aber wenn man den Kontext in Betracht zieht, dann kann diese Behauptung nicht als korrekt erachtet werden, weil dieser Satz als Erklärung bzw. als Ursache des Satzes „Fragt mich, bevor ihr mich verliert“ betrachtet wurde, und dann kommt die Prophezeiung über Unheil. Der Satz, der zwischen diesen beiden auftaucht „denn die Wege des Himmels sind mir bekannter als die Wege der Erde“ macht die obengenannte Anmerkung überflüssig, denn die Herausforderung des Befehlshabers der Gläubigen (a.), ihn alles zu fragen, was man will, ist nicht allein auf die religiösen Angelegenheiten beschränkt, daher kann dieser Satz nicht als ursächlich dafür betrachtet werden. Die Prophezeiung danach über das Auftreten von Unheil hat nichts zu tun mit den Angelegenheiten des religiösen Gesetzes, so dass sie als einen Beweis dafür dienen könnte, dass Imam Ali (a.) mehr Wissen über Religiöses als über Weltliches hätte. Den klaren Gehalt der Worte zu ignorieren und sie auf eine Weise zu interpretieren, die nicht zum Anlass passt, fördert keinen korrekten Geist zutage, wenn aus dem Kontext die gleiche Bedeutung erwächst, die die Worte offen vermitteln. Die Aussage Imam Alis (a.) „Fragt mich, was ihr wollt“, dient auch als Warnung vor den bevorstehenden Missetaten der Umayyaden, in dem Sinne, dass er sagen wollte „weil ich die Wege der göttlichen Bestimmung besser kenne als die Wege der Erde. Dann, selbst wenn ihr mich über Dinge fragt, die auf der “wohlverwahrten Tafel“ niedergeschrieben sind und die göttliche Bestimmung betreffen, kann ich es euch sagen, und jene Sachen betreffend, an denen ihr Zweifel haben solltet, wird eine ernstliche Intrige auftreten gegen mich, weil meine Augen mit jenen himmlischen Linien vertraut sind, die das Auftreten von Ereignissen und Zwietrachten betreffen, die auf der Erde erscheinen werden. Ihr solltet mich daher fragen über ihre Details und wie ihr euch davon in Sicherheit bringen könnt, so dass ihr in der Lage seid, euch zu verteidigen, wenn die Zeit kommt.“ Diese Bedeutung wird unterstützt durch die darauffolgenden Aussagen Imam Alis (a.), die er in Verbindung des Unbekannten äußerte sowie zu dem, was die Zukunft bezeugte. Daher kommentiert Ibn Abu al-Hadid[6] diese Aussage des Befehlshabers der Gläubigen (a.) folgendermaßen:

„Die Aussage des Befehlshabers der Gläubigen wird durch seine Aussagen über die zukünftigen Ereignisse, die er nicht einmal oder hundert mal äußerte, sondern fortlaufend und andauernd, woraus kein Zweifel besteht, dass alles, was er sagte, auf der Basis von Wissen und Sicherheit beruhte und nicht auf gut Glück.“ [7]

Im Zusammenhang mit dieser Aussage des Befehlshabers der Gläubigen (a.) wurde bereits in der 92. Predigt aufgezeigt und erläutert, dass kaum jemand anderes es wagte, so eine Äußerung von sich zu geben. Diejenigen, die es dennoch wagten, erlitten Erniedrigung und Demütigung. Nur Imam Ali (a.) war nach dem Propheten (s.) in der Lage, alle Fragen zu beantworten und damit die Aussage zu erfüllen.

[1] Oft auch übersetzt mit “Glaube“ bzw. “Glaubensüberzeugung“.

[2] Heiliger Qur´an 4:97-99

[3] Imam Chomeini (1900-1989) war ein Vorbild der Nachahmung, Oberhaupt der Islamischen Revolution und Gründer der Islamische Republik Iran.

[4] Titel Imam Alis (a.)

[5] Ibn Maitham al-Bahrani (gest. 1280 n.Chr.) war ein großer schiitischer Gelehrter aus Bahrain, der u.a. einen Kommentar zu Nahdsch-ul-Balagha verfasst hat.

[6] Izzuddin Abdulhamid ibn Hibatullah ibn Abu al-Hadid al-Mutazili (gest. 1258 n.Chr.) war ein berühmter Gelehrter seiner Zeit, der vor allem für seinen Kommentar des Nahdsch-ul-Balagha “Scharh Nahdsch-ul-Balagha“ bekannt ist.

[7] Scharh Nahdsch-ul-Balagha von Ibn Abu al-Hadid, Band 13, S. 106

© seit 2006 - m-haditec GmbH - info@eslam.de