Nahdsch-ul-Balagha
Pfad der Eloquenz - Nahdsch-ul-Balagha

Aussprache: nah-dschul-balagha
arabisch:
نهج البلاغة
persisch:
نهج البلاغة
englisch: Peak of Eloquence

Mehr zum Thema siehe: Nahdsch-ul-Balagha

67. Predigt – Nach der Nachricht von Saqifa

Als die Nachrichten von Saqifa den Befehlshaber der Gläubigen (a.) nach dem Ableben des Gesandten (s.) Allahs erreichten, fragte er, was die Helfer [ansar][1] gesagt hätten, und es hieß, dass sie gesagt hatten: „Ein Anführer von uns, ein Anführer von euch (den Muhadschirun[2])“, und da sagte er (a.):

Habt ihr denn nicht gegen sie argumentiert, dass der Gesandte Allahs (s.) verfügt hatte, dass denen (unter den Helfern [ansar]), die Gutes tun, auch Gutes erwiesen werden wird, und dass denen, die Schlechtes getan haben unter ihnen, Nachsicht gewährt werden soll?

Sie antworteten: „Und worin besteht darin dann das Argument gegen sie?“ Und er (a.) erwiderte: „Wenn das Imamat für sie bestimmt gewesen wäre, dann wäre das (oben genannte) Vermächtnis nicht für sie.“ Dann sagte er: „Was haben die Quraisch gesagt?“, und sie sagten: „Sie argumentierten damit, dass sie zum (Stamm-)Baum des Gesandten (s.) Allahs gehören.“ Er (a.) erwiderte: „Sie argumentierten mit dem Baum, doch sie vernachlässigten die Frucht.“

Erläuterung

Saqifa Nu´mani bzw. Saqifa Bani Saad, oder kurz oft auch als „Saqifa“[3] bekannt, ist ein Ort in Medina, der für einen der traurigsten Kapitel der islamischen Geschichte steht. An dem Ort versammelten sich unmittelbar nach dem Ableben des Prophet Muhammad (s.) eine Anzahl seiner Gefährten und stritten sich um die Nachfolge, wobei nicht islamische Argumente im Vordergrund standen, sondern Stammesstreitigkeiten.

Bei dem, was in Saqifa geschah, bestand augenscheinlich das größte Argument der Auswanderer [muhadschirun] gegen die Helfer [ansar] sowie die Grundlage des Erfolgs der Erstgenannten darin, dass sie zum Stamm des Propheten (s.) gehörten und somit kein anderer das Kalifat verdienen würde. Aufgrund dessen war die große Menge der Helfer [ansar] bereit, vor den drei anwesenden Auswanderern [muhadschirun] ihre Waffen zu strecken, und diese schafften es, das Kalifat an sich zu reißen, indem sie ihre Abstammung ins Feld führten. Daher schreibt al-Tabari in Verbindung mit den Ereignissen bei Saqifa, dass, als die Helfer [ansar] sich bei Saqifa versammelten, um ursprünglich Sa´d ibn Ubada den Treueid zu leisten, Abu Bakr, Umar und Abu Ubaida ibn al-Dscharrah ebenfalls davon erfuhren und dort eintrafen. Umar hatte sich für diese Gelegenheit etwas ausgedacht, doch Abu Bakr hielt ihn ab und stand selber auf. Nachdem er Allah, die Befreiung Mekkas durch die Auswanderer [muhadschirun] und deren Vorangehen im Islam gepriesen hatte, sagte er: „Das sind jene, die Allah vor allen anderen verehrten und den Glauben an Allah, die Gefährten des Propheten und seine Verwandtschaft. Diese allein verdienen daher das Kalifat, und wer gegen sie aufsteht, begeht Übertretung.“

Als Abu Bakr seine Predigt beendet hatte, stand al-Habab ibn al-Mundhir auf und sagte, an die Helfer [ansar] gewandt: „Oh Schar der Helfer [ansar]! Gebt nicht eure Zügel in die Hände anderer. Das Volk ist unter eurer Obhut. Ihr seid Männer von Ehre, Reichtum, Stamm und (eine stattliche) Versammlung. Wenn die Auswanderer [muhadschirun] in einigen Angelegenheiten einen Vorzug euch gegenüber genießen, dann habt auch ihr Vorzüge ihnen gegenüber in anderen Angelegenheiten. Ihr habt ihnen in euren Häusern Zuflucht gewährt. Ihr seid der kämpfende Arm des Islam. Mit eurer Hilfe stand der Islam auf eigenen Füßen. In euren Städten wurde das Gebet zu Allah in Freiheit verrichtet. Bewahrt euch vor Spaltung und Zerstreuung und haltet vereint an eurem Recht fest. Wenn die Auswanderer [muhadschirun] euer Recht nicht anerkennen, dann soll ein Anführer von uns und einer von euch sein.“

Kaum dass al-Habab sich niedergesetzt hatte, nachdem er dies gesagt hatte, erhob sich Umar und sprach: „Es kann nicht sein, dass es zwei Herrscher gleichzeitig gibt. Bei Allah, die Araber werden niemals zustimmen, dass ihr dem Staat vorsteht, da der Prophet nicht aus eurer Mitte kam. Wahrlich, die Araber werden nicht den kleinsten Einwand dagegen haben, dass das Kalifat demjenigen erlaubt ist, in dessen Haus das Prophetentum ruht, damit der Herrscher ebenfalls aus dem gleichen Hause kommt. Denen, die dagegen sind, können klare Argumente vorgelegt werden. Wer mit uns im Hinblick auf Macht und Herrschaft Muhammads (s.) in Konflikt gerät, stützt sich auf das Falsche, ist ein Sünder und fällt der Vernichtung anheim.“

Nach Umar stand al-Habab wieder auf und sagte zu den Ansar: „Schaut, bleibt auf eurem Standpunkt und achtet nicht auf die Meinung dieses Mannes oder seiner Unterstützer. Sie wollen euer Recht mit Füßen treten. Wenn sie nicht darauf eingehen, dann treibt sie aus euren Städten und nehmt das Kalifat ein. Wer sonst könnte berechtigter dazu sein als ihr?“

Als al-Habab geendet hatte, beschimpfte Umar ihn. Es wurden von jener Seite ebenfalls schlechte Worte verwendet, und dessen Position begann sich zu verschlechtern. Als er das sah, wollte Abu Ubaida ibn al-Dscharrah die Helfer [ansar] beruhigen und sie auf seine Seite ziehen. Er sagte: „Ihr Helfer [ansar]! Ihr seid diejenigen, die uns unterstützt und uns in jeder Weise unterstützt haben. Ändert nun nicht eure Wege und gebt nicht euer (gutes) Verhalten auf.“

Aber die Helfer [ansar] weigerten sich, ihre Meinung zu ändern. Sie waren bereit, Sa´d ihren Treueid zu leisten, und die Leute wollten gerade zu ihm gehen, als ein Mann aus Sa´ds Stamm, Bashir ibn Amr al-Chazradschi aufstand und sagte: „Zweifellos kamen wir wegen der Anstrengung [dschihad] und unterstützten die Religion, aber Gottgefälligkeit und Gehorsam gegenüber Seinem Propheten war darin unser Ziel. Es steht uns nicht an, uns Überlegenheit anzumaßen und in Sachen des Kalifats Unruhe zu stiften. Muhammad (s.) war von den Quraisch, und sie haben ein größeres Recht darauf (auf das Kalifat), und sie sind geeigneter dafür.“

Sobald Bashir diese Worte gesagt hatte, entstand Zerwürfnis unter den Helfern [ansar], und das war auch sein Zweck, weil er es nicht aushalten konnte, dass ein Mann der Helfer [ansar] so hoch aufsteigen würde, der nicht zu seinem Stamm gehörte. Die vorislamischen Streitigkeiten der Helfer [ansar] traten wieder offen zutage. Die Auswanderer [muhadschirun] zogen den größtmöglichen Vorteil aus diesem Zerwürfnis unter den Helfern [ansar], und Umar und Abu Ubaida beschlossen, Abu Bakr den Treueid zu schwören. Sie wollten gerade dafür vortreten, als Baschir als Allererster seine Hand auf die Abu Bakrs legte, und danach leisteten Umar und Abu Ubaida ihm den Treueid. Dann kamen die Angehörigen von Baschirs Stamm und schworen den Treueid.

Während dieser Zeit war der Befehlshaber der Gläubigen (a.) mit der Totenwaschung und dem Begräbnis des Propheten (s.) beschäftigt. Als er später von der Versammlung bei Saqifa hörte und davon erfuhr, dass die Auswanderer [muhadschirun] über die Helfer [ansar] die Oberhand gewonnen hatten, indem sie hervorgehoben hatten, dass sie vom Stamm des Propheten waren, äußerte er den schönen Satz, dass sie mit dem Stammbaum argumentiert, gleichzeitig aber dessen Früchte vernachlässigt hatten, welche die Mitglieder seiner Familie waren. Das heißt, wenn der Anspruch der Auswanderer [muhadschirun] aufgrund der Tatsache bestanden hätte, das sie vom Stamm des Propheten waren, wie konnten dann diejenigen, welche die Früchte dieses Baumes waren, wie Imam Ali (a.) ignoriert werden?

[1] Die Bewohner Medinas, die Helfer des Propheten (s.) und der Auswanderer waren.

[2] Die Auswanderer mit dem Propheten (s.)

[3] Im Deutschen oft auch „Sakifa“ geschrieben

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