Nahdsch-ul-Balagha
Pfad der Eloquenz - Nahdsch-ul-Balagha

Aussprache: nah-dschul-balagha
arabisch:
نهج البلاغة
persisch:
نهج البلاغة
englisch: Peak of Eloquence

Mehr zum Thema siehe: Nahdsch-ul-Balagha

Nahdsch-ul-Balagha - Pfad der Eloquenz

27. Predigt – Antrieb der Leute gegen Ungehorsam

Er (a.) trieb in dieser (Predigt) die Leute an, als die Nachricht erging über den Überfall von Muawiyas Armee auf al-Anbar und sie (Imam Alis (a.) Gefährten) sich nicht (dagegen) erhoben hatten. Er (a.) erinnert in dieser (Predigt) an die Vorzüge der Anstrengung [dschihad] und motiviert die Leute (dazu), er erwähnt sein Wissen über den Krieg und stößt bei ihnen auf Müdigkeit und Ungehorsam.

Nach der Nachricht zum Überfall auf al-Anbar

Was Folgendes (betrifft)[1]: Die Anstrengung [dschihad] ist ein Tor zum Paradies, das Allah Seinen auserwählten Freunden eröffnet hat. Er ist das Kleid der Gottesehrfurcht, der undurchdringliche Schutzpanzer Allahs und Sein verlässlicher Schild. Wer ihn unterlässt und ihn verschmäht, den wird Allah ins Gewand der Demütigung kleiden, und die Heimsuchung wird ihn umhüllen. Er ist getreten von Geringschätzung und Verachtung, und in sein Herz ist (Nachlässigkeit) ausführlich eingraviert worden. Die Wahrheit ist von ihm weggenommen worden, da er die Anstrengung [dschihad] beiseite ließ. Er wird von Schande gebrandmarkt, und Gerechtigkeit wird ihm verweigert.

Antrieb der Leute

Höret! Ich hatte euch Tag und Nacht zum Kampf gegen jene Leute aufgerufen, geheim und öffentlich, und ich habe euch gesagt: „Greift sie an, bevor sie euch (noch einmal) angreifen!“ Bei Allah, niemals wurden Leute inmitten ihrer Heimat angegriffen, ohne dass sie gedemütigt wurden. Und ihr wart gleichgültig und schlaff, bis die Angriffe auf euch niederprasselten und von eurer Heimat Besitz ergriffen wurde. Und dieser Bruder des Ghamid[2] ist mit seiner Kavallerie in al-Anbar eingedrungen und hat Hassan ibn Hassan al-Bakri[3] getötet, und er hat eure Kavallerie von ihrem Standort vertrieben.

Und ich habe erfahren, dass ein Mann von ihnen im Hause einer muslimischen Frau und einer anderen, die unter Schutz stand[4], eingedrungen ist und ihnen ihren Schmuck von ihren Beinen, Armen, Hals sowie ihre Ohrringe entrissen hatte. Sie konnte sich nur damit ihrer (Ermordung) erwehren, indem sie aussprach: „Allahs sind wir, und zu Ihm kehren wir zurück.“ Dann gingen sie beladen (mit dem Diebesgut) weg, und kein Mann von ihnen ist verwundet worden, und kein Blut von ihnen ist geflossen. Wenn irgendein Muslim deswegen vor Kummer gestorben wäre, kann man ihn nicht tadeln, sondern er wäre bei mir wertgeschätzt. Wie seltsam! Seltsam – bei Allah – das Herz sinkt, und die Vereinigung jener Leute in ihrer Falschheit bringt (mir) Kummer, (wie auch) ihre Abspaltung von der Wahrheit. Schimpf und Schande über euch, da ihr die Zielscheibe geworden seid, auf die geschossen wird! Ihr wurdet angegriffen und greifft (selbst) nicht an, und ihr werdet überrannt und überrennt (selbst) nicht. Es wird gegen Allah Ungehorsam geleistet, und ihr seid damit einverstanden! Wenn ich euch befehle, ihnen in den Tagen der Hitze entgegenzutreten, sagt ihr „In dieser Sommerhitze? Gewähre uns Aufschub, bis sich die Hitze von uns zurückzieht“, und wenn ich euch befehle, im Winter gegen sie zu ziehen, sagt ihr: „In dieser Eiseskälte? Gewehre uns Aufschub, bis sich die Kälte von uns zurückzieht.“ All das sind nur Ausreden, dass ihr vor Hitze und Kälte flieht, denn wenn ihr vor der Hitze und der Kälte flieht, dann flieht ihr erst recht vor dem Schwert!

Sein Überdruss gegen die Menschen

Oh ihr, die ihr wie Männer ausseht, aber keine Männer seid! (Ihr habt) den Intellekt von Kindern und den Verstand von im Zelt abgeschottet lebenden Frauen (obwohl auch sie sich bilden sollten). Ich wünschte, euch nie gesehen und gekannt zu haben. Bei Allah, (euch zu kennen), brachte Reue mit sich und hatte Gram zur Folge. Möge Allah euch bekämpfen! Ihr habt mein Herz mit Eiter gefüllt und meine Brust mit Zorn beladen. Ihr gabt mir den Schluck der Anklage zu schlucken. Ihr habt meinen Rat (an euch) durch Ungehorsam und dadurch, dass ihr mich im Stich gelassen habt, verdorben, bis dass die Quraisch sagten: „Ibn Abi Talib ist ein mutiger Mann, aber er hat kein Wissen über die Kriegsführung.“ Mögen sie bei Allah Reue nehmen! Gibt es jemanden unter ihnen, der über größere Stärke verfügt und der länger auf seiner Stellung verweilt als ich?! Ich habe mich dafür erhoben, als ich noch nicht zwanzig war, und jetzt bin ich hier, und ich habe die sechzig überschritten! Aber jemand, dem nicht gehorcht wird, kann keinen Rat geben.

Erläuterung

Nach der Schlacht von Siffin hatte Muawiya überall Gemetzel und Blutvergießen verbreitet und Übergriffe auf die Städte verübt, die innerhalb des Herrschaftsbereichs des Befehlshabers der Gläubigen (a.) lagen. Dafür entsandte Muawiya den Kommandeur Sufyan ibn Auf al-Ghamidi, so dass er mit einer Streitmacht von sechstausend Mann die Städte Hit, al-Anbar und al-Mada´in angriff. Erst erreichte er al-Mada´in, aber als er es bereits verwüstet vorfand, marschierte er weiter nach al-Anbar. Hier stand ein Kontingent von fünfhundert Soldaten als Wache von Seiten des Befehlshabers der Gläubigen (a.) aufgestellt zum Schutz der Stadt, aber es konnte der Armee Muawiyas nicht standhalten. Nur etwa hundert Mann standen fest auf ihren Posten und wehrten sie mannhaft ab, so weit sie es vermochten, aber die versammelte Macht des Gegners ritt so eine heftige Attacke, dass auch sie nicht mehr standhalten konnten, und der Kommandeur des Kontingents, Hassan ibn Hassan al-Bakri wurde zusammen mit dreißig anderen getötet. Als das Schlachtfeld leer war, plünderten Muawiyas Soldaten al-Anbar aus und ließ die Stadt völlig zerstört zurück.

Als der Befehlshaber der Gläubigen (a.) die Nachricht von diesem Angriff erhielt, stieg er auf die Kanzel und ermahnte die Leute, den Gegner zu besiegen, und rief sie zur Anstrengung [dschihad], aber aus keiner Ecke kam eine Stimme oder Antwort. Er stieg äußerst angeekelt und bekümmert von der Kanzel, und im selben Zustand brach er mit seinem Fußvolk auf. Als die Leute das sahen, wurde ihre Selbstachtung und Scham geweckt und sie folgten nach und nach ihm doch. Der Befehlshaber der Gläubigen (a.) machte am Ort al-Nuchaila Halt. Die Leute versammelten sich dann um ihn und bestanden darauf, wieder zurückzugehen, da sie genug seien, um dem Gegner entgegenzutreten. Als ihre vorgetragene Bereitschaft zum Einsatz gegen das Unrecht immer lauter wurde, stimmte Imam Ali (a.) zu, zurückzukehren, um doch den Kampf aufzunehmen, und Said ibn Qais al-Hamdani marschierte mit einer Streitmacht von achttausend Mann voraus. Aber Sufyan ibn Auf al-Ghamidi war abgerückt, so kam Said zu Imam Ali (a.) nach Kufa zurück, ohne gekämpft zu haben.

Als Said Kufa erreichte, war – nach der Version von Ibn Abi al-Hadid – der Befehlshaber der Gläubigen (a.) so tief bekümmert und fühlte sich so unwohl während jener Tage, dass er nicht einmal die Moschee betreten wollte, sondern er setzte sich stattdessen in den Korridor seiner Wohnung, die an den Eingang der Moschee grenzte, schrieb diese Predigt und gab sie dem von ihm befreiten Sklaven Sad, um sie den Leuten vorzulesen. Hingegen hat al-Mubarrad[5] von Ubaidullah ibn Hafs al-Taimi ibn Aischa überliefert, dass der Befehlshaber der Gläubigen (a.) jene Predigt an einem erhöhten Ort in al-Nuchaila selbst gehalten habe, und Ibn Maitham hielt diese Ansicht für wahrscheinlicher.

[1] Die Redeformel „was Folgendes (betrifft)“ [amma bad] ist eine typische arabisch-islamische Redewendung um nach einer Lobpreisung Allahs zum eigentlichen Thema einer Predigt zu wechseln.

[2] Kommandant von Muawiya

[3] Kommandant Imam Alis (a.)

[4] Gemeint sind Anhänger der „Leute des Buches“ [ahl-ul-kitab], die unter dem besonderen Schutz der Muslime standen.

[5] „Al-Kamil“, Band 1, S. 104-107

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