.Nahdsch-ul-Balagha
als Buch finden Sie im Verlag Eslamica.
Nahdsch-ul-Balagha - Pfad
der Eloquenz
Diese (Predigt) wurde gehalten,
als der Prophet (s.) starb und Abbas ibn Abd al-Muttalib und
Abu Sufyan ibn Harb ihm (Imam Ali, a.) den Treueid anboten.
Ihr Menschen! Teilt die Wogen der
Zwietracht durch die Schiffe der Rettung, wendet euch ab von
dem Pfad der gegenseitigen Abneigung und legt die Krone des
Stolzes ab. Erfolgreich ist der, der sich mit Flügeln erhebt
oder sich ergibt und (anderen) Ruhe gönnt. Dies
ist brackiges Wasser und ein Bissen, an dem der erstickt, der
ihn isst. Wer die Frucht vor ihrer Reifezeit pflückt, ist wie
jemand, der das Feld eines anderen bebaut.
Wenn ich spreche, werden sie sagen:
„Er giert nach der Herrschaft“, und wenn ich schweige,
werden sie sagen: „Er hat Angst vor dem Tod!“ Nein!
Nach vielem Hin und Her! Bei Allah, der Sohn von Abu Talib
ist mit dem Tod vertrauter als das Kind mit der Brust seiner
Mutter. Verborgenes Wissen hat sich in mich gefügt, wenn ich
es enthüllen würde, würdet ihr zittern wie Seile im tiefen
Brunnen!
Als der
Heilige Prophet starb, war Abu Sufyan nicht in Medina. Er kam
zurück, als er unterwegs die traurige Nachricht erfuhr. Er
fragte sofort, wer der neue Anführer und Oberhaupt geworden
sei. Es wurde ihm gesagt, dass die Leute Abu Bakr den Treueid
geschworen hätten. Als er das hörte, dachte der allgemein
bekannte Unruhestifter Arabiens tief nach und ging zu Abbas
ibn Abd al-Muttalib mit einem Vorschlag. Er sagte zu ihm:
„Schau, diese Leute haben durch einen Kunstgriff das Kalifat
an die Banu Taim gereicht und es den Banu Haschim
vorenthalten. Nach ihm wird dieser Mann unsere Köpfe an einen
hochmütigen Mann von den Abu Adi übergeben. Lass uns zu Ali
ibn Abi Talib gehen und ihn bitten, aus seinem Haus zu treten,
und (lass uns) zu den Waffen greifen, um sein Recht zu
sichern.“ Er nahm Abbas mit sich, ging zu Ali und sagte:
„Reich mir deine Hand, ich leiste dir den Treueid, und wenn
irgendjemand sich dagegen stellt, werde ich die Straßen von
Medina mit berittenen Truppen und Fußtruppen füllen.“ Das
war der heikelste Moment für den Befehlshaber der Gläubigen
(a.). Er sah sich als das wahrhaftige Oberhaupt und Nachfolger
des Propheten (s.), während ein Mann mit der Unterstützung
seines Stammes wie Abu Sufyan bereit war, ihn zu unterstützen.
Nur ein Signal würde genügen, um die Flammen des Krieges zu
entzünden. Aber die Weitsicht und weise Voraussicht des
Befehlshabers der Gläubigen (a.) ersparte den Muslimen einen
Bürgerkrieg, da seine scharfen Augen sahen, dass dieser Mann
einen Bürgerkrieg beginnen wollte, indem er Stammesfehden,
Parteilichkeit und Geburtsrecht anzetteln wollte, dass die
islamische Gemeinschaft von einer Erschütterung heimgesucht
werden würde, die sie bis in die Wurzeln erfassen würde. Der
Befehlshaber der Gläubigen (a.) lehnte daher seinen Ratschlag
ab, ermahnte ihn streng und sprach die Worte, durch die er die
Leute davon abhielt, Unfrieden zu stiften und unangemessene
Eitelkeiten zu hegen. Und er erklärte seinen Standpunkt, der
dahingehend aussah, dass es nur zwei Wege gab: Entweder zu den
Waffen zu greifen, oder ruhig zu Hause zu sitzen. Wenn er
Krieg führen würde, gäbe es keinen Unterstützer, der den
Aufruhr, der sich erheben würde, niederhalten könnte. Der
einzige Weg, der ihm noch blieb, bestand darin, ruhig auf die
Gelegenheit zu warten, bis die Umstände günstig sein würden.
Dass der
Befehlshaber der Gläubigen in dieser Phase stillhielt, wies
auf sein hohes politisches Verständnis und seine Weitsicht
hin. Denn wenn unter jenen Umständen Medina der Mittelpunkt
des Krieges geworden wäre, hätte dessen Feuer ganz Arabien in
Brand gesetzt. Die Zwietracht und Zwistigkeiten, die bereits
unter den Auswanderern [muhadschirin]
und Helfern [ansar]
begonnen hatten, hätten dann einen Höhepunkt erreicht, die
Heuchler hätten leichtes Spiel beim Schmieden ihrer Listen
gehabt, und das Schiff des Islams wäre in so einen Sturm
geraten, dass es schwierig gewesen wäre, es am Kentern zu
hindern. Der Befehlshaber der Gläubigen (a.) erlitt schwerste
Heimsuchungen, aber erhob seine Hände nicht zum Krieg. Die
Geschichte zeugt davon, dass der Prophet (s.) während seines
Lebens in Mekka Leid jeglicher Art ertragen musste, aber er
war nicht bereit, dagegen zu kämpfen, in dem er
Standhaftigkeit und Ausdauer aufgab, weil er verstanden hatte,
dass, wenn in dieser Phase Krieg stattfinden würde, der Weg zu
Wachstum und Fruchtbarkeit des Islams abgeschnitten worden
wäre. Natürlich, als er genügend Unterstützer und Helfer
gewonnen hatte, um die Flut von Unglauben zu besiegen und die
Störungen niederzuhalten, erhob er sich, um sich den Angriffen
der Gegner entgegenzustellen. Ähnlich verfuhr der Befehlshaber
der Gläubigen (a.), der das Leben des Propheten (s.) als eine
Lampe der Rechtleitung betrachtete. Er nahm davon Abstand, die
Macht seines Zorns zu zeigen, weil er sah, dass eine Erhebung
gegen den Gegner ohne aufrichtige Helfer und Unterstützer eine
Quelle der Rebellion sein und eine Niederlage zur Folge haben
würde anstelle von Erfolg und Sieg. Deswegen hatte der
Befehlshaber der Gläubigen (a.) die Gier nach dem Kalifat mit
turbulentem Gewässer oder einem Bissen verglichen, der in der
Kehle stecken bleibt. Selbst wenn Leute mit Gewalt nach diesem
Bissen schnappten und ihn gewaltsam verschlingen wollten,
blieb er ihnen im Halse stecken. Sie konnten ihn weder
verschlucken noch erbrechen. Das bedeutet, dass sie das
Kalifat weder managen konnten, wie es aus ihren groben Fehlern
in Bezug auf die islamischen Gesetze offensichtlich wurde,
noch in der Lage waren, den Hals aus der Schlinge zu ziehen.
Imam Ali (a.)
wiederholte die gleichen Gedanken in anderen Worten
folgendermaßen: „Wenn ich versucht hätte, die unreife
Frucht des Kalifats zu pflücken, dann wäre dadurch die
Plantage zerstört worden, und auch ich hätte nichts erreicht,
wie diese Leute, die das Land von anderen bestellen, jedoch es
weder behüten, noch zur rechten Zeit bewässern noch irgendein
Getreide davon ernten können. Die Stellung dieser Leute ist
so, dass, wenn ich sie bitten würde, sie zu verlassen, damit
der wahre Besitzer sie selbst bestellen und beschützen kann,
sie mich der Gier beschuldigen würden, während, wenn ich ruhig
bliebe, sie denken würden, dass ich vor dem Tod Angst habe.
Sie sollten mir sagen, zu welcher Gelegenheit ich jemals Angst
hatte oder vom Schlachtfeld um mein Leben geflohen bin,
während doch jedes kleine und große Gefecht ein Beweis meiner
Tapferkeit, Zeuge meines Wagemuts und Courage ist. Der, der
mit Schwertern spielt und gegen (Angreifer so groß wie) Berge
schlägt, hat keine Angst vor dem Tod. Ich bin mit dem Tod so
vertraut, wie es nicht einmal ein Kind mit der Brust seiner
Mutter ist. Hört! Der Grund für mein Schweigen liegt in dem
Wissen, das der Prophet (s.) mir ins Herz gelegt hat. Wenn ich
es enthülle, würdet ihr verwundert und verwirrt werden. Lasst
einige Tage vergehen, und ihr werdet den Grund meiner
Tatenlosigkeit erfahren und mit euren eigenen Augen sehen,
welche Sorte von Leuten auf dieser Szenerie unter dem Namen
von Islam erscheinen werden und welche Zerstörung sie darüber
bringen werden. Mein Schweigen ist deshalb, weil das passieren
wird, es ist kein Schweigen ohne Grund.“
Der
Befehlshaber der Gläubigen (a.) sagt über den Tod, dass er ihm
so lieb ist, dass selbst ein Kind es nicht so liebt, die
Quelle seiner Ernährung zu suchen, während es im Schoß der
Mutter liegt. Die Liebe der Propheten (s.) und der Heiligen,
mit Allah zusammenzutreffen, ist geistig-spiritueller Art
und wird größer, je länger die Trennung andauert. Ihre Liebe
zur Rückkehr zu Gott ist die gleiche wie die des Durstigen
nach dem Brunnen oder die eines verlorenen Reisenden nach
seinem Ziel. Daher, als der Befehlshaber der Gläubigen (a.)
von Abd al-Rahman ibn Muldschams Attacke verwundet wurde,
sagte er: „Ich war wie der Wanderer, der (sein Ziel)
erreicht hat oder wie der Suchende, der (das Gesuchte)
gefunden hat, und was auch bei Allah ist, es ist gut für die
Gottesehrfürchtigen.“ Auch der Prophet (s.) sagte
wiederholt, dass es für einen Gläubigen keine größere Freude
gibt als das Zusammentreffen mit Allah.