9. Brief – An Muawiya
Unser Volk (die Quraisch) wollte unseren
Propheten töten und unsere Wurzel austilgen, und so bereiteten
sie uns Kummer, taten uns Grausamkeiten an, verweigerten uns
ein bekömmliches Leben, nötigten uns Furcht auf, zwangen uns
zur Flucht auf einen unwegsamen Berg und entzündeten gegen uns
das Feuer des Krieges. So gab uns Allah die Entschlossenheit
ein, Seinen Weg der Wahrheit zu verteidigen und Seine Ehre zu
schützen und Böses von ihr abzuwenden.
Der Gläubige unter uns begehrt dafür
Lohn, und der Ungläubige unter uns setzt sich für die edle
Abkunft ein (indem er uns unterstützt). Wer von den Quraisch
den Islam angenommen hat, war frei (von den Schwierigkeiten),
denen wir ausgesetzt waren, entweder aufgrund eines
Bündnisses, der dieses von ihnen abhielt, oder aufgrund von
Sippschaft, die sich auch ohne das (zu ihrem Schutz) erheben
würden, und so jemand befand sich dann an einem sicheren Ort,
anstatt getötet zu werden.
Als das Morden an Schärfe gewann und die
Leute zurückschreckten, pflegte er seine Ahl-ul-Bait
vorauszuschicken und mit ihnen seine Gefährten vor der Schärfe
der Schwerter und Speere. Ubaida ibn al-Harith wurde am Tag
(der Schlacht) von Badr getötet, Hamza (ibn Abdulmuttalib) am
Tage (der Schlacht) von Uhud und Dschafar (ibn Abu Talib) am
Tage (der Schlacht) von Mutah. Und wenn ich wollte, würde ich
noch den Namen von jemandem erwähnen, der genau wie sie das
Martyrium begehrte, doch ihre Zeit war schnell gekommen,
während sich sein Tod verzögerte. Was für seltsame Zeiten
(sind es), dass es mir geschieht, dass jemand mit mir
gleichgesetzt wird, der mit mir nicht Schritt halten konnte
und der nicht meine Vorrangstellung in den Verdiensten (um den
Islam) hatte. Niemand kann solches behaupten, außer dass
jemand eine Behauptung über etwas aufstellt, wovon ich nichts
weiß, und von dem ich annehme, dass (auch) Allah es nicht
weiß. In jedem Fall gebührt alle Lobpreisung, Allah, dem Herrn
der Welten.
Was nun dein Gesuch angeht, dir die
Mörder Uthmans zu übergeben, so habe ich über diese
Angelegenheit nachgedacht, und ich bin der Ansicht, dass es
mir nicht möglich ist, sie dir zu übergeben oder irgendjemand
anderem. Bei meinem Leben, wenn du deinen Irrweg und dein
Trachten nach Zwist nicht beendest, dann wirst du sie
kennenlernen, wie sie dich nach kurzer Zeit verfolgen werden,
und sie werden dir nicht die Verfolgung an Land und auf See,
wie auf dem Berg oder auf der Ebene auferlegen, ohne dass es
eine Verfolgung wird, deren Heftigkeit schmerzhaft für dich
sein wird, und sie sind Besucher, auf die zu treffen dich
nicht erfreuen wird. Und Frieden (sei) mit denen, die ihn
verdienen.
Erläuterung
Als der
Gesandte Allahs (s.) von Allah den Befehl bekam, die Leute zum
Glauben an die Einheit Allahs aufzurufen, erhoben sich die
Mächte des Unglaubens und des Ungehorsams, um den Weg der
Wahrhaftigkeit zu blockieren, und die Stämme der Quraisch
entschlossen sich, diese Stimme aus ihren eigenen Reihen durch
Druck und Gewalt zum Verstummen zu bringen. Die Liebe zu ihren
Götzen war so stark in den Herzen dieser Ungläubigen, dass sie
nicht bereit waren, auch nur ein einziges Wort gegen sie
anzuhören. Der Gedanke an einen einzigen Gott reichte aus, um
ihre Wut zu entfachen. Zusätzlich mussten sie noch hören, dass
jene Götzen nichts Besseres als leblose Steine seien. Als sie
ihre Prinzipien und ihren Glauben in Gefahr sahen, machten sie
sich bereit, um den Propheten (s.) zu quälen und waren bereit,
jegliche Mittel dafür auszuschöpfen. Sie bedienten sich
solcher schmerzzufügender Mittel gegen den Propheten (s.),
dass es unmöglich für ihn war, einen Schritt aus seinem Haus
zu tun. Diejenigen, die in dieser Zeitperiode den Islam
angenommen hatten, hatten ebenfalls unter fortgesetzten
Heimsuchungen zu leiden. Beispielsweise ließ man die Anhänger
des Islams öfter die Niederwerfung auf der Erde unter der
heißen Sonne vollziehen, dabei wurden sie mit Lederriemen und
Steinen geschlagen, bis sie die Besinnung verloren. Als die
Grausamkeiten der Quraisch auf dem Höhepunkt waren, erlaubte
ihnen der Prophet (s.), Mekka zu verlassen und nach Abessinien
auszuwandern, im fünften Jahr nach seiner Berufung zum
Prophetentum. Die Quraisch verfolgten sie dorthin ebenfalls,
aber der Herrscher in Abessinien weigerte sich, sie ihnen
auszuliefern und ließ durch diese Geste der Gerechtigkeit
nicht zu, dass ihnen weiterhin Schaden zugefügt wurde.
Auf der
anderen Seite wurden die Predigten des Propheten fortgesetzt,
und die Anziehungskraft und Einfluss der Wahrheit hatten ihre
Wirkung. Die Menschen waren durch seine Lehren und
Persönlichkeit beeindruckt, und die Tatsache, dass mehr in
diese Gemeinde kamen, verwirrte die Quraisch mehr, und sie
versuchten, diesen steigenden Einfluss und Macht zu stoppen.
Als sie nichts tun konnten, beschlossen sie, alle Verbindungen
mit dem engeren Familienkreis des Propheten (s.), den Banu
Haschim und den Banu Abdulmuttalib aufzulösen, keinerlei
soziale Kontakte noch Handelstransaktionen zu ihnen zu
pflegen, so dass die beiden Stämme gezwungen sein würden, dem
Propheten (s.) ihre Unterstützung zu entziehen, und dann
hätten feindlich gesonnene Quraisch sie behandeln können, wie
sie wollten. Folglich schlossen sie ein gegenseitiges Abkommen
darüber ab, und über diese Angelegenheiten wurde ein Dokument
verfasst und aufbewahrt. Nach diesem Abkommen wurde für die
Banu Haschim jeder Winkel und jede Ecke fremd, obwohl sowohl
Ort als auch Einwohner dieselben waren, und wohlbekannte
Gesichter wurden so, also ob sie einander nie gekannt hätten.
Alle Gegner wandten ihre Gesichter ab und beendeten
gegenseitige Treffen und Kontakte.
Unter
diesen Umständen bestand auch die Befürchtung, dass der
Prophet plötzlich in einem Tal außerhalb der Stadt angegriffen
werden könnte. Aus diesem Grund waren sie gezwungen, an einem
geschützten Tal namens “Tal bzw. Viertel von Abu Talib“
Zuflucht zu suchen. In diesem Stadium teilten auch diejenigen
unter den Banu Haschim diese Entbehrungen, die noch nicht den
Islam angenommen hatten aufgrund von verwandtschaftlicher
Einheit und boten Verteidigung an im gegebenen Falle, während
die, die den Islam bereits angenommen hatten, wie Hamza und
Abu Talib, damit beschäftigt waren, den Propheten (s.) zu
schützen, was sie als religiöse Pflicht ansahen. Besonders Abu
Talib hatte all seine persönliche Bequemlichkeit und Komfort
aufgegeben. Er verbrachte seine Tage mit der Unterstützung des
Propheten (s.) und die Nächte mit dem Tauschen der Betten, so
dass wenn der Prophet ein Bett benutzte, in der nächsten Nacht
Abu Talib darin schlief, so dass in dem Falle des Angriffs
dann der Prophet geschützt gewesen wäre.
Dies war
eine Periode großer Entbehrung und Kummer für die Banu Haschim.
Sie mussten Blätter von den Bäumen essen, sonst hätten sie
verhungern müssen. Nachdem drei Jahre dieser Härten vergangen
waren, schlugen Zuhair ibn Abu Umayya, dessen Mutter Attika
bint Abdulmuttalib war, Hischam ibn Amr ibn Rabi´ah, der
familiäre Verbindungen mit den Banu Haschim durch seine Mutter
hatte, al-Mut´im ibn Adi ibn Naufal ibn Abd Manaf, Abul
Bachtari al-Aas, Ibn Hischam ibn Mughira und Zama´ah ibn
al-Aswad ibn Abdulmuttalib vor, dass die Übereinkunft des
Boykotts gegen die Muslime aufgehoben bzw. abgemildert werden
sollte. Um darüber zu diskutieren, versammelten sich die
Anführer der Quraisch in der Kaaba. Es war noch keine
Entscheidung getroffen worden, als Abu Talib aus dem Tal
herauskam und zu ihnen ging. Er sagte zu ihnen: „Mein Neffe
Muhammad sagte mir, dass das Papier, auf dem dieses Abkommen
geschrieben wurde, von Termiten verzehrt wurde, und dass
nichts außer dem Namen von Allah übrig blieb. So solltet ihr
euch das Dokument geben lassen und es anschauen. Wenn das
korrekt ist, dann solltet ihr eure Feindschaft gegen ihn
aufgeben; und wenn er falsch liegt, dann bin ich bereit, ihn
euch zu auszuliefern.“ Also wurde nach dem Dokument
gesandt und durchgesehen. Es war eine Tatsache, dass außer den
Worten „Mit Deinem Namen, oh mein Allah“, das über
allen Dokumenten in jenen Tagen stand, der Rest davon von
Termiten gefressen worden war. Bei diesem Anblick zerriss
al-Mut´im ibn Adi das restliche Schreiben, und so wurde das
Abkommen aufgehoben. Dennoch boykottierten viele Quraisch die
Muslime weiterhin.
Schließlich trachte man dem Propheten (s.) nach dem Leben, in
dessen Folge das große Ereignis der Auswanderung des Propheten
von Mekka nach Medina stattfand. Da Abu Talib bei dieser
Gelegenheit nicht mehr am Leben war, vertrat ihn Imam Ali
(a.), indem er sich auf das Bett des Propheten (s.) legte.
Einer der Anführer der Feindschaft gegen den Islam und die
Muslime waren Abu Sufyan und insbesondere seine Frau Hind,
deren Sohn Muawiya all die Ereignisse durch die Schilderung
der Mutter, oder weil er sie selbst miterlebt hatte, kannte.
Imam Ali
(a.) beabsichtigt durch die Erinnerung an die Taten seiner
Vorgänger Muawiyas boshaften Geist aufzurütteln. Deswegen
wurde seine Aufmerksam auf die Härten gelenkt, damit er das
Verhalten jedes der Befolger der Wahrheit und das der Befolger
des Falschen sehen und verstehen sollte, ob er selbst auf dem
rechten Weg wandelte oder nur seinen Vorvätern folgte.
Der
Hinweis nach Aufzählung der Märtyrer des Islam „Und wenn
ich wollte, würde ich noch den Namen von jemandem erwähnen,
der genau wie sie das Martyrium begehrte, doch ihre Zeit war
schnell gekommen, während sich sein Tod verzögerte“ dient
der Nachwelt als Beweis für die Wahrhaftigkeit Imam Alis, denn
damit meint er Ammar ibn Yasir, der im hohen Alter von ca. 90
Jahren während der Schlacht gegen Muawiya auf Seiten Imam Alis
(a.) zum Märtyrer werden sollte. Jene Tatsache war deshalb von
großer Bedeutung, da der Prophet (s.) ihm einstmals vorher
gesagt hatte, dass er durch eine frevlerische Gruppe ermordet
werden würde, und jene Überlieferung allseits bekannt war.
Muawiya versuchte seine Entlarvung dadurch abzumildern, indem
er Imam Ali (a.) bezichtigte Schuld am Tod Yasirs zu sein, da
er ihn trotz seines hohen Alters aufs Schlachtfeld mitgebracht
habe.
Am
Schlussgruß Imam Alis „und Frieden (sei) mit denen, die ihn
verdienen“, der von seinen früheren Briefen an Muawiya
abweicht, wird allerdings deutlich, dass er ihn als
Abgewichenen betrachtet.