.Bücher
zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Auswanderung
Von nun an hatten die Moslems, die Gläubigen Mohammeds,
viel zu dulden. Man warf die Niederen, die keinen vornehmen
Familienanhang hatten, tagelang in feuchte, naßkalte Keller,
um sie darauf, auf Steinen festgebunden, der sengenden
Wüstensonne preiszugeben. Schlangen und Kröten waren ihre
Genossen und die Flöhe der Wüste, welche sich zwischen die
Zehen krallten und die Füße zerfraßen. Sie wurden in Käfige
gesteckt, in denen sie weder sitzen noch stehen konnten, und,
halb liegend, zu unförmigen Geschöpfen gemästet, um plötzlich
durch Hunger zu vogelähnlichen Gerippen abzumagern.
Chadidjeh und Abu Talib, die mit ihrem Ansehen Mohammed
gestützt, starben in einem Monat.
Chadidjeh bekannte auf der Bahre, in letzten Fiebern
brennend, sich zu Mohammeds Lehre.
Mohammed bekränzte sie mit rotem Mohn, der Blume des
Propheten, und hielt mit Maria, der Koptin, und Aischa, der
Ahnin der Kalifen, die Totenwache.
Gabriel, der Engel, stand zu ihren Häupten und entzündete
Sterne an den Totenkerzen.
Mohammed kehrte von seinem Abendgange heim, mit Kot
beworfen. Die Kureischiten höhnten: »Wenn du Gottes Gesandter
bist und Wunder vermagst, so verwandle den Dreck in eine
goldene Krone, die dein Haupt ziere und dich zum Herzog
erhebe!« Der Kamelmist hing ihm in die Stirne. Winselnd wusch
ihm Maria den Kopf.
Ein Rhododendron blühte Mohammed zum Firmament.
»Weine nicht Mädchen, ich muß den heiligen Stein und die
ungastliche Heimat für einige Zeit verlassen. Ich werde aber
zurückkehren, ihn als letzten Stein in mein Gebäude
einzufügen. Geh zu Abu Bekr, zu Talha und den übrigen und
bescheide sie heimlich in die Höhle des Berges Thaur unterhalb
der Stadt.«
Iblis, der Böse, der von Mohammeds Plänen erfuhr, sandte
einen Meuchelmörder, ihn in der letzten Nacht im Schlafe zu
überfallen. Da dieser an Mohammeds Bett schlich und den grünen
Mantel aus Hadhramaut von ihm zog, den Dolch gezückt, bereit,
ihn Mohammed in die Kehle zu stoßen, sah er einen unirdisch
schönen Jüngling im sanftesten Schlaf.
Klirrend fiel dem Mörder der Dolch zu Boden, und stöhnend
stürzte er auf seine Stirn.
In der Höhle des Berges Thaur trafen sich nächtlich die
Gläubigen, zur Auswanderung gerüstet.
Mohammed ritt mit Aischa, die ein Kind von ihm unterm
Mieder trug, auf einer mageren Kamelin, dem ärmlichsten Tiere
der Karawane.
Am Abend aber, als es sie hungerte, und Ali die Kamelin
molk, molk er viele Eimer voll. Als sie sich zum Schlaf
niederlegten, standen Dattel- und Feigenbäume um ihr Lager,
und sie aßen und tranken sich satt. Maria sagte:
»Wir wandeln in einem Garten der Wunder. Das Leid liegt
hinter einem Rosenbusch. Palmen fächeln uns: freiwillige
Diener unserer Einsamkeit. Ich bin so jung und schön. Küsse
mich, Geliebter...«
Schon winkten die Dattel- und Lotoshaine des eine Stunde
von Medina gelegenen Berges Koba. Von Granatäpfeln, Zitronen,
Pfirsichen und Orangen wehte ein Duft in die erregten Nüstern
der Menschen und Tiere.
»Siehe,« sprach Aischa und deutete mit entflammter Hand
nach dem gesegneten Hügel, »das Paradies!«
Mütterlichen Entzückens voll gedachte sie der Zukunft des
Kindes, das unter ihren Brüsten leise hämmerte: wie ein
verschütteter Bergmann, der zum Lichte will.
Klare Bäche sprangen vom Berge bis an ihre Füße.
Al Kaswa, Mohammeds Kamel, kniete nieder und trank.
Noch heute wird die Stelle, wo es in die Knie sank, dem
Pilger von frommen Gläubigen gezeigt, welche dort, zum
Andenken an Mohammeds Kamel, eine Moschee namens Al Takwa
errichtet haben.