Die Ehescheidung
Hareth Ben Hemmam erzählt:
Ich stand im Begriffe, mit vielen andern
aus Tebris zu
wandern,
weil die Lust dieser Stadt versiegt war,
die eben
vom Hunger bekriegt war.
Während ich nun mit eiligem Schritt
die Straßen durchschnitt,
beschäftigt mit
Reisevorbereitung
und mit Aufsuchen einer Begleitung,
begegnet' ich Abu Seid von Serug, den bedrängte ein Harm,
weil an ihn sich hängte ein Weiberschwarm,
wie Bienen an des
Zeidlers Arm.
Und ich fragt' ihn, wohin er sich schleppe
mit seiner unbequemen Schleppe?
Da seufzte er schwer
und
deutete auf eine im Heer,
in deren Gebärden zu sehn war die
Widersetzlichkeit
und aus ihrem entschleierten Antlitz die
Unergetzlichkeit;
und sprach: Die hab' ich gefreit,
daß in
der Fremde sie mir sei zur Bequemlichkeit
und von mir nehme
des ehelosen Lebens Grämlichkeit;
doch sie macht mir
Unannehmlichkeit.
Sie spielt gegen mich den Mann
und sinnt
mir mehr an, als ich leisten kann;
ich bin wie ein
abgetriebnes Tier vermagert
und auf Distel und Dorn
gelagert.
Nun gehn wir zusammen zum Richter,
daß er werd'
unsres Handels Schlichter,
sei's nun gütliche Entscheidung,
oder die Scheidung, die Scheidung.
So sprach er, da dacht'
ich doch, ich könnte nicht aus Tebris gehn,
ohne den Verlauf
dieser Sache zu sehn,
und ich schob mein Geschäft auf die
Seiten,
um sie zum Richter zu begleiten.
Der war nun
einer, der schwer herausruckte
und der vor Sparsamkeit nicht
ausspuckte,
der wegwarf keinen zerbrochenen Zahnstocher
und seine Herzensthür verschloß vor dem Anpocher.
Doch Abu
Seid, als er vor ihm erschien,
hockte sich nieder auf den
Knien
und rief: Gott erleuchte den Kadi und segne ihn!
Mein Reittier hier ist bockig,
muckig und stockig,
ob ich
gleich ihr thue, was billig,
und ihr zu Willen bin willig.
Da sprach der Kadi zu ihr:
Wehe dir!
weißt du nicht, daß
Störrigkeit den Herrn beleidigt
und verdient, daß man sie
mit Streichen schmeidigt?
Doch sie sprach: Er ist ruchlos
und gnadlos,
geht nebenhinaus pfadlos
und hält sich beim
Nachbar schadlos;
er läßt mich allein haushalten,
wie soll
ein Weib das aushalten?
Da sprach der Richter zu ihm:
Schmach über dich! Bist du einer von den Leckern,
die da
säen auf fremden Äckern
und hecken außer dem Neste?
pfui,
dein Ding steht nicht aufs beste.
Doch Abu Seid sprach: Beim
Schöpfer der Quellader
in der Felsquader,
sie ist
verlogener als Ummo Sader.
Geschichtlich
sprichwörtlich. Aber im Texte steht hier Sedschahi, die
liederliche Lügenprophetin, die zu ihrem Genossen in der
folgenden Note gehört. Sie reimt im Arabischen, wozu sie im
Deutschen nicht taugte. Ich weiß nicht, wo ich ihre
Stellvertreterin, die Ummo Sader, hergenommen habe, doch wird
sie wohl irgendwo im Hariri selbst stehen.
Sie rief: Nein, bei dem, der den Strauß beschwingt
und
den Hals der Ringeltaube beringt,
der die Milch bekrönt mit
dem Rahme,
er ist lügenhafter als Abu Thumame,
als er
faselte in Jemame.
Sprichwörtlich. Dieser Abu Thumame ist der geschichtlich bekannte Morseilama, der
Gegenprophet in Jemame, der dem neugepflanzten Islam viel zu
schaffen machte.
Da zischte Abu Seid, wie eine Flamme zischt,
und
sprudelte des Zornes Gischt,
rufend: Schweig, Anbrüchige,
Übelrüchige,
Schandenrüchige,
du ihres Mannes Marterpfahl
und der Nachbarschaft Qual;
lässest du zu Haus mich nicht
ruhig schlafen
und willst noch vor den Leuten mich Lügen
strafen?
Und weißt doch, daß, als ich dich bekommen
und
dich in Augenschein genommen,
ich dich fand beschaffen
häßlicher als einen Affen,
ausgetrockneter als einen Riemen,
hartleibiger als einen Pfriemen,
schwärzender als Tinten,
verbitternder als Koloquinten,
unwillkommner als eine
Eule,
unbequemer als eine Beule,
lästiger als den Dumpf,
fauler als einen Sumpf,
dummer als das Kraut
Ridschlet
Eine Pflanze, die auch Hamka, die dumme,
heißt, weil sie so nah an den Rand der Flüsse sich stellt, daß
sie der Strom mit fortreißt.
und weitläufiger als den Fluss Didschlet.
Der
arabische Name des Tigris.
Doch ich deckte deine Blößen
und stieß mich nicht an
deinen Verstößen.
Aber nun, und wärst du Schirin mit ihrer
Pracht
und Zobeide
Die Gemahlin des Kalifen Harun
Alraschid, die jedermann aus tausend und eine Nacht kennt, nur
dort viersilbig statt dreisilbig, mit eï statt ei geschrieben,
was die deutschen Übersetzer den französischen nicht hätten
nachthun sollen. Die letzteren haben einen guten Grund zu
dieser Schreibung, weil ihr ei nicht wie unseres und das
arabische klingt.
mit ihrer Macht,
Bilkis, mit ihrem Witze,
Buran
Buran ist doppelt
vorhanden, einmal eine Tochter des Chosru Perwis, die nach
ihres Vaters Tode etwas über ein Jahr regierte, sodann die
hier gemeinte, deren Vermählung mit dem Kalifen Almamun eine
Erzählung von Tausend und eine Nacht ausmacht (Bändchen 13, S.
37. Hagen), wo aber die Beschreibung der Pracht und des
Reichtums bei der Hochzeit, was eigentlich der historische
Kern ist, ziemlich undeutlich ausgefallen. Sie saß dabei auf
einem sagenhaft berühmt gewordenen, von Goldfäden gewebten
Teppich, worüber ihre Großmutter Perlen ans goldenen Schüsseln
ausgoß. Seltsamerweise hat man dort aus des Kalifen
verwunderndem Ausruf: » Katalanillah«, d. i.: »Gott verdamme
mich!« einen Poeten Katel-Allah gemacht.
mit ihrem Sitze,
Zabba
Zabba, die kriegerische
Königin von Mesopotamien. Ihren Namen hat sie selbst von ihren
langen Haaren, oder diese in der Sage von ihrem Namen.
mit ihrem Haar,
Zerka
Zerka, die Fern- und
Scharfsehende.
mit ihrem Augenpaar,
Rabiat
Rabiat, die Tochter
Ismaels aus Basra, die berühmteste aller durch Frömmigkeit
berühmten Frauen. Glaubwürdige Zeugen sagen, daß sie in einem
Tag und einer Nacht 1000 Rukets gebetet, und als man sie
fragte: Warum thust du das? sprach sie: Nicht als gutes Werk
um der Belohnung willen, sondern daß es den Propheten Gottes
freue, am Tage der Auferstehung, daß er spreche zu den andern
Propheten: Sehet hier ein Weib von meinem Volke! Sie pflegte
auch zu sagen: Ich hörte nie den Gebetrufer, ohne daß ich an
den Herold des jüngsten Gerichtes dachte, und sah nie einen
Heuschreckenzug, ohne daß ich an die Auferstehung (das dortige
Gedräng und Gewimmel der Scharen) dachte.
mit ihrer Andacht gar,
Chindaf mit ihrem Stolz und ihren
Söhnen,
Chansa mit ihren schönen
ihres Bruders Tode
geweihten Trauertönen;
und hättest du alles Gute und keinen
Fehler,
doch möcht' ich dich nicht zur Stute für meinen
Beschäler
noch zum Schrank für meine Gerätschaft,
noch zum
Siegelwachs für mein Petschaft.
Sprach's, doch sie zum
Kampfe stürzte sich,
streifte den Arm auf und schürzte sich
und rief: O du, schmutziger als Madir
Madir war ein
Mann, der seine Brunnentränke mit Unrat verschmierte, damit
kein anderer seine Kamele mit dem Reste des Wassers tränken
möchte.
und unseliger als Kaschir
Kaschir war ein Beschäler, der keine Stute besprang, ohne daß
diese davon starb. Man sagt auch, damit sei ein unfruchtbares
Jahr gemeint, so benannt von Kaschar, schälen, weil es den
Erdboden von Pflanzen schält.
und verzagter als Safir
Sasir, d.h. der Pieper,
ein Vogel, der sich nachts an einen Ast mit den Füßen, den
Kopf unterwärts, anhängt und so die ganze Nacht durch piepet,
um nicht einzuschlafen, aus Furcht vor Raubvögeln und Tieren. Aber wird er nicht gerade diese herbeipiepen?
und unsteter als Tamir Ben Tamir.
Ein
mythischer Mann von besonderer Flüchtigkeit, oder auch ein
Floh; Tamir Ben Tamir bedeutet Hupfer oder Hupfersohn.
Schießest du nach mir deinen Pfeil
und legst an die
Wurzel meiner Ehre dein Beil?
und weißt doch, daß du
unnützer bist als eine Schote ohne Same
und gebrechenreicher
als das Maultier des Abu Dulame,
Abu Dulame, Hofpoet
und lustiger Rat des Kalifen Almansur. Er ritt ein Maultier,
das war blind, lahm, stöckig, schlug vorn und hinten aus, biß
die Leute, ließ sich nicht zäumen noch beschlagen; wenn es
pißte, nahm es den Schwanz zwischen die Beine und spritzte
dann damit die Leute. Wenn es Abu Dulame ritt, liefen die
Jungen ihm nach und lachten ihn aus. Er ritt es aber im
feierlichen Aufzuge der Kalifen und der Großen, um sie lachen
zu machen; er dichtete auf dasselbe auch eine Kasside, worin
er dessen Fehler aufzählte.
zäher als ein Filz,
schwächer als ein Pilz,
ungebetner als Stechen in der Milz;
gefräßiger als der Rost,
unerquicklicher als ein Frost;
unanständiger als in
Gesellschaft ein Wind,
unverständiger als ein Rind,
kahler
als räudige Füchse,
verirrter als eine Mistfliege in eines
Würzkrämers Büchse.
Doch gesetzt, du wärest Hassan im
Predigen
und Koß im Zweifelsfragen Erledigen
und Schabi an
Gedächtniskraft
und Chalil an Sprachwissenschaft
und Gerir
im Liebesgedicht
und Abd Elhamid im Redegewicht
und Abu
Amru an Schriftauslegung
und Ben Koreib an
Geschichtenprägung
und arabischer Kunden Hegung;
meinst
du, dass ich dich möchte zum Ross meiner Weide,
oder zum
Schwerte meiner Scheide?
Nein, bei Gott, noch zum Imam
meiner Kapelle,
noch zum Pförtner meiner Schwelle.
Da
sprach der Richter zu beiden in der Kürze:
Ich seh', ihr
paßt zusammen wie Topf und Stürze.
Du Mann, laß deine
Unhuldigkeit
und thu ferner deine Schuldigkeit;
und du
Weib, steh ab von deinem Schimpf
und die Last, die er dir
auflegt, trage mit Glimpf.
Da sprach das Weib: Bei Gott, ich
werde nicht weichen,
er werde mir denn Kleider reichen;
und ich ergebe mich nicht in seinen Willen,
oder er muß erst
meinen Hunger stillen.
Da vermaß Abu Seid sich hoch und
teuer,
er habe nichts zu ihrer Bedürfnisse Steuer,
als
einen leeren Sack
und kummerschweren Pack.
Doch der
Richter, der sich auf seine Leute verstund,
sah mit einem
scharfen Blicke der Sach' auf den Grund;
er wandte sich zu
ihnen mit Stirnekrausen
und sprach mit Brausen:
Ist's
nicht genug, vor meinem Angesichte zu thören,
mit eurer
Geschichte den Ernst der Gerichte zu stören,
daß ihr noch
wollet von den Worten des Unfuges
ansteigen zu den Werken
des Betruges?
Bei meinem Eid! euer Steiß hat die Grube
verfehlt,
und euer Pfeil hat die Halsgrube gefehlt.
Der
Emir
Elmumenin
(Gott erhalt' ihn und den Glauben durch ihn)
hat mir
meine Stelle verliehn,
um die Rechte der Parteien zu
schützen,
nicht um Betteleien zu unterstützen.
Und bei
seiner Gnade, die mich bekleidet
mit der Gewalt, die fügt
und scheidet!
gebt ihr nicht sogleich Auskunft von dem Zweck
eures Handels
und von den Winkelzügen eures Wandels;
so
lass' ich euch im Land ausschrein
und mach' euch zu einem
Beispiel für groß und klein.
Da blickte Abu Seid starr, als
ob er Geister beschwöre,
dann rief er laut: Höre! Höre!
Ich bin der von Serug, und dieses ist mein Weib;
Der Mond nur ist der Sonne Spießgeselle.
Nie kam in mein' und ihre Zärtlichkeit ein Bruch,
Der Mönch ward untreu niemals seiner Zelle;
Noch ward die Anstalt meiner Landbewässerung
Vergeudet, dass sie fremden Boden schwelle.
Doch seit fünf Tagen teilen wir das Los der Stadt,
Und unsrer Nahrung ist versiegt die Quelle.
Wie fest wir ihn geschnürt, wir konnten nicht dem Hund
Des Hungers wehren, dass er widerbelle.
Als wir vergessen, wie ein Schluck, ein Brocken schmeckt,
Und trocken war der Mörtel unsrer Kelle;
Als guter Rat so teuer, und so wohlfeil uns
Das Leben war, entschlossen wir uns schnelle,
Vom Haus zu gehn halb Leichen, eh wir Leichen ganz
Uns tragen ließen über seine Schwelle.
Das lecke Schiff lief aus mit der Verzweiflung Mut,
Dass es erwerbe oder gar zerschelle;
Und einem Groschen nachzustellen, stehn wir nun
In der Verstellung Kleid an dieser Stelle.
Die Armut kann wohl einen, der mit Heldenmut
Geprahlt hat, dazu bringen, dass er prelle.
Dies ist mein Zustand nun, und dies ist mein Gewerb':
Du von der Schuld zieh ab die Unglücksfälle!
Und gib mir Kerker oder Tod, gib Leben mir,
Zumiss mir, was du willst, du hast die Elle.
Da sprach der Richter; Mache frei deinen Odem
von der
Verzweiflung beengendem Brodem!
Ich will dir deine Ränke
schenken
und mit einem Geschenke dich bedenken.
Da
rüttelte sich das Weib und richtete sich empor
und auf die
Zuschauer deutend, trug sie vor:
O Volk von Tebris, einen Kadi gab dir Gott,
Der bünd'ger ist als einer, den man je pries;
Nur dass er von den Schalen der Gerechtigkeit
Heut eine füllte und die andre leer ließ.
Als unsrer Not gemeinschaftliches Schifflein hier
Die Luft der Hoffnung seiner Großmut herblies,
Hat er ein Paradies dem Alten aufgetan,
Doch aus dem Himmel mich verbannt wie
Eblis.
Er weiß wohl nicht, dass auf der Reitkunst Webstuhl ich
Allein dem Alten Faden und Geweb' wies?
Und dass, wenn ich im Stich ihn wollte lassen, er
Wär' ein Gelächter jetzt dem Volk von Tebris.
Der Erzähler spricht: Als der Kadi sah, wie ihrer beider
Herzen Verwogenheit
glich ihrer beider Zungen Verlogenheit,
merkt' er, dass ein Unheil klopf' an seinen Laden
und ihn
treff' ein unheilbarer Schaden;
dass, wenn er den einen der
Gatten wollte beschwichten,
ohne sich zugleich den andern zu
verpflichten,
sich seine Mühe würde so vernichten,
als
wollt' er ein Gebet ohne Abwaschung
Ohne
vorhergegangene Abwaschung ist das gesetzliche Gebet des
Moslems ungiltig. verrichten.
Da brustete er und brummte,
hustete und hummte,
rüstete sich zum Sprechen und
verstummte,
drehte sich links und drehte sich rechts,
mit
Gestöhn und mit Geächz,
und schmähte auf die Kadiwürde
und
die Anhängsel ihrer Bürde,
den verachtend, der sie für etwas
achtete,
und als Thoren betrachtend den, der nach ihr
trachtete.
Dann ächzte er wie ein Geplünderter
und lechzte
wie ein Entkinderter,
rufend: O Schicksal ohnegleichen!
will man mich mit doppelten Ruten streichen?
soll ich die
Parteien mit meinem Geld vergleichen,
und es bei keiner
lassen fehlen?
Woher nehmen und nicht stehlen?
Dann wandt'
er sich zu seinem Thürsteher
seiner Geldgeschäfte Fürsteher,
und sprach: Befrei mich von den zwei Prahlern
und stopf
ihnen den Mund mit zwei Thalern.
Dann entferne den Chor
und schließe das Thor
und lass ausrufen: Heut ist ein
Unglückstag,
wo den Kadi traf ein Schlag,
dass er keine
Parteien mehr hören mag.