Makamen des Hariri
Die Makamen des Hariri

Aussprache: maqaama-tul-hariri
arabisch:
 ‏مقامة الحريري
persisch:
englisch: Maqams of al-Hariri

Mehr zum Thema siehe: Al-Hariri

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Das Lösegeld

Diese Makame ist die Mutter aller übrigen, dem Dichter aus einem äußeren Anlass entstanden, da er wirklich in der Hauptmoschee seiner Vaterstadt eine ähnliche Person, wie Abu Seid, eine ähnliche Geschichte, wie die den Anhalt dieser Makame ausmacht, erzählen hörte und sie darstellte, wohl ohne damals noch den in ihr liegenden Lebenskeim zu der reichen Schöpfung, die sein befruchtender Geist daraus hervorrufen sollte, zu kennen. Die Einkleidung ist auch etwas abweichend, darin, dass hier Hareth Ben Hemmam (d. i. unser Dichter) nur erzählt, was ihm Abu Seid erzählte, nicht diesen selbst, wie sonst, handelnd auftreten lässt.

Hareth Ben Hemmam erzählt:

So erzählte mir Abu Seid, der Seruger:

Ich hatte, seit ich mein Wandertier gezäumt
und mein Vaterquartier geräumt,
in keinem anderen Wunsche gewacht noch geträumt,
als nach Basra[Fußnote] Die Vaterstadt des Dichters, deren Verherrlichung, ein Nebenzweck des Kunstwerks, hier in der vorvorletzten Makame eingeleitet, in der letzten aber vollständig ausgeführt wird.

zu kommen, zur Beaugenscheinigung
dessen, was laut der Zeugenvereinigung
von allen bewährten Männern
und gelehrten Kennern,
die Stadt enthält an Schätzen und Labsalen,
an geweihten Plätzen und Grabmalen,
an Gebäuden, Stiften und Zünften,
weisen Leuten, Schriften und Zusammenkünften;
und hatte Gott angelegen mit Gebeten,
daß ich dürfte ihren Staub betreten,
um mich zu erquicken an ihren Gartenbeeten,
zu riechen den Duft ihrer Blume,
den ich erfahren vom Ruhme,
und zu kosten ihre Früchte,
die mir gepriesen das Gerüchte.
Und als ich nun das Glück umfing,
und sich an ihr mein Blick erging,

Sah ich an ihr, was Augen lieblich kühlet

Und macht, daß dort kein Fremdling Heimweh fühlet.

Da, in einer Frühe, als der Tau frischte
und die dunkle Schminke der Nacht abwischte,
als jedem, der noch schlief,
der Warnvater (Der Hahn) rief,
macht' ich mich auf, in der Stadt herumzugehn
und nach meinem Bedürfnis mich umzusehn.
Und das Durchstreichen ihrer Straßen
und Durchkreuzen ihrer Gassen
brachte mich zum Quartier, das seinen Namen nahm
von den Benu Haram
Ein Stadtviertel von Basra, wo bei der Anlegung der Stadt unter dem Kalifen Omar sich der arabische Stamm der Benu Haram ansiedelte; das Viertel, worin Hariri selbst wohnte, der davon den Zunamen Harami führt.

wo man sieht hohe Gebäude
und Wohnungen der Freude,
Moscheen, geweiht der Feier,
und vielbesuchte Weiher;
wo man gewahr,
gepaart und geschart,
Merkwürdigkeiten aller Art.

Da wohnen Heiligkeit und Weltlichkeit,
Die wie zwei Nachbarinnen sich vertragen.
Da schlägt des Buches Seiten einer um,
Den andern hörest du die Saiten schlagen;
Der eine löst der Flasche Siegel hier,
Ein andrer dort entsiegelt Zweifelsfragen.
Der will im Geist die Fülle Gottes fassen,
Der hat am vollen Fasse sein Behagen.
Wie mancher Koranleser, Voranesser,
Verdirbt sich hier die Augen, dort den Magen.
Du bist geladen, Gast. An welchen Laden
Du pochen magst, du wirst dich nicht beklagen.
Hier kommst du wie gebeten zu Gebeten,
Und recht gelegen dort zu Gastgelagen.
Du magst nun Bücher oder Becher suchen,
Nach weisen Leuten oder Lauten fragen.

Als ich nun (sprach Abu Seid) so herumspazierte
und revierte,
Sehenswertes betrachtend
und Spähenswertes beachtend,
erblickte ich, da der Tag schon war an seiner Neige
und die Sonn' an ihrer Niedersteige,
eine Moschee, durch ihren Glanz berühmt
und durch ihrer Besucher reichen Kranz geblümt;
Die Moschee ist der Versammlungsort für die gebildete Gesellschaft, die sich dort in der Zwischenzeit der Gebetstunden unterhält. Einen Hauptgegenstand der Unterhaltung macht, für Araber überhaupt, Sprache und Grammatik aus, besonders aber für die Bewohner von Basra, dem Hauptsitz grammatischer Gelehrsamkeit.

und hörte, wie eben die Versammelten
durcheinander redeten und stammelten,
begriffen, zu der Wissenschaft Förderung,
in einer sprachlichen Erörterung.
Da stand ich stille,
und es war mein Wille
nicht, zu profitieren von ihrem Grammatikum,
sondern von ihnen zu profitieren ein Viatikum.
Doch es währte nicht länger, als man braucht, um brennende Kohlen
vom Nachbarshause zu holen;
Bei einer solchen Gelegenheit geht man schnell, damit die Kohlen nicht unterwegs verlöschen; und die Eile des Feuerholenden ist im Arabischen sprichwörtlich.

als das Gespräch unterbrochen ward,
weil der Gebetruf gesprochen ward,
und dem Ruf auf dem Fuß nach
der Imam folgte, der vortrat und den Gruß sprach.
Da bargen sich die Schneiden
des Wortes in die Scheiden,
und die von den Polstern der Sitzung erhobenen Glieder
beugten sich auf den Teppichen der Andacht nieder.
Ich vergaß auf eine Weile, im Werk der Erhebung
und Gottergebung,
die auf den Unterhalt gerichtete Bestrebung.
Als nun dem Gesetze genügt war,
der Frömmigkeit Acker gepflügt war,
und die Kette sich trennte, die von der Andacht gefügt war;
trat hervor aus der Menge ein wohlgestalter
Mann von mittlerem Alter,
der sich zeigte als des Wortes Walter
und der Wohlredenheit Entfalter,
sprechend: Ihr achtbaren
Nachbaren!
deren Näh' ich aus der Ferne kommend erwählt,
um euretwillen von meinem Ursprung losgezählt
und als fremder Zweig eurem Stamme vermählt;
Der Sprechende ist ein Eingewanderter.
die ihr seid meine Kammer und mein Schrein,
wie sollt' euch meine Heimlichkeit verborgen sein?
Ihr wisset, dass Wahrheit ist der Schmuck der Vernünftigen
und dass die Schande dieser Welt ist leichter als die der künftigen;
dann: dass guter Rat ist eins der guten Werke
und Unterweisung eine Urkunde der Glaubensstärke;
dass der Fragende verdient Unterrichtung
und der Ratende übernimmt eine Verpflichtung;
Nämlich die Verpflichtung, nach bestem Wissen und Gewissen zu raten.
dass mein Freund ist, der mich schilt,
nicht der mir hält der Entschuldigung Schild;
und dass, wer mich recht liebt,
mich zurechtweist, nicht mir recht gibt.
Da sprachen die Versammelten: Trauter Genoss!
und vertrauter Herzenssproß!
Was ist das Geheimnis von deinen Rätselworten
und der Schlüssel zu deines Redegebäudes Pforten?
Sage, was du verlangst? dass du es erlangest,
ob du Großes auch verlangest.
Denn bei dem, der uns gemacht zu deinen Brüdern
und unsre Lieb' und Treue zu deinen Hütern!
wir werden dir den Rat nicht abschlagen
und die Tat nicht absagen.
Er sprach: Gottes Güte mög' es euch güten
und seine Hut euch behüten.
Ihr seid von denen, mit denen ohn' Ungemach
sich wohnen lässt unter einem Dach;
an denen kein Fehl ist
und vor denen kein Hehl ist.
So will ich euch entfalten, was mich engt,
und eurem Urteil vorhalten, was mich drängt und zwängt.
Wisset: dass einst in des Glückes Verkümmerung
und des Wohlstands Zertrümmerung
ich mit Gott gemacht einen Anschlag
und ihm gegeben des Gelübdes Handschlag,
nie starkes Getränk zu erhandeln,
noch mit Zechern zu wandeln,
noch mich mit Wein zu erfüllen
und mit Rausch zu verhüllen.
Dann verführte mich die Lust
und der Feind in der Brust,
mit Schlemmern zu verkehren
und Maße zu leeren,
die Würde zu verletzen
und den Gaumen zu netzen,
zu taumeln und den Tummler
Großer Becher
.
zu tummeln;
und zu schwärmen mit den wilden Hummeln,
ohn' Erröten zu schlürfen den Roten,
mein Gelübde vergessend wie einen Toten.
Und so weit ging meine Vermessenheit
in des Teufels Besessenheit,
daß ich auch am Feiertag
im Schenkenfeuer lag
und in der Fastnacht
war vom Rausche festgemacht.
Doch nun bin ich in der Betrübnis
um das gebrochene Gelöbnis,
in der Reue Haft
durch den Sündensaft
am Herzen wund
um den verletzten Bund,
zerknirscht und ermangelnd des Trostes
über die Verschlingung des Mostes.
Nun, o mein Volk, welche Sühnung wisset ihr mir, die mich der Sünde fern
und wieder nahe bringe meinem Herrn?
Wie er nun so (sprach Abu Seid) den Knoten der Red' entschürzte
und sein Anliegen mit Seufzern würzte;
sprach die Seele zu mir: Abu Seid!
Hier ist Fangezeit;
halte Hand und Netz bereit!
Und als er geendet, sprang ich auf vom Sitz,
drang durch die Reihen wie ein Blitz
und trug vor:

O Frommer, dessen Edelmut
Weit übersteigt Gedanken,
Und der du suchest Rat, um zu
Bestehn vor Gottes Schranken!
Ich hab' ein Mittel gegen das,
Was dich an Gram macht kranken;
Du magst das Leid, das mich betraf,
Vernehmen und mir danken.
Der Männer von Serug, die fromm
An ihrem Glauben hangen,
Bin einer ich und wohnte dort
In hohen Wohlstands Prangen,
Geehrt, gehorcht, gewohnt, Befehl
Zu geben, nicht zu empfangen.
Mein Haus war ein Zusammenfluss
Der Gäst' aus allen Landen;
Wo offen weit die Thore stets
Und frei die Güter standen.
Einkauft' ich durch Freigebigkeit
Die Ehren, ab die Schanden,
Und achtete Kleinode klein,
Die durch Verschwendung schwanden.
Nach meiner Halle steuerten
Die nächtlichen Verbannten;
Denn meine Feuer, wenn der Geiz
Die seinen löschte, brannten,
Gleich einem Leitstern, welchen sie
Als Truglicht nie erkannten.
Und also grünte lang mein Glück
Und blühten meine Flammen;
Bis Gott die Huld, die er ob mir
Entfaltet, schlug zusammen.
Da ließ aus einem Zwietrachtskorn
Er einen Kriegsbaum stammen,
Und Griechenheere kamen, die
Im Blut der Gläub'gen schwammen,
Die unsre Stadt verwüsteten
Und raubten Kind und Ammen.
Geplündert ward mein Gut, und ich
Als Bettler ging von dannen,
Von Fremden jetzt gewinnend, was
Sie einst von mir gewannen.
Doch in der Armut Wirbeln, die
Mein ganzes Glück verschlangen,
Beklag' ich nichts wie den Verlust
Der schönsten meiner Spangen,
Der einz'gen Tochter, welche fiel
In Feindeshand gefangen;
Sie löst' ich gern mit meinem Blut,
Sie wollen's nicht empfangen;
Und was sie wollen, Gold und Gut,
Ist mir durch sie entgangen.
Nun weißt du, welchen Kummer Gott
Hat über mich verhangen;
Und wenn du heilen willst zugleich
Die Blässe meiner Wangen
Und deines durch der Sünde Schuld
Zerstörten Herzens Bangen;
So hilf mir, dass mein Kind befreit
Werd aus der Haft der Schlangen.

Dein Sühngeld sei ihr Lösegeld,
Verachte nicht das Mahnen!
Zu Gottes Wohlgefallen kannst
Du so den Weg dir bahnen,
Verzeihung findend, daß du hast
Verlassen seine Fahnen,
Und machend, was du Böses hast
Gethan, zum Ungethanen.
Daneben wirst du vor der Welt
Erhöht auf Ruhms Altanen,
Weil meines Dankes Größe wird
Entsprechen dem Empfahnen.

Abu Seid sprach: Als nun ausgebraust war mein Redeschwall
und jener baute auf meiner Worte Wall,
trieb ihn die böse Lust zum guten Werke,
und der Sündenhang gab ihm zum Opfer Stärke.
Er zahlte mir eine Summ' aus auf dem Platz
und sicherte mir durch Verschreibung einen zweiten Satz.
Doch ich ging heim,
zufrieden mit dem angewandten Vogelleim,
und konnte nun, dank meinem blauen Dampfe,
mir den Bauch füllen mit Pframpfe
Dicker Mehlbrei und dergleichen.

und, Preis meinen tönenden Glocken,
mir den Mund stopfen mit Brocken.
Da fragte ich (erzählt Hareth Ben Hemmam):
Und empfindest du über deinen Betrug keine Scham?
Doch er sprach unbeklommen:
Ich fühle mich vielmehr in Freudigkeit entglommen,
dass ich ein frommes Werk gefördert zu meinem Frommen;
denn jenem ist die Sünd' abgenommen
und ich bin zu Gelde gekommen.
Dann sang er:

Diese Welt, die Mördergrube,
Voll von Löw- und Tigerkatzen,
Siehe, wie du ungezaust
Kommest zwischen durch die Tatzen.
Spähe, was du haschen mögest,
Merke, was du kannst erschwatzen;
Schatze! denn die Zeit ist stets
Auf der Lauer dich zu schatzen.
Hetze, statt gehetzt zu werden;
Welt ist all ein Wald für Hatzen.
In die Schlingen locke Schlangen,
Aus den Ritzen locke Ratzen.
Wenn der Falke dir entgangen,
Nimm fürlieb nur mit dem Spatzen;
Und erhältst du nicht den Thaler,
So begnüg dich mit dem Batzen.

 

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