Mahomet

Mahomet
Trauerspiel in fünf Aufzügen, nach Voltaire

Siehe: Mahomet der Prophet

Übersetzt von Johann Wolfgang von Goethe

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Erster Aufzug - Vierter Auftritt

Sopir. Omar. Phanor.

Sopir

Nun also kommst du nach sechs Jahren wieder,
Betrittst dein Vaterland, das einst dein Arm
Verteidigte, das nun dein Herz verrät?
Noch sind von deinen Taten diese Mauern
Erfüllt, und du, Abtrünniger, erscheinst
Im heiligen Bezirk, verwegen, wo
Die Götter, die Gesetze herrschen, die du flohst.
Was bringst du, Werkzeug eines Räubers der
Den Tod verdient? Was willst du?

Omar

Dir vergeben!
Der göttliche Prophet sieht deine Jahre,
Dein frühes Unglück mit Bedauern an.
Er ehret deinen Mut und reichet dir
Die Hand die dich erdrücken könnte. Nimm
Den Frieden an den er euch bieten mag!

Sopir

Und er, der Aufruhrstifter, der um Gnade
Zu flehen hätte, will uns Friede schenken!
Erlaubt ihr, große Götter, daß der Frevler
Uns Frieden geben oder nehmen könne?
Und du, der des Verräters Willen bringt,
Errötest nicht solch einem Herrn zu dienen?
Hast du ihn nicht gesehn, verworfen, arm,
Am rechten Platz der letzten Bürger kriechen?
Wie war er weit von solchem Ruhm entfernt,
Der sich um ihn gewaltsam nun verbreitet.

Omar

Nichtswürd'ge Hoheit fesselt deinen Sinn.
So wägst du das Verdienst? und schätzest Menschen
Nach dem Gewicht des Glücks in deiner Hand?
Und weißt du nicht, du schwacher, stolzer Mann,
Daß das Insekt das sich im Halm verbarg,
So wie der Adler der die Wolken teilt,
Dem Ewigen belebter Staub erscheine?
Die Sterblichen sind gleich! Nicht die Geburt,
Die Tugend nur macht allen Unterschied.
Doch Geister gibt's, begünstiget vom Himmel,
Die durch sich selbst sind, alles sind und nichts
Dem Ahnherrn schuldig, nichts der Welt. So ist
Der Mann, den ich zum Herren mir erwählte.
Er in der Welt allein verdient's zu sein;
Und allen Sterblichen, die ihm gehorchen sollen,
Gab ich ein Beispiel das mich ehren wird.

Sopir

Omar, ich kenne dich. Du scheinest hier
Als Schwärmer dieses Wunderbild zu zeichnen;
Doch seh' ich nur den klugen Redner durch.
Du glaubst umsonst, wie Andre, mich zu täuschen;
Ihr betet an wo ich verachten muß.
Verbanne jeden Trug! Mit weisem Blick
Sieh den Propheten an den du verehrst.
Den Menschen sieh in Mahomet! Gesteh!
Du hobst ihn, du, zu dieser Himmelshöhe.
Des Schwärmens, der Verstellung sei genug!
Laß mit Vernunft uns deinen Meister richten.
Wie zeigt er sich? Er treibt, ein roher Knecht,
Kamele vor sich her, betrügt, durch Heucheldienst
Und Schwärmerei, ein Weib das ihm vertraut.
So wird Fatime sein. Von Traum in Traum
Führt er ein leicht gewonnen Volk und macht Partei,
Erregt die Stadt. Man fängt ihn, führet ihn
Zu meinen Füßen. Vierzig Älteste
Verdammen, sie verbannen ihn, und so
Zu leicht bestraft, wächs't nur sein kühner Unsinn.
Von Höhle flüchtet er zu Höhle mit Fatimen,
Und seine Jünger, zwischen Stadt und Wüste,
Verbannt, verfolgt, geächtet, eingekerkert,
Verbreiten ihre Wut als Götterlehre.
Medina wird von ihrem Gift entzündet.
Da standest du, du selbst, du standest auf,
Mit Weisheit diesem Übel abzuwehren.
Da warst du glücklich, brav, gerecht, und stelltest
Als freier Mann dich gegen Tyrannei.
Ist er Prophet, wie durftest du ihn strafen?
Ist er Betrüger, und du dienest ihm?

Omar

Ich wollt' ihn strafen, als ich sie verkannte,
Die ersten Schritte dieses großen Mannes.
Doch nun erkenn' ich's, ja, er ist geboren,
Die Welt zu seinen Füßen zu verwandeln.
Sein Geist erleuchtete den meinen, und ich sah ihn
Zum unbegrenzten Laufe sich erheben.
Beredt und unerschüttert, immer wunderbar,
Sprach, handelt', straft', vergab er wie ein Gott.
Da schloß ich diesen ungeheuern Taten
Mein Leben an, und Thronen und Altäre
Erwarben wir; ich teile sie mit ihm.
Ich war, laß mich's gestehn, so blind wie du.
Ermanne dich, Sopir, verlasse, schnell
Bekehrt wie ich, den alten Eigensinn!
Hör auf die Wut des falschen Eifers mir
Verworren eitel vorzurühmen, daß
Du grausam unser Volk verfolgest, unsre Brüder
Mit Freuden quälst und lästerst unsern Gott.
Dem Helden fall zu Füßen, den du einst
Zu unterdrücken dachtest! Küsse diese Hand,
Die nun den Donner trägt! Ja, sieh mich an,
Der Erste bin ich nach ihm auf der Erde.
Die Stelle die dir bleibt, ist schön genug
Und wert daß du dem neuen Herren huldigst.
Sieh was wir waren, siehe was wir sind.
Für große Menschen ist das schwache Volk
Geboren. Glauben soll's, bewundern und gehorchen.
Komm herrsche nun mit uns, erhebe dich,
Teil' unsre Größe, der sich nichts entzieht,
Und schrecke so das Volk das dich beherrschte!

Sopir

Nur Mahomet und dich, und deines gleichen,
Wünsch' ich durch meine Redlichkeit zu schrecken.
Du willst, der Scherif des Senates soll,
Abtrünnig, dem Betrüger huld'gen, den Verführer
Bestät'gen, den Rebellen krönen? Zwar
Ich leugne nicht, daß dieser kühne Geist
Viel Klugheit zeigt, und Kraft und hohen Mut;
Wie du, erkenn' ich deines Herrn Talente,
Und wär' er tugendhaft, er wär' ein Held.
Doch dieser Held ist grausam, ein Verräter;
So schuldig war noch niemals ein Tyrann.
Mir kündigst du die trügerische Huld
Vergebens an; der Rache tiefe Künste
Versteht er meisterlich, mir drohen sie.
Im Laufe dieses Krieges fiel sein Sohn
Durch meine Hand. Ja! dieser Arm erlegt' ihn,
Und meine Stimme sprach des Vaters Bann.
Mein Haß ist unbezwinglich, wie sein Zorn.
Will er nach Mekka, muß er mich verderben,
Und der Gerechte schont Verräter nicht.

Omar

Daß Mahomet verzeihend schonen kann
Sollst du erfahren. Folge seinem Beispiel!
Er trägt dir an zu teilen, deine Stämme
Vom Raub der überwundnen Kön'ge zu bereichern.
Um welchen Preis willst du den Frieden geben?
Um welchen Preis Palmiren? Uns're Schätze
Sind dein.

Sopir

Und so glaubst du mich anzulocken!
Mir meine Schande zu verkaufen! Mir
Den Frieden abzumarkten, weil du Schätze
Zu bieten hast, die ihr mit Missetaten
Errangt! Palmiren will er wieder? Nein!
So viele Tugenden sind nicht geschaffen
Ihm Untertan zu sein. Er soll sie nicht besitzen,
Der Trüger, der Tyrann, der die Gesetze
Zu stürzen kommt, die Sitten zu vergiften.

Omar

Du sprichst unbiegsam noch als hoher Richter,
Der von dem Tribunal den Schuld'gen schreckt.
Du willst ein Staatsmann sein; so denke, handle
Wie's einem Staatsmann ziemt. Betrachte mich
Als den Gesandten eines großen Manns
Und Königs!

Sopir

Wer hat ihn gekrönt?

Omar

Der Sieg!
Bedenke seine Macht und seinen Ruhm!
Man nennt ihn Überwinder, Held, Erobrer;
Doch heute will er Friedensstifter heißen.
Noch ist sein Heer von dieser Stadt entfernt;
Doch es umschließt euch bald, und diese Mauern,
Die mich gezeugt, soll ich belagern helfen.
O höre mich! Laß uns das Blut ersparen;
Er will dich sehn, er will dich sprechen!

Sopir

Wer?

Omar

Er wünscht es.

Sopir

Mahomet?

Omar

Er selbst!

Sopir

Verräter!
Herrscht' ich allein in diesen heil'gen Mauern,
So würde Strafe statt der Antwort folgen!

Omar

Sopir, mich jammert deine falsche Tugend!
Doch da, wie du gestehst, ein abgewürdigter
Senat das schwache Reich mit dir zu teilen
Sich anmaßt; wohl, er soll mich hören.
Nicht alle Herzen, weiß ich, sind für dich.

Sopir

Ich folge dir, und zeigen wird sich bald
Wen man zu hören hat. Gesetz und Götter
Und Vaterland verteidigt meine Stimme;
Erhebe dann die deine! Leihe sie
Dem Gotte der Verfolgung, dem Entsetzen
Des menschlichen Geschlechts, den ein Betrüger,
Die Waffen in der Hand, verkünden darf.
Zu Phanor, nachdem Omar abgegangen.
Und du! hilf den Verräter mir verdrängen.
Ihn dulden heißt ihn schonen, heißt es sein.
Komm, laß uns seinen Plan vereiteln! seinen Stolz
Beschämen! Komm! und wenn ich nicht vermag
Dem Richtplatz ihn zu weihen, steig' ich willig
Ins Grab hinunter. Hört mich der Senat;
Befreit sind wir, die Welt ist's vom Tyrannen.

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