Mahomet

Mahomet
Trauerspiel in fünf Aufzügen, nach Voltaire

Siehe: Mahomet der Prophet

Übersetzt von Johann Wolfgang von Goethe

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Erster Aufzug - Erster Auftritt

Sopir. Phanor.

Sopir

Was? Ich! Vor falschen Wundern niederknieen?
Dem Gaukelspiele des Betrügers opfern?
In Mekka den verehren, den ich einst verbannt?
Nein, straft, gerechte Götter! straft Sopiren,
Wenn ich, mit diesen freien, reinen Händen,
Dem Aufruhr schmeichle, den Betrug begrüße!

Phanor

Wir ehren deinen väterlichen Eifer,
Des heiligen Senats erhabner Scherif!
Doch dieser Eifer, dieser Widerstand
Reizt nur den Sieger, statt ihn zu ermüden.
Wenn du denselben Mahomet vor Zeiten,
Durch der Gesetze Kraft, darnieder hieltest,
Und eines Bürgerkrieges furchtbarn Brand,
In seinen ersten Funken, weise tilgtest,
Da war er noch ein Bürger und erschien
Als Schwärmer, Ordnungsstörer, Aufruhrstifter;
Heut ist er Fürst, er triumphiert, er herrscht.
Aus Mekka mußt' er als Betrüger flüchten,
Medina nahm ihn als Propheten auf,
Ja, dreißig Nationen beten ihn
Und die Verbrechen an, die wir verwünschen.
Was sag' ich! Selbst in diesen Mauern schleicht
Der Gift des Wahnes. Ein verirrtes Volk,
Berauscht von trübem Feuereifer, gibt
Gewicht den falschen Wundern, breitet
Parteigeist aus und reget innern Sturm.
Man fürchtet und man wünscht sein Heer, man glaubt
Ein Schreckensgott begeistre, treibe, führe
Unwiderstehlich ihn von Sieg zu Sieg.

Zwar sind mit dir die echten Bürger eins;
Doch ihre Zahl ist kleiner als du denkst.
Wo schmeichelt sich die Heuchelei nicht ein?
Und Schwärmerei, die ihren Vorteil kennt?
Zu Neuerungen Lust, ein falscher Eifer, Furcht
Zerstören Mekkas auferregten Kreis,
Und dieses Volk das du so lange Zeit beglückt
Ruft seinen Vater an und fordert Frieden.

Sopir

Mit dem Verräter Frieden! o du feiges Volk!
Von ihm erwarte nur der Knechtschaft Jammer.
Tragt feierlich ihn her, bedient ihn kniend,
Den Götzen, dessen Last euch bald erdrückt.
Doch ich bewahr' ihm einen ew'gen Haß,
Mein tief verwundet Herz nie kann es heilen.
Und er nährt gleiche Rache gegen mich.
Mein Weib und meine Kinder mordet' er,
Bis in sein Lager trug ich Schwert und Tod,
Sein eigner Sohn fiel, Opfer meiner Wut.
Nein! nein! Der Haß glüht ewig zwischen uns,
Und keine Zeit kann dieses Feuer löschen.

Phanor

Verbirg die Glut, sie brenne heimlich fort;
Dem Ganzen opfre deiner Seele Schmerzen.
Rächst du die Deinen? wenn er diese Stadt
Mit Feuer und mit Schwert verheerend straft.
Verlorst du Sohn und Tochter, Gattin, Bruder;
Den Staat bedenke, der gehört dir an.

Sopir

Dem Staate bringt die Furchtsamkeit Verderben.

Phanor

Auch Starrsinn bringt ihn seinem Falle nah.

Sopir

So fallen wir! wenn's sein muß.

Phanor

Diese Kühnheit
Setzt uns dem Schiffbruch aus, so nah dem Hafen.
Du siehst, der Himmel gab in deine Hand
Ein Mittel den Tyrannen zu bezähmen.
Palmire, seines Lagers holder Zögling,
Die in den letzten Schlachten du geraubt,
Ist als ein Friedensengel uns erschienen,
Der seine Siegerwut besänft'gen soll.
Schon forderte sein Herold sie zurück.

Sopir

Und diese gäb' ich dem Barbaren wieder?
Du wolltest daß mit solchem edlen Schatz
Die Räuberhände sich bereicherten?
Wie? Da er uns mit Schwert und Trug bekämpft,
Soll Unschuld sich um seine Gunst bewerben?
Und Schönheit seine tolle Wut belohnen?
Mein graues Haar trifft der Verdacht wohl nicht,
Daß ich in ihr das holde Weib begehre;
Denn jugendliche Glut erregt nicht mehr
Mein traurig Herz, erdrückt von Zeit und Jammer.
Doch sei es, daß vom Alter selbst die Schönheit
Ein unwillkürlich stilles Opfer fodre!
Mag ich vielleicht, dem eigne Kinder fehlen,
In ihr das längst Verlorne wieder sehen!
Ich weiß nicht welcher Hang zu ihr mich zieht,
Die Öde mancher Jahre wieder füllt.
Sei's Schwäche, sei's Vernunft, nicht ohne Schaudern
Säh' ich sie in des Lügenkünstlers Hand.
O möchte sie sich meinen Wünschen fügen,
Und heimlich diesen Schutzort lieb gewinnen!
O daß ihr Herz, für meine Wohltat fühlbar,
Ihn, den ich hassen muß, verwünschen möchte!
Sie kommt, in diesen Hallen mich zu sprechen,
Im Angesicht der Götter dieses Hauses.
Sie kommt! Ihr Antlitz, edler Unschuld Bild,
Läßt alle Reinheit ihres Herzens sehen.

Phanor ab.

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