Erste Annäherung
Im April 1988 war es meiner
Frau und mir sowie unserem damals erst ein Jahr alten Kind zum
ersten Mal möglich, in die Islamische Republik Iran zu reisen.
Es war kurz vor dem Monat Ramadan (Fastenmonat), und Saddam
hatte gerade begonnen, Teheran mit Scud-Raketen zu
bombardieren. Fast alle unsere Verwandten und Bekannten
versuchten, uns diese Reise auszureden. Sie argumentierten
damit, dass es unverantwortlich sei, in so einer Zeit mit
einem Baby in ein Kriegsgebiet zu fliegen. Aber Alhamdulillah
(Gott sei Dank), kein Mensch konnte uns aufhalten. Diese für
uns so besondere Reise hatten wir ein Jahr lang vorbereitet.
Wir wollten einen Monat lang in Teheran bei den
Schwiegereltern unseres Lehrers bleiben, um das Land und die
Menschen vor Ort näher kennen lernen zu können. Wir wollten in
das Land unseres damaligen Imams (Imam Khomeini (r.)), in das
einzige befreite Gebiet der islamischen Welt. Und die Raketen
Saddams sollten diese seit langem geplante Reise nicht
verhindern. Bei unserer Abreise hatten uns viele schon für
verrückt erklärt! Auch der Zollbeamte in Teheran, der uns bei
der Ankunft fragte, warum wir gekommen seien, und die Antwort
erhielt, dass wir Touristen seien, schaute uns sehr erstaunt
an, als gerade wieder ein Raketenalarm aufheulte. Sicherlich
haben wir Teheran damals so leer erlebt, wie es kein Tourist
mehr erleben kann!
Diese erste Reise in den
Islamischen Staat war für meine Frau und mich eines der
entscheidenden Erlebnisse unseres bisherigen Lebens. Und
eines der größten Ereignisse der Reise war die Teilnahme beim
Freitagsgebet auf dem Universitätsgelände. Durch die Hilfe
eines Bruders erhielt ich die Erlaubnis, als Fotograf sehr
nahe an das Podium des Redners heranzukommen. Da stand ich
nun mit meiner Kamera vor all den Gläubigen, und die
Intensität der wunderbaren Parolen und die herzergreifenden
Du'a (Bittgebete) ließen mir immer und immer wieder
unbeschreibliche Schauer über den Rücken laufen. So etwas
hatte ich vorher weder gesehen noch miterlebt.
Kurz vor dem Hauptredner kam
ein im Volk sehr bekannter Mann namens Mortazaifar, eine Art
Moderator des Freitagsgebets, und leitete die Gläubigen durch
sehr schöne Gesänge und Parolen. Dann kündigte er den
Hauptredner und Leiter des Freitagsgebets an: Es war der
damalige Staatspräsident Seyyid Ali Khamene'i.
Tausende und abertausende
Gläubige sprangen auf und grüßten ihren geliebten Geistlichen
mit einer Inbrunst, so dass ich meine Freudentränen nicht
mehr zurückhalten konnte.
Ich versuchte, viele, viele
Fotos zu machen, aber meine Tränen bewirkten, dass nicht alle
Bilder scharf eingestellt werden konnten. Die Liebe der
Anwesenden zu Imam Khamene'i war so groß, dass niemand sich
wieder hinsetzen wollte, und die minutenlangen Grußparolen
wurden nicht leiser. Obwohl Imam Khamene'i mehrfach mit seiner
Hand Zeichen gegeben hatte und die Gläubigen bat, sich
hinzusetzen, wollte keiner mit den Segensrufen aufhören.
Imam Khamene'i bittet
die Gemeinde, sich zu setzen
(neben ihm Mortazaifar)
Erst als Moderator
Mortazaifar wieder auf das Podium kam und sehr resolut Zeichen
gab, setzten sich die Muslime langsam und widerstrebend hin.
Kaum waren die persischsprachigen Grüße leiser geworden,
stand eine Gruppe von arabischsprachigen Muslimen auf und
wiederholte die Parolen in ihrer Sprache: Ein mehrsprachiger
Gruß für einen der größten Gelehrten unserer Zeit. Erst als
auch diese Gruppe leiser geworden war, konnte Imam Khamene'i
mit seiner Khutba (Freitagsansprache) beginnen.
Mich hielt es keine Minute
mehr auf der Fotografentribüne. Ich wollte keine Minute des
Segens dieses Freitagsgebets verpassen und ging hinunter zu
meinen Geschwistern. Eingereiht in die Gemeinschaft dieses
größten Freitagsgebets in der islamischen Welt durfte auch
ich die heilige Stimme von Imam Khamene'i bei seiner Khutba
(Ansprache) vernehmen und mich beim Gebet unter seiner Leitung
vor Gott niederwerfen. Nie zuvor habe ich es so sehr bedauert,
kein Persisch zu verstehen, aber, Gott sei Dank, übersetzten
mir meine muslimischen Brüder später die Ansprache.
Während ich die Khutba hörte,
erinnerte ich mich an eine Überlieferung des Heiligen
Gesandten Gottes (s.), die ich in Imam Khomeinis (r.) Risala
(islamisches Regelwerk) zum Gemeinschaftsgebet gelesen hatte
[2]: In einer Überlieferung des Propheten wird dargelegt,
dass wenn sich jemand einem Gebetsleiter anschließt, jedes
Raka' (Gebetsabschnitt) ihrer Gebete soviel wert ist,
wie 150 (alleine durchgeführte vollständige) Gebete.
Wenn zwei Personen sich anschließen, gibt es für jede Raka'
den Lohn von 600 vollständigen Gebeten. Und wenn sie mehrere
werden, nimmt auch der Lohn zu. Wenn ihre Zahl zehn
übersteigt, dann würde ihr Lohn so groß, dass er nicht
niedergeschrieben werden könnte, selbst wenn die Himmel
Papier, die Meere Tinte, die Bäume Stifte und alle Dschinn
(Geisteswesen), Menschen und Engel zusammen Schreiber wären.
Ein derartig
unbeschreibliches Gefühl fühlen die zahllosen Gläubigen in der
Islamischen Republik Iran Woche für Woche bei diesen
gesegneten Freitagsgebeten. Und viele wollen auch bei
zahlreichen Gebeten in der Woche nicht auf diese
unerschöpflichen Segnungen verzichten und gehen sehr oft zum
Gemeinschaftsgebet in die Moschee.
Seit dieser ersten Begegnung
mit einem der großen heiligen Menschen, die mit dem Opfer
ihres ganzen Lebens uns Muslimen den Weg in eine erfolgreiche
Zukunft bereitet haben, fühlten meine Frau und ich eine große
Liebe zu dieser Person. Das also sind die Menschen, die es uns
mit ihrer historisch zu nennenden Revolution ermöglicht haben,
in der heutigen Zeit unser privates wie gesellschaftliches
Leben auf dem Weg Allahs in den Dienst des Islam stellen zu
können und damit glücklich zu werden.
Das Wort "Begegnung" ist in
diesem Fall sicherlich übertrieben, denn näher als 20 Meter
bin ich unserem heutigen Imam nicht gekommen. Aber seit der
Zeit versuchen wir, möglichst viel von ihm zu erfahren, um uns
ihm sehr nahe fühlen zu können, auch wenn wir damals nicht
wissen konnten, dass er eines Tages unser Imam werden würde.
Imam Khamene'i erfreut
sich an der Qur'an-Rezitation eines sehr jungen Muslims aus
dem Iran