Imam Khamene'i

Imam Khamene'i

Das Leben des Imam-ul-Umma Ayatollah-ul-Uzma Seyyed Ali Al-Husaini Al-Khamene'i

Yavuz Özoguz

mehr zum Thema siehe Imam Chamene'i

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Imam Khamene'i - Inhaltsverzeichnis

Ein junger Imam-ul-Umma

Imam Khomeinis (r.) junge und frische Gedanken waren nicht nur in seinen zahlreichen politisch-religiösen Entscheidungen deutlich. Er dokumentierte seinen Einsatz für die Zukunft der Umma auch dadurch, dass er seine Personalentscheidungen nicht nach Alterswürden, sondern nach Qualifikation traf. So wählte er den sehr jungen Imam Khamene'i, er war damals gerade 40 Jahre alt, zum Leiter des Freitagsgebets der Haupt­stadt des Islamischen Staates.

Als Imam Khamene'i zum Oberhaupt der Islamischen Revolution und damit zum Imam-ul-Umma ernannt wurde, war er erst 50 Jahre alt. Ein bereits kurzer Überblick über diese Zeit verdeut­licht ein erstaunliches Leben.

Imam Seyyid Ali Khamene'i wurde am 19. April 1939 als Sohn einer Gelehrtenfamilie, welche direkt vom Prophetenenkel Imam Husain (a.) abstammt, in der heiligen Stadt Maschhad, der Hauptstadt der Provinz Chorasan, geboren. Sein 45 Jahre älterer Vater, Hadschi Seyyid Dschawad Khamene'i (r.), war einer der ange­sehenen Gelehrten der Stadt im Rang eines Mudschtahid. Seine Mutter ist ebenfalls in einer Gelehrten­familie auf­ge­wachsen. Und der Großvater Imam Khamene'is war der in der Stadt Nadschaf (Irak) lehrende Ayatollah Seyyid Hussain Khamene'i (r.).

Imam Khamene'i beschreibt die Zeit seiner Kindheit selbst so [7]: "Die Zeit meiner Kindheit war unter sehr schweren Um­ständen, insbesondere weil die Zeit in die Jahre des (zweiten) Weltkrieges fiel. Obwohl Maschhad zum Kriegsgebiet gehörte, waren die meisten Dinge im Vergleich zu den anderen Städten leichter zu erhalten und preiswerter. Weil aber unsere finan­zielle Situation sehr schwierig war, konnten wir uns kein Wei­zenbrot leisten. In der Regel gab es bei uns Gerstenbrot. Manchmal wurde ein wenig Weizen hinzugemischt und ein Mischbrot gebacken. Ich bin im Armenviertel von Maschhad in einem Haus mit einem einzigen 60 oder 70 m2 großen Zimmer und einem dunklen Keller geboren und groß geworden.

(Da mein Vater der Gelehrte des Viertels war), hatten wir sehr viele Gäste. Wegen der räumlichen Enge in unserem Haus gingen wir (Kinder) bis zum Abschied der Gäste immer in den Keller. Nachdem uns die Bevölkerung des Viertels ein kleines benachbartes Grundstück vermacht hatte, bauten wir zwei Zimmer an unser Haus an und hatten somit drei Zimmer. Was die Kleidung betraf, lebten wir mit den gleichen Schwierig­keiten. Meine Mutter nähte etwas aus den alten Kleidern mei­nes Vaters, damit wir es anziehen konnten."

Imam Khamene'i musste oft mit leerem Magen zu Bett gehen. Es war immer schwierig für seine Mutter gewesen, genügend Brot für die elfköpfige Familie zu bekommen. Sein Vater zog seinen einzigen Aba (religiöses Gewand) 40 Jahre lang an. Auch in besseren Zeiten bewahrte er seine Unabhängigkeit von materiellen Dingen: Als die Mutter einmal darum bat, die Jahrzehnte alten Gardinen in den drei Zimmern auszuwechseln, stimmte der Vater zu, allerdings bis auf die Gardinen in sei­nem Arbeitszimmer. Diese durften Zeit seines Lebens nicht ausgewechselt werden.

Mit vier bis fünf Jahren ging Imam Khamene'i mit seinem älteren Bruder Seyyid Muhammad in eine Qur'an-Schule und wurde einige Jahre später in die religiöse Schule namens Dar-ut-T'alim-i-Diyanet (Haus der religiösen Ausbildung) einge­schult. Diese Schule wurde von den Gläubigen in einer Zeit gegründet, in welcher der damalige Schah Reza Khan großen Druck auf die Muslime ausübte. Das Ziel der Lehre in diesen Schulen war, die religiöse Ausbildung der Kinder der Gläubi­gen zu gewährleisten, zumal die staatlichen Schulen sich im­mer mehr vom Glauben abwandten. Der Abschluss der religiö­sen Schulen wurde dementsprechend staatlich nicht anerkannt.

Nachdem Imam Khamene'i sechs Jahre an dieser Schule ge­lernt hatte, erzielte er die Abschlüsse für die Grundschule, die Mittelstufe (heute Orientierungsstufe), und bereits innerhalb von 2 Jahren erhielt er den Oberstufen-Abschluss (entspricht einem Gymnasium vor der Oberstufe), weil er eine Klasse übersprang. Hierfür lernte er bis spät in die Nacht unter schwe­ren Umständen. Weil Imam Khamene'i auch nach dem Abend- und Nacht-Gebet lernen wollte, bat seine Mutter um zwei Petroleum-Lampen. Der Vater entgegnete, dass das reiche, was sie haben (nämlich nur Kerzen). Erst nach Drängen der Mutter wurden zwei Petroleum-Lampen gekauft. Sie existieren heute noch in diesem Haus.

Nach der Oberstufe wurde Imam Khamene'i in die Schule Suleyman Khan (eine Mischung aus Oberstufe des Gymnasi­ums und Universität) eingeschrieben und begann sein Studium der arabischen Sprache und Sprachwissenschaft. Mit 14 Jahren las er bereits einige Meisterwerke der arabischen Sprache und nahm nun auch an dem Unterricht seines Vaters teil, den dieser für Gelehrtenschüler gab. Bis zum Abschluss seiner neuen Schule lernte er auch Fiqh (islamisches Recht), Usul-u-Fiqh (Prinzipien der Rechtsfindung), Mantiq (Logik) und vieles mehr.

Nach einem Zwischenabschluss der Hochschule (vergleichbar dem Vordiplom) durfte Imam Khamene'i mit 16 Jahren an dem exklusiven Unterricht über die letzte Stufe der Rechtsfindung in Fiqh (Darse Kharedsch) und Usul-ul-Fiqh von Ayatollah Milani (r.) teilnehmen. Es sei bemerkt, dass so große Gelehrte wie Ayatollah Milani (r.) ihre Schüler für einen derartigen Unterricht selbst aussuchen. Und es ist äußerst selten, dass ein Sechzehnjähriger an dem exklusiven Unterricht eines solch großen Gelehrten teilnehmen darf. Imam Khamene'i nahm außerdem am Unterricht der großen Gelehrten Ayatollah Kaze­rulni (r.) und Ayatollah Mirza Dschavad Agha Tehrani (r.) im Bereich Philosophie teil.

Imam Khamene'i bezieht den Erfolg während seiner Ausbil­dung auf die großen Mühen seines Vaters und beschreibt es so: "Mein Vater besaß ein sehr umfangreiches Wissen. Er unter­richtete mich seit meinen ersten Studien im Bereich der Islam­wissenschaften. Aufgrund seiner großen Verbundenheit zu unserer islamischen Ausbildung und Erziehung unterrichtete er meinen älteren Bruder, mich und später auch meine jüngeren Geschwister selbst. Deshalb stehen wir alle, aber insbesondere ich, tief in seiner Schuld. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte ich zahlreiche Erfolge im Fiqh und Usul-ul-Fiqh nicht erringen können. Bevor ich nach Qum gegangen bin, nahm ich neben dem Unterricht meines Vaters auch an den öffentlichen Ver­anstaltungen an der religiösen Hochschule in Maschhad teil. In den Sommerferien erteilte uns unser Vater als Ersatz für die fehlenden öffentlichen Lehren nun zusätzliche Unterrichts­stunden". In seinem Vater sah Imam Khamene'i immer den strengen und verantwortungsvollen und gleichzeitig liebenden Wegbereiter seiner Entwicklung, die von der liebevollen Mut­ter jederzeit unterstützt wurde.

In der Zeit des Schah-Regimes im Iran war Imam Khamene'i ein aktiver Kämpfer für die Befreiung der Muslime. Den Be­ginn seiner politischen Laufbahn bringt Imam Khamene'i selbst in Zusammenhang mit seiner Begegnung mit dem Gelehrten Nawab Safawi (r.) in den Jahren 1952-1953. Imam Khamene'i selbst bezeichnet diese Hinwendung als "Führung durch eine verborgene Kraft". Eines Tages hörte er die feurige Rede von Nawab in der Moschee. Darin erwähnte dieser, dass die Musli­me erwachen und das Komplott und die Intrigen des Schahs und der Briten offen zur Sprache bringen müssten. Imam Kha­mene'i hörte Nawab sagen: "Die Regierenden dieses Landes sind alle Lügner. Sie sind keine Muslime". Seit dieser Zeit wuchs in Imam Khamene'is Herz unaufhörlich die Hoffnung der Islamischen Revolution, und Imam Khamene'i selbst äußer­te, dass er diese Hoffnung dem gesegneten Nawab verdanke.

In den Jahren 1954-1955 begann im Iran ein aktiver Wider­stand gegen das damalige Regime. Zu der Zeit war ein Mann namens Farruh als Provinzleiter nach Maschhad entsandt wor­den. Dieser Mann hatte überhaupt nichts mit dem Islam zu tun. Ursprünglich war es in der Stadt üblich gewesen, dass in den Monaten Muharram (erster und geschichtlich tragisch belasteter Monat im islamischen Mondkalender) und Safar (zweiter Mo­nat) die Kinos in Maschhad geschlossen blieben. Der neue Gouverneur beschloss, die Kinos bereits am 14. Muharram wieder öffnen zu lassen, und erst nach massiven Protesten verlängerte er die Frist bis zum 20. Muharram. In dieser Zeit begann Imam Khamene'i die Muslime während seiner Ver­anstaltungen dazu aufzufordern, das Gute zu gebieten und das Schlechte zu verwehren und abzuwehren (Al-amr-bil-ma'ruf wan-nahi-an-el-munkar).

Vom Anfang seiner religiösen Hochschulausbildung an war Imam Khamene'i sowohl Student als auch Lehrer. Insbesondere in seinen Jahren in Maschhad, also bis 1958, lehrte und lernte er gleichzeitig in den Fächern Sarf und Nahw (Morphologie und Syntax, d.h. Formen- und Satzlehre), Ma'ani (Stilistik), Bayan (Lehre vom Vergleich der Metapher), Usul-ul-Fiqh und Fiqh.

Im Jahr 1957 ging er zu Besuchszwecken für eine kurze Zeit nach Nadschaf (Irak), und die dortige Situation gefiel ihm nach eigenen Angaben so gut, dass er einige Zeit an der dortigen Hochschule bleiben wollte. In Nadschaf traf er so große Ge­lehrte wie Ayatollah Hakim (r.), Ayatollah Khu'i (r.), Ayatollah Schahrudi (r.) und viele andere mehr. Und nach Imam Khame­ne'is eigenen Aussagen erfreute er sich am meisten der Lehren von Ayatollah Hakim (r.), dem Vater der großen Gelehrten­familie im Irak[1]. Imam Khamene'i bat seinen Vater in einem Brief um Erlaub­nis, weiter in Nadschaf zu studieren, aber sein Vater war damit nicht einverstanden, so dass er zurückkehrte.

Im Jahr 1958/59 schloss Imam Khamene'i seine "Dars-e-Kha­ridsch" (höchste Stufe der islamischen Ausbildung) bei seinem großen Lehrer Ayatollah Milani (r.) ab. Es ist kaum bekannt, dass ein anderer Gelehrter diese hohe Stufe der Lehre bereits mit 20 Jahren abgeschlossen hat.

Bald darauf ging er mit der Erlaubnis seines Vaters nach Qum. Dort lehrte und lernte er wiederum gleichzeitig. Hier hatte er so große Lehrer wie Ayatollah Borudscherdi (r.), Ayatollah Scheich Murtaza Ha'eri (r.) und vor allem Imam Khomeini (r.). Er verpasste keine Unterrichtsstunde von Imam Khomeinis Lehren über Fiqh und Usul-ul-Fiqh. Im philosophischen Be­reich nahm er an den Vorlesungen von einem der größten Philosophen und Qur'an-Interpreten unserer Zeit Ayatollah Allamah Tabataba'i (r.) teil (siehe z.B. [8]). Bereits 1960, also mit nur 21 Jahren war Imam Khamene'i in der Gelehrtenstadt Qum nicht als Schüler, sondern vielmehr als ein angesehener Ge­lehrter bekannt.

Die politischen Aktivitäten der Schah-Gegner steigerten sich in der Zeit nach 1962. Die Gelehrten und Schüler der religiösen Hochschulen verbreiteten furchtlos und mit großer Auf­rich­tig­keit die Worte Imam Khomeinis (r.) und anderer großer Ge­lehrter im ganzen Volk. Imam Khamene'i erhielt dabei sehr oft die schwierigsten Aufgaben übertragen. So sollte er unter ande­rem in der Stadt Birdschand, der Stadt des Regierungschefs des Schahs, eine Rede halten. Gleichzeitig war er der Vertraute von Imam Khomeini (r.), der einige sehr wichtige Briefe von diesem an Ayatollah Milani (r.) in Maschhad überbringen sollte, in denen er unter anderem zu einem Massaker des Schah-Regimes am Aschura-Tag[2] Stellung nahm.

 Imam Khamene’i nach seinen Festnahmen

 Am siebten Tag des Muharram im Jahr 1963 hielt der nun 24-jährige Imam Khamene'i in der Feyziye Madrasa (islamische Hochschule von Qum) eine derart wirkungsvolle Rede gegen das Schah-Regime, dass die Agenten des Diktators ihn festneh­men wollten. Die ergriffene Menge umringte Imam Khamene'i so dicht und so eng, dass die Agenten nicht durchkamen, und erfolglos blieben. Zwei Tage später stand Imam Khamene'i wieder auf der Minbar (Kanzel) und hielt eine noch ergreifen­dere Rede. Dieses Mal wurde Imam Khamene'i, nach einigen Berichten zum ersten Mal während seines unermüdlichen Ein­satzes für die Revolution festgenommen. Er blieb jedoch auf­grund des enormen Druckes der Muslime auf das Schah-Regi­me nur für zehn Tage im Gefängnis. Kaum wieder auf freiem Fuß, sammelte er seine Schüler und organisierte die Aufklä­rung des Volkes durch weitere Vorlesungen und Vorträge.

Imam Khamene'is Unerschrockenheit wird durch ein Ereignis sehr deutlich: Im Monat Ramadan 1963 wurde der verhasste Minister­präsident des Schahs namens Hasan Ali Mansur getötet. Imam Khamene'i hielt gerade einen Unterricht über Qur'an-Tafsir (Qur'an-Auslegung), als die Nachricht erwähnt wurde, worauf die Schüler ein leises Salawat (Gruß an den Propheten) riefen. Daraufhin sagte Imam Khamene'i deutlich zu seinen Schülern: "Heute ist Mansur getötet worden, ruft doch ein lautes Salawat".

Bereits im darauf folgenden Monat Ramadan, als er eine Rede anlässlich des Geburtstages von Imam Hasan (a.) gehalten hatte, wurde er wiederum vom berüchtigten Geheimdienst SAVAK festgenommen und in das schlimmste Gefängnis von Teheran deportiert, das den Namen "Qezel Qala" (Rote Burg) trug. Dort wurde er nahezu zwei Monate lang auf die verschiedensten Arten gefoltert. Nach der Freilassung war seine erste Tat ein Besuch bei Imam Khomeini (r.), der zu dieser Zeit in einem anderen Gefängnis in Teheran gefangen gehalten wurde. Diese Unerschrockenheit und sein offener Einsatz für die Wahrheit führten u.a. dazu, dass Imam Khamene'i in der Zeit von 1963 bis zum Sieg der Islamischen Revolution (1979) sechsmal fest­genommen, insgesamt drei Jahre eingesperrt und sehr oft gefol­tert wurde.

1964 verlor sein Vater aufgrund einer schweren Krankheit die Sehkraft. Mehrere Versuche, ihn zu heilen, schlugen fehl. Selbst der Versuch Imam Khamene'is, seinen Vater durch die damals zumeist in Teheran befindlichen Spezialisten zu heilen, führten zu keinem Erfolg. So beschloss Imam Khamene'i nach Maschhad zurückzukehren, um seinen Vater zu pflegen, ob­wohl ihn mehrere Gelehrte baten, in Qum zu bleiben.

Die Entscheidung fiel ihm sehr schwer. Würde er Qum verlas­sen, so würde ihm die Basis seiner Lehre und Weiterentwick­lung entzogen werden. In diesem schweren Gewissenskonflikt wandte er sich an einen Gelehrten seines Vertrauens (dessen Namen er allerdings nicht nennt). Er schilderte ihm die Situa­tion seines Vaters und die schwierige Entscheidung, vor der er steht. Der Gelehrte fragte ihn, ob nicht seine Geschwister die Pflege übernehmen könnten. Imam Khamene'i bedauerte, dass diese nicht die Gelegenheit dazu hätten, und er es deshalb als seine Pflicht betrachte, seinen Vater zu pflegen. Darauf emp­fahl der Gelehrte ihm, seine von ihm so empfundene Pflicht zu erfüllen und den Rest Allah zu überlassen. Wenn er schon, um Allahs Willen zu erfüllen, nicht mehr in der Gelehrtenstadt Qum verbleiben könnte, so ist es für Allah doch leicht, die Möglichkeiten von Qum nach Maschhad zu bringen. Dement­sprechend schlug der Gelehrte ihm vor, ein Abkommen mit Allah zu schließen: Wenn er um Allahs Willen seinen Vater pflegt und dafür gezwungenermaßen nach Maschhad fährt, dann sollte er Allah bitten, die Möglichkeiten von Qum für ihn nach Maschhad zu bringen. Diese Worte stärkten Imam Kha­mene'is Ent­schei­dung, und er kehrte mit seinem Vater zurück in ihr Haus in Maschhad. In einer Rede, nachdem er zum Imam-ul-Umma ernannt worden war, führte er die zahllosen Gnaden Allahs in seinem Leben vor allem auf diese Entschei­dung in seiner Jugend zurück; die Geschichte wurde von ihm im Zusam­menhang einer Rede über die islamische Ehrung der Eltern erwähnt.

Zurück in seiner Heimatstadt lehrte er nun insbesondere in den Fächern Makasib (Erfolgslehre), Qiyafeh (Ausdruckskunde), Tafsir (Lehre der Auslegung) und Aqa'id (Erkenntnislehre/ Glaubensprinzipien). Einer seiner Schüler Hodschat-ul-Islam Amoli sagte sinngemäß zu Imam Khamene'is Art zu lehren: "Seine Methode, uns Gelehrte zu erziehen, hatte 5 Prinzipien: Erstens gab er dem Schüler immer das Gefühl der Selbständig­keit und Gleichwertigkeit. Der einzige Unterschied (zwischen ihm und uns) war das Übermaß seines Wissens, seine besonde­ren Gedanken und sein überragendes moralisches Benehmen. Sonst hätte man während des Unterrichts den Professor von den Studenten nicht unterscheiden können, zumal er auch ab­wechselnd Sitzungsleiter gewählt hatte, so dass seine Studenten sich entwickeln konnten. Zweitens war er immer sehr bemüht, dass seine Schüler bei Entscheidungs­prozessen nicht emotional gelenkt wurden, sondern fundiertes Wissen erreichten. Bei der Qur'an-Interpretation wurde Spontanität unterdrückt und die Forschungsfähigkeit unter­stützt. Drittens war er selbst ein praktisches Vorbild für seine Schüler. Er hat immer mehr gehandelt als geredet. Viertens versuchte er seine Schüler immer in der Gemeinschaft und gemeinschaftlich zu erziehen, um Kooperation und kollektives Handeln zu fördern. Fünftens bemühte er sich, dass seine Schüler auch selbständiges Arbeiten lernten und ihren eigenen Anteil (Einfluss) bei gemeinschaftli­chen Arbeiten hatten". Es sei hier noch erwähnt, dass der Leh­rer sich vom Alter her nur wenig von seinen Schülern unter­schied.

Neben der Ausbildung von islamischen Gelehrten widmete sich Imam Khamene'i auch sehr gerne den Kindern. Ein Moschee­diener in Maschhad erzählte (sinngemäß übersetzt): "Die Kin­der wurden nach der Ausbildung des Qur'an-Lesens belohnt. Die Besten erhielten einen Anzug oder ein Fahrrad (aus Spen­den), und alle wurden beschenkt. Selbst ich habe als Analpha­bet durch das bloße Zuhören beim Unterricht mehr als die Hälfte des Qur'ans auswendig gelernt".

Noch im gleichen Jahr (1964) wurde eine erste geheime Ver­einigung der großen Gelehrten unter Mitwirkung von Imam Khamene'i organisiert. Unter diesen großen Gelehrten waren Namen wie Ayatollah Meschkini (r.), Schahid Ayatollah Qud­dusi (r.), Ayatollah Rabbani Amlaschi (r.), Ayatollah Rabbani Schirazi (r.), Ayatollah Misbah Yazdi (r.), Ayatollah Azeri Qummi (r.), Ayatollah Ibrahim Amini Nadschafabadi (r.) und viele andere mehr. Imam Khamene'i hätte damals der Sohn der meisten, ja sogar der Enkel einiger der Gelehrten sein können! Mit der Festnahme von Ayatollah Azeri Qummi (r.) im Jahr 1965 und der anschließenden Hausdurchsuchung gerieten alle Mitglieder der Vereinigung in zusätzliche Gefahr, konnten jedoch größtenteils entkommen.

Eine weitere Festnahme Imam Khamene'is, dieses Mal für mehr als vier Monate, erfolgte 1969 nach dem Dahinscheiden von Ayatollah Hakim (r.). Ein Jahr später (1970), als bei den so genannten 2500-Jahresfeierlichkeiten der Schah-Dynastie die Zentrale der elektrischen Stromversorgung explodierte, wurde Imam Khamene'i wiederum festgenommen und dieses Mal viel stärker als zuvor erbarmungslos gefoltert. Doch aus Imam Khamene'i war weder eine Information herauszubekommen, noch konnte seine Entschlossenheit gebrochen werden. Um den steigenden Druck der Bevölkerung nicht anzustacheln, hat das Schah-Regime ihn nach zwei Monaten wiederum freigelassen.

Bei einem seiner Gefangenschaften wurde er aus Sicherheits­gründen mit einer ganzen Kompanie (ca. 100 Soldaten) von Maschhad nach Birdschand verlegt. Die Bevölkerung von Birdschand brachte dem Gefangenen als Liebesbeweis so viel Speise, dass sich die ganze Kompanie davon ernähren konnte. Imam Khamene'i sagte dazu: "Die Liebe der Bevölkerung war die schönste Erinnerung (an die Gefängniszeit)".

Auch im Gefängnis gewann Imam Khamene'i unerwartete Anhänger für die Islamische Revolution. Es gehörte zu der damaligen Zermürbungstaktik des Schah-Regimes, jeweils einen muslimischen Aktivisten mit einem Kommunisten in eine Zelle zu stecken. So erzählt ein kommunistischer Häftling der Schah-Zeit, wie er besorgt erlebte, dass auch in seine Zelle ein islamischer Gelehrter gebracht wurde. Er befürchtete, dass der Geistliche ihm das Leben mit den islamischen Reinheitsgebo­ten schwer machen würde. Aber nichts dergleichen geschah. Sie aßen zusammen, tranken aus dem vorhandenen Becher, und der Geistliche fiel, gemäß den Aussagen dieses Gefangenen, besonders durch seine Freundlichkeit und sein umfangreiches Wissen auch über den Kommunismus auf. Als der Geistliche entlassen werden sollte, bat der Kommunist ihn, einige Dinge zu erledigen. Der Kommunist glaubte nicht daran, dass der Geistliche seinen Bitten nachkommen würde. Doch nach seiner eigenen Entlassung musste er feststellen, dass alles, genau wie er es erbeten hatte, erfüllt worden war. So fand dieser ehemali­ge Kommunist nach eigenen Angaben zum Islam zurück. Der geistliche Zellennachbar war Imam Khamene'i[3].

Bei einer seiner Freilassungen hatte Imam Khamene'i aufgrund der erlittenen Folter im Gefängnis große Magenbeschwerden und konnte nichts essen. Sein Schüler, der ihn abgeholt hatte, hielt bei einem Obstgeschäft und kaufte, ohne Imam Khamene'i zu fragen, ein Kilo Bananen als Magenberuhigung. Bananen waren damals ein Luxusartikel im Iran, da sie importiert wer­den mussten und waren deshalb sehr teuer. Als der Schüler seinem erkrankten Lehrer eine Banane anbot, fragte dieser nach dem Preis. Nachdem er den Preis erfahren hatte, fragte er rhetorisch nach: "Können die einfachen Leute sich auch so teures Obst leisten?" Daraufhin verzichtete Imam Khamene'i auf die Banane und gab sie zurück. Auch in einer körperlich geschwächten Situation versucht Imam Khamene'i immer wie­der seine Ideale vorbildhaft vorzuleben. Und er wollte in einer Situation der Armut des überwiegenden Teils der Bevölkerung nicht ein derartiges Luxus-Obst essen.

Imam Khamene'i versucht heute, wie bereits auch früher, Vor­bild in einer bescheidenen Lebensführung zu sein. Ein Schüler erzählte sinngemäß: In Maschhad hielt Imam Khamene'i eine Spezialvorlesung bei sich zu Hause mit 5-6 vertrauten Schü­lern. Da es keinen Teppich im Haus gab, legten eines Tages die Schüler zusammen und kauften einen wertvollen Teppich als Geschenk für ihren Lehrer. Als Imam Khamene'i den mit­gebrachten Teppich sah, wurde er entgegen unserer Erwartung traurig und sagte zu uns: 'Es wäre besser gewesen, wenn Sie mich vorher gefragt hätten. Solche Sachen passen nicht zu unserem Leben!' Um unsere gute Absicht dennoch anzuerken­nen, empfahl er uns stattdessen ein oder zwei dick geknüpfte Kelims (einfache preisgünstige Teppiche) zu besorgen. Dar­aufhin haben wir den mitgebrachten Teppich zurückgebracht und für ein Zehntel des Preises drei Stück Kelims gekauft. Zerstückelte Teile dieser vor nahezu 30 Jahren gekauften Tep­piche habe ich noch vor kurzem in seinem Haus gesehen. Und ein Bekannter von Imam Khamene'i erzählte: "Wir haben vor der Islamischen Revolution einen Hängeleuchter bei ihm auf­gehängt. Als Imam Khamene'i nach Hause kam, fragte er: 'Was soll das sein?' Er wurde betrübt und forderte uns auf, den Leuchter abzuhängen, sonst würde er nicht in das Haus kommen".

Zum besseren Verständnis der Persönlichkeit Imam Khamene'is soll nach diesen Beispielen die Frage aufgeworfen werden, ob er ein "Feind der Lebensgenüsse" ist. Die Antwort lautet: Si­cherlich nicht! Er ist vielmehr ein "Freund der Armen und Entbehrenden"! Er handelt nicht wie viele im Westen nach dem Motto "Brot für die Dritte Welt, aber die Wurst bleibt hier". Imam Khamene'is Ansicht ist, dass er sich mit einer einfachen Lebensweise bescheiden muss, solange es zahllose verarmte Menschen auf Erden gibt, die weder Wurst noch genügend andere Nahrungsmittel haben. Sein aktiver Einsatz für die Armen wird auch im folgenden Ereignis deutlich:

Die Gemeinschaft der Imam-Hasan-Moschee in Maschhad bat Imam Khamene'i, die Leitung der Moschee zu übernehmen, und nach aufrichtigem Drängen der Gemeinschaft willigte Imam Khamene'i ein, stellte allerdings auch eine sehr bedeut­same Bedingung: "Wenn auch nur ein Armer zur Moschee kommt, um zu betteln, dann werde ich die Moschee verlassen". Imam Khamene'i bestand darauf, dass die Moscheegemeinde keinen Bedürftigen vernachlässige, und die Bedürftigen sollten in ihren eigenen Heimen versorgt werden. Denn das Betteln verstößt gegen die Würde des Muslims und der muslimischen Gemeinde, die eine solche Armut zulässt. Außerdem sollte dadurch sichergestellt werden, dass die Moschee nicht zum Bettelhaus herabgewürdigt wird. Die Gemeinde willigte ein und handelte danach.

Imam Khamene'i selbst versuchte durch sehr fortschrittliche Entscheidungen, die Armut auf Dauer zu bekämpfen. Vor seiner Zeit in dieser Moschee war es üblich, die Zakat-ul-Fitr (Armenabgabe zum Ramadan-Fest) in Form von Lebensmitteln den Armen zukommen zu lassen, damit diese wenigstens ein­mal im Jahr ein reichhaltiges Festmahl genießen konnten. Imam Khamene'i erklärte der Gemeinde, dass diese Form der Hilfe eher zur Abhängigkeit als zur Selbstversorgung führt. Daraufhin wurden die Spendengelder gesammelt, und die Ge­meinde ermittelte die Bedürftigen, um ihnen ein Startkapital zur Selbstversorgung zur Verfügung zu stellen. Beispielsweise wurde eine Schubkarre gekauft, mit deren Einsatz sich ein Bedürftiger Geld verdienen konnte.

Im Monat Ramadan des Jahres 1970, also neun Jahre vor der Isla­mischen Revolution, hielt Imam Khamene'i in einer Moschee in Maschhad 25 Tage lang Reden über die Voraussetzungen, Bedingungen und Säulen der Revolution, wobei er u.a. über den "Aufstand (enqelab) der Gelehrten" sprach. Damit war Imam Khamene'i einer der ersten islamischen Gelehrten, die das Wort "enqelab" (Revolution) öffentlich aussprachen.

In der Imam-Hasan-Moschee begann Imam Khamene'i wie­derum auch mit seinem Tafsir-Unterricht (Lehre zur Auslegung des Qur'an). Große Gelehrte wie Schahid Ayatollah Motahhari (r.) und Schahid Ayatollah Dr. Bahonar[4] (beide Opfer der iranischen Terrorgruppen "Forqan" und "Volksmudschaheddin) waren nach eigenen Angaben bei ihren Reisen nach Maschhad sehr beeindruckt über seine Vorlesungen. Einmal hielt Ayatol­lah Motahhari (r.) bei seinem Besuch in Maschhad selbst einen Vortrag vor den Schülern von Imam Khamene'i über die Ver­mischung von islamischen und nichtislamischen Aspekten in der Gesellschaft (siehe hierzu [9]). Nach der anschließenden Diskussion stellte er – sehr erfreut über den hohen Bildungs­stand der Schüler – fest: "Es gibt viele Orte, in denen diese Feinheiten (des Wissens) nicht erkennbar sind, und diese Intel­ligenz nicht spürbar ist, und in Maschhad sind diese Erkennt­nisse durch das segensreiche Wesen unseres verehrten Herrn Khamene'i verbreitet". Der gesegnete Ayatollah Taleghani (r.), der einflussreichste Ayatollah in Teheran vor und während der Islamischen Revolution, insbesondere in der Exilzeit von Imam Khomeini (r.), hatte schon damals festgestellt: "Seyyid Ali Khamene'i ist die Hoffnung für die Zukunft. Wenn ihr nach Maschhad geht, dann besucht ihn unbedingt!". Wie recht sollte er doch behalten.

1971 war das Ableben von Ayatollah Ha'eri (r.), dem Gründer der House Ilmi Qum (traditionsreiches Theologie-Zentrum) und Lehrer von Imam Khomeini (r.). Der große Ayatollah Ha'eri war es gewesen, der lange vor seinem Ableben Imam Khame­ne'i, der damals noch nicht einmal 30 Jahre alt war, als "Ex­perten des Islam in Begabung und Itschtihad (selbständige Rechtsfindung)" bezeichnet hat.

1973 verbrachte Imam Khamene'i wiederum mehrere Monate im Gefängnis. Zeuge der grausamen Folterungen damals war auch Schahid Radschai[5] (r.). Und er bestätigte, dass trotz bruta­ler Vorgehensweise, und obwohl der Geheimdienst mit allen Mitteln versuchte, Belastungsmaterial gegen Imam Khomeini (r.) zu sammeln, kein einziges Wort aus Imam Khamene'i herauszubekommen war. Er sagte: "Ich war in Zelle Nummer 18 und Herr Khamene'i war in Zelle 20. Wir hatten gelernt, uns durch Morsezeichen zu unterhalten. So klopfte ich Signale an meine Nachbarzelle, und dieser gab die Nachrichten jeweils weiter".

In den nächsten Jahren erarbeitete Imam Khamene'i mit mehre­ren Geistlichen einen Plan zur Gründung der "Vereinigung der kämpfenden Geistlichkeit", aus der später die Hezb-e-Dschom­houri-e-Islami (Islamische Republikanische Partei) entstand.

Da Imam Khamene'i, sobald er wieder auf freiem Fuß war, immer unverzüglich seine Aktivitäten aufnahm, wurde er dem­ent­spre­chend immer wieder festgenommen. Nach einer weite­ren Festnahme 1977 durfte er nicht nach Maschhad zurückkeh­ren und wurde in die Stadt Iranschahr und Dschiroft (mit einer großen sunnitischen Gemeinde) verbannt, in der Hoffnung, ihn dort als schiitischen Gelehrten zu isolieren. Auch dort blieb Imam Khamene'i seiner aufgeweckten Seele treu und engagier­te sich in den islamischen Bewegungen. Durch seinen uner­müdlichen Einsatz gelang es, die sunnitischen und schiitischen Gemeinden zur islamischen Einheit und zum einheitlichen Einsatz für den Islam zu gewinnen. Seine späteren Fatwas zum gemeinsamen Gebet von Sunniten und Schiiten sind ein Beleg für diesen unermüdlichen Einsatz zur Einheit der Muslime (siehe [6]).

Im gleichen Jahr ereilte die Stadt Iranschahr eine fürchterliche Überschwemmung durch einen Wolkenbruch. Die Häuser wur­den teilweise unter Schlammassen begraben. Große Teile der Bevölkerung mussten obdachlos in der Wüste Zuflucht suchen. Imam Khamene'i sammelte unverzüglich seine Schüler und organisierte eine sehr erfolgreiche Hilfsaktion. Die Organisa­tion war derart effektiv und hilfreich, dass selbst der damalige SAVAK-Chef der Stadt zu seinen Mitarbeitern voller Neid sagte: "Ihr seid alle so faul und nutzlos. Seht nur, wie ein Verbannter in kürzester Zeit die Lage (für das Volk) verbessert hat." Ähnliche Erfolge erzielte Imam Khamene'i bei einem Erdbeben in Ferdows.

Bei einer anderen Hilfeleistung nach dem Tabas-Erdbeben (nach der Islamischen Revolution) ereignete sich etwas Kurio­ses: Durch eine Verwechselung der Namen bei der Informa­tionsweitergabe dachten die Leute in den Dörfern und Klein­städten, dass Imam Khomeini persönlich anwesend sei. Dar­aufhin strömten die Massen nach Tabas, um den verwechselten Imam Khamene'i zu sehen. Als sie aber diese Verwechslung erkannten, erwiesen sie ihm die gleiche Ehre und Achtung, die sie für Imam Khomeini (r.) empfanden.

Von einer ähnlichen Verwechslung erfuhr Hodschat-ul-Islam Abu Turabi. Er ist einer derjenigen, der am längsten in iraki­scher Gefangenschaft waren. Heute ist er der Vertreter von Imam Khamene'i bei der Organisation zur Hilfe für ehemalige Gefangene. Dadurch hat er viel Kontakt mit den Folteropfern aus den Gefängnissen im Irak. Einer dieser Opfer, namens Ali Golzadeh aus Babol (Nord-Iran), der zehn Jahre in den Ge­fan­ge­nen­lagern Saddams war und zum Invaliden gefoltert wurde, er­zäh­lte ihm von einem Traum im Gefangenenlager: Er sah Imam Khomeini (r.) und Imam Khamene'i beide hell er­leuchtet. Er er­kannte zwar, dass er diese beiden heiligen Perso­nen vor sich hatte, aber durch die gleiche Helligkeit des Lich­tes konnte er beide nicht voneinander unterscheiden. Beide schienen ihm gleich zu sein. Es sei vermerkt, dass dieser Traum aus einer Zeit stammt, in der die iranischen Gefangenen noch in irakischer Gefangenschaft waren.

Imam Khamene'is Verbannung in die Provinz dauerte insge­samt ein Jahr. Auf Druck der Revolutionäre und mit der schwindenden Kontrolle des Schah-Regimes kehrte Imam Khamene'i 1978 nach Maschhad zurück, wo er bis zum Sieg der Islamischen Revolution blieb.

In Maschhad organisierte Imam Khamene'i 1978 die ersten gemeinschaftlichen Aktivitäten der Gelehrten. Hierfür konnten in Zusammenkünften die Gelehrten Ayatollah Rabbani Amla­schi (r.), Ayatollah Mowahhidiye Kermani (derzeitiger Parla­ments­abgeodneter), Ayatollah Beheschti (r.) und Ayatollah Bahonar (r.) motiviert werden.

Wie bereits erwähnt, ging bzw. blieb Imam Khamene'i nach seinen jeweiligen Freilassungen immer wieder in Maschhad. Er stand auch dort unter der ständigen Kontrolle der Agenten des Schah-Geheimdienstes SAVAK. Dennoch führte er unaufhör­lich seine eigenen Studien fort und unterrichtete inzwischen auch selber sehr umfangreich Fiqh und Usul-ul-Fiqh. Insbeson­dere seine Lehren zum Qur'an und zu Nahdsch-ul-Balagha[6] fanden gerade unter jugendlichen Schülern großes Interesse. Er selbst spezialisierte sich in seinen Studien u.a. auf die isla­mische Geschichte, insbesondere das Leben der Ahl-ul-Bait (auserwählte Nachkommenschaft des Propheten).

Ein Ziel von Imam Khamene'is Lehrveranstaltungen bestand auch darin, diejenigen kennen zu lernen, die gottesehrfürchtig und zuverlässig waren, um sie in die islamischen Aktivitäten einbinden zu können. So überprüfte er das Verhalten seiner Schüler auch in ihrer Selbständigkeit. Einmal hatte Imam Khamene'i einen großen Qur'an-Rezitator aus Ägypten eingeladen. Imam Khamene'i, kündigte an, selbst nicht anwesend zu sein, um einen offiziellen Charakter zu vermeiden und beauftragte seine Schüler, die Sitzung durchzuführen. Am nächsten Tag fragte er seine Schüler, warum sie selbst nicht so schön gele­sen hätten, wie sonst? Auf die Frage, woher er das wisse, ohne anwesend gewesen zu sein, erwiderte Imam Khamene'i, dass er stillschweigend in einer Ecke der Moschee gesessen und sie beobachtet habe.

Imam Khamene'i förderte Qur'an-Veranstaltungen und Lesesit­zungen. Bei einer Sitzung gab es ein Ereignis zum Schmun­zeln: Ein begnadeter Leser las den Qur'an derart herzvoll, dass er die Zuhörer begeisterte. Nach jedem Vers ertönte als Lob "Allah, Allah", oder "Allah yaftahu alaik" (möge Allah dir eröffnen) und "Allah yazidak" (möge Allah dich mehren). Ein als ständiger Störenfried der Moschee bekannter Mann kam zu Imam Khamene'i und sagte in seiner Unkenntnis der arabi­schen Sprache: "Wie kann es sein, daß man Yazid[7] in dieser Moschee grüßt? Es wäre doch notwendig, ihn zu beschimpfen". Imam Khamene'i antwortete ihm sinngemäß: Seien Sie unbe­sorgt, die Menschen meinen, 'möge Allah Yazid verfluchen'.

Um Imam Khamene'i von seinen Schülern zu isolieren, verbot die SAVAK ihm immer wieder die Lehrveranstaltungen und stellte ihn unter Hausarrest. Auch die Veröffentlichung seines Buches "Die Zukunft gehört dem Islam" führte zu zahlreichen Festnahmen von Verlegern und Druckern.

Unter seinen Werken befinden sich zahlreiche von der SAVAK verbotene Schriften wie[8]:

-          Die Zukunft gehört dem Islam

-          Die Muslime in der indischen Befreiungsbewegung

-          Eine kritische Betrachtung der westlichen Zivilisation

-          Die größte Heldentat der Geschichte – Das Friedens­ab­kommen von Imam Hasan (a.)

-          Die Grundlage der islamischen Denkweise im Qur'an [10]

-          Die Tiefen der täglichen Gebete (Gottesdienste) [11]

-          Die wahre Bedeutung des Islam

-          Das Leben von Imam Sadiq (a.)

-          Lehren aus "Nahdsch-ul-Balagha" zum Imamat [12]

-          Dschihad (Vorlesung seines Exklusiv-Unterrichts)

-          Das Licht der Führerschaft (Wilayah)

-          Fragen und Antworten in fünf Bänden

-          Die vier Hauptwerke des Ilm-i-Ridschal (Die Lehre der Persönlichkeiten)

-          Die Lichtstrahlen

-          Die feindlichen Gruppen gegen die Imame und die islamische Revolution

und das Werk: "Unsere Situation", welches Imam Khamene'i gemeinsam mit Schahid Ayatollah Beheschti (r.), Schahid Dr. Bahonar (r.) und Hodschat-ul-Islam Rafsandschani verfasst hat. Darüber hinaus schreiben seine Anhänger nach und nach immer mehr seiner Vorlesungsmitschnitte vom Tonband ab und ver­öffentlichen diese, z.B. das Buch über Sabr (Geduld, Standhaf­tigkeit) [13].

In den entscheidenden Tagen während der Islamischen Revolu­tion wurde Imam Khamene'i auf Vorschlag von Ayatollah Motahhari (r.) in den von Imam Khomeini (r.) gegründeten Revolutionsrat aufgenommen. Dazu sagte Imam Khamene'i später: "Der gesegnete Ayatollah Motahhari hat mich unzäh­lige Male in Maschhad angerufen und mich gebeten, nach Teheran zu kommen. Aber aufgrund der großen Aufgaben in Maschhad und der hohen Verantwortung, die auf mir lastete, habe ich es nicht geschafft, nach Teheran zu kommen. Als ich aber den Befehl des damals in Paris befindlichen Imam Kho­meini (r.) erhielt, nach Teheran zu wechseln, habe ich Masch­had verlassen. In Teheran angekommen sollte ich an einer Veranstaltung im Haus von Ayatollah Motahhari teilnehmen. Dort waren alle Mitglieder des Revolutionsrates[9] anwesend. Auf dieser Veranstaltung erfuhr ich, dass auch ich Mitglied des Revolutionsrates bin; ich hatte vorher nichts davon gewusst." Imam Khamene'i war der einzige in Abwesenheit zum Mitglied ernannte Gelehrte des Revolutionsrates.

Bei der Übersiedlung nach Teheran stellte Imam Khamene'i sein Haus in Maschhad seinem Bruder zur Verfügung mit der Bitte, es für ihn zu verkaufen. Der daraufhin beauftragte Mak­ler schlug vor, das Haus erst äußerlich zu renovieren und es dann zu verkaufen, um einen größeren Gewinn zu erzielen. Imam Khamene'i lehnte diesen Vorschlag ab und bestand dar­auf, das Haus im bestehenden Zustand zu verkaufen und es auf keinen Fall zu renovieren, weil so eine äußerliche Renovierung einem Betrug entspräche. Der Makler kommentierte diesen Entschluss mit den Worten: "So einen Typ habe ich noch nie gesehen. Er kann doch sein Haus nicht in so einem äußeren Zustand verkaufen". Doch ein ausschließlich auf materiellen Gewinn ausgerichtetes Denken widerspricht Imam Khamene'is Lebensweise. Tatsächlich fand sich kein Käufer für das Haus, so dass Imam Khamene'is Bruder das Haus übernahm und lange Zeit selbst darin wohnte.

In der Zeit, als der Sieg der Islamischen Revolution nahte, hatte Imam Khamene'i die verantwortungsvolle Aufgabe, die Worte und Botschaften von Imam Khomeini (r.) dem Volk zu übermitteln und der Propaganda der Feinde entgegenzuwirken. Er leitete diese Aufgabe aus einer religiösen Schule, der Rafah Madrasa (Schule des Heils) in Teheran.

Kurz vor dem Sieg der Islamischen Revolution galt es noch, eine sehr große Gefahr abzuwenden. Rund 500 Kommunisten hatten sich in der General Motors Fabrik auf dem Weg nach Karadsch (nahe bei Teheran) versammelt und formiert. Bei ihnen waren auch viele Arbeiter, die zwar ideologisch keines­wegs kommunistisch orientiert waren, aber durch die Forderun­gen der Kommunisten angezogen wurden. Zwar wären die Kommunisten auf sich selbst gestellt insgesamt chancenlos gewesen, aber das untergehende Schah-Regime sah in der heimlichen Unterstützung dieser Islamfeinde eine Chance, als lachender Dritter weiter überleben zu können. Durch verteilte Flugblätter wurden weitere Arbeiter aufgefordert, zur Fabrik zu kommen. Die Nachricht von dieser Versammlung erreichte auch das islamische Zentrum in der Rafah Madrasa. Mehrere Gelehrte des Zentrums fuhren zur Fabrik, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen, aber außer der Feststellung, dass die Arbeiter angefangen hatten, sich zu bewaffnen, konnten sie nichts ausrichten.

Imam Khamene'i, im Bewusstsein der großen Gefahr für die Islamische Revolution, nahm nun die Verantwortung auf seine eigene Schultern. Er fuhr mit einer Reihe seiner Schüler zum Ort des Geschehens. Sie kamen am Nachmittag in der Fabrik an. Nach vielen Diskussionen und schweren Auseinander­setzungen erreichte Imam Khamene'i das Podium, übernahm das Mikrofon und begann auf die Vielzahl der Fragen, die im Zusammenhang mit der bevorstehenden Islamischen Revolu­tion gestellt wurden, zu antworten. Dabei verurteilte er uner­schrocken die kommunis­tische Ideologie. Die Kommunisten, die ihre Position schwin­den sahen, fingen an, laut ihre Märsche zu singen, um die Rede von Imam Khamene'i zu stören. Diese Auseinan­dersetzung dauerte bis zur Zeit des Abendgebets. Als es anfing dunkel zu werden, unterbrachen die Kommunisten die Stromversorgung. Um in diesem Durcheinander die Musli­me und diejenigen, die zumindest ein Mindestmaß an Glauben hatten, von denjenigen zu trennen, die offen dem gottlosen Kommunismus anhingen, riefen die Muslime den Azan (Ge­betsruf) und sammelten sich im Garten der Fabrik zum Abend­gebet. Die Entwirrung der Situation dauerte über zwei Stunden, bis dann endlich die Gläubigen unter der Leitung von Imam Khamene'i im Garten ihr Abendgebet verrichteten. Die Mehr­zahl der Arbeiter schloss sich dem Gebet an, so dass das geplan­te Komplott der Kommunisten ins Leere lief. Nach dem Gebet, so wird berichtet, hat Imam Khamene'i sieben Stunden lang auf die Arbeiter eingeredet und ihnen den Sinn und die Ziele der Islamischen Revolution nahe gebracht. Am darauf folgenden Morgen wurden die Kommunisten von der Mehrzahl der Ar­beiter vom Fabrikgelände verjagt. Somit wurde eine weitere Gefahr für den Sieg der Islamischen Revolution gebannt.

Nach dem Sieg der Islamischen Revolution war Imam Khame­ne'i u.a.:

-          der persönliche Vertreter von Imam Khomeini (r.) im Hohen Verteidigungsrat (März 1979),

-          der Vertreter des Hohen Revolutionsrats im Vertei­di­gungs­­ministerium und Stell­ver­tre­ten­der Verteidi­gungs­minister (10.8.1979),

-          Kommandeur des Korps der Revolutionswächter (1.12.1979),

-          Berater Imam Khomeinis (r.) im Obersten Verteidi­gungsrat (11.5.1980),

-          Staatspräsident (3.10.1981),

-          Generalsekretär der Islamisch Republikanischen Partei,

-          Mitglied des von Imam Khomeini (r.) ernannten Ver­fas­sungsreform-Ausschusses (25.4.1989) und, wie bereits erwähnt,

-          Freitags-Imam von Teheran (seit dem 19.1.1980).

Imam Khamene’is Ausweis als Revolutionswächter

Unmittelbar nach dem Sieg der Islamischen Revolution und der anschließenden Befreiung des Radio-Senders war der erste ausgestrahlte Beitrag (am 11.2.1979) ein Artikel von Imam Khamene'i mit dem Titel: "Pas as nochustin piruzi" (nach dem ersten Sieg). Es war ein Artikel aus einer vorrevolutionären Zeitschrift. Imam Khamene'i hatte bereits frühzeitig für die Zeit nach dem Sieg der Islamischen Revolution vorgearbeitet.

Am 15.3.1980 wurde Imam Khamene'i mit ca. 1,4 Millionen Stimmen zum Parlaments­abgeordneten für den Bezirk Teheran gewählt. Kein Parlamentsabgeordneter hat bis heute jemals wieder so viele Stimmen auf sich vereinigen können, und das obwohl es heute mehr als doppelt so viele Stimmberechtigte im Iran und auch in Teheran gibt.

Zum Staatspräsidenten wurde Imam Khamene'i am 3. Oktober 1981 mit 16.846.966 Stimmen, also ca. 95 % der abgegebenen Stimmen gewählt. Imam Khamene'i selbst war gegen seine eigene Kandidatur gewesen! Er war gerade erst aus dem Kranken­haus (siehe nächstes Kap.) entlassen, da wurde er darüber aufgeklärt, dass in der schwierigen Situation der Revolution kein anderer die Verantwortung übernehmen würde und könn­te. Bei seiner Wiederwahl war es anders, es gab namhafte Gegenkandidaten, die frühzeitig ihre Kandidatur bekannt gaben und entsprechend für ihre Wahl warben. Imam Khamene'i selbst wollte gar nicht kandidieren. Bis zuletzt hielt er seine Kandidatur zurück und warb auch nicht für seine Wiederwahl. Aber Imam Khomeini (r.) selbst wies seinen Schüler darauf hin, dass es seine Verpflichtung sei, zu kandidieren. Er sagte: "Es ist Ihre Pflicht. Das heißt, es ist keine Pflicht, die man an einen anderen delegieren könnte (wadschib-e-kefa'i), es ist Ihre ganz spezifische Pflicht (wadschib-e aini)". Und aufgrund dieser Aussage seines geliebten Lehrers mochte Imam Khame­ne'i die Last der Verantwortung nicht von seinen Schultern abwerfen. Kurz vor Anmeldeschluss kandidierte er. Auch bei dieser zweiten Nominierung wurde er am 20.8.1985 mit einer überwäl­tigenden Mehrheit[10] wieder gewählt. Die Gegenkandi­daten waren absolut chancenlos.

 

Imam Khomeinis Schüler Imam Khamene’i

Imam Khamene'i wurde am 19.1.1980 durch Imam Khomeini (r.) zum Freitags-Imam von Teheran ernannt. Diese Ernennung hatte einen Nebeneffekt, der einigen Beobachtern nicht be­sonders auffiel und später teilweise sogar vergessen wurde. Vor seiner Ernennung zum Freitags-Imam hatte Imam Khame­ne'i den Rang eines hohen Gelehrten erlangt und wurde im ganzen Land als "Ayatollah" betitelt. In allen Veröffentlichun­gen von ihm, die bis zu diesem Zeitpunkt von der Islamisch Republikanischen Partei herausgebracht wurden, war als Autor "Ustad Ayatollah Khamene'i" angegeben. Das Ernennungs­schreiben von Imam Khomeini (r.) an seinen großen Schüler war aber an "Hodschat-ul-Islam" Khamene'i gerichtet. Imam Khomeini (r.) wollte möglicherweise zum einen seinen Schüler testen, und zum anderen ist es durchaus üblich, dass ein höher stehender Ayatollah, seinen eigenen Schüler mit einem niedri­geren Titel anspricht, auch wenn dieser selbst schon ein großer Gelehrter ist. Wie auch immer, führte dieses Schreiben dazu, dass fortan Imam Khamein'i selbst die Bezeichnung "Ayatollah" im Zusammenhang mit seinem Namen nicht mehr zuließ! Als er neun Jahre später zum Imam-ul-Umma ernannt wurde, haben die Gelehrten des Landes ihn gegen seinen Willen wie­derum mit "Ayatollah" betitelt, wobei er diesmal nichts mehr dagegen unternehmen konnte.

Bis zum 29.7.1995 hat Imam Khamene'i das Salat-ul-Dschuma (Freitagsgebet) in Teheran 209 Mal geleitet. Und die Id-Gebete (Festtagsgebete) wurden seither alle[11] von ihm geleitet.

[1] Dutzende der Söhne und Enkel von Ayatollah Hakim, alles große

  Gelehrte, wurden Jahre später von Saddam kaltblütig ermordet.

[2] 10. Tag im islamischen Monat Muharram: Tag des Martyriums von Imam

   Husain (a.) in Kerbela

[3] Imam Khamene'i wusste sehr gut, dass wenn ein Muslim die Ideen vom Materialismus annahm, er es nur deshalb tat, weil er den Islam nicht verstanden hatte. Deshalb versuchte Imam Khamene'i – wie auch in diesem Fall – bei jeder Möglichkeit, die Menschen aufzuklären, auch wenn diese ungläubig schienen.

[4] Ehemaliger Ministerpräsident der Islamischen Republik Iran

[5] Zweiter Ministerpräsident der Islamischen Republik Iran und nach der Absetzung von Bani Sadr zweiter Staatspräsident, kurz danach wurde er Opfer eines Bombenanschlags der Terror­organisation "Volksmudschahedin".

[6] Gesammelte Reden und Schriften von Imam Ali (a.)

[7] Grausamer Diktator in der islamischen Geschichte, er befahl den Mord an Imam Husain (a.)

[8] Eine Quellenangabe erfolgt, soweit eine deutsch- oder englischsprachige   Übersetzung vorlag.

 

[9] Ayatollah Beheschti (r.), Ayatollah Motahhari (r.), Ayatollah Musawi Ardebili, Dr. Bahonar (r.) und Hodschat-ul-Islam Rafsandschani

[10] mit 12.203.870 Stimmen, entsprach 86% (Wahlbeteiligung ca. 71%)

[11] Mit einer einzigen Ausnahme, als er wegen einer Magenoperation im Krankenhaus lag.

 

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