Wille und Vorherbestimmung
Ist nicht das Schicksal jedes Menschen
seit Anbeginn der Existenz festgeschrieben? Oder ist Gottes
Wille und was durch Ihn bestimmt ist, veränderlich? Liegt
darin der Grund, warum Er uns zur Arbeit und zum ständigen
Einsatz anhält?
Ohne Zweifel ist es von Anbeginn Gottes
Wille, dass sich der Mensch sein Leben nach eigenen Wünschen
und freier Entscheidung gestaltet. Über die Bedeutung des
Bittgebets lässt sich Ähnliches feststellen: Gott und Sein
Wille sind zwar unveränderlich, aber derselbe Gott hat
vorgesehen, dass ein großer Teil der irdischen Existenz einem
ständigen “Werdeprozess“ unterworfen ist. Auf diese Weise
kommen unter Einwirkung vorausgehender Phänomene ständig neue
Phänomene zustande. Dadurch kann ich durch mein Wirken oder
eben mein Bittgebet – was selbst eine Form des Wirkens ist –
auf den Werdeprozess Einfluss ausüben, wobei es eben der Wille
Gottes ist, meinem Bemühen die benötigte Kraft (Einfluss
auszuüben) zu verleihen.
Gott, Sein Wissen und Sein Wille
existieren seit Anbeginn. Trotzdem treten jeden Augenblick
neue Phänomene in Erscheinung, für dessen Zustandekommen ich,
mein Wille, meine Aktion und mein Bittgebet von Entscheidung
sind:
„Es bittet Ihn, wer in den Himmeln ist
und auf Erden. Jeden Tag befindet er sich im Einsatz.“
(Heiliger Qur´an 55:29)
Wenn du dich auch in noch so großer Not
befindest, solltest du nicht verzagen und alle Hoffnung
aufgeben. Fass Mut und gib dein Bestes, denn du kannst nie mit
Gewissheit voraussehen, dass es für dein Problem keinen Ausweg
gibt.
„Er ist tagtäglich in jeglichem
Einsatz.“ (Heiliger Qur´an 55:29)
Wie kannst du dich dann geschlagen geben?
Schon morgen kann alles wieder anders aussehen!
Im Heiligen Qur´an gibt es viele
Beispiele für Geschehnisse außerhalb der menschlichen
Vorstellungskraft. Da erfahren wir von den wundersamen Hilfen,
die Moses zuteil kommen (Heiliger Qur´an 20:25-36) oder von
der Erfüllung der Bitte des betagten Zacharias um einen
Nachkommen, obwohl seine Frau unfruchtbar ist (Heiliger Qur´an
19:2-9).
Allein durch diese Beispiele wird
deutlich, dass aus der Sicht des Heiligen Qur´an das Bittgebet
ein wirksames Mittel darstellt: Wie der Schöpfer dieser Welt
innerhalb der Ordnung von Ursache und Wirkung dem Licht, der
Temperatur, der Elektrizität, der Gravitation usw. eine Rolle
zugeteilt hat, oder bestimmte Pflanzen mit besonderer
Heilkraft versehen hat usw., so hat Er auch dem Bittgebet
unter bestimmten Umständen eine besondere Rolle zugeordnet.
Die Wirkung des Bittgebets ist sicher nicht ausschließlich
psychischer Art, worüber vieles heute noch unbekannt ist. Das
Bittgebet hält im Menschen die Hoffnung lebendig, hilft ihm,
seinen Willen zu stärken und in ihm schlummernde Energien
freizusetzen.
Bittgebete üben auch in anderen
Religionen eine ähnliche Funktion aus. Nicht nur in
semitischen, sondern auch in zoroastrischen Quellen begegnen
wir diesem Phänomen. Die Awesta;
sagt über das Bittgebet: „Oh Ahura Mazda,
erfülle denen, die wissend sind und über deren Aufrichtigkeit
und Bescheidenheit du Bescheid weißt, ihre Wünsche. Ich weiß,
dass die Bitte eines Tugendhaften an dich erhört wird.“
Diese Bittgebete unterscheiden sich von
den qur´anischen jedoch darin, dass sie nicht ausschließlich
an den Schöpfer dieser Welt gerichtet sind. Der Heilige Qur´an
gebietet uns, allein Ihn um Hilfe zu rufen und uns davor zu
hüten, unsere Bitten an andere außer Ihn zu richten. Denn wer
immer es sein mag, niemand kann eine Entscheidung treffen,
einem anderen Wesen etwas zu geben oder zu nehmen, es sei denn
durch sein Geheiß:
„Sprich: „Ich rufe einzig meinen Herrn
an und stelle Ihm niemanden zur Seite“.“ (Heiliger Qur´an
72:20)