Gott und die Welt

Gott und die Welt

 Ayatollah Beheschti

Gottesbewusstsein - natürliche Veranlagung?

Wenn Gott nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden kann, so ist er doch instinktiv erfassbar. Im Heiligen Qur´an, Sure 30, Vers 30 lesen wir:

„So richte dein Antlitz auf die Religion als Hingewandter; der natürlichen Veranlagung, mit der Allah die Menschen geschaffen hat. Allahs Schöpfung ist nicht eintauschbar. Das ist die beständige Religion. Allein die meisten Menschen wissen es nicht.“

Zur Frage der instinktiven Erfassbarkeit Gottes sagt Sadr al-Muta'allihin: „... die als notwendig anzusehende Existenz Gottes ist eine Sache der Veranlagung; befindet sich der Mensch z.B. in einer schweren Situation oder verspürt große Angst, dann wendet er sich rein instinktiv seinem Schöpfer zu.“

Im Heiligen Qur´an wird darauf hingewiesen:

„Und wenn sie ein Schiff besteigen, dann haben sie Allah angerufen als Lautere gegenüber der Religion. Bringt Er sie dann aber heil an das Festland, siehe, dann gesellen sie (Ihm) Götter bei“ (Heiliger Qur´an 29:65, vgl. 10:22-23 und 31:32)

Ich glaube eher, dass gerade der oben zitierte Vers ein Hinweis auf die Ohnmacht der Götzen darstellen soll, die die Menschen Gott beigesellen. Es geht weniger um die instinktive Kenntnis des Menschen über Gott als um Seine Einheit. Alle jene werden angeprangert, die sich in einer Notsituation an Ihn wenden, dann aber Seine Gnade vergessen, sobald sie in Sicherheit sind.

Die Verse 31:31-32 wiederum machen den Menschen auf seine undankbare Haltung gegenüber dem Schöpfer aufmerksam und sind als Tadel am Menschen zu verstehen, der Gott leicht vergisst, wenn es ihm gut geht und sich nicht bewusst macht, woher all sein Glück kommt.

Die Verse 7:172-173 behandeln den Bund zwischen Gott und Mensch, den einige Gelehrte als Hinweis auf den instinktiven Glauben an Gott verstehen:

„Und als dein Herr sich den Kindern Adams mit ihren Sprösslingen aus ihren Lenden angenommen hat und sie zu Zeugen gegen Sich Selbst machte: Bin Ich nicht euer Herr?, sagten sie: Doch, wir bezeugen es, damit ihr nicht am Tage der Auferstehung sprecht: Siehe, wir wussten nichts davon. Oder ihr sprecht: Es waren bloß unsere Väter, die vordem Götzendiener waren; wir aber waren Sprösslinge nach ihnen. Willst Du uns denn vernichten um dessentwillen, was die Nichtigen taten?“

Zwischen Gott und den Menschen fand ein Gespräch statt, in dessen Verlauf der Mensch die Existenz seines Schöpfers bezeugte. Am Tag des Jüngsten Gerichts hat der Mensch keine Gelegenheit mehr, die an ihn gerichteten Vorwürfe mit der Berufung auf seine von ihm nicht verschuldete Unwissenheit zurückzuweisen.

In einigen Überlieferungen (Ahadith) des Propheten und seiner Gefährten und der frühen Kommentatoren wird die Meinung vertreten, dass Gott vor sehr langer Zeit einmal alle Nachkommen Adams als winzige Wesen an einem Ort, quasi im Mikrokosmos versammelt habe und jene Seine Existenz bezeugt hätten (Vergleiche hierzu die Interpretation Fachri Radhis, Band 15, 46 bis 49, “Madschma al-Bayan“, Band 4, 497 und “Al-Mizan“, Band 8, 338 bis 346).

Aufgrund der “Winzigkeit“ der Wesen wurde der vermeintliche Ort der Versammlung auch “Welt der Kleinstteilchen“ (Mikrokosmos) bezeichnet. Neuere Qur´an-Kommentatoren haben die “Welt der Kleinstteilchen“ auf die Erbmasse des Menschen bezogen. Sie entnehmen dieser Auslegung, dass der Mensch mit dem Bewusstsein von Gott und Seiner Einheit geboren wird (Vergleiche hierzu “Fiy Dhalal al-Quran“ von Sayyid Qutb, Band 3, 670).

Hasan Basri[1] wiederum will die Welt der Kleinstteilchen auf alle Zeiten bezogen wissen. Der Mensch sei mit einem göttlichen Bewusstsein geboren, das er dann im Laufe seiner Entwicklung vervollkommnen kann. Er kann einen Entwicklungsgrad erreichen, so dass er auf die jeden Menschen innewohnende Frage nach seinem Schöpfer mit einem eindeutigen “Ja“ antworten kann.

[1] Abu Sa'id al-Hasan ibn Abi-l-Hasan Yasar al-Basri, bekannt als Hasan al-Basri (642-728) war ein früher muslimischer Geistlicher, Ausleger des Heiligen Qur´an und galt als Asket.

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