Gottesbewusstsein - natürliche Veranlagung?
Wenn Gott nicht wissenschaftlich
nachgewiesen werden kann, so ist er doch instinktiv erfassbar.
Im Heiligen Qur´an, Sure 30, Vers 30 lesen wir:
„So richte dein Antlitz auf die
Religion als Hingewandter; der natürlichen Veranlagung, mit
der Allah die Menschen geschaffen hat. Allahs Schöpfung ist
nicht eintauschbar. Das ist die beständige Religion. Allein
die meisten Menschen wissen es nicht.“
Zur Frage der instinktiven Erfassbarkeit
Gottes sagt Sadr al-Muta'allihin: „... die als notwendig
anzusehende Existenz Gottes ist eine Sache der Veranlagung;
befindet sich der Mensch z.B. in einer schweren Situation oder
verspürt große Angst, dann wendet er sich rein instinktiv
seinem Schöpfer zu.“
Im Heiligen Qur´an wird darauf
hingewiesen:
„Und wenn sie ein Schiff besteigen,
dann haben sie Allah angerufen als Lautere gegenüber der
Religion. Bringt Er sie dann aber heil an das Festland, siehe,
dann gesellen sie (Ihm) Götter bei“ (Heiliger Qur´an
29:65, vgl. 10:22-23 und 31:32)
Ich glaube eher, dass gerade der oben
zitierte Vers ein Hinweis auf die Ohnmacht der Götzen
darstellen soll, die die Menschen Gott beigesellen. Es geht
weniger um die instinktive Kenntnis des Menschen über Gott als
um Seine Einheit. Alle jene werden angeprangert, die sich in
einer Notsituation an Ihn wenden, dann aber Seine Gnade
vergessen, sobald sie in Sicherheit sind.
Die Verse 31:31-32 wiederum machen den
Menschen auf seine undankbare Haltung gegenüber dem Schöpfer
aufmerksam und sind als Tadel am Menschen zu verstehen, der
Gott leicht vergisst, wenn es ihm gut geht und sich nicht
bewusst macht, woher all sein Glück kommt.
Die Verse 7:172-173 behandeln den Bund
zwischen Gott und Mensch, den einige Gelehrte als Hinweis auf
den instinktiven Glauben an Gott verstehen:
„Und als dein Herr sich den Kindern
Adams mit ihren Sprösslingen aus ihren Lenden angenommen hat
und sie zu Zeugen gegen Sich Selbst machte: Bin Ich nicht euer
Herr?, sagten sie: Doch, wir bezeugen es, damit ihr nicht am
Tage der Auferstehung sprecht: Siehe, wir wussten nichts
davon. Oder ihr sprecht: Es waren bloß unsere Väter, die
vordem Götzendiener waren; wir aber waren Sprösslinge nach
ihnen. Willst Du uns denn vernichten um dessentwillen, was die
Nichtigen taten?“
Zwischen Gott und den Menschen fand ein
Gespräch statt, in dessen Verlauf der Mensch die Existenz
seines Schöpfers bezeugte. Am Tag des Jüngsten Gerichts hat
der Mensch keine Gelegenheit mehr, die an ihn gerichteten
Vorwürfe mit der Berufung auf seine von ihm nicht verschuldete
Unwissenheit zurückzuweisen.
In einigen Überlieferungen (Ahadith) des
Propheten und seiner Gefährten und der frühen Kommentatoren
wird die Meinung vertreten, dass Gott vor sehr langer Zeit
einmal alle Nachkommen Adams als winzige Wesen an einem Ort,
quasi im Mikrokosmos versammelt habe und jene Seine Existenz
bezeugt hätten (Vergleiche hierzu die Interpretation Fachri
Radhis, Band 15, 46 bis 49, “Madschma al-Bayan“, Band 4, 497
und “Al-Mizan“, Band 8, 338 bis 346).
Aufgrund der “Winzigkeit“ der Wesen wurde
der vermeintliche Ort der Versammlung auch “Welt der
Kleinstteilchen“ (Mikrokosmos) bezeichnet. Neuere
Qur´an-Kommentatoren haben die “Welt der Kleinstteilchen“ auf
die Erbmasse des Menschen bezogen. Sie entnehmen dieser
Auslegung, dass der Mensch mit dem Bewusstsein von Gott und
Seiner Einheit geboren wird (Vergleiche hierzu “Fiy Dhalal
al-Quran“ von Sayyid Qutb, Band 3, 670).
Hasan Basri
wiederum will die Welt der Kleinstteilchen auf alle Zeiten
bezogen wissen. Der Mensch sei mit einem göttlichen
Bewusstsein geboren, das er dann im Laufe seiner Entwicklung
vervollkommnen kann. Er kann einen Entwicklungsgrad erreichen,
so dass er auf die jeden Menschen innewohnende Frage nach
seinem Schöpfer mit einem eindeutigen “Ja“ antworten kann.