Faszination Frau

Faszination
Frau im Islam

 Fatima Özoguz und Mihriban Özoguz

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Warum darf eine Frau keine Richterin werden?

Im Islam gibt es fast keinen Beruf, der nicht von beiden Geschlechtern ausgeübt werden darf und kann, selbst wenn es nicht immer sinnvoll oder ästhetisch ist. Dennoch hat der Islam stets großen Wert auf die Stärken und Schwächen der jeweiligen Geschlechter bei der Empfehlung der Berufe berücksichtigt. So brauchen z.B. Frauen keinen Verteidigungsdienst mit der Waffe auszuüben, was hingegen Männern eine Pflicht ist. Niemand käme deshalb auf die Idee, eine solche Regelung wegen Diskriminierung der Frau zu verurteilen. Denn beim Wehrdienst handelt es sich nicht um einen “anzustrebenden“ Beruf für die Gesellschaft, sondern es ist eine sehr schwere notwendige Last, insbesondere im Verteidigungsfall. Und diese Last ist gemäß dem islamischen Modell der Geschlechterrollenergänzung dem Mann aufgetragen. Der Islam empfiehlt z.B. dagegen, den Beruf der Frauenärztin möglichst nur Frauen zu übertragen.

Es gibt zwei “Berufe“, die im Islam im Allgemeinen den Männern als Last auferlegt werden: Der Imam (religiöses Oberhaupt) und Richter, wobei beide “Berufe“ direkt miteinander zusammen hängen. Stellt man die Frage, warum eine Frau denn jene Berufe nicht ausüben dürfe, so wird davon ausgegangen, als wenn jemand den Wunsch haben sollte, jene schwere Lasten auf sich zu nehmen. Eine Person aber, die von sich aus den Wunsch hat, solch eine Last zu tragen, ist ohnehin nicht geeignet für solch eine Verantwortung, unabhängig davon, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt.

Eine sehr eindrucksvolle Erläuterung zum Thema gibt Ayatollah Dr. Beheschti in einem Interview, dass im Folgenden wiedergegeben wird. Ay. Beheschti war langjähriger Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg (1960-1965), sprach deutsch und kannte die westliche Denkweise zu dem Thema. Nach der Islamischen Revolution im Iran kehrte er in seine Heimat zurück und wurde zum Obersten Richter ernannt. Die Fragen und Antworten des damaligen Interviews einer iranischen Frauenzeitschrift werden hier durch aktualisierende Hinweise als Anmerkung in Klammern ergänzt:

Frage: Ein Punkt, welcher in der Gesellschaft zu Debatte steht, betrifft die Frage: Kann in der islamischen Gesellschaft eine Frau das Amt der Richterin ausüben?

Ay. Beheschti: Die Frage, ob die Frau Richterin sein kann oder nicht, gehört zu den Themen, die das islamische Recht betreffen. Entsprechend der Entscheidung der überwiegenden Mehrheit der islamischen Gelehrten, der sunnitischen wie auch der schiitischen, kann eine Frau das Amt der Richterin nicht ausüben, wonach sich auch heute unsere islamische Gesetzesordnung richtet.

Frage: Stehen uns Verse des Heiligen Qur´ans zur Verfügung, die uns darüber, dass der Frau das Recht zur Rechtsprechung nicht erlaubt ist, Auskunft geben?

Ay. Beheschti: In den Versen des Heiligen Qur´ans wird dieser Punkt nicht erörtert, jedoch aus einigen Überlieferungen ist im Zusammenhang mit dem Thema “Richten und Richteramt der Frau“ zu erfahren, dass der Frau das Amt einer Richterin nicht aufgelastet wird, und unsere Rechtsgelehrten haben sich allgemein auf die Überlieferung berufen, gemäß denen eine Frau nicht Richterin sein kann. Jedoch beachten Sie bitte hierbei dieses: Wenn im Hinblick auf ein besonderes Amt eine derartige Bestimmung für die Frau gilt, und diese Aufgabe dem Verantwortungsbereich des Mannes zugeordnet wird, so darf dieses nicht als Diskriminierung oder als Minderbewertung der Frau verstanden oder interpretiert werden. Dieses wäre falsch und nicht gerechtfertigt.

Die Geschichte des Lebens einer Frau und eines Mannes in der Gesellschaft ist nicht die von identischen Leben. Es ist die Geschichte gegenseitiger, gleichwertiger und ausgleichender Rechte. Das heißt, der Mann besitzt diese Rechte, die Frau jene! In ihrer Gesamtheit, im Ergebnis sind sie gleichwertig, übereinstimmend, jedoch im Detail verfügt die Frau über Rechte, die dem Mann nicht zustehen und ebenso der Mann über jene, welche der Frau nicht zugebilligt werden. Zum Beispiel hat die Frau das Recht, dass für ihren Lebensunterhalt gesorgt wird, und der Mann ist verpflichtet, diesen zu sichern und bereitzustellen. Können wir deshalb sagen: Du Mann, dieses widerspricht der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau!? Oder besagt es, dass dem Mann damit ein Unrecht zugefügt wird? Niemals wurde gesagt, dass dadurch den Rechten des Mannes zuwidergehandelt wird, da es ganz zweifellos die natürlichen Bedingungen von Frau und Mann erforderlich machen, dass der Mann für den Lebensunterhalt der Frau verantwortlich sein muss. Denn, wie könnte erwartet werden, dass die Frau, welche viele Monate ihrer besten Lebensjahre schwanger ist und über eine lange Zeit hinweg die Fürsorge für ihre Kinder zu tragen hat, welches in völlig natürlicher Weise geschehen muss, selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen müsse? Es ist völlig natürlich, dass dieses zum Verantwortungsbereich des Mannes gehört.

Folglich sind Unterschiede, die in einigen bestimmten Fällen bestehen, niemals als eine Verneinung der Gleichberechtigung im Sinne der Gleichwertigkeit zu verstehen, das heißt, als Ablehnung eines gleichwertigen, übereinstimmenden Anspruches des Mannes und der Frau auf soziale Rechte.

(Anmerkung dazu: Sollte es z.B. keine Männer in einer Gesellschaft geben, die das Richteramt ausüben können, obliegt diese Aufgabe den geeigneten Frauen. Auch aus dieser Regelung wird Deutlich, dass es sich bei dieser Aufgabe um eine Last handelt, von der Frauen befreit wurden.)

Frage: Wie ist Ihr Standpunkt zur Zeugenaussage der Frau?

Ay. Beheschti: Zu diesem Punkt äußert sich der Heilige Qur´an völlig unmissverständlich! Er sagt: Werden in einem Fall Zeugen notwendig, sollten zwei gerechte Männer oder aber ein Mann und zwei Frauen hinzugezogen werden, wobei als Proportion zwei Frauen an Stelle eines Mannes“ genannt wird, auf dass eine Frau, falls sie in ihrem Zeugnis unsicher werden sollte, durch die andere Frau erinnert werden könnte.[1] Konkret wird dieser Punkt dahingehend erläutert, dass Frauen im Falle einer Zeugenaussage möglicherweise nicht im Besitz der notwendigen Festigkeit sind; insbesondere dann, wenn ihre Aussagen negative Folgen für einen Menschen haben könnte. Dieses entspricht der Erklärung des Heiligen Qur´an. Unser Resümee dazu stützt sich auf das ausgeprägte Wohlwollen, welches der Frau gegeben ist und auf das hohe Maß an Güte, das ihr zu eigen ist! Jedoch eben das, was ihr Vollkommenheit schenkt und welches ihre aufopfernde Fürsorge für ihre Kinder in den verschiedensten Situationen ermöglicht, beispielsweise in Zeiten einer Krankheit in der Säuglings- oder Kleinkindphase, jenes, das ihr selbst im Hinblick auf Schwierigkeiten bei der Kindererziehung oder ähnlichen Komplikationen Ausdauer und Widerstandskraft verleiht, oder aber zum Beispiel, welches jenen Frauen, die in Krankenhäusern Schwesterntätigkeit leisten, die erforderliche Festigkeit und das notwendige Durchhaltevermögen zu ihrem schweren Dienst gibt, eben dieses hohe Maß an Güte und Mitgefühl, das die Frauen auszeichnet, kann im Falle einer Zeugenaussage möglicher­weise eine Situation schaffen, in der sie infolge ihres Wohlwollens ein Zeugnis ablegt, welches in der Konsequenz nicht unbedingt objektiv sein muss. Deshalb heißt es, dass zwei Frauen zur Zeugenaussage erforderlich sind, damit die notwendige Festigkeit durch die gegenseitige Unterstützung zweier Frauen erreicht werden kann.

(Anmerkung dazu: Es sei hier erwähnt, dass die Frau im genannten Fall als Zeugin für Dritte“ auftritt und nicht in eigener Sache. Jeder, der einmal im Zeu­genstand gesessen hat, weiß, welch hoher Druck auf einem Zeugen lasten kann, der einer Frau eben nicht allein aufgebürdet wird. In Fällen, in denen sie selbst betroffen ist, kann u.U. ihre alleinige Zeugenaussage höher gewertet werden als die des Mannes, z.B. bei Vergewaltigungsdelikten.)

Frage: Es ist eine Überlieferung vorhanden, demzufolge unser verehrter Prophet die Erlaubnis zur Zeugenaussage nur einer Frau erteilte.

Antwort: Das ist auch heute in einigen Verfügungen und Anordnungen vorhanden. In dem Fall, in dem eine Frau in der Eigenschaft einer Sachkundigen, einer Expertin, als Zeugin hinzugezogen und ihre Ansicht als akzeptabel und zuverlässig befunden wird, wird dies angenommen. Ja, in einigen Fällen ist mit der Zeugenaussage nur einer Frau – unter Berücksichtigung der entsprechenden Bedingungen – hinreichende Sicher­heit gegeben.

Frage: Ein weiterer Aspekt, der zur Debatte steht, betrifft die Scheidung. Wie behandeln Gerichte heute dieses Problem?

Ay. Beheschti: In diesem Zusammenhang ist eine spezielle Gruppe damit beschäftigt, entsprechende Gesetze auszuarbeiten, damit sowohl die islamischen Gebote und Grenzen als auch die Rechte der Frau absolut gewahrt bleiben. Ein eindeutiger Lösungsweg ist der, dass die Frau in dem Heiratsvertrag die Vollmacht (seitens des Ehemannes) erhält, unter bestimmten Bedingungen die Scheidung zu erzielen. Dieses Recht steht ihr zu, und auch Imam Chomeini hat vor einigen Monaten in einer seinen Reden darauf aufmerksam gemacht.

Frage: Wie wird verfahren, falls diese Klausel nicht festgehalten wurde?

Ay. Beheschti: Es müssen noch weitere Lösungswege in Erwägung gezogen werden, welche - inschaallah (so Gott will) - in den Gesetzen ausgearbeitet und vom Parlament verabschiedet und allen mitgeteilt werden.

(Anmerkung dazu: Inzwischen gehört es zu der üblichen Praxis in der Islamischen Republik Iran, dass eine derartige Klausel mit Zustimmung des Ehemannes in den Heiratsvertrag aufgenommen wird. Zudem hat das Höchste Gericht des Iran inzwischen eine Rahmenrichtlinie zum Schutze der Ehefrau gegen Willkür des Mannes erlassen. Alle Standesämter müssen eine Kopie der Richtlinie jeder Heiratsurkunde beilegen. Die Richtlinien legen klar, unter welchen Umständen eine Frau auch ohne Einwilligung des Mannes und ohne entsprechende Klausel im Heiratsvertrag die Scheidung einreichen kann.)

[1] Vgl. Heiliger Qur´an 2:282

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