Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Dschami

Aus dem »Beharistan«

Aus dem zweiten Garten

2.

Der Frauen Geist und Treue sind gering,
Trau' sorglos nie auf solch ein flüchtig Ding;
Bau nicht auf sie, wenn schlecht sie im Gemüte,
Und sind sie gut, bau nicht auf ihre Güte.

3.

Ibn Makna erzählt: die indischen Weisen verlangten zur Fortsetzung ihrer Schriften eine Karawane von hundert Kamelen. Der König bat sie die Bürde zu schmälern, und sie beschlossen nur zehn Lasttiere zu wählen; und wieder ersuchte sie der König um Verminderung der Lasten, worauf sie die ganze Weisheit in vier Sätzen zusammenfaßten.

Der erste dieser vier Aussprüche weist hin auf die Gerechtigkeit der Herrscher.

Wo der Beherrscher Recht und Tugend achtet,
Kann Hoch und Niedrig sorgentlastet weilen;
Doch wenn der Arme herzverwundet schmachtet,
Bebt bald ein jeder vor des Unrechts Pfeilen.
Um froh einst aus dem Chaos: »Welt« zu scheiden,
Braucht nichts der Fürst als Unrechtsfluch zu meiden.

Der zweite Ausspruch erklärt sich über gute Werke und Regentenstärke.

Des Unrechts Frucht ist Aufruhr gegen Pflicht,
Wer Gerste säete, erntet Weizen nicht.

Der dritte Satz bezieht sich auf die Gesundheit des Leibes und preist diejenigen, welche nicht eher nach Speise fassen, als wenn sie aus Hunger matt sind, und den Tisch verlassen, bevor sie des Genusses satt sind.

Weit besser fasten, um nicht krank zu sein,
Als krank zu sehn, wie schlaue Ärzte streiten.
Gesättigt, laß' vom Mahl dich nicht verleiten,
Und eh' dein Magen voll war, halte ein.

Der vierte Satz lobt jene Weiber, welche ihr Auge vor fremden Gesichtern verstecken, und ihr Gesicht vor unerlaubten Blicken verdecken.

Dies Weib ist fromm, das, außer dem Gemahl,
Dem Liebsten selbst ihr Angesicht entzieht,
Und scheu vor Männern senkt das Augenlid,
Ob sie auch blenden, schön wie Morgenstrahl.

4.

Einst waren bei Nuschirwan drei Gelehrte versammelt; ein griechischer Philosoph, ein indischer Weiser und Büsürdschmihr. Im Laufe des Gespräches kamen sie auf die Frage, was wohl das Qualvollste auf Erden sei? Worauf der griechische Philosoph sagte: Das Qualvollste scheint mir Alter und Schwachheit bei Mangel und Dürftigkeit. Der indische Weise aber wendete ein: Mich dünkt das Bitterste ein Leib von Siechtum gebückt, mit einem Herzen von Sorgen gedrückt; worauf Büsürdschmihr einfiel: Und mich dünkt das Herbste: Gewißheit, daß das Ende naht, und Bewußtsein keiner guten That. Alle stimmten der letzten Meinung bei.

In Nuschirwans Palast sprachen Weise, drei,
Was wohl im Kummermeer' die trübste Woge sei?
Der eine sprach: Der Gram und siechen Leibes Plagen;
Der andre rief: Die Not in trüben Greisestagen;
Der dritte: Naher Tod und schuldbeladne Sitten;
Er traf's, man stimmte bei, der Vorrang blieb dem dritten.

5.

Ein Weib, das sich mit anderen ihres Geschlechtes gegen Hadschadsch aufgelehnt hatte, ward diesem gefangen vorgeführt. Er sprach die Frau an, allein sie senkte den Kopf und schlug den Blick zu Boden, ohne ihm eine Antwort zu geben, oder das Antlitz emporzuheben. Als sie aber einer der Anwesenden aufmerksam machte, sie solle dem Emir, der sie angeredet hatte, nicht trotzen, sprach sie: »Ich schäme mich vor Gott, einen Mann anzublicken, auf den Gott herabzublicken sich schämt.

Schau nicht in eines Wüterichs Gesicht,
Denn dieses gleicht dem off'nen Thor der Hölle,
Und seit sich aufschloß seine finstre Schwelle,
Hat Gott erbarmend nie hineingeblickt.

Schlechta Wssehrd.

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