Divan der persischen Poesie
Scheich Kemal Chodschendi
Ein Zeitgenosse und Freund Hafis', der ihn und Selman
Sawedschi die ersten Dichter seiner Zeit nennt, starb 1389 und
liegt zu Tebris begraben. Geboren zu Chodschend, wallfahrtete
er nach Mekka und ging von da aus nach Tebris: bei der
Eroberung dieser Stadt durch Tokatmischchan wurde er nach
Serai in Kiptschak geführt, wo er vier Jahre verblieb. Darauf
kehrte er nach Tebris zurück, wo ihm Sultan Oweis Dschelair
ein Haus erbauen ließ. Timurs Sohn, Emiranschah, machte ihm
später ein Geschenk von 10,000 Dukaten, um seine Schulden zu
bezahlen. Kemal ist der Verfasser von Ghaselen und
Bruchstücken, die in Hafisischem Geist geschrieben sind.
Liebesghasel
In dem Banne deiner Augen ruht dies Herz voll Liebesbangen,
Gleich der Nachtigall, die in des Vogelstellers Netze ward
gefangen.
Wenn du glänzend gehst vorüber, eine reiche Karawane,
Stöhnt mein Mund, mein Seufzen ist das Läuten deiner Karawane.
Zu mir wendet sich dein Antlitz, das die Locken schön
umwallen,
Deine Locken sind wie Feuer, die in dürre Reiser fallen.
Deiner Schönheit Glut ergriff mich, lodre auf in
Feuerfluten,
Alle Welt verbrennt in deinen allgewalt'gen Schönheitsgluten.
Dieser Mund, so süß wie Zucker, gleicht weinvollem
Goldpokale,
Gleich der Mücke stirbt, wer einmal trank von deines Mundes
Schale.
Heller ward es, als mein Seufzer stieg zu dir empor am
Morgen,
Doch mein Geist ward von der Seufzer Rauch gleichwie in Nacht
geborgen.
Laß, Kemal, dein Blut als Opfer auf der Schönheit Altar
rinnen,
Giebst du nicht dein Leben willig, bald reißt's doch der Tod
von hinnen.
J.H. (Julius Hart)