.Bücher
zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen
Vorwort zur deutschen Übersetzung
Al-Muradscha´at gilt als eines der bedeutsamsten Werke im
Rahmen des innerislamischen Dialogs zwischen
Sunniten und
Schiiten. Es
beinhaltet eine Reihe von Briefwechseln zwischen einem der
größten
sunnitischen und einem der größten
schiitischen
Gelehrten
ihrer Epoche. Die Briefe sind voller Fragen und Antworten,
detaillierter Erläuterungen mit Quellenangaben und
Rechtfertigungen und in der äußerst innerislamisch
geschwisterlichen Atmosphäre, die der Würde dieser beiden
großen Gelehrten entspricht.
Der
sunnitische
gelehrte Scheich
Salim al-Bischri al-Maliki war zwei Mal Rektor der
al-Azhar Universität in der Zeit 1900 bis 1904 n.Chr. und
1909 bis 1916. Seine zweite Amtszeit endete mit seinem
Ableben. Er
hinterließ zahlreiche Bücher, darunter Kommentare zu alten
historischen Werken. Seiner Autorität ist die zu der Zeit
verstärkte Öffnung der
al-Azhar Universität für die
dschafaritische
Rechtsschule
zuzuschreiben. Die vorliegende Diskussion fand während seiner
zweiten Amtszeit statt.
Scheich
al-Bischri
begann den vorliegenden Dialog mit seinem Gesprächspartner im
frühen zwanzigsten Jahrhundert, allerdings nicht in der Art
einer in der Geschichte schon bedauerlicherweise oft erfolgten
hasserfüllten Debatte sondern mit dem aufrichtigen Wunsch,
sich der Wahrheit anzunähern und den Standpunkt der
Schiiten besser
zu verstehen.
Scheich
al-Bischri sandte seine Fragen an einen der bedeutendsten
Gelehrten seiner Zeit
Sayyid Abdalhussain Scharaffuddin al-Musawi aus der Stadt
Dschabal Amil im südlichen
Libanon, der in der Zeit 1329-1330
n.d.H. (1911-1912 n.Chr.)
Ägypten bereiste und dadurch in
Kontakt mit der Leitung der
al-Azhar Universität kam.
Sayyid al-Musawi stammt von
Imam Musa bin
Dschafar (a.) ab
und ist in
Kataniyya im
Irak 1290
n.d.H. (1872 n.Chr.) geboren
und starb 1377 (1957). Er erhielt eine sehr tiefgehende Lehre
von den größten
Gelehrten seiner Zeit in den Lehranstalten in
Nadschaf,
Kerbela und
Sammara und lebte später am Wohnort
seiner Eltern im
Südlibanon. Er beeinflusste das Denken einer
ganzen Gelehrtengeneration mit zahlreichen teils sehr
umfangreichen Werken. Im ersten Weltkrieg, als Franzosen
versuchten den
Libanon zu kolonialisieren, versuchten sie einen der
größten Hindernisse für ihr Vorhaben, den Gelehrten
Sayyid al-Musawi, zu töten. Sie scheiterten zwar ihn
selbst zu erfassen, brannten aber sein gesamtes Haus inklusive
einiger wertvoller Manuskripte nieder, darunter 18 Werke von
ihm, die kurz vor der Veröffentlichung standen, darunter auch
Teile des hier vorliegenden Briefwechsels, was letztendlich zu
einer erheblichen Verzögerung der Veröffentlichung führte, wie
es der Autor selbst in seinem eigenen Vorwort andeutet.
Beide Gelehrte gelten unter Fachleuten als Wegbereiter für
einen intensiven und sachlich fundierten innerislamischen
Dialog mit dem Ziel zur Einheit der
Gläubigen.
Scheich
al-Bischri war beim Zusammentreffen beeindruckt von
höflichen rechtschaffenen Auftreten
Sayyid al-Musawis und vor
allem von seinem hohen Maß an Wissen. Und so begann der Dialog
in Form von schriftlich niedergelegten Briefen, die
nachträglich als "Konsultationen" [muradscha´at] bezeichnet
wurden, da sie mit der "Konsultation" des einen an den anderen
zu diesem Dialog begannen.
In den sehr ausführlichen Abhandlungen über alle
wesentlichen Meinungsunterschiede zwischen den
sunnitischen
und der
schiitischen
Rechtsschulenwurden fast alle
Hauptwerke beider Seiten als Quellen verwendet und
ausdiskutiert. Neben der inhaltlichen Tiefe beeindruckt
insbesondere der Umgang der beiden
Gelehrten miteinander.
Am Ende der schriftlichen Diskussion erbat
Sayyid al-Musawi von
Scheich
al-Bischri die Briefe in gesammelter Form unter dem Titel
"al-Muradscha´at" herausbringen zu dürfen. Nach der
Zustimmung erschien das Buch mit einiger Verzögerung durch
widrige Umstände und einer Rekonstruktion durch den Autor in
1355
n.d.H. (1936 n.Chr.).
Das Buch gilt als Pflichtlektüre für jeden
Muslim, der
tiefer in die Materie einzusteigen gedenkt und durch Kenntnis
der unterschiedlichen Richtungen im
Islam die innerislamische
Geschwisterlichkeit vertiefen will.
Die deutsche Übersetzung hat einen ähnlich langen Weg
hinter sich. Bereits zu Lebzeiten des im deutschsprachigen
islamischen Raum sehr bekannten und angesehenen islamischen
Gelehrten und Hochschullehrers
Prof. Dr. Abdoldjavad Falaturi
(1926-1996) wurden die ersten Teile des sehr umfangreichen
Werkes ins deutsche übersetzt. Von dort bis zum
Islamisches Zentrum Hamburg war ein sehr langer Weg mit vielen
Zwischenstationen. In 2005 hat die neue Leitung des
Islamischen Zentrum Hamburg die bestehenden Teile dem für
seine islamische Übersetzungsarbeit bekannten
Islamischen Weg e.V. anvertraut und darum ersucht, die fehlenden Teile zu
ergänzen und ein einheitliches Sprachbild anzustreben.
Die vorliegende Arbeit wurde im Frühjahr 2006 beendet und
vom
Islamischen Zentrum Hamburg herausgegeben. Um die Leserlichkeit für den im
Islam weniger kundigen Leser zu
ermöglichen, wurde die Übersetzung mit zahlreichen
Erläuterungen in Form von Fußnoten ergänzt. In manchen Fällen
wird zum besseren Verständnis der
arabische Begriff in deutsche Schreibweise in eckigen
Klammern hinzugefügt. Alle Anmerkungen und Fußnoten in der
deutschen Übersetzung stammen von den Überarbeitern der
Übersetzung und kommen in der Originalkonsultation nicht vor
(sie kommen in der online-Version in eslam.de nicht vor, da
hier eine Verlinkung zu den Begriffen besteht).
Möge
ALLAH es zu einem weiteren Meilenstein der
innerislamischen Verbrüderung im deutschsprachigen Raum werden
lassen. Aufgrund des inzwischen verstorbenen Initiators, wurde
das Buch
Prof. Falaturi gewidmet.
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Vorwort und Einleitung des Autors