Neununddreißigstes Kapitel - Hadschi wird ein Büßer
Als ich das vom Blute der unglücklichen Seneb noch feuchte
Taschentuch aus meinem Busen zog, betrachtete ich es mit der
Empfindung bitterster Herzenspein, breitete es dann auf ihrem
Grabe aus und tat, was ich so lange unterlassen hatte: ich
verrichtete inbrünstig meine Gebete. Durch diese Andacht ganz
erquickt und neu bestärkt in meinem Entschluß, Teheran zu
verlassen, riß ich mich los und ging tapferen Schrittes direkt
auf Ispahan zu.
Kinaragörd erreichte ich, ohne die Spur einer Karawane zu
entdecken, fühlte mich aber kräftig genug, meine Reise bis zur
Karawanserei bei den Sammelbecken des Sultans fortzusetzen, wo
ich die Nacht zu bleiben gedachte.
In einiger Entfernung des in der Wüste gelegenen Gebäudes
erblickte ich einen Mann, der nicht nur allerlei seltsame
Stellungen einnahm, als spielte er mit sich selbst Komödie,
sondern auch mit seiner einige Meter weit von ihm entfernt
liegenden Mütze sprach, die wohl die Zuschauer vorstellen
sollte. »Wer das wohl sein mag?« dachte ich.
Das Gesicht kam mir so bekannt vor. Sollte das nicht einem
der Derwische gehören, mit denen ich in Meschhed so befreundet
war?
In der Tat war es Kisse-gu, der Märchenerzähler, der eben
eine neue Geschichte einstudierte. Sobald er mich erblickt
hatte, erkannte auch er mich sofort und lief herzu, um mich
mit allen Anzeichen des Entzückens zu umarmen.
»O Hadschi,« rief er, »Friede sei mit Euch. Wo seid Ihr all
die Jahre gewesen? – Euer Platz blieb lange verwaist – Euer
Anblick hat meine Augen erquickt.« Nachdem er diese und
ähnliche Redensarten noch einigemal wiederholt hatte, kamen
wir endlich auf vernünftigere Dinge zu sprechen.
Er erzählte mir bis ins kleinste alle Abenteuer, die er
seit unsrer letzten Begegnung erlebt hatte und die zumeist in
äußerst mühseligen Wanderungen bestanden, auf denen er durch
mannigfaltige und schlaue Kniffe schwer genug sein Brot
erwarb. Jetzt befand er sich auf der Rückreise von
Konstantinopel, woher er zu Fuße kam, und erwog gerade, Delhi
auf die gleiche Weise zu erreichen; er hatte den Sommer in
Ispahan zugebracht und gedachte dorthin zurückzukehren.
Trotzdem meine tief-melancholische Gemütsverfassung mich
wortkarg machte, wurde ich fast gegen meinen Willen so von der
geradezu übersprudelnd witzigen Laune meines Begleiters
angesteckt, daß auch ich meinerseits nicht mehr zögerte, ihm
meine Erlebnisse von dem Tage an mitzuteilen, wo ich mit
Derwisch Sefer und mit kaum geheilten Fußsohlen Meschhed
verlassen hatte.
Als er im Laufe meiner Erzählung sah, daß ich Schritt vor
Schritt zu Rang und Würden emporgestiegen war, ergötzte es
mich, wahrzunehmen, wie sichtlich seine Ehrerbietung für mich
wuchs. Jedoch als ich endlich erzählte, daß ich bis zum
Unterleutnant der Nessektschis beim Großexekutor
emporgestiegen war, ihn aber die eigene Erfahrung gelehrt
hatte, daß diese Herren mit dem allergrößten Respekte zu
behandeln seien, da glaubte ich wahrhaftig, er wolle sich vor
mir niederwerfen. Hingegen als er in der Folge vernahm, ich
wolle um einer Frau willen meine hohe Stellung und alle
Aussichten auf ein weiteres Emporsteigen aufgeben, da merkte
ich, wie sehr ich wieder in seiner Achtung fiel. Er rief, ich
sei des ›Chälät‹ (Ehrenkleides), welches mir das Schicksal
zugeschnitten, angepaßt und verliehen hätte, gar nicht würdig.
»Also weil es dem Schah beliebte, eine unwürdige Sklavin
umbringen zu lassen, deren Schuld Euch höchstens zur Hälfte
angerechnet werden kann, meint Ihr, es sei nötig, die
hervorragende Lebensstellung, die Ihr erreichtet, aufzugeben
und Euch neuerdings den Plackereien eines Daseins auszusetzen,
das sogar niedriger und unsicherer wäre als das meine? –
Freilich«, sagte er nach einer Pause, »sind die Wege, welche
die Menschheit auf der Suche nach ihrem Glücke einschlägt,
ungemein verschieden. Einige bleiben auf der Landstraße,
andere lieben abgekürzte Wege, weitere bahnen sich selbst neue
Pfade, und wieder andere lassen sich, ohne nach dem Wege zu
fragen, von Dritten führen; aber von einem wie Euch, dem jede
Straße und jeder Weg offen stand und der trotzdem vorzieht,
die sichere Bahn zu verlassen, auf die Gefahr hin, sie niemals
wiederzufinden, von einem solchen hörte ich heute das erstemal.«
Und dann zitierte er, um mich über die Wechselfälle meines
Berufes zu trösten, einen Ausspruch des Dichters Saadi über
die Unsicherheit des Soldatenlebens: ›Gähi puscht bär zin,
gähi zin bär puscht.‹
Bald ruht auf bequemem Sattel dein Rücken,
Bald muß er selbst unterm Sattel sich schicken.
Während unseres Gespräches tauchte auf der Straße nach
Ispahan eine Karawane auf, die geradeswegs nach der
Karawanserei zog, um dort ihr Nachtlager aufzuschlagen.
»Kommt,« sagte der Derwisch, der ein lustiger und
unterhaltender Geselle war, »vergeßt jetzt Eure Sorgen, wir
wollen einen gemütlichen Abend verbringen, trotzdem wir uns in
der öden und durstigen Wüste befinden. Nach einem guten
Abendessen, wenn wir geraucht haben, wollen wir trachten, die
ganze Karawane, die Kaufleute sowohl wie die Maultiertreiber,
zu versammeln; und ich will euch dann eine Geschichte
erzählen, die erst vor so kurzer Zeit in Stambul passierte,
daß sie in Persien noch unmöglich bekannt sein kann.«
Da ich um jeden Preis meine Melancholie zu verbannen
suchte, ging ich nur allzu gerne auf seinen Vorschlag ein und
trollte mit meinem Begleiter in das Gebäude.
Hier fanden wir Leute aus allen Teilen Persiens, die eben
ihre Tiere abluden und ihre Habseligkeiten in Ordnung
brachten, um sich in den verschiedenen Räumen der Karawanserei,
die gegen den viereckigen Hof in der Mitte offen waren,
niederzulassen.
Nach der trostlosen und ermüdenden Reise durch die
Salzwüste bildete die Anwesenheit eines Derwisches, noch dazu
eines Märchenerzählers, eine große Anziehungskraft. Nachdem
wir einem Mahle herzhaft zugesprochen hatten, versammelte mein
Freund die Reisenden, ließ sie auf dem Podium in der Mitte des
Hofes im Kreise niedersitzen, nahm selbst unter ihnen Platz
und begann dann die Geschichte, die er versprochen hatte, zu
erzählen.
So sehr ich mich auch bemühte, ihr zu folgen, kehrten meine
Gedanken doch stets zu den kürzlich erlebten Vorgängen zurück
und machten es mir unmöglich, ihren Zusammenhang festzuhalten.
Trotzdem entging mir nicht, in welchem Grade der Derwisch
seine Zuhörer zu fesseln wußte, denn Gelächter und
Beifallsbezeugungen schreckten mich zu wiederholten Malen
inmitten meiner tiefsten Versunkenheit auf. Wie beneidenswert
erschien mir der augenscheinlich fröhliche Sinn meiner
Gefährten, deren Lachsalven und Heiterkeitsausbrüche in den
hochgewölbten Räumen von Zeit zu Zeit widerhallten. Ach, wie
sehnte ich mich danach, alle Segnungen des Daseins gleich
ihnen sorglos genießen zu können!
Der Kummer muß wohl, wie jede andre Leidenschaft auch,
seinen Verlauf nehmen, muß, wie der Quell, der ungestüm vom
Felsen herniederbraust, um erst allmählich im Bache ruhiger zu
fließen, nach und nach maßvolleren Empfindungen weichen, die
sich endlich im Strudel der Welt verlieren.
Der Tag ging zur Neige, als der Derwisch seine Erzählung
beendet hatte. Das blaue Himmelsgewölbe war von unzähligen
hellblinkenden Sternen übersät, die der Sturm der
vorhergegangenen Nacht in neuem Glanze erstrahlen ließ; der
Mond ging eben auf, um die ganze Natur mit seinem milden
Scheine zu verschönern, als ein Reiter in voller Ausrüstung am
Eingangstore der Karawanserei erschien.
Der größte Teil der Reisenden saß noch, behaglich rauchend,
auf dem Podium und besprach die Vorzüge der eben gehörten
Erzählung; die Diener gingen ab und zu, um die Betten ihrer
Herren auszubreiten; die Maultiertreiber nisteten sich für die
Nacht zwischen ihren Tieren und dem Gepäck ein. Ich selbst,
der von allem entblößt war, hatte mich entschlossen, die Nacht
auf dem blanken Boden zu verbringen und einen Stein als
Kopfkissen zu benützen. Als ich aber des Reiters ansichtig
wurde, der aus dem dunklen Eingangstore in das helle Licht
getreten war, nahmen meine Pläne eine ganz andre Wendung. In
ihm erkannte ich einen der Nessektschis, der unter meinem
Kommando Zeuge des Todes der unseligen Seneb gewesen; und der
Zweck seiner Reise ward mir sofort durch seine Fragen klar, ob
die Karawane von Teheran käme oder dorthin ginge, ob sie nicht
eine Persönlichkeit gesehen hätten, deren Beschreibung ganz
genau auf mich paßte.
Mein Freund, der Derwisch, der alsbald die Sachlage erriet
und ein Meister listiger Verstellungskünste war, zögerte
keinen Augenblick, im Namen aller Anwesenden zu antworten.
Wie er sagte, gingen alle nach der Hauptstadt, ausgenommen
er selbst und sein Freund, der wie er ein Derwisch sei und von
Konstantinopel käme. Allerdings habe er eine der Beschreibung
entsprechende Persönlichkeit angetroffen, die, von Kummer
gebeugt und von Angst gefoltert, planlos in der Wüste
umhergeirrt sei; er fügte auch noch so viele, ganz auf mich
und meine Geschichte passende Einzelheiten hinzu, daß der
Reiter keinen Augenblick bezweifeln konnte, dies müsse der von
ihm Gesuchte sein, und in größter Eile nach der ihm vom
Derwisch angegebenen Richtung, die, wie man sich denken kann,
ihn absichtlich in die Irre führte, weiterritt.
Einige Zeit nachher nahm mich der Derwisch beiseite und
sagte: »Wenn Ihr Euch vor dem Manne retten wollt, müßt Ihr
unverzüglich aufbrechen; denn findet er seine ermüdende
Wanderung in der Wüste erfolglos, so kehrt er sicher hierher
zurück, und wie wollt Ihr ihm dann entkommen?«
»Ich ziehe alles andre einer Entdeckung vor!« sagte ich;
»denn sicher ist er ausgeschickt, um mich zu verhaften.
Erbarmen kann ich von einem solchen Schurken nicht erwarten,
kenne ich doch seine Forderung und besitze nicht Geld genug,
um zu zahlen, was er verlangen wird. Aber wohin könnte ich
mich flüchten?«
Nach einigem Nachdenken sagte der Derwisch: »Ihr müßt, ohne
einen Augenblick zu verlieren, nach Kum, das Ihr vor
Tagesanbruch erreichen könnt, und trachten, in die Umfriedung
des Grabes der heiligen Fatimeh zu gelangen. Dort, aber auch
nur dort, seid Ihr selbst vor der Macht des Schahs sicher.
Ergreift man Euch jedoch noch außerhalb der Mauern, so habt
Ihr nichts mehr zu hoffen, dann könnte Euch Allah allein unter
seinen barmherzigen Schutz nehmen.«
»Aber was soll ich dort beginnen,« fragte ich, »von was
dort leben?«
»Überlaßt das mir,« meinte der Derwisch; »ich werde bald
nachkommen, und da ich Kum und viele seiner Bewohner kenne,
Inschallah (so es Gott gefällt), werdet Ihr nicht so schlecht
fahren, als Ihr jetzt vielleicht annehmt. Einmal war ich
genötigt, mich des gleichen Ausweges zu bedienen, weil ich
einer der Frauen aus dem Harem des Schahs Gift verschafft
hatte, das sie benützte, um einer Rivalin den Garaus zu
machen. Der Haftbefehl gegen mich war schon ergangen, ich aber
richtete es so ein, daß ich das Asyl von Schahzadeh-
Abdul-Azim fünfzehn Minuten früher erreichte als der Exekutor,
der mich abfassen sollte. Besser als dort ist es mir niemals
vorher ergangen, ich konnte mich ganz dem Müßiggange hingeben
und lebte von den milden Gaben derjenigen, die herkamen, um am
heiligen Grabe ihre Gebete zu verrichten; auch waren die
beständig hin und her reisenden Frauen, die teils um zu beten,
teils zu ihrem Vergnügen das weit entlegene Heiligtum
aufsuchten, stets darauf bedacht, mich in meiner Haft zu
trösten. Das einzige Schlimme, was Ihr zu befürchten habt, ist
ein Befehl des Schahs, daß Euch bei Todesstrafe niemand
Nahrung geben dürfe. Wenn das geschieht, so werdet Ihr eben so
lange ausgehungert, bis Ihr Euch selbst ausliefert! Dann möge
Euch der Prophet selbst unter seinen Schutz nehmen. Aber Euer
Fall ist nicht so wichtig, daß Ihr das zu befürchten hättet.
Kann dem Schah so viel an einer Sklavin gelegen sein, wenn ihm
hundert andre, um ihren Platz auszufüllen, zu Diensten stehen?
Überhaupt, so schnell wie wir Perser uns einbilden, gehen die
Menschen gar nicht zugrunde. Beherzigt die Worte des Schaikhs
(Saadi): Wolken und Winde, Sonne und Mond, das Firmament (man
könnte noch hinzufügen die Derwische) sind alle tätig, um dir,
o Mensch, zu deinem Brote zu verhelfen! Iß es darum nicht mit
Geringschätzung.«
»Ich bin nicht der Mann, der Eurer Güte vergessen wird!«
sagte ich. »Ich will meinen Bart in Eure Hände legen, wenn
mein Glück vielleicht einmal wieder aufsteigen wird. Ihr kennt
doch Hadschi Baba schon so lange. Er ist keiner von jenen, die
ihre Tugenden auf der flachen Hand zur Schau tragen und ihre
Laster unter den Achselhöhlen verbergen. So wie ich in
Meschhed war, bin ich noch heute. Der Verkäufer gefälschten
Tabaks und der Unterleutnant beim Großexekutor sind ganz der
gleiche Mensch geblieben.«
»Wohlan! so geht denn!« sagte der Derwisch, als er mich
umarmte, »und Gott sei mit Euch! Nehmt Euch vor den bösen
Geistern in acht, wenn Ihr durch die große Salzwüste kommt,
und ich sage nochmals, möchten Euch Allah, Frieden und
Sicherheit begleiten.«
Als der Tag anbrach, tauchte in beträchtlicher Ferne die
vergoldete Kuppel des Mausoleums, wie ein Leitstern, der zur
Rettung führt, vor mir auf und gab mir neue Kräfte, um meine
einsame Wanderung durch die trostlose Öde fortzusetzen.
Kaum hatte ich die äußere Häuserreihe der Stadt Kum
erreicht, da sah ich in einiger Entfernung hinter mir den
Reiter auftauchen, der alles daran setzte, um meiner habhaft
zu werden. Ich schaute darum weder nach rechts noch nach
links, bis die dicken Ketten, die am Haupttore des Heiligtumes
hängen, mich von meinem Verfolger trennten. Dann rief ich: »Ilhamdu
J'llah!« (Gepriesen sei Allah! O Mohammed! O Ali!), und indem
ich den Boden des Grabes küßte, verrichtete ich mit einer
Inbrunst, wie es nur einer tut, der nach einem Sturme den
sicheren Hafen erreichte, meine Gebete.
Ehe ich nur Zeit gehabt hatte, mich umzuschauen, sah ich
schon den Nessektschi auf mich zukommen. Er bot mir einen
frostigen Friedensgruß und sagte, er habe den Befehl des
Königs, mich, wo auch immer er mich fände, dem Schah
persönlich auszuliefern.
Ich erwiderte ihm, ich sei, trotz aller Ehrfurcht vor
seinem königlichen Ferman, entschlossen, das anerkannte
Privilegium jedes Rechtgläubigen auch mir zunutze zu machen
und das Grab der Heiligen als meine Zufluchtsstätte zu
betrachten. Mich gewaltsam daraus entfernen zu wollen, bedeute
eine Schändung des Heiligtumes, das überdies der Schah als das
Grab seiner Lieblingsheiligen weit mehr verehre als jede andre
geweihte Stätte.
»Aber Hadschi, was soll ich denn beginnen?« fragte er
weiter. »Ihr wißt, das steht nicht in dem Befehl geschrieben.
Komme ich aber ohne Euch zurück, so ist der Schah imstande,
mir meine Ohren anstatt der Eurigen abschneiden zu lassen.«
»Inschallah! sagte ich.
»Ihr sagt: so es Gott gefällt!« erwiderte er wütend. »Meint
Ihr, ich hätte den weiten Weg gemacht, um nachher vor den
Leuten als Esel dazustehen? Ich wäre kein Mann, wenn ich Euch
nicht zwänge, mit mir zurückzukehren.«
Sofort begannen wir so laut und heftig zu streiten, daß
eine Anzahl der Priester, die der frommen Stiftung zugeteilt
sind, ihre Zimmer verließen und herbeieilten, um nach der
Ursache dieser Ruhestörung zu fragen.
»Dieser hier«, rief ich, »will sich erdreisten, die heilige
Stätte zu schänden. Ich habe mich hierher geflüchtet, er aber
will mich mit Gewalt daraus entfernen. Ihr, die ihr Männer
Gottes seid, sagt, ob ihr das zugeben könnt?«
Jetzt nahmen alle meine Partei und sagten: »Wenn Ihr Euch
erfrecht, einen aus dem Asyle wegzuschleppen, so ist das etwas
so Unerhörtes in Persien, daß Ihr nicht nur die Rache der
Heiligen auf Euer Haupt beschwört, sondern auch die ganze hohe
Priesterschaft gegen Euch aufstehen wird. Stündet Ihr auch
unter dem Schutze des Königs der Könige, selbst unter dem
Schutze des Königs der Dämonen, sie wären nicht imstande, Euch
vor ihrer Wut zu schützen.«
Der Nessektschi, der nun gar nicht recht wußte, was er tun
sollte, versuchte schließlich in etwas sanfterem Tone aus der
Not eine Tugend zu machen und begann zu unterhandeln, was ich
ihm geben würde, wenn er, ohne mich weiter zu belästigen,
wieder fortginge. Daß ihm ein gewisses Recht zustände, für
seine Mühe belohnt zu werden, das mußte allerdings auch ich,
der ein gleiches in seinem Falle erwartet hätte, zugeben.
Darum bat ich ihn, die Umstände meiner Flucht, die ihm
ebensogut wie mir bekannt waren, zu bedenken und die
Unmöglichkeit, ihm Geld zu geben, da ich nichts von Teheran
hatte mitnehmen können.
Er stellte mir das Ansinnen, ich solle ihm alles geben, was
ich an Habseligkeiten zurückgelassen hätte. Doch damit konnte
ich mich nicht einverstanden erklären und bedeutete ihm, er
möchte dahin gehen, woher er gekommen sei, und die Bekümmerten
ihrem Leide überlassen.
Tatsächlich entdeckte ich später, daß der Schurke all meine
Habe an Betten, Kleidern, Truhen, Wäsche, Stallgeräten,
Pfeifen usw. an sich genommen hatte, noch ehe er mein Ankläger
beim Schah geworden war. Er hatte den tiefen Eindruck, den die
Hinmordung der unglücklichen Kurdin auf mich gemacht hatte,
bemerkt und daraufhin sofort den Plan ausgeheckt, nach meiner
Vernichtung meine Stelle anzutreten.
Sobald er einsah, er könne mir nichts anhaben und sein
Ferman sei, solange ich ruhig im Asyl verweilte, nichts als
ein wertloses Stück Papier, kam er zu der Überzeugung, es sei
das beste, nach Teheran zurückzukehren, aber nicht, ohne
vorher seine Machtbefugnis in die Hände des Gouverneurs der
Stadt mit der Weisung zu legen, meinen Lebenswandel streng zu
überwachen, mich, im Falle ich versuchen sollte, das Heiligtum
zu verlassen, zu ergreifen und als Gefangenen der
Gerichtsbarkeit der Regierung auszuliefern.