Der Sieg des Islam

Der Sieg des Islam

von Edward Gibbon

 
bullet Inhaltsverzeichnis

Siebentes Kapitel - Verfall des arabischen Reiches

(Anmerkung der Enzyklopädie des Islam: Die hier erfolgenden Schilderungen sind in keinster weise authentisch und können daher nicht als Quelle für die Geschichte des Islam angesehen werden. Die Wiedergabe dient nur dazu, um darzulegen, wie in der Westlichen Welt auf den Islam geblickt worden ist.)

Die zwei Belagerungen von Konstantinopel durch die Araber. – Ihr Einbruch in Frankreich und Niederlage durch Karl Martell. – Bürgerkrieg der Ommijaden und Abbassiden. – Gelehrsamkeit der Araber. – Üppigkeit der Kalifen. – Seeunternehmungen nach Kreta, Sizilien und Rom. – Verfall und Teilung des Reiches der Kalifen. – Niederlage und Siege der griechischen Kaiser

Als die Araber aus der Wüste hervorbrachen, müssen sie über die Leichtigkeit und Schnelligkeit ihrer Erfolge gestaunt haben. Nachdem sie aber auf ihrer Siegesbahn bis zu den Ufern des Indus und den Gipfeln der Pyrenäen vorgedrungen waren, nachdem sie wiederholt Beweise ihrer Macht erbracht und die Kraft ihres Glaubens erprobt hatten, mußten sie staunen, daß ihnen irgendeine Nation widerstehen und der Herrschaft der Nachfolger des Propheten eine Grenze gesetzt werden könne. Die Zuversicht von Kriegern und Schwärmern läßt sich begreifen; der ruhige Geschichtschreiber der Gegenwart, der die großen und raschen Erfolge der Sarazenen betrachtet, muß ernstlich nachdenken, um erklären zu können, durch welche Mittel Kirche und Staat vor dieser drohenden und anscheinend unabwendbaren Gefahr gerettet wurden. Die Wüsteneien von Skythien und Sarmatien wurden wohl durch ihr Klima, ihre Armut und die mutigen nordischen Hirten geschützt; China war fern und unzugänglich; aber der größte Teil der gemäßigten Zone gehorchte den mohammedanischen Eroberern, die Griechen waren durch Kriege erschöpft und hatten ihre schönsten Provinzen verloren, und die Barbaren erbebten mit Recht bei dem jähen Sturz der gotischen Monarchie. Im folgenden werde ich die Ereignisse darstellen, durch die unsere Vorfahren in Britannien und unsere Nachbarn in Gallien vor dem arabischen Joch bewahrt wurden, die Majestät Roms geschützt, die Unterwerfung Konstantinopels aufgeschoben und durch die Christen gestärkt und unter ihre Feinde der Same der Zwietracht, der ihren Verfall beschleunigte, geschleudert wurde.

Sechsundvierzig Jahre nach der Flucht Mohammeds von Mekka erschienen seine Anhänger in Waffen vor den Mauern von Konstantinopel. Sie wurden durch angebliche Verheißung des Propheten angefeuert, daß den Streitern, die als erste die Stadt der Cäsaren belagerten, alle Sünden vergeben würden. Die zahlreichen römischen Triumphe wurden auf die Eroberer von Neu-Rom bezogen. In dieser zum Herrschaftssitz und zum Handel wohlgewählten Stadt waren die Reichtümer der Nation aufgespeichert. Kaum hatte daher der Kalif Moawijah seinen Nebenbuhler unterdrückt und seinen Thron fest begründet, so strebte er danach, die Schuld, Bürgerblut vergossen zu haben, durch ein heiliges Unternehmen zu sühnen. Seine Rüstungen zur See und zu Land waren der Größe des Unternehmens angemessen, seine Fahne wurde Sophian, einem greisen Krieger, anvertraut, und die Truppen wurden durch die Gegenwart Yezids, des Sohnes und mutmaßlichen Erben des Beherrschers der Gläubigen, angefeuert. Von dem Mute und der Wachsamkeit des regierenden Kaisers, der den Namen Konstantin entehrte und nur seinen unrühmlichen Großvater Heraklius nachahmte, hatten die Griechen wenig zu hoffen und ihre Feinde nichts zu fürchten. Ohne Aufenthalt und ohne Widerstand zu finden, segelte das Heer der Sarazenen durch den Hellespont, der in fast allen Zeiten als natürliches Bollwerk der Hauptstadt gehütet wurde. Die arabische Flotte legte sich vor Anker, und die Truppen gingen in der Nähe des Palastes Hebdomon, sieben Meilen von der Stadt, an das Land. Viele Tage lang wurden vom grauenden Morgen bis zum Abend Angriffe auf die Stadt vom goldenen Tor bis zum östlichen Vorgebirge gemacht. Die Krieger in den vordersten Reihen wurden durch die eifrigen und nachdrängenden Massen vorwärtsgetrieben. Aber die Belagerer hatten die Macht und die Hilfsquellen von Konstantinopel unrichtig eingeschätzt. Die festen und hohen Mauern wurden von kriegsgeübten Scharen bewacht; die äußerste Gefahr für ihre Religion und ihr Reich hatte den Mut der Römer wieder entflammt. Die Flüchtlinge aus den eroberten Provinzen verteidigten neuerlich mit besserem Erfolge Damaskus und Alexandria. Die Sarazenen wurden durch ein seltsames künstliches Feuer in Schrecken versetzt. Der erfolgreiche Widerstand bewirkte, daß sie sich leichteren Unternehmungen zuwandten. Sie plünderten die europäischen und asiatischen Gestade der Propontis. Sie zogen sich endlich, nachdem sie die See vom April bis September gehalten hatten, auf die Insel Cyzicus, achtzig Meilen von der Hauptstadt entfernt, zurück, die als Aufbewahrungsort für ihre Vorräte und Beute diente. Sie waren so ausdauernd oder machten so geringe Anstrengungen, daß sie in sechs einander folgenden Sommern mit immer geringerer Hoffnung und Kraft denselben Angriff versuchten, dem immer der gleiche Rückzug folgte. Endlich zwangen sie Schiffbrüche, Krankheiten, Schwert und Feuer, das fruchtlose Unternehmen aufzugeben. Sie beweinten den Verlust von dreißigtausend Muselmanen, die bei der Belagerung von Konstantinopel umgekommen waren und priesen ihr Andenken. Das feierliche Leichenbegängnis Abu Ayubs oder Jobs machte selbst die Griechen neugierig. Dieser ehrwürdige Araber, einer der letzten Gefährten Mohammeds, gehörte zu den Ansaren oder Verbündeten von Medina, die den fliehenden Propheten geborgen hatten. In seiner Jugend focht er unter der heiligen Fahne zu Beder und Ohud, in reiferen Jahren war er der Freund und Anhänger Alis, und in seinem Alter kämpfte er in fernen Ländern gegen die Feinde des Korans. Sein Andenken blieb erhalten, aber sein Begräbnisplatz blieb während siebenhundertachtzig Jahren bis zur Eroberung von Konstantinopel durch Mahomed II. vernachlässigt und unbekannt. Ein Gesicht (denn die Werkzeuge aller Religionen sind die gleichen) offenbarte rechtzeitig den heiligen Platz am Fuße der Mauer am Ende des Hafens, und die Moschee Ayub wurde zur einfachen und kriegerischen Weihe der türkischen Sultane bestimmt.

Der Ausgang der Belagerung ließ im Osten und Westen den Ruf der römischen Waffen wieder aufleben und warf einen Schatten auf den Ruhm der Sarazenen. Der griechische Gesandte wurde in Damaskus in einer allgemeinen Versammlung der Emire aus dem Stamme Koreisch mit Wohlwollen aufgenommen; ein dreißigjähriger Friede oder Waffenstillstand wurde zwischen den beiden Reichen geschlossen, und es war für den Beherrscher der Gläubigen entehrend, daß er einen jährlichen Tribut, fünfzig Pferde von edler Zucht, fünfzig Sklaven, dreitausend Goldstücke, zahlte. Der greise Kalif sehnte sich, in Ruhe und Frieden seine Gebiete zu besitzen und seine Tage zu enden. Während die Mauren und Inder vor ihm zitterten, wurde er in seinem Palast, sowie die Bewohner von Damaskus, von den Mardaiten oder Maroniten des Berges Libanon mißhandelt. Diese bildeten das festeste Bollwerk des Reiches, bis sie aus Politik von den argwöhnischen Griechen entwaffnet und fortgeschafft wurden. Nach der Erhebung Persiens und Arabiens herrschte das Haus der Ommijaden nur mehr über die Königreiche Syrien und Ägypten. Aus Not und Furcht mußten sie sich den dringenden Forderungen der Christen fügen und zahlten für jeden Tag des Jahres ein Pferd, einen Sklaven und tausend Goldstücke Tribut. Sobald aber das Reich durch Abdalmalek mit Hilfe der Waffen und Politik wieder vereinigt worden war, warf er die Zeichen der Knechtschaft, die sein Gewissen und seinen Stolz kränkten, ab. Er verweigerte den Tribut, und die Griechen waren durch die furchtbare Tyrannei des zweiten Justinian, die gerechte Empörung seiner Untertanen und den häufigen Wechsel seiner Gegner und Nachfolger nicht in der Lage, ihn zur Bezahlung zu zwingen. Bis zur Regierung Abdalmaleks hatten sich die Sarazenen mit den persischen und römischen Schätzen, den Münzen des Chosroes und des Kaisers, begnügt. Auf Befehl dieses Kalifen wurde eine Nationalmünze zur Prägung von Gold und Silber errichtet. Die Inschrift des Dinars, obschon von einigen schüchternen Kasuisten getadelt, verkündete die Einheit des Gottes Mohammeds. Unter der Regierung des Kalifen Walid wurde die griechische Sprache und Schrift im Finanzamte verboten. Wenn dieses Verbot zur Erfindung oder Populärmachung der arabischen oder indischen Ziffern, wie sie genannt werden, geführt hat, so wurde durch ein amtliches Gesetz die Vervollkommnung der Arithmetik, Algebra und der mathematischen Wissenschaften gefördert.

Während der Kalif Walid müßig auf dem Throne von Damaskus saß, während seine Feldherrn die Eroberung von Transoxiana und Spanien durchführten, überschwemmte ein drittes Heer die Provinzen von Kleinasien und näherte sich den Grenzen der byzantinischen Hauptstadt. Eine zweite Belagerung und abermalige Schmach blieben aber seinem Bruder Soliman vorbehalten, der ehrgeiziger, tätiger und kriegerischer war. Infolge der Umwälzungen im griechischen Reich wurde, nachdem der Tyrann Justinian bestraft und gerächt worden war, ein geringer Geheimschreiber namens Anastasius oder Artemius durch Zufall, vielleicht wegen seiner Verdienste, auf den Thron erhoben. Der Kriegslärm schreckte ihn auf, und sein Gesandter kehrte aus Damaskus mit der Entsetzen erregenden Nachricht zurück, daß die Sarazenen eine See- und Landstreitmacht ausrüsteten, wie sie noch niemals dagewesen sei. Anastastius ergriff seiner Stellung und der drohenden Gefahr gemäße Vorsichtsmaßregeln. Er erließ den gemessenen Befehl, daß alle Personen, die nicht mit Mitteln für eine dreijährige Belagerung versehen seien, die Stadt zu verlassen hätten. Die öffentlichen Kornmagazine und Arsenale wurden reichlich gefüllt, die Mauern ausgebessert und verstärkt, und Maschinen, die Steine, Spieße oder Feuer schleudern konnten, wurden auf den Wällen und Kriegsbrigantinen aufgestellt, welch letztere durch den eifrigen Bau neuer vermehrt wurden. Es ist sicherer und ehrenvoller, einem Angriff zuvorzukommen, als ihm zu widerstehen. Man entwarf einen Plan, der größere Anforderung als sonst an den Ruf der Griechen stellte. Die Seevorräte des Feindes, das Zypressenholz, das aus dem Libanon stammend längst der Küste von Phönizien für die ägyptische Flotte aufgestapelt war, sollte verbrannt werden. Dieses Unternehmen scheiterte durch Verrat oder wegen der Feigheit der Truppen, die in der neuen Sprache des Reiches thema obsequii hießen. Sie ermordeten ihre Anführer, verließen auf der Insel Rhodus ihre Fahnen, zerstreuten sich über das naheliegende Festland und erwarben sich Verzeihung oder Belohnung, indem sie einen einfachen Beamten des Finanzamtes mit dem Purpur bekleideten. Der Name Theodosius mochte ihn dem Volk und Senate empfehlen, doch schon nach einigen Monaten vertauschte er den Thron mit dem Kloster und überließ den Purpur sowie die Verteidigung der Hauptstadt und des Reiches dem stärkeren Leo dem Isaurier. Der furchtbarste aller Sarazenen, Moslemah, der Bruder des Kalifen, rückte an der Spitze von hundertzwanzigtausend Arabern und Persern, die meist auf Pferden und Kamelen ritten, heran. Ihre Hoffnungen wurden durch die erfolgreichen Belagerungen von Tiana, Amorium und Pergamus gesteigert. Bei Abydus am Hellespont setzten die Mohammedaner zum erstenmal von Asien nach Europa über. Von da zog Moslemah in die thrakischen Städte der Propontis, schloß Konstantinopel von der Landseite ein, umgab sein Lager mit Wall und Graben und erklärte seinen festen Entschluß, die Wiederkehr der Saat- und Erntezeit abwarten zu wollen, wenn die Hartnäckigkeit der Belagerten seiner eigenen gleichkommen sollte. Die Griechen boten einen Tribut von einem Goldstück pro Kopf an, was jedoch mit Verachtung verworfen wurde. Moslemahs Übermut wurde bald durch die Ankunft der mächtigen, unbezwinglichen Flotte der Ägypter gesteigert. Sie soll sich auf achtzehnhundert Schiffe belaufen haben, eine Zahl, die ihre Kleinheit verrät. Ja von den zwanzig stark gebauten und geräumigen Schiffen, deren Größe einer schnellen Fahrt hinderlich war, war jedes nur mit hundert schwerbewaffneten Soldaten besetzt. Die Armada fuhr mit günstigen Winden und bei ruhiger See auf den Bosporus zu. Die Oberfläche der Meerenge war, wie die Griechen sich ausdrückten, mit einem beweglichen Walde bedeckt. Der sarazenische Feldherr hatte eine Nacht zum allgemeinen Sturm von der Land- und Seeseite bestimmt, der verhängnisvoll werden sollte. Um die Feinde sicher zu machen, hatte der Kaiser die Kette wegziehen lassen, die gewöhnlich den Eingang des Hafens abschloß. Während die Sarazenen aber überlegten, ob sie die günstige Gelegenheit benützen sollten oder ob dies eine Falle wäre, näherten sich ihnen bereits die Brander der Griechen. Die Schiffe wurde in Brand gesteckt, zahlreiche Araber samt ihren Waffen kamen darin um, und die ordnungslos Flüchtenden wurden zerschmettert oder versanken in den Wogen. Keine Spur blieb von der Flotte übrig, mit der man gedroht hatte, die Römer auszutilgen. Einen noch größeren Verlust erlitten die Mohammedaner durch den Tod des Kalifen Soliman, der in seinem Lager bei Kinnisrin oder Chalcis in Syrien plötzlich starb, als er sich eben anschickte, die übrigen Streitkräfte des Ostens gegen Konstantinopel zu führen. Auf den Bruder Moslemahs folgte ein Verwandter und Feind, und der Thron, den ein tätiger und fähiger Fürst inne gehabt hatte, wurde von einem nutzlosen und gefährlichen Schwärmer bestiegen. Während er mit Gewissenszweifeln kämpfte, wurde die Belagerung während des Winters fortgesetzt, mehr aus Unentschlossenheit als auf Befehl des Kalifen Omar. Der Winter war ungewöhnlich streng, die Erde über hundert Tage mit tiefem Schnee bedeckt. Die Eingeborenen Ägyptens und Arabiens, die an ein heißes Klima gewöhnt waren, lagen erstarrt und fast leblos in dem vereisten Lager. Bei Wiederkehr des Frühlings lebten sie wieder auf; zu ihren Gunsten wurde eine zweite Anstrengung gemacht, und ihrer Not wurde durch die Ankunft zweier großer Flotten abgeholfen, die Korn, Waffen und Soldaten herbeiführten. Die eine bestand aus vierhundert Transportschiffen und Galeeren und kam aus Alexandria, die andere, dreihundertsechzig Schiffe stark, stammte aus den Häfen von Afrika. Aber das griechische Feuer wurde abermals angezündet, wenn auch diesmal mit geringerem Erfolg, was lediglich darauf zurückzuführen ist, daß die Muselmanen gelernt hatten, sich in größerer Entfernung zu halten oder der Treulosigkeit der ägyptischen Seeleute zugeschrieben werden kann, die mit ihren Schiffen zum Kaiser der Christen übergingen. Der Handel und die Schifffahrt der Hauptstadt war wieder gerettet, und durch den Ertrag des Fischfanges war für die Bedürfnisse der Einwohner im Überfluß gesorgt. Bald machten sich bei den Truppen Moslemahs Hunger und Krankheiten bemerkbar, und da ungenießbare Dinge als Nahrungsmittel verwendet wurden, nahm die Sterblichkeit in grauenerregender Weise zu. An Eroberungen dachten selbst die Schwärmer nicht mehr, ja die Sarazenen konnten sich weder einzeln noch in kleinen Abteilungen aus ihrem Lager hinauswagen, ohne sich der Rache der unbarmherzigen thrakischen Bauern auszusetzen. Ein Bulgarenheer wurden mittels Geschenken und Verheißungen von Leo bewogen, von der Donau herbeizuziehen. Die wilden Bundesgenossen machten durch die Niedermetzelung von zweiundzwanzigtausend Asiaten einigermaßen die Übel wieder gut, die sie dem Reiche zugefügt hatten. Man verbreitete geschickt das Gerücht, daß die Franken und die unbekannten Nationen des Westens sich zu Wasser und zu Land zur Verteidigung der christlichen Sache rüsteten, und ihre furchtbare Hilfe wurde in dem Lager und in der Stadt mit verschiedenen Gefühlen erwartet. Endlich nach dreizehnmonatiger Belagerung empfing der verzweifelte Moslemah von dem Kalifen die willkommene Erlaubnis zum Rückzuge. Der Marsch der arabischen Reiterei über den Hellespont und durch die asiatischen Provinzen ging unverzüglich und ohne Belästigung vor sich. Ein Heer ihrer Brüder jedoch wurde in Bithynien in Stücke gehauen. Die Reste der Flotte waren durch Sturm und Feuer so oft beschädigt worden, daß nur fünf Galeeren wieder in den Hafen von Alexandria einliefen, deren Besatzung von den vielfältigen und fast unglaublichen Unglücksfällen erzählen konnte.

Die Befreiung von Konstantinopel bei diesen zwei Belagerungen kann hauptsächlich der furchtbaren Wirkung des bisher unbekannten griechischen Feuers zugeschrieben werden. Die wichtige Erfindung, diese künstliche Flamme zu erzeugen und zu leiten, wurde von Callinicus, einem Eingeborenen von Heliopolis in Syrien, gemacht, der aus dem Dienste des Kalifen in jenen des Kaisers übergegangen war. Das Genie eines Chemikers und Ingenieurs ersetzte Flotten und Heere. Zum Glück blieb diese Erfindung jener drangvollen Periode vorbehalten, in der die entarteten Römer des Morgenlandes nicht imstande waren, es mit den enthusiastischen, kriegerischen Sarazenen aufzunehmen. Der Geschichtschreiber, der es wagt, die außerordentlichen Zusammenhänge zu analysieren, sollte dem Wissen seiner byzantinischen Führer und damit seinem eigenen ein wenig Mißtrauen entgegenbringen. Man neigte zum Glauben an das Wunderbare, kümmerte sich nicht viel um die Wahrheit, betont diese jedoch im vorliegenden Falle. Aus den dunklen Bemerkungen kann vielleicht geschlossen werden, daß der Hauptbestandteil des griechischen Feuers Naphtha oder flüssiges Erdharz, ein leichtes, zähes und brennbares öl gewesen sei, das aus der Erde quillt und Feuer fängt, sobald es mit der Luft in Berührung kommt. Das Naphtha wurde, ich weiß nicht auf welche Art und in welchem Verhältnisse, mit Schwefel und Pech vermischt, das man aus immergrünen Tannen erhält. Diese Mischung erzeugte außer nach allen Seiten sich ausbreitendem Feuer auch starken Rauch und lautes Geräusch. Durch Wasser konnte es nicht gelöscht werden, sondern wurde durch dasselbe auseinandergetrieben; Sand, Urin und Essig waren die einzigen Mittel, welche das Feuer dämpfen konnten, das von den Griechen mit Recht das flüssige oder Seefeuer genannt worden ist. Es wurde mit derselben Wirkung gegen Feinde zur See und Land, bei Schlachten und Belagerungen angewandt. Man goß es entweder aus großen Kesseln von den Wällen oder schleuderte es in glühenden Kugeln aus Stein oder Eisen gegen den Feind. Pfeile oder Wurfspieße wurden mit Flachs und Werg umwunden, mit dem brennbaren öl getränkt und, bevor sie abgeschossen wurden, angezündet; das öl wurde auch, um größere Verheerungen anzurichten, in Brandschiffen verladen, am häufigsten aber aus langen Kupferröhren geblasen, die am Vorderteile der Galeeren angebracht und als feuerspeiende Ungeheuer ausgebildet waren. Diese Erfindung wurde in Konstantinopel als das Palladium des Staates bewahrt; die Galeeren und die Artillerie wurde wohl gelegentlich den Verbündeten Roms geliehen, aber das griechische Feuer wurde mit großer Gewissenhaftigkeit bewacht. Der Schrecken der Feinde bei Anwendung dieses Kampfmittels, wurde durch deren Unwissenheit und die dadurch hervorgerufene Bestürzung vermehrt. Der kaiserliche Verfasser der Abhandlung über die Verwaltung des Reiches gibt an, wie man am besten den zudringlichen Fragen und der unbescheidenen Neugierde der Barbaren ausweichen könne. Man sollte ihnen sagen, daß das Geheimnis des griechischen Feuers dem ersten und größten der Konstantine durch einen Engel mit der heiligen Verpflichtung offenbart worden sei, dieses Geschenk des Himmels, dieses besonders segensreiche Geheimnis der Römer, niemals einem Fremden mitzuteilen. Fürst und Untertanen seien, wollten sie nicht Hochverrat und Gottesfrevel begehen, gleichermaßen verpflichtet, das Geheimnis zu wahren, und der Versuch, dieses Gebot zu brechen, würde die unnachsichtlichen Strafen Gottes nach sich ziehen. Infolge dieser Vorsichtsmaßregeln blieb das Geheimnis über vierhundert Jahre in den Händen der Römer des Ostens. Am Ende des elften Jahrhunderts litten die Pisaner, die mit dem Meere und jeder Kunst vertraut waren, sehr unter dem griechischen Feuer, ohne dessen Zusammensetzung zu kennen. Es wurde endlich von den Mohammedanern gestohlen oder gleichfalls erfunden. Sie verwendeten in den heiligen Kriegen von Syrien und Ägypten eine Erfindung gegen die Christen, die gegen sie selbst ersonnen worden war. Ein tapferer Ritter, der die Sarazenen verachtete, beschreibt mit großer Aufrichtigkeit sein eigenes und seiner Gefährten Entsetzen bei dem Anblick der verderbenbringenden Maschine und bei dem Geräusch, das sie machte. Die früheren französischen Schriftsteller nannten das Feuer, das sie ausspie, feu Grégeois. Es flog, sagt Joinville, durch die Luft wie ein beflügelter, langgeschwänzter Drache von der Größe eines Oxhoftes, mit Donnergetöse und mit der Schnelligkeit des Blitzes und erleuchtete weithin die Nacht. Der Gebrauch des griechischen oder wie es nun heißen konnte, des sarazenischen Feuers, dauerte bis zur Mitte des vierzehnten Jahrhunderts an, zu welcher Zeit die Erfindung des Schieß- oder Schwarzpulvers eine neue Umwälzung in der Kriegskunst und der Geschichte der Menschheit hervorbrachte.

Konstantinopel und das griechische Feuer konnten die Araber hindern, in das östliche Europa vorzudringen; im Westen wurden jedoch die Provinzen von Gallien durch die Eroberer Spaniens bedroht und überflutet. Die Schwäche der französischen Monarchie lud diese unersättlichen Fanatiker zum Angriff ein. Die Nachkommen Chlodwigs besaßen nicht mehr seinen kriegerischen Geist. Der letzte König des merowingischen Geschlechtes erhielt den Beinamen der Faule. Sie bestiegen den Thron, ohne Macht zu erlangen und sanken tatenlos ins Grab. Ein ländlicher Palast in der Nähe von Compiegne war ihnen zur Residenz oder zum Gefängnis angewiesen. Jedes Jahr im Monat März oder Mai wurden sie auf einem von Ochsen gezogenen Wagen in die Versammlung der Franken gebracht, um den fremden Gesandten Audienz zu erteilen und die Handlungen des Majordomus zu genehmigen. Dieser Hausbeamte war der erste Minister der Nation und der Gebieter seines Fürsten geworden. Ein öffentliches Amt wurde nach und nach das Erbe einer Untertanenfamilie. Der ältere Pippin hinterließ einen erwachsenen Sohn unter der Vormundschaft seiner eigenen Witwe und ihres unmündigen Kindes, und diesem schwachen Regenten widersetzten sich kräftig die kühnsten seiner Bastarde. Eine halb barbarische, halb verderbte Regierung wurde fast aufgelöst. Die zinspflichtigen Herzöge, die Grafen der Provinzen, die Herren von Grund und Boden waren versucht, den schwachen Monarchen zu verachten und den ehrgeizigen Majordomus nachzuahmen. Unter diesen unabhängigen Großen war einer der glücklichsten und kühnsten Eudes, Herzog von Aquitanien, der sich in den südlichen Provinzen Macht und Titel eines Königs anmaßte. Die Goten, Gascogner und Franken sammelten sich unter der Fahne dieses christlichen Helden. Er schlug den ersten Einfall der Sarazenen zurück, und Zama, der Statthalter des Kalifen, verlor sein Heer und Leben unter den Mauern von Toulouse. Seine ehrgeizigen und rachedürstenden Nachfolger gingen neuerlich über die Pyrenäen. Die vorteilhafte Lage von Narbonne, die schon die Römer erkannt hatten, reizte die Muselmanen: sie forderten die Provinz Septimanien oder Languedoc als zur spanischen Monarchie gehörend an. Der Souverän von Damaskus und Samarkand besaß die Weinberge der Gascogne und von Bordeaux. Die Bewohner des Südens von Frankreich, von der Mündung der Garonne bis zu jener der Rhone, nahmen die Sitten und Religion der Araber an.

Dem stolzen Abdalrhaman oder Abderrhaman, der auf Wunsch der Soldaten und des Volkes wieder nach Spanien gesandt worden war, waren die Grenzen dieses Reiches zu eng. Dieser alte und kühne Feldherr wollte das übrige Frankreich und Europa unterwerfen und schickte sich an der Spitze einer furchtbaren Heerschar an, seine geplante Unternehmung durchzuführen, wobei er voller Zuversicht war, jeden Widerstand niederwerfen zu können. Seine erste Sorge war, einen einheimischen Rebellen zu unterdrücken, der die wichtigsten Pyrenäenpässe beherrschte: Munuza, ein Maurenhäuptling, hatte ein Bündnis mit dem Herzog von Aquitanien geschlossen. Eudes hatte aus Eigennutz oder wegen des öffentlichen Interesses der Hochzeit seiner schönen Tochter mit dem ungläubigen Afrikaner zugestimmt. Die stärkste Festung der Cerdagne wurde von überlegenen Streitkräften belagert und eingenommen, und der Rebell in den Gebirgen auf der Flucht eingeholt und erschlagen. Seine Witwe wurde als Gefangene nach Damaskus gesandt, um die Begierden oder wahrscheinlicher die Eitelkeit des Beherrschers der Gläubigen zu befriedigen. Nach Überschreitung der Pyrenäen schritt Abderrhaman unverzüglich zum Übergang über die Rhone und zur Belagerung von Arles. Ein christliches Heer versuchte die Stadt zu entsetzen. Es wurde geschlagen, und noch im dreizehnten Jahrhundert waren die Gräber seiner Anführer zu sehen. Viele tausend Leichen von Christen wurden von dem Strom in das Meer gespült. Nicht weniger siegreich war Abderrhaman am Ozean. Er ging, ohne Widerstand zu finden, über die Garonne und Dordogne, die ihre Gewässer im Golf von Bordeaux vereinigen. Jenseits dieser Ströme fand er aber das Lager des unerschrockenen Eudes, der ein zweites Heer aufgebracht hatte. Er erlitt eine zweite, den Christen so verderbliche Niederlage, daß nach ihrem schmerzlichen Bekenntnisse Gott allein die Zahl der Erschlagenen zählen konnte. Der siegreiche Sarazene zog in die Provinzen Aquitanien, deren ehemals gallische Namen in den neuen Benennungen Perigord, Saintogne und Poitou noch zu erkennen sind, pflanzte seine Fahnen auf den Mauern oder wenigstens vor den Toren von Tours und Sens auf. Er entsandte Heeresabteilungen, die das Königreich Burgund bis Lyon und Besançon durchstreiften. Das Andenken an die Verheerungen, die seine Truppen anrichteten, denn Abderrhaman schonte weder Land noch Leute, wurde lange durch Überlieferung bewahrt. Der Einbruch der Mauren oder Mohammedaner in Frankreich bildet die Grundlage jener in den Ritterromanen phantastisch verzerrten Fabeln, die in Italien so schön ausgeschmückt worden sind. Bei dem herrschenden Verfalle der Künste und der Gesellschaft boten die verlassenen Städte den Sarazenen nur eine geringe Beute. Am meisten raubten sie aus den Kirchen und Klöstern, die sie ihres Schmuckes entkleideten und den Flammen überlieferten. Der Sieg war nun über mehr als tausend Meilen vom Felsen von Gibraltar bis an die Ufer der Loire hinausgetragen worden. Die nochmalige Zurücklegung einer gleichen Strecke hätte die Sarazenen an die Grenzen Polens oder die schottischen Hochlande gebracht. Der Rhein ist nicht unfahrbarer als der Nil oder Euphrat, und die arabische Flotte hätte ohne Kampf in die Mündung der Themse einlaufen können. Es wäre möglich gewesen, daß der Koran in den Schulen von Oxford gelehrt und von den Kanzeln einem beschnittenen Volke Offenbarungen Mohammeds verkündet worden wären.

Vor einem solchen Schicksal wurde die Christenheit durch einen einzigen genialen, von Glück begünstigten Mann gerettet. Karl, der natürliche Sohn des älteren Pippin, begnügte sich mit dem Titel Majordomus und Herzog der Franken, aber er verdiente, der Ahnherr einer Reihe von Königen zu werden. Während einer mühevollen Regierung von vierundzwanzig Jahren stellte er die Würde des Thrones wieder her. Die Rebellen von Deutschland und Gallien wurden nach und nach von einem Krieger vernichtet, der sein Banner während eines Feldzuges an der Elbe, der Rhone und am Gestade des Ozeans entfaltete. In der allgemeinen Gefahr rief sein Vaterland nach ihm, und sein Nebenbuhler, der Herzog von Aquitanien, sah sich gezwungen, unter den Flehenden und Flüchtigen vor ihm zu erscheinen. »Ach«, riefen die Franken, »welches Unglück, welche Schmach! Wir haben viel von den Eroberungen der Araber gehört, wir fürchteten ihre Angriffe von Osten; sie haben nun Spanien erobert und greifen unser Vaterland von Westen an; trotzdem sie uns an Zahl und Bewaffnung (sie hatten keine Schilde) nachstehen.« »Wenn ihr meinem Rat folget«, erwiderte der kluge Majordomus, »so werdet ihr weder ihren Marsch unterbrechen noch euren Angriff übereilen. Sie gleichen einem Strom und es ist gefährlich, einen solchen in seinem Laufe hemmen zu wollen. Ihr Durst nach Beute und die bisherigen Siege verdoppeln ihre Tapferkeit, und Tapferkeit ist wirksamer als Waffen und Truppenzahl. Habet Geduld, bis sie mit Schätzen beladen sind. Wegen des Reichtums werden sie in Streit geraten, und dies wird uns den Sieg sichern.« Vielleicht wurde diese schlaue Politik dem Majordomus von den arabischen Schriftstellern unterschoben; die Ursache seiner Handlungsweise ist vielleicht in dem eigennützigen und engherzigen Wunsche zu suchen, den rebellischen Herzog von Aquitanien gedemütigt und seine Provinz verwüstet zu sehen. Es ist jedoch am wahrscheinlichsten, daß Karl zum Zögern gezwungen war. Ein stehendes Heer war unter dem ersten und zweiten Königshause unbekannt, mehr als die Hälfte des Königreiches befand sich in den Händen der Sarazenen; die Franken von Neustrien und Austrasien waren sich entweder der drohenden Gefahr zu sehr bewußt oder kümmerten sich zu wenig um sie, um Hilfstruppen zu senden, und die freiwilligen Hilfstruppen der Gepiden und Deutschen waren von den Truppen des christlichen Feldherrn zu weit entfernt. Kaum hatte er aber seine Streitkräfte gesammelt, als er dem Feind entgegenrückte und ihn ihm Herzen Frankreichs zwischen Tours und Poitiers stellte. Sein wohlgeleiteter Aufmarsch war durch eine Hügelkette gedeckt, und Abderrhaman scheint durch sein unerwartetes Erscheinen offenbar überrascht worden zu sein. Die Nationen von Asien, Afrika und Europa rückten mit gleichem Eifer zu einem Kampfe vor, der die Weltgeschichte beeinflussen sollte.

In den sechs ersten Tagen, während unwichtiger Gefechte, errangen die Reiter und Bogenschützen des Ostens Vorteile. Aber im Handgemenge am siebenten Tag wurden die Orientalen durch die starken Deutschen erdrückt, die unerschrocken und eisern fochten. Der Beiname Martell, der Hammer, der Karl gegeben wurde, deutet auf seine wuchtigen und unwiderstehlichen Streiche hin. Auch Eudes Tapferkeit wurde durch Grimm und Eifer angestachelt. Ihre Gefährten gelten in der Geschichte als die eigentlichen Pairs und Paladine des französischen Rittertums. Nach einer blutigen Schlacht, in der Abderrhaman getötet wurde, zogen sich die Sarazenen am Abend in ihr Lager zurück. Verzweifelt und durch den Rückzug in Unordnung geratend, fielen sich die verschiedenen Stämme von Yemen und Damaskus, Afrika und Spanien in der Nacht erbittert gegenseitig an. Die Reste des Heeres lösten sich auf, und jeder Emir suchte durch einen schleunigen und gesonderten Rückzug für seine eigene Sicherheit zu sorgen. Mit Anbruch des Tages argwöhnten die Christen, von der Stille im gegnerischen Lager irregeführt, eine Hinterlist. Ihre Kundschafter brachten ihnen Kunde von dem verlassenen Lager, das daraufhin seiner Beute beraubt wurde. Mit Ausnahme einiger berühmter Reliquien wurde jedoch nur ein sehr kleiner Teil der wieder eroberten Reichtümer ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben. Die Freudenbotschaft verbreitete sich bald über die katholische Welt. Die Mönche Italiens waren imstande zu glauben oder zu behaupten, daß dreihundertfünfzig- oder dreihundertsiebzigtausend Mohammedaner und nur fünfzehnhundert Christen auf dem Schlachtfelde von Tours gefallen waren. Dies wird jedoch zur Genüge durch die vorsichtige Maßregel des Frankenfeldherrn widerlegt, der eine Verfolgung fürchtend, seine deutschen Verbündeten in ihre heimischen Wälder zurücksandte. Die Untätigkeit des Siegers beweist, daß er große Verluste erlitten hatte, und die größten Wunden werden nicht in der Schlacht, sondern einem fliehenden Feinde geschlagen. Der Sieg der Franken war indessen vollständig und entscheidend. Aquitanien wurde von Eudes wieder erobert, und die Araber versuchten nie wieder in Gallien einzufallen und wurden bald von Karl Martell und seinen tapferen Nachfolgern über die Pyrenäen zurückgetrieben. Man hätte erwarten sollen, daß der dankbare Klerus den Retter der Christenheit zum Heiligen erheben oder wenigstens preisen würde. Der Majordomus hatte sich jedoch im Drange der Zeiten genötigt gesehen, die Reichtümer oder auch nur die Einkünfte der Bischöfe und Äbte zur Rettung des Staates und Löhnung der Soldaten zu verwenden. Seine Verdienste wurden vergessen, man gedachte nur seines Kirchenraubes, und eine gallische Synode wagte es, in einem Schreiben an einen Karolingerfürsten zu erklären, daß sein Ahnherr verdammt sei, daß bei Öffnung seines Grabes die Anwesenden durch Feuer und einen schrecklichen Drachen erschreckt worden wären, und daß ein Heiliger jener Zeiten Karl Martell für ewig in der Höllenglut bratend erblickt hätte.

Der Verlust eines Heeres oder einer Provinz im Abendland war dem Hofe von Damaskus minder schmerzlich, als wenn sich ein einheimischer Nebenbuhler erhob. Ausgenommen in Syrien waren die Kalifen des Hauses Ommijah niemals beliebt gewesen. Während Mohammed lebte, verblieben sie beim Götzendienste und stifteten Aufruhr. Sie bekehrten sich nur widerwillig, ihre Erhöhung war das Werk der Intrige und der Parteien gewesen, und ihre Thronansprüche waren mit dem heiligsten und edelsten Blute Arabiens bezahlt worden. Der Beste ihres Geschlechtes, der fromme Omar, war mit seinen eigenen Ansprüchen unzufrieden. Ihre persönlichen Tugenden reichten nicht hin, um Abweichungen von der ordnungsmäßigen Thronfolge zu rechtfertigen, und die Gläubigen wünschten der Familie Haschem und den Verwandten des Propheten den Thron. Von diesen waren die Fatimiten entweder leichtsinnig oder feig; die mutigen und klugen Abkömmlinge des Abbas aber hofften auf ihren aufsteigenden Stern. Von Syrien, wo sie sich aufhielten, schickten sie heimlich Anhänger und Sendlinge aus, die in den östlichen Provinzen ihr unwandelbares Recht predigten. Mohammed, der Sohn Alis, des Sohnes Abdallas, des Sohnes Abbas, Oheims des Propheten, gab den Abgeordneten von Chorasan Audienz und nahm ihr Geschenk von vierhunderttausend Goldstücken an. Nach Mohammeds Tod wurde der Treueid im Namen seines Sohnes Ibrahim einer zahlreichen Schar von Anhängern abgenommen, die nur eines Zeichens und eines Anführers harrten. Der Statthalter von Chorasan klagte auch weiterhin über die Fruchtlosigkeit seiner Ermahnungen und die verderbliche Blindheit der Kalifen von Damaskus, bis er mit allen seinen Anhängern aus der Stadt und dem Palaste Meru durch den rebellierenden Abu Moslem vertrieben wurde. Dieser Schöpfer von Königen, der Urheber, wie er genannt wird, wurde zuletzt für seine Verdienste, wie von den Höfen üblich, belohnt. Seine geringe Herkunft (vielleicht stammte er aus dem Ausland) konnte den aufstrebenden Abu Moslem nicht zurückhalten. Eifersüchtig auf seine Frauen, freigebig, verschwenderisch mit seinem und dem Blute anderer, rühmte er sich vielleicht mit Recht, sechshunderttausend seiner Feinde vernichtet zu haben. Niemals sah man ihn lächeln, außer an einem Schlachttage. Die Fatimiten hatten als heilige Farbe grün, die Ommijaden weiß, und die Abbassiden hatten daher die schwarze gewählt. Ihre Turbane und Gewänder hatten diese düstere Farbe; zwei schwarze Standarten oder neun Ellen hohe Pikstöcke wurden vor der Vorhut Abu Moslems getragen, und ihre allegorischen Namen Nacht und Schatten deuteten dunkel auf die unauflösliche Einheit der Stammhalter der Linie Haschem. Vom Indus bis zum Euphrat wurde der Orient durch den Kampf der weißen und schwarzen Parteien zerrüttet. Die Abbassiden waren größtenteils siegreich, aber ihr Erfolg wurde durch das persönliche Unglück ihres Oberhauptes verringert. Der Hof von Damaskus, nach langer Untätigkeit erwachend, beschloß die Wallfahrt nach Mekka zu hindern, die Ibrahim mit einem glänzenden Gefolge unternommen hatte, um sich der Gunst des Volkes und des Propheten zu empfehlen. Eine Abteilung Reiterei stellte sich seinem Zug entgegen und nahm ihn gefangen. Der unglückliche Ibrahim, der von der Königsmacht geträumt hatte, starb in Ketten im Kerker von Haran. Seine zwei jüngeren Brüder, Saffah und Almansor, entgingen den Nachstellungen des Tyrannen und hielten sich zu Kufa verborgen, bis es ihnen durch die Annäherung ihrer östlichen Verbündeten möglich war, den Wünschen des Volkes nachzukommen und sich zu zeigen. An einem Freitag zog Saffan in der Tracht eines Kalifen und der Farbe seiner Sekte mit militärischem und religiösem Prunke in die Moschee und betete und predigte als der rechtmäßige Nachfolger des Propheten. Seine Verwandten nahmen nach seiner Entfernung dem willigen Volke den Eid der Treue ab. Aber dieser wichtige Kampf mußte an den Ufern des Zab, nicht in der Moschee von Kufa entschieden werden. Alle Vorteile schienen auf Seiten der weißen Partei zu sein: das Ansehen der Regierung, ein Heer von hundertzwanzigtausend Soldaten gegen nur zwanzigtausend, der verdienstvolle Kalif Merwan der Vierzehnte und letzte aus dem Hause Ommijah. Vor seiner Thronbesteigung hatte er sich durch seinen Sieg über die Georgier den ehrenvollen Beinamen: der wilde Esel von Mesopotamien erworben. Er wäre, wie Abulfeda sagt, zu den größten Fürsten gezählt worden, wenn das Schicksal nicht den Sturz seiner Familie für diesen Augenblick bestimmt hätte, ein Beschluß, gegen den alle menschliche Klugheit und Tapferkeit nichts auszurichten vermochte. Die Befehle Merwans wurden mißverstanden oder blieben unausgeführt. Da er einen Augenblick vom Pferde gestiegen war, wurde durch den Anblick des reiterlosen Pferdes der Glaube an seinen Tod und daraufhin der Enthusiasmus der Truppen der schwarzen Partei geschickt von Abdullah, dem Oheim seines Nebenbuhlers, wachgerufen. Nach einer vernichtenden Niederlage floh der Kalif nach Mahul, aber die Fahne der Abbassiden flatterte bereits auf den Wällen. Er ging über den Tigris zurück, warf einen kummervollen Blick auf seinen Palast Haran, setzte über den Euphrat, gab die Festungswerke von Damaskus preis und schlug, ohne in Palästina zu verweilen, sein letztes, ihm verhängnisvoll werdendes Lager zu Busir an den Ufern des Nils auf. Er wurde unablässig durch Abdallah vorwärtsgetrieben, der mit jedem Schritte neue Macht und Ruhm gewann. Die Reste der weißen Partei wurden schließlich in Ägypten besiegt, und der Tod Merwands war ihm vielleicht nicht weniger willkommen als seinem Gegner. Der unbarmherzige Sieger rottete auch die entferntesten Verwandten des feindlichen Stammes aus; ihre Gebeine wurden zerstreut, ihr Andenken verdammt, und der Märtyrertod Hoseins wurde an den Nachkommen seiner Peiniger tausendfach gerächt. Achtzig Ommijaden, die dem Wort ihrer Feinde getraut oder an ihre Milde geglaubt hatten, wurden in einem Gemetzel getötet; das Gestöhn der Sterbenden mischte sich in die Musik eines Freudenfestes. Durch diesen Ausgang des Bürgerkrieges gelangten die Abbassiden zur Herrschaft (750), aber nur die Christen hatten von dem gegenseitigen Gemetzel der Anhänger Mohammeds einen Gewinn.

Die Tausende, die im Kriege gefallen waren, würden durch das nachwachsende Geschlecht bald wieder ersetzt worden sein, wenn als Folge des Bürgerkrieges nicht eine Teilung der Macht und des Reiches der Sarazenen stattgefunden hätte. Bei der Verfolgung der Ommijaden war ein fürstlicher Jüngling namens Abdalrhaman allein seinen Feinden entronnen, die den Flüchtling von den Ufern des Euphrat bis in die Täler des Atlasgebirges verfolgten. Seine Anwesenheit in der Nähe Spaniens belebte den Eifer der weißen Partei. Die Sache der Abbassiden war zuerst von den Persern verfochten worden, der Westen dagegen war vom Bürgerkriege frei geblieben. Die Diener der ererbten Familie besaßen, allerdings ohne Gewähr für die Zukunft, ihre Ländereien und Verwaltungsämter. Aus Dankbarkeit, Entrüstung und Furcht luden sie den Enkel des Kalifen Haschem ein, den Thron seiner Ahnen zu besteigen. In seiner verzweifelten Lage war Verwegenheit und Klugheit fast eins. Das Freudengeschrei des Volkes begrüßte ihn bei seiner Landung in Andalusien. Nach einem glücklichen Kampfe errichtete Abdalrhaman seinen Thron zu Cordova und wurde der Ahnherr der Ommijaden von Spanien, die über zweihundertfünfzig Jahre vom Atlantischen Ozean bis zu den Pyrenäen herrschten. Er erschlug einen Statthalter der Abbassiden, die ein Heer und eine Flotte in seine Gebiete gesandt hatten, in einer Schlacht. Das Haupt Alas, in Salz und Kampfer konserviert, wurde von einem kühnen Boten vor dem Palaste von Mekka aufgehangen, und der Kalif Almansor freute sich, daß er durch ein Meer von einem so furchtbaren Gegner getrennt war. Die gegenseitigen Drohungen, einander anzugreifen, wurden nicht verwirklicht; aber statt daß Spanien eine Tür für die Eroberungen in Europa bildete, wurde es von dem übrigen Reiche getrennt, wurde zum ständigen Feinde des Orients und neigte zur Freundschaft und zum Frieden mit den christlichen Fürsten von Frankreich und Konstantinopel. Das Beispiel, das die Ommijaden gaben, wurde von den wirklichen oder angeblichen Nachkommen Alis nachgeahmt, den Edrisiten von Mauretanien und den mächtigen Fatimiten von Afrika und Ägypten. Im zehnten Jahrhundert machten sich drei Kalifen oder Beherrscher der Gläubigen den Thron Mohammeds streitig. Sie regierten in Bagdad, Kairo und Cordova, exkommunizierten einander und stimmten nur in dem Grundsatze überein, daß ein Sektierer ein hassenswerter und größerer Verbrecher sei als ein Ungläubiger.

Mekka war das Erbe der Linie Haschem, aber die Abbassiden versuchten nie am Geburtsorte oder in der Stadt des Propheten zu residieren. Damaskus war durch die Ommijaden geschändet und mit ihrem Blute befleckt worden. Nach einiger Zeit legte Almansor, der Bruder und Nachfolger Saffahs, den Grundstein zu Bagdad, dem kaiserlichen Sitze seiner Nachkommen während einer fünfhundertjährigen Herrschaft. Der auserwählte Platz liegt an dem östlichen Ufer des Tigris, ungefähr fünfzehnhundert Meilen von Modain entfernt. Die doppelte Mauer war kreisrund, und so schnell vergrößerte sich die jetzt zu einer Provinzstadt zusammengeschrumpfte Residenz, daß dem Leichenbegängnisse eines beliebten Heiligen achthunderttausend Männer und sechzigtausend Frauen aus Bagdad und den benachbarten Orten beiwohnten. In dieser Stadt des Friedens, mitten unter den Reichtümern des Orients, verschmähten die Abbassiden bald die Enthaltsamkeit und Mäßigkeit der ersten Kalifen und waren bestrebt, die Pracht der persischen Könige nachzuahmen. Almansor hinterließ trotz seiner Kriege und Bauten dreißig Millionen Pfund Sterling in Gold und Silber, und dieser Schatz wurde in wenigen Jahren von seinen lasterhaften Kindern vergeudet. Sein Sohn Mahadi gab auf einer einzigen Wallfahrt nach Mekka sechs Millionen Golddinare aus. Der Bau von Zisternen und Karawansereien längs einer siebenhundert Meilen langen Straße kann als Frömmigkeit oder Mildtätigkeit ausgelegt werden, aber sein Zug Kamele, die mit Schnee beladen waren, konnten nur dazu dienen, die Eingeborenen von Arabien in Erstaunen zu setzen und die Früchte und Getränke der königlichen Tafel zu kühlen. Die Höflinge priesen die Freigebigkeit seines Enkels Almamon, der vier Fünftel des Einkommens einer Provinz, eine Summe von zwei Millionen vierhunderttausend Golddinaren, verschenkte, bevor er den Fuß aus dem Steigbügel setzte. Bei der Vermählung desselben Fürsten wurden tausend der größten Perlen über das Haupt der Braut geschüttet und eine Lotterie von Ländereien und Häusern veranstaltet. Der Glanz des Hofes wurde beim Sinken des Reiches eher erhöht als vermindert. Ein griechischer Gesandter konnte die Prachtentfaltung des Kalifen Moktader bewundern oder bemitleiden. »Das ganze Heer des Kalifen«, sagte der Geschichtschreiber Abulfeda, »stand unter Waffen, Reiterei wie Fußvolk, zusammen hundertsechzigtausend Mann. Die Staatswürdenträger, die Lieblingssklaven standen in glänzender Tracht neben ihm, die Gürtel schimmerten von Gold und Edelsteinen. Sie waren von siebentausend Eunuchen, dreitausend schwarzen und viertausend weißen, umgeben. Die Zahl der Türhüter belief sich auf siebenhundert; Barken und Boote, glänzend aufgeputzt, schwammen auf dem Tigris. Nicht minder prachtvoll war der Palast selbst, in dem achtunddreißigtausend Wandteppiche aufgehangen waren, zwölftausendfünfhundert davon aus Seide und mit Gold durchwirkt. Fußteppiche gab es zweiundzwanzigtausend. Hundert Löwen mit je einem Wächter wurden vorgeführt. Unter den seltenen und kostbaren Schaustücken sah man einen Baum aus Gold und Silber, der achtzehn große Äste und viele kleine Zweige hatte, auf denen eine große Menge Vögel saßen, die, wie die Blätter, ebenfalls aus Gold und Silber waren. Durch eine Maschinerie wurden die Vögel bewegt und sangen Lieder. Durch diese prunkvolle Schaustellung wurde der griechische Gesandte von dem Vezir zu den Stufen des Thrones des Kalifen geführt.« Im Westen behaupteten die Ommijaden gleich prunkhaft ihre Ansprüche auf den Titel: Beherrscher der Gläubigen. Drei Meilen von Cordova hatte der dritte und größte Abdalrhaman zu Ehren seiner Lieblingssultanin Stadt, Palast und Gärten von Zehra gebaut. Fünfundzwanzig Jahre wurde mit einem Aufwand von über drei Millionen Pfund Sterling gearbeitet; er lud die Künstler von Konstantinopel, die geschicktesten Bildhauer und Architekten des Zeitalters ein, an seinen Hof zu kommen. Die Gebäude wurden von zwölfhundert Säulen aus spanischem und afrikanischem, griechischem und italienischem Marmor getragen und mit diesem ausgeschmückt. Die Audienzhalle war mit Gold und Perlen ausgelegt, im Mittelpunkt befand sich ein Wasserbecken, das von kostbaren Vogel- und Tiergestalten umgeben war. In einem hohen Pavillon des Gartens befand sich eines jener in einem schwülen Klima so wonnevollen Becken oder ein Springbrunnen mit dem reinsten Quecksilber gefüllt. Das Serail Abdalrhamans, seine Frauen, Kebsweiber und schwarzen Eunuchen belief sich auf sechstausenddreihundert Personen. Wenn er ins Feld zog, begleitete ihn eine Leibwache von zwölftausend Reitern, deren Gürtel und Säbel mit Gold ausgelegt waren.

Die Erfüllung der Wünsche von Privatpersonen war ständig durch Armut oder Verbote verhindert, aber Leben und Arbeit von Millionen ist dem Dienste eines despotischen Fürsten geweiht, dessen Befehle blind vollzogen, dessen Wünsche augenblicklich befriedigt werden. Unsere Augen werden durch ein glänzendes Bild geblendet, und wie sehr uns auch die Gebote der Vernunft gegenwärtig sein mögen, wird es doch wenige unter uns geben, die es zurückweisen würden, die Königswürde eine kurze Zeit inne zu haben. Es wird daher von Nutzen sein, die Erfahrungen desselben Abdalrhaman, dessen Prachtentfaltung unsere Bewunderung, vielleicht unseren Neid erregt hat, mitzuteilen. Eine unzweifelhaft echte Schrift wurde im Gemache des verstorbenen Kalifen gefunden: »Ich habe nun fünfzig Jahre siegreich oder im Frieden regiert, geliebt von meinen Untertanen, gefürchtet von meinen Feinden, geachtet von meinen Bundesgenossen. Ich besaß Reichtum und Ehre, Macht und Vergnügen und nichts schien mir zu mangeln. In dieser Lage habe ich emsig die Tage reinen und echten Glückes gezählt, die mir zuteil geworden sind: Vierzehn! – 0 Mensch, setze dein Vertrauen nicht auf diese Welt!« Die Üppigkeit, in der die Kalifen lebten und die ihr persönliches Glück wenig förderte, machte sie schlaff und beendete die Siegeslaufbahn des arabischen Reiches. Die ersten Nachfolger Mohammeds hatten sich mit nichts anderem beschäftigt, als mit Eroberungen und Andachtsübungen. Ihr gesamtes Einkommen wurde, außer dem kleinen Teil, den sie zu ihrem Lebensunterhalt benötigten, dem großen Werke gewidmet. Die Abbassiden verarmten wegen ihrer zahlreichen Bedürfnisse und ihrer Verschwendungssucht. Statt ihre Kräfte einer großen Sache zu widmen, wurden sie von Vergnügungen abgelenkt; Weiber und Eunuchen ernteten die Früchte der Tapferen, und das königliche Lager war so üppig wie ein Palast ausgestattet. Ähnlich waren die Vorgänge bei den Untertanen des Kalifen. Die strenge Schwärmerei milderte sich mit der Zeit und dem wachsenden Wohlstand. Sie betrieben Industrien, um Reichtümer zu erwerben, Ruhmessucht feuerte die Literaten an und Glück wurde im häuslichen Leben gesucht. Krieg hörte auf, die Leidenschaft der Sarazenen zu sein. Weder Erhöhung des Soldes, noch zahlreiche Geschenke vermochte die Nachkommen jener Krieger anzulocken, die sich in der Hoffnung auf Beute und das Paradies unter den Fahnen Abubekers und Omars zusammengeschart hatten.

Unter den Ommijaden waren die Studien der Muselmanen auf die Auslegung des Korans und die Werke in ihrer Muttersprache beschränkt. Ein den Gefahren des Krieges ständig ausgesetztes Volk mußte die Arzneikunde ehren; aber die Ärzte von Arabien klagten, daß körperliche Bewegung und Mäßigkeit sie des größten Teiles ihrer Praxis beraube. Nach ihren einheimischen Bürgerkriegen erwachten die Untertanen der Abbassiden aus ihrem geistigen Schlummer, fanden Muße und fühlten den Trieb zur Erwerbung weltlicher Kenntnisse erwachen. Die diesbezüglichen Bestrebungen wurden zuerst durch den Kalifen Almansor unterstützt, der außer dem Studium der arabischen Gesetze mit Erfolg das der Astronomie betrieb. Als aber das Zepter auf Almamon, den siebenten der Abbassiden, überging, führte er die Pläne seines Großvaters aus. Sein Gesandter zu Konstantinopel, seine Bevollmächtigten in Armenien, Syrien und Ägypten sammelten die wissenschaftlichen Bücher der Griechen. Sie wurden auf seinen Befehl von den kundigsten Dolmetschern in die arabische Sprache übersetzt; seine Untertanen wurden aufgefordert, diese belehrenden Schriften eifrigst zu lesen, und der Nachfolger. Mohammeds wohnte mit Vergnügen und bescheiden den Versammlungen der Gelehrten bei. »Ihm war nicht unbekannt«, sagt Abulpharagius, »daß diejenigen die Auserwählten Gottes, seine besten und nützlichsten Diener sind, deren Leben der Vervollkommnung ihrer geistigen Fähigkeiten gewidmet ist. Die wenig ehrgeizigen Chinesen oder Türken mögen sich ihres manuellen Fleißes rühmen; aber diese geschickten Künstler müssen die sechsseitigen Pyramiden der Bienenstöcke betrachten ohne sie nachmachen zu können, diese starken Helden werden vom Löwen oder Tiger in Furcht versetzt, und in ihren Liebesgenüssen stehen sie an Kraft tief unter den gröbsten und verachtetsten Vierfüßlern. Die Lehrer der Weisheit sind die eigentlichen Gesetzgeber und Leuchten dieser Welt, die ohne sie wieder in Barbarei und Unwissenheit zurücksinken würde.« Der eifrige und wißbegierige Almamon fand unter den folgenden Fürsten des Hauses Abbas Nachahmer; ihre Nebenbuhler, die Fatimiten von Afrika und die Ommijaden von Spanien, waren sowohl Beschützer der Gelehrten als Beherrscher der Gläubigen. Die unabhängigen Emire der Provinzen machten auf dasselbe königliche Vorrecht Anspruch. Durch ihre Rivalität wurde der Geschmack gefördert und die Wissenschaften von Samarkand und Bochara bis Fez und Cordova verbreitet. Der Vezir eines Sultans widmete zweihunderttausend Goldstücke zur Gründung eines Kollegiums in Bagdad und wandte ihm jährlich fünfzehntausend Golddinare zu. Unterricht wurde, vielleicht zu verschiedenen Zeiten, sechstausend Schülern jeden Ranges, vom Sohne des Edlen bis zu jenem des Handwerkers, erteilt. Für den Unterhalt der bedürftigen Schüler war hinreichend gesorgt und die Lehrer wurden angemessen entlohnt. In jeder arabischen Stadt wurden die arabischen Schriften kopiert und eifrig von den Reichen gesammelt. Ein einfacher Gelehrter schlug eine Einladung des Sultans von Bochara aus, weil vierhundert Kamele nötig gewesen wären, um seine Bücher fortzuschaffen. Die königliche Bibliothek der Fatimiten bestand aus hunderttausend schön geschriebenen und prachtvoll gebundenen Handschriften, die den Studierenden von Kairo ohne Eifersucht geliehen wurden. Die Sammlung erscheint jedoch klein, wenn wir glauben können, daß die Ommijaden von Spanien eine Bibliothek von sechshunderttausend Bänden angelegt haben, wovon vierundvierzig bloß den Katalog enthielten. In ihrer Hauptstadt Cordova und ihren nahen Städten Malaga, Almeria und Murica waren mehr als dreihundert Schriftsteller beschäftigt, und über siebzig öffentliche Bibliotheken waren in den Städten des andalusischen Königreiches geöffnet. Das Zeitalter der arabischen Gelehrsamkeit dauerte gegen fünfhundert Jahre bis zum großen Einbruche der Mongolen. Während dieser Zeit hatte Europa seine dunkelste und trägste Epoche in den Annalen der Geschichte. Seit sich aber der Westen mit den Wissenschaften beschäftigt, scheint die arabische Gelehrsamkeit in Verfall zu geraten.

In den Bibliotheken der Araber sowie in jenen Europas, hatten die meisten Werke nur einen örtlichen oder scheinbaren Wert. Die Regale waren mit Werken von Rednern oder Dichtern vollgestopft, deren Stil dem Geschmacke und Sitten ihrer Landsleute zusagte. Es waren allgemeine und besondere Geschichten, die von jedem neuen Geschlecht in anderer Art erneuert wurden, ferner Gesetzbücher und Kommentare, die sich auf die Gesetze des Propheten stützten, Ausleger des Korans und der orthodoxen Überlieferung, endlich die Schriften der Theologen, Polemiker, Mystiker, Scholastiker und Moralisten, die je nach der Einstellung der Gläubigen oder Zweifler die besten oder schlechtesten Schriftsteller waren. Die streng wissenschaftlichen Werke lassen sich in vier Klassen einteilen: Philosophie, Mathematik, Astronomie und Physik. Die Schriften der Weisen Griechenlands wurden in die arabische Sprache übersetzt und in ihr erläutert, und mehrere im Original verloren gegangene Abhandlungen sind durch Übersetzungen von Orientalen, die die Schriften des Aristoteles und Plato, des Euklid und Apollonius, des Ptolomäus, Hyppokrates und Galenus besaßen und studierten, erhalten geblieben. Von den ideellen Systemen, die mit der Mode der Zeiten wechselten, nahmen die Araber die Philosophie der Stagiriten an, die für die Leser aller Zeitalter gleich verständlich oder dunkel ist. Plato schrieb für die Athener, er ist zu sehr an ihre Sprache und Religion gebunden. Nach dem Sturze dieser Religion erhoben sich die Peripatetiker und behielten bei den Streitigkeiten der orientalischen Sekten die Oberhand. Die Mohammedaner von Spanien brachten lange nachher ihren Stifter den lateinischen Schulen wieder in Erinnerung. Da die Physik, die sowohl in der Akademie als im Lyzeum gelehrt wurde, nicht auf Beobachtungen, sondern auf Spekulationen gegründet war, verzögerten diese die Fortschritte der wirklichen Wissenschaft. Die Metaphysik ist nur zu oft dem Aberglauben dienstbar gemacht worden. Die menschlichen Fähigkeiten werden durch Ausübung der Dialektik geschärft; die zehn Kategorien des Aristoteles ordnen und reihen unsere Begriffe in ein System ein. Sein Syllogismus ist die stärkste Waffe im Wortkampfe. Die Sarazenen bedienten sich seiner geschickt in ihren Schulen. Da er aber bei Entdeckung des Irrtums bessere Dienste leistet als bei der der Wahrheit, kann es nicht Wunder nehmen, daß sich die Lehrer und Schüler dauernd in einem logischen Kreis bewegten. Die Mathematik zeichnet sich dadurch aus, daß sie sich im Laufe der Zeiten nur vorwärts, nicht rückwärts entwickeln kann.

Die alte Geometrie wurde, wenn ich gut unterrichtet bin, von den Italienern des fünfzehnten Jahrhunderts wieder aufgenommen. Welchen Ursprung das Wort Algebra immer haben mag, so schreiben die Araber ihre Entdeckung selbst dem Griechen Diophantus zu. Mit größerem Erfolge pflegten sie die Astronomie, die den Geist des Menschen über seine kleine Welt und sein augenblickliches Dasein hinaushebt. Die kostbarsten Beobachtungswerkzeuge wurden von dem Kalifen Almamon angeschafft. Das Land der Chaldäer eignete sich vorzüglich infolge seiner geräumigen Ausdehnung, wie dem klaren Himmel, der sich darüber wölbt, zur Beobachtung der Sterne. In den Ebenen von Sinaar und später in denen von Kufa maßen die Mathematiker genau einen größten Kreis der Erde und bestimmten seinen Umfang auf vierundzwanzigtausend (englische) Meilen. Von der Zeit der Herrschaft der Abbassiden bis zu jener Tamerlans wurden die Sterne ohne Hilfe von Gläsern eifrigst beobachtet. Durch die astronomischen Tafeln von Bagdad, Spanien und Samarkand werden bloß einige kleine Irrtümer berichtigt, ohne daß gewagt wird, die Hypothesen des Ptolemäus zu verwerfen und ohne einen einzigen Schritt zur Entdeckung des Sonnensystems vorwärts zu tun. An den orientalischen Höfen konnten die Wahrheiten der Wissenschaften nur mit Hilfe törichter und auf die Unwissenheit bauender Mittel verbreitet werden, und der Astronom wäre verachtet worden, wenn er seine Wissenschaft nicht in das Gewand der Astrologie gekleidet hätte. Nur in der Arzneikunde verdienen die Araber das ihnen gespendete Lob. In der Kunst nehmen Mesua und Geber, Razis und Avicenna einen achtbaren Rang selbst unter den griechischen Künstlern ein. In der Stadt Bagdad erhielten achthundertsechzig Ärzte das Recht, ihren einträglichen Beruf auszuüben; in Spanien ließen sich christliche Fürsten von Sarazenen behandeln, und die Schule von Salerno, von Arabern gegründet, belebte in Italien und Europa die Wissenschaft der Heilkunde. Der Erfolg jedes ausübenden Arztes mußte von Zufälligkeiten abhängen; wir können uns heute einen richtigen Begriff von ihrer allgemeinen Kenntnis in der Anatomie, Botanik und Chemie, der Grundlage der Theorie und Praxis, machen. Ehrfurcht vor den Toten machte es den Arabern unmöglich, menschliche Leichen zu sezieren, und die Ärzte mußten sich bei ihren Studien auf Affen und andere Tiere beschränken. Man wußte nur etwas über die äußeren sichtbaren Teile des Menschen, während die wirkliche Kenntnis des inneren Baues späteren Zeiten vorbehalten blieb. Im Kräuterbuch des Dioskoris finden wir zweitausend Pflanzen der heißen Zone verzeichnet. Einige Kenntnisse wurden in den Tempeln und Klöstern aus früheren Zeiten bewahrt, und viele nützliche Fertigkeiten wurden durch die Belebung der Gewerbe und Künste erlernt. Die Wissenschaft der Chemie verdankt ihren Ursprung ebenfalls den Sarazenen. Sie erfanden zuerst den Brennkolben zur Destillation, analysierten die Substanzen der drei Naturreiche, erprobten Alkalien und Säuren und verwandelten giftige Metalle in heilsame Arzneien. Am eifrigsten forschten die Araber nach dem Gesundheitselixier und der Möglichkeit der Umwandlung eines Metalles in ein anderes. Das Vermögen Tausender verdampfte in den Schmelztiegeln, und man versuchte das große Werk durch Geheimniskrämerei, Lügen und Schüren des Aberglaubens zu fördern.

Die Muselmanen beraubten sich selbst des Gewinnes, die griechischen und römischen Schriften im Urtext lesen zu können, da sie aus großer Liebe zu ihrer Sprache das Studium jeder fremden verschmähten. Die Dolmetscher für die griechische Sprache waren christliche Untertanen der Kalifen. Diese fertigten die Übersetzung zuweilen nach dem Urtext, meist aber nach einer syrischen Übersetzung an. Neben den Astronomen und Ärzten findet man keinen Dichter, Redner, ja nicht einmal einen Geschichtschreiber, der die Sprache der Sarazenen sprechen konnte. Die Mythologie Homers würde den Abscheu dieser finsteren Fanatiker erweckt haben. Sie begnügten sich, die Provinzen von Karthago und Rom und die Kolonien der Makedonier zu besitzen: die Helden des PIutarch und Livius gerieten in Vergessenheit, und die Weltgeschichte vor Mohammed beschränkte sich auf eine kurze Legende von den Patriarchen, den Propheten und den persischen Königen. Dadurch, daß in unseren Schulen Griechisch und Latein gelehrt wird, mag unser Geschmack vielleicht in einer bestimmten Richtung gelenkt worden sein, und ich bin keineswegs geneigt, vorschnell die Literatur und die Schriften der Völker zu verdammen, deren Sprache ich nicht verstehe. Aber ich weiß, daß von den Klassikern viel gelernt werden kann, und ich glaube, daß die Orientalen viel zu lernen haben: würdevollen Stil, richtige Proportionen in der Kunst, das Erkennen der wahren Schönheit, richtige Zeichnung der Charaktere und Leidenschaften, Rhetorik in den Erzählungen, richtige Beweisführung, den Aufbau epischer und dramatischer Werke. Der Einfluß der Wahrheit und Vernunft ist sicherlich größer. Die Philosophen von Athen und Rom genossen die Segnungen und verteidigten die Rechte der bürgerlichen und religiösen Freiheit. Ihre moralischen und politischen Schriften hätten allmählich die Verbote der orientalischen Despoten vernichten, mehr Freisinnigkeit und Duldung verbreiten und die arabischen Weisen ermutigen können, zu ahnen, daß ihr Kalif ein Tyrann und ihr Prophet ein Betrüger sei. Die Abergläubischen wurden sogar durch die Einführung der abstrakten Wissenschaften beunruhigt, und die strengen Gottesgelehrten verdammten die verwegene und verderbliche Wißbegierde Almamons. Dem Durste nach dem Märtyrertum, dem Traume vom Paradies und dem Glauben an die Vorherbestimmung müssen wir den unbezwinglichen Enthusiasmus des Fürsten und Volkes zuschreiben. Die Sarazenen verloren an Furchtbarkeit, als ihre Jugend, statt im Lager zu üben, in den Schulen lernte, als die Soldaten wagten, zu lesen und nachzudenken begannen. Dennoch waren die eitlen Griechen auf die Studien der Araber eifersüchtig und belehrten die Barbaren des Ostens nur widerwillig.

Während des blutigen Kampfes der Ommijaden und Abbassiden hatten die Griechen die Gelegenheit wahrgenommen, ihre Leiden zu rächen und ihre Grenzen zu erweitern. Aber strenge Vergeltung wurde von Mahadi, dem dritten Kalifen der neuen Dynastie geübt, der seinerseits die günstige Gelegenheit benützte, als ein Weib und ein Kind, Irene und Konstantin, auf dem griechischen Thron saßen. Ein Heer von fünfundneunzigtausend Persern und Arabern wurde vom Tigris zum thrakischen Bosporus unter dem Oberbefehle Haruns oder Aarons, dem zweiten Sohne des Beherrschers der Gläubigen, gesandt. Er schlug sein Lager auf der Konstantinopel gegenüberliegenden Höhe von Chrysopolis oder Skutari auf und bewies Irene so den Verlust ihrer Truppen und Provinzen. Mit Zustimmung oder unter Duldung der Fürstin unterzeichneten ihre Minister einen schimpflichen Frieden. Einige Geschenke wurden ausgetauscht; diese vermochten jedoch nicht zu verhindern, daß dem römischen Reiche ein jährlicher Tribut von siebzigtausend Golddinaren auferlegt wurde. Die Sarazenen waren zu schnell in ein fremdes Land vorgedrungen; sie erhielten jedoch als Dank für ihren Rückzug von den Griechen Führer und Lebensmittel, und keiner hatte den Mut zu sagen, daß es ein leichtes wäre, die ermatteten Streitkräfte der Sarazenen während ihres Marsches zwischen einem steilen Berge und dem Flusse Sangarius zu umzingeln und zu vernichten. Fünf Jahre nach diesem Feldzuge bestieg Harun den Thron seines Vaters und älteren Bruders. Er war der mächtigste und tätigste Monarch seines Geschlechtes, im Westen als Karls des Großen Bundesgenosse berühmt und den jüngsten Lesern als Held der arabischen Sage bekannt. Sein Beiname Al Raschid (der Gerechte) wird durch die Ausrottung der hochherzigen, vielleicht unschuldigen Barmekiden befleckt, aber er war imstande, einer klagenden Witwe Gehör zu schenken, die von seinen Truppen ausgeraubt worden war und die, wie eine Stelle im Koran angibt, es wagte, den Despoten mit dem Gerichte Gottes und der Nachwelt zu drohen. Sein Hof war glänzend und er zog Wissenschaftler an ihn. Während seiner dreiundzwanzigjährigen Regierung besuchte Harun wiederholt seine Provinzen von Chorasan bis Ägypten, neunmal machte er die Wallfahrt nach Mekka, achtmal fiel er in die Gebiete der Römer ein, und so oft diese Tributzahlung verweigerten, ließ er sie fühlen, daß die während eines Monats durch seine Truppen durchgeführte Plünderung erheblich größere Summen koste, als der Tribut für ein Jahr ausmache. Nachdem aber die unnatürliche Mutter Konstantins abgesetzt und verbannt worden war, beschloß ihr Nachfolger Nikephorus diesen Makel der Schmach und Knechtschaft auszulöschen. In dem Schreiben des Kaisers an den Kalifen wurde stichelnd auf das Schachspiel, dessen Kenntnis sich bereits von Persien nach Griechenland verbreitet hatte, angespielt. »Die Königin (er spricht von Irene) betrachtete dich als einen Turm und sich als einen Bauern. Diese kleinmütige Frau unterwarf sich und zahlte einen Tribut, den sie doppelt so hoch von den Barbaren hätte fordern sollen. Gib daher die unrechtmäßig erworbenen Güter zurück oder das Schwert wird sprechen.« Bei diesen Worten warfen die Abgesandten ein Bündel Schwerter vor die Stufen des Thrones. Der Kalif lächelte über die Drohung, zog seinen Säbel Samsamah, eine Waffe von großer und historischer Berühmtheit, und hieb die schwachen Waffen der Griechen entzwei, ohne die Schneide seiner Klinge zu verletzen. Er diktierte dann einen Brief von außerordentlicher Kürze: »Im Namen des barmherzigen Gottes, Harun al Raschid, Beherrscher der Gläubigen, an Nikephorus, den römischen Hund. Ich habe Dein Schreiben gelesen, o Du Sohn einer ungläubigen Mutter. Meine Antwort sollst Du nicht hören, sondern sehen.« Sie wurde in Blut und Feuer auf den Ebenen von Phrygien geschrieben. Die scheinbare Reue der Unterlegenen veranlaßte den Kalifen, sein Wüten zu unterbrechen. Er zog sich triumphierend nach dem beschwerlichen Feldzug in seinen Lieblingspalast Racca am Euphrat zurück. Die rauhe Jahreszeit und die große Entfernung, in der sich der Kalif befand (fünfhundert Meilen), gaben seinem Gegner Mut, den Frieden zu brechen. Nikephorus wurde jedoch durch den schnellen und kühnen Marsch des Beherrschers der Gläubigen, der im tiefen Winter über das schneebedeckte Taurusgebirge ging, in Bestürzung versetzt. Seine politische und kriegerische List war erschöpft; der treulose Grieche entkam mit drei Wunden vom Schlachtfelde, das mit vierzigtausend Leichen seiner Untertanen bedeckt war. Dennoch schämte sich der Kaiser, sich zu unterwerfen, und der Kalif suchte Ruhm und Sieg. Einhundertfünfunddreißigtausend reguläre Soldaten erhielten Sold und waren auf der Musterrolle eingetragen, über dreihunderttausend Personen zogen unter dem schwarzen Banner der Abbassiden. Sie stürmten weit über Tyana und Ancyra hinaus und schlossen das pontische Heraklea ein, einst ein blühender Staat, jetzt ein armseliger Flecken und damals noch fähig, eine viermonatliche Belagerung der Streitkräfte des Orients auszuhalten. Es wurde völlig zerstört und große Beute gemacht. Wäre aber Harun mit der griechischen Geschichte vertraut gewesen, hätte er die Statue des Herkules vielleicht zu retten vermögen, deren Keule, Bogen, Köcher und Löwenhaut mit gediegenem Golde geschmückt waren. Die fortschreitende Verheerung, durch die die Länder vom Schwarzen Meer bis zur Insel Cypern in Mitleidenschaft gezogen wurden, nötigte den Kaiser Nikephorus, seinen Stolz zu bezähmen. Es wurde ein neuer Vertrag geschlossen, in dem bestimmt wurde, daß die Ruinen von Heraklea als ewiges Warnungszeichen stehen bleiben müssen und daß der Tribut in Münzen mit dem Bilde und Namen Haruns und seiner drei Söhne gezahlt werden müsse. Nach dem Tode Haruns wurden seine Söhne in einen Bürgerkrieg verwickelt, und der Sieger, der freigebige Almamon, war mit der Herstellung des inneren Friedens und Einführung der Wissenschaften hinreichend beschäftigt.

Unter der Regierung Almamons zu Bagdad und Michaels des Stammlers zu Konstantinopel wurden die Inseln Kreta und Sizilien von den Arabern unterjocht. Die erste dieser beiden Eroberungen wird von ihren eigenen Geschichtschreibern, die von Jupiter und Minos nichts wissen, gering geachtet, keineswegs aber von den byzantinischen Geschichtschreibern übersehen, die jetzt anfangen, die Ereignisse zu ihren Zeiten in richtigerem Lichte darzustellen. Eine Schar andalusischer, mit dem Klima oder der Regierung von Spanien unzufriedener Freiwilliger war auf Seeabenteuer ausgesegelt; da sie jedoch nicht mehr als zehn bis zwanzig Galeeren hatten, müssen sie als Seeräuber bezeichnet werden. Als Untertanen des Herrschers der weißen Partei durften sie mit Recht in die Gebiete der schwarzen Kalifen einbrechen. Eine aufrührerische Rotte ließ sie in Alexandria ein. Sie hieben Freund wie Feind nieder, plünderten Kirchen und Moscheen, verkauften über sechstausend christliche Gefangene und behaupteten sich so lange, bis sie von Almansor selbst an der Spitze seiner Truppen angegriffen wurden. Von der Mündung des Nil bis zum Hellespont waren die Inseln und Küsten der Griechen und Muselmanen ihren Räubereien ausgesetzt. Sie sahen das fruchtbare Kreta und kehrten bald mit vierzig Galeeren zu einem ernsteren Angriffe zurück. Die Andalusier zogen furchtlos und unbelästigt durch das Land; als sie aber mit ihrer Beute zur Küste zurückkehrten, standen ihre Schiffe in Flammen, und ihr Anführer Abu Caab bekannte sich als Anstifter des Unheils. Er wurde des Wahnsinns oder Verrates beschuldigt. »Worüber klagt ihr?« fragte der schlaue Emir. »Ich habe euch in ein Land gebracht, wo Milch und Honig fließt. Hier ist euer wahres Vaterland. Ruhet von eurer Mühe aus und vergesset euren unfruchtbaren Geburtsort.« »Und unsere Frauen und Kinder?« »Eure schönen Gefangenen werden die Stelle eurer Frauen vertreten und ihr werdet bald Väter anderer Kinder werden.« Ihre erste Wohnung war ihr von Wall und Graben umgebenes Lager in der Bai von Suda. Ein abtrünniger Mönch führte sie an einen besseren Platz in dem östlichen Teile. Der Name ihrer Festung Candax ging verballhornt als Kandia (Kreta) auf die ganze Insel über. Von den hundert Städten des Zeitalters Minos bestanden nur mehr dreißig und von diesen konnte nur eine, wahrscheinlich Cydonia, ihre Freiheit und das Christentum bewahren. Die Sarazenen von Kreta ersetzten bald ihre Flotte. Aus dem Bauholz des Berges Ida wurden Schiffe gezimmert und mit ihnen das Meer befahren. Während einhundertachtunddreißig Jahren griffen die Fürsten von Konstantinopel diese ausschweifenden Korsaren in fruchtlosen Kreuzzügen mit unzulänglichen Waffen und ohne Erfolg an.

Der Verlust Siziliens wurde durch die Handlung eines Privatmannes veranlaßt. Ein verliebter Jüngling, der eine Nonne aus dem Kloster entführt hatte, wurde vom Kaiser zum Verlust der Zunge verurteilt. Euphemius suchte Hilfe bei den Sarazenen von Afrika und kehrte bald mit einer Flotte von hundert Schiffen, einem Heere von siebenhundert Reitern und zehntausend Mann zu Fuß, sowie dem Purpur zurück. Er landete bei Mazara in der Nähe der Ruinen des alten Selinus. Nach einigen geringen Siegen der Sarazenen wurde Syrakus von den Griechen befreit, der Abtrünnige vor dessen Mauern getötet und seine afrikanischen Freunde gezwungen, sich vom Fleische ihrer eigenen Pferde zu nähren. Sie wurden ihrerseits durch ihre Brüder von Andalusien erlöst, die mit mächtiger Verstärkung anrückten. Der größte westliche Teil der Insel wurde allmählich unterworfen und Palermo mit dem geräumigen Hafen zum Sitz der Streitkraft und Seemacht ausersehen. Syrakus war noch über fünfzig Jahre dem Kaiser und Christus treu. Bei der letzten und verhängnisvollen Belagerung zeigten seine Bürger einen Rest jenes Mutes, womit sie einst die Angriffe der Athener und Karthager zurückgewiesen hatten. Sie hielten sich zwanzig Tage gegen die Sturmwidder und Katapulte, die Minen und Sturmdächer der Belagerer, ja der Platz hatte entsetzt werden können, wenn die Matrosen der kaiserlichen Flotten nicht in Konstantinopel zurückgehalten worden wären, um eine Kirche zu Ehren der Jungfrau Maria zu bauen. Der Diakon Theodosius wurde samt dem Bischof und der Geistlichkeit in Ketten vom Altar nach Palermo geschleppt, in ein unterirdisches Verließ geworfen und stündlich der Gefahr des Todes ausgesetzt, wenn er nicht seinen Glauben abschwören wolle. Seine rührende und schöne Klage kann als Grabschrift seines Vaterlandes angesehen werden. Von der Eroberung durch die Römer bis zu diesem letzten Unglück war Syrakus, jetzt zu seiner ursprünglichen Größe Ortygia zusammengeschrumpft, dauernd im Niedergang gewesen. Aber die Reste waren noch immer reich, die Gefäße der Kathedrale aus reinem Silber wogen fünfhundert Pfund; die ganze Beute wurde auf eine Million Goldstücke (ungefähr vierhunderttausend Pfund Sterling) geschätzt, und die Zahl der gefangenen Christen muß größer als siebzehntausend gewesen sein, die nach der Plünderung von Tauromenium in afrikanische Sklaverei geschleppt wurden. Die Religion und Sprache der Griechen wurde in Sizilien ausgerottet, und so groß war die Gelehrigkeit des nachwachsenden Geschlechtes, daß fünfzehntausend Knaben an einem Tage mit dem Sohne des fatimitischen Kalifen beschnitten und gekleidet werden konnten. Die arabischen Flotten liefen aus den Häfen von Palermo, Biserta und Tunis aus; hundertfünfzig Städte von Kalabrien und Kampanien wurden angegriffen und geplündert, und selbst die Vorstädte Roms blieben nicht unverschont. Wenn die Mohammedaner vereint gewesen wären, wäre Italien leicht erobert und dem Reiche des Propheten einverleibt worden. Aber die Kalifen von Bagdad hatten ihre Macht im Westen verloren, die Aglabiten und Fatimiten usurpierten die afrikanischen Provinzen, die Emire von Sizilien strebten nach Unabhängigkeit, und an Stelle eines Eroberungszuges im großen wurden räuberische Streifzüge unternommen.

In den allgemeinen Leiden Italiens erwecken diejenigen Roms eine traurige Erinnerung. Eine Sarazenenflotte von Afrika kommend wagte es, in die Mündung des Tiber einzulaufen und sich einer Stadt zu nähern, die selbst im Zustande des Verfalls noch als die Metropole der christlichen Welt verehrt wurde. Die Tore und Wälle wurden von einem zitternden Volke bewacht, aber die Kirchen und Gräber des heiligen Petrus und Paulus wurden mit den Vorstädten des Vatikan und der Straße nach Ostia preisgegeben. Ihre unverletzliche Heiligkeit hatte sie gegen die Goten, Vandalen und Langobarden geschützt, aber die Araber verachteten das Evangelium und die Legenden gleichermaßen. Ihre Raubsucht wurde durch den Koran geradezu gefordert und gebilligt. Die christlichen Reliquien wurden der Weihgaben entkleidet, ein silberner Altar vom Heiligtum des Petrus gewaltsam entfernt und wenn die Gebeine und Leiber der Heiligen ganz blieben, ist dies bloß der Eile der Sarazenen zu verdanken. Sie plünderten auf ihrem Zuge längs der appischen Straße Fundi und belagerten Gayeta, wandten sich aber von Rom ab. Dadurch, daß sie sich teilten, wurde das Kapitol gerettet. Die Gefahr hing fortwährend über den Häuptern des römischen Volkes, denn ihre einheimischen Streitkräfte waren denen eines arabischen Emirs nicht gewachsen. Sie nahmen den Schutz ihres lateinischen Souveräns in Anspruch, aber die karolingische Standarte wurde durch eine Abteilung Barbaren gestürzt; sie dachten endlich an die Wiedereinsetzung der griechischen Kaiser, aber diese waren fern, ihre Hilfe unsicher und der Gedanke Hochverrat. Ihre Not schien noch durch den Tod ihres geistlichen und weltlichen Oberhauptes gesteigert zu werden; Leo der Vierte wurde zum Heile der Kirche und der Stadt ohne die gewöhnlichen Umtriebe bei einer Wahl einstimmig zum Papste gewählt. Er war ein geborener Römer und besaß den Mut seiner fernen Vorfahren, er stand im allgemeinen Elend aufrecht, gleich einer jener festen und hohen Säulen, die auf dem römischen Forum stehen. Die ersten Tage seiner Regierung widmete er Gebeten, Umzügen, der Reinigung der Reliquien, um die furchtsame Menge zu trösten und mit Hoffnungen zu beleben. Vorkehrungen zur Verteidigung gegen einen eventuellen Angriff waren seit langer Zeit, nicht aus törichter Hoffnung auf Frieden, sondern wegen der allgemeinen Not und Armut, nicht mehr getroffen worden. Soweit es seine geringen Mittel und die kurze Zeit gestatteten, wurden die alten Mauern ausgebessert und fünfzehn Türme an den zugänglichsten Punkten gebaut oder bestehende erneuert. Zwei derselben beherrschten den Tiber auf jedem Ufer, und eine eiserne Kette ward über den Fluß gespannt, um das Hinaufsegeln einer feindlichen Flotte zu verhindern. Die Römer wurden durch die willkommene Nachricht, daß die Belagerung von Gayeta aufgehoben und ein Teil des Feindes mit den geraubten Kirchengütern in den Wellen umgekommen sei, erfreut und waren nun sicher, einen kurzen Aufschub erlangt zu haben.

Aber der Sturm brach bald mit doppelter Wut los. Der Aglabite, der in Afrika herrschte, hatte von seinem Vater einen Schatz und ein Heer geerbt. Eine mit Arabern und Mauren bemannte Flotte ging nach kurzem Aufenthalte in den Häfen von Sardinien an der Mündung des Tiber, sechzehn Meilen von der Stadt, vor Anker. Die Anzahl der Kämpfer und die Ordnung, die herrschte, schien darauf hinzudeuten, daß nicht ein räuberischer Einbruch geplant war, sondern eine dauernde Eroberung. Der wachsame Leo hatte aber ein Bündnis mit den Vasallen des griechischen Reiches, den freien Seestaaten Gayeta, Neapel und Amalfi geschlossen. In der Stunde der Gefahr erschienen ihre Galeeren im Hafen von Ostia unter dem Befehle des Cäsarius, Sohn des Herzogs von Neapel, eines edlen und tapferen Jünglings, der bereits zur See gegen die Sarazenen siegreich gewesen war. Cäsarius wurde mit seinen vornehmsten Gefährten in den lateranesischen Palast eingeladen, und der gewandte Papst tat unwissend, was ihre Anwesenheit bedeuten sollte, indem er nach ihrem Begehren fragte und die angebotene Hilfe mit Freude und Überraschung annahm. Die Bürger begleiteten in Waffen ihren Vater nach Ostia, wo er die Streitkräfte seiner hochherzigen Befreier besichtigte und segnete. Sie küßten seine Füße, empfingen das heilige Abendmahl und hörten das Gebet Leos, der bat, daß Gott, der den heiligen Petrus und Paulus über die Wogen getragen hatte, auch die Arme seiner Streiter stärken möge. Nach einem ähnlichen Gebet schritten die Muselmanen zu einem Angriffe auf die Schiffe der Christen, die ihre vorteilhaftere Aufstellung längst der Küste beibehielten. Der Sieg neigte sich bereits den Verbündeten zu, als ein plötzlich sich erhebender Sturm denselben ohne die Mithilfe der Streiter Christi entschied. Die Christen waren in einem befreundeten Hafen geborgen, während die Schiffe der Afrikaner zwischen den Felsen und Inseln des Gestades umhergeschleudert und zerschmettert wurden. Diejenigen, die dem Schiffbruch oder dem Hunger entgingen, fanden weder noch verdienten sie Erbarmen von ihren unversöhnlichen Gegnern. Durch Schwert und Galgen wurde die große Zahl der Gefangenen verringert, und der Rest wurde zur Wiederherstellung der heiligen Gebäude verwendet, die sie zu zerstören versucht hatten. Der Papst brachte an der Spitze der Bürger und Bundesgenossen sein Dankgebet an den Gräbern der Apostel dar. Dreizehn arabische Bogen aus reinem und gediegenem Silber, die erbeutet worden waren, wurden am Altare Petrus' aufgehangen. Leo der Vierte wandte nun seine Aufmerksamkeit der Verschönerung und Verteidigung des römischen Reiches zu. Die Kirchen wurden ausgebessert und verschönt, viertausend Pfund Silber als Ersatz für den Stuhl des heiligen Petrus bestimmt. Seine Kirche erhielt ein zweihundertsechzehn Pfund schweres Becken aus reinem Gold, worauf sich die Bilder des Papstes und des Kaisers eingemeißelt befanden, die mit einer Reihe Perlen umgeben waren. Dieses Kleinod macht jedoch Leo weniger berühmt, als daß er dafür Sorge trug, daß die Mauern von Horta und Ameria wieder aufgebaut und die umherirrenden Einwohner von Centumcellä in die neugegründete Stadt Leopolis, zwölf Meilen vom Ufer des Meeres entfernt, gebracht wurden. Seine Freigebigkeit bewog eine Anzahl Korsen, sich mit ihren Frauen und Kindern in Porto an der Mündung des Tiber niederzulassen; die verfallene Stadt wurde für sie wieder aufgebaut, die Felder und Weingärten unter die neuen Ansiedler verteilt und ihnen der Beginn eines neuen Lebens dadurch erleichtert, daß man ihnen Hornvieh und Pferde schenkte. Die kühnen Auswanderer, die nach Rache gegen die Sarazenen dürsteten, schworen unter der Fahne des heiligen Petrus zu leben und zu sterben. Die Pilger der Nationen aus dem Westen und Norden, die Rom besuchten, hatten allmählich die große und volkreiche Vorstadt des Vatikan gebildet, und ihre verschiedenen Wohnungen wurden als die Schulen der Griechen und Goten, der Langobarden und Sachsen bezeichnet. Dieser Platz war dauernd kirchenräuberischen Angriffen ausgesetzt, und er wurde deshalb mit einer Mauer mit Türmen umgeben. Die Arbeiten, zu denen nach Möglichkeit jeder beisteuerte, wurden während jeder Jahreszeit innerhalb von vier Jahren zu Ende geführt, und Leo war fast zu jeder Stunde des Tages beim Bau anzutreffen. Er legte dem Vatikan den Namen leontinische Stadt bei, was vielleicht Liebe zum Ruhm, eine hochherzige, aber weltliche Leidenschaft zeigt. Die Einweihung wurde jedoch in Demut vorgenommen und große Bußübungen veranstaltet. Der Bischof und seine Geistlichkeit zogen barfuß in Sack und Asche rings um die Stadt, Psalmen wurden gesungen, Litaneien gebetet und die Mauern mit Weihwasser bespritzt. Die Feier schloß mit der Bitte, daß unter der schützenden Fürsorge der Apostel und Engel, das alte wie das neue Rom stets rein, glücklich und uneinnehmbar bleiben möge.

Der Kaiser Theophilus, Sohn Michaels des Stammlers, war einer der tätigsten und mutigsten Fürsten, die im Mittelalter zu Konstantinopel herrschten. Er zog selbst im Angriffs- und Verteidigungskampfe fünfmal gegen die Sarazenen. Seine Angriffe waren gefürchtet, er selbst vom Feinde geachtet. Im letzten dieser Feldzüge drang er in Syrien ein und belagerte die unbedeutende Stadt Sozopetra, in der zufällig der Kalif Motassem geboren war, dessen Vater Harun im Frieden wie Kriege stets von seinen Frauen begleitet war. Der Kalif war zu dieser Zeit mit der Niederwerfung eines persischen Empörers beschäftigt und vermochte für seine Geburtsstadt, für die er eine Art kindlicher Zuneigung fühlte, nichts anderes zu tun, als Fürsprache einzulegen. Aber gerade dieser Umstand bestimmte den Kaiser, ihn in diesem Punkte besonders zu treffen. Sozopetra wurde dem Erdboden gleichgemacht, die syrischen Gefangenen mit Grausamkeit behandelt und verstümmelt und tausend gefangene Frauen fortgeschleppt. Eine Matrone aus dem Hause Abbas rief in ihrer Angst Motassem an, und dessen Ehre erforderte es, die Untaten der Griechen zu rächen. Unter der Regierung der beiden älteren Brüder war der jüngste auf sein Erbe Anatolien, Armenien, Georgien und Zirkassien beschränkt. In diesen Grenzländern wurde er zum tapferen Mann; er focht unter anderem in acht Schlachten siegreich gegen die Feinde des Korans und erhielt den Namen der Achtgesegnete. Die Truppen aus dem Irak, Syrien und Ägypten wurden durch Türken vervollständigt, die Reiterei war zahlreich, obwohl wir nicht an die hundertdreißigtausend Pferde der königlichen Ställe glauben, und die Kosten der Ausrüstung wurden auf vier Millionen Sterling oder hunderttausend Pfund Gold angeschlagen. Vom Sammelplatze Tarsus rückten die Sarazenen in drei Abteilungen längs der Heerstraße von Konstantinopel vor. Motassem befehligte selbst die Mitte, während die Vorhut seinem Sohn Abbas anvertraut war, der die erste Probe seiner Tapferkeit ablegen sollte. Um seinen Schimpf zu rächen, wollte der Kalif Vergeltung an den Griechen in derselben Weise üben. Der Vater des Theophilus war zu Amorium in Phrygien geboren; der frühere Sitz des kaiserlichen Hauses war mit Denkmälern geschmückt und Vorrechten ausgestattet. Wie gleichgültig er auch dem Volke sein mochte, hatte er doch in den Augen des Souveräns und seines Hofes hohen Wert. Amorium sollte also aus Rache vernichtet werden, und die Sarazenen vereinigten ihre drei Heere unter den Mauern der dem Untergang geweihten Stadt. Die weisesten Leute hatten vorgeschlagen, Amorium zu räumen, die Einwohner zu entfernen und die leeren Gebäude den Sarazenen preiszugeben. Der Kaiser beharrte jedoch bei dem hochherzigen Entschluß, die Stadt seiner Ahnen zu verteidigen und die Schlacht zu wagen. Als sich die Heere trafen, schien es den Römern, daß die Reihen der Sarazenen dichter seien als ihre eigenen, für beide Nationen aber war der Ausgang der Schlacht unrühmlich. Die Reihen der Araber wurden durchbrochen, jedoch von dreißigtausend Persern, die dem byzantinischen Reiche dienten. Die Griechen wurden durch die türkische Reiterei zurückgedrängt und besiegt, und wenige Christen wären mit dem Kaiser vom Schlachtfeld entkommen, wenn die Bogensehnen der Türken nicht durch den Regen naß und schlaff geworden wären. Die Flüchtlinge kamen erst drei Tagereisen vom Kampfplatz entfernt, in Doryläum, zur Ruhe, und als Theophilus Schau über seine zitternden Geschwader hielt, verzieh er die gemeinsame Flucht des Fürsten und des Volkes. Der Kaiser versuchte umsonst das Schicksal Amoriums durch Bittgesuche abzuwenden. Der unerschütterliche Kalif verwarf seine Bitten und Versprechungen mit Verachtung und hielt die römischen Gesandten zurück, um Zeugen seiner großen Rache zu sein. Sie wären beinahe die Zeugen seiner großen Schmach geworden. Der treue Statthalter, die kampfgeübte Besatzung und das verzweifelte Volk widerstanden fünfundfünfzig Tage den wütenden Angriffen; ja die Sarazenen hätten die Belagerung aufheben müssen, wenn ihnen nicht ein Verräter den schwächsten Teil der Mauer gezeigt hätte, einen Platz, der mit den Standbildern eines Löwen und Stiers geschmückt war. Motassem erfüllte sein Gelübde mit unbarmherziger Strenge. Vom Zerstören mehr ermüdet als befriedigt, kehrte er in seinen neuen Palast Samara in der Nähe von Bagdad zurück, während der unglückliche Theophilus sich um die zweifelhafte Hilfe seines westlichen Nebenbuhlers, des Kaisers der Franken, bewarb. Bei der Belagerung von Amorium waren siebzigtausend Muselmanen umgekommen; dreißigtausend Christen wurden niedergemetzelt und ebenso viele zu Gefangenen gemacht, die wie die entsetzlichsten Verbrecher behandelt wurden. Manchmal zwang die Not zur Auswechslung der Gefangenen; aber bei dem National- und Religionskampfe der beiden Reiche fehlte es im Frieden an Vertrauen, im Kriege an Barmherzigkeit. Selten wurde auf dem Schlachtfelde Pardon gegeben, diejenigen, die dem Schwerte entrannen, wurden in hoffnungsloser Gefangenschaft ausgesuchter Marter unterworfen. Ein katholischer Kaiser berichtet mit sichtlicher Freude über die Hinrichtung der Sarazenen von Kreta, die lebendig geschunden oder in Kessel mit siedendem Öl geworfen wurden. Der Ehre hatte Motassem eine blühende Stadt, zweihunderttausend Menschen und das Eigentum von Millionen geopfert. Derselbe Kalif stieg einst vom Pferde und beschmutzte sein Gewand, um einem schwachen Greise zu helfen, der mit seinem beladenen Esel in einen Graben gestürzt war. Welcher von diesen Handlungen mochte er mit größerem Vergnügen gedenken, als der Todesengel bei ihm erschien?

Mit Motassem, dem achten der Abbassiden, erlosch der Ruhm seines Hauses und Volkes. Als die Araber sich über den Osten ausgebreitet und sich mit Persern, Syrern und Ägyptern vermengt hatten, verloren sie allmählich die kriegerischen Tugenden, die sie sich in der Wüste angeeignet hatten. Der Mut des Südländers wird künstlich durch Zucht und Vorurteile hervorgerufen. Aber die Schwärmerei war verschwunden, die Lohntruppen der Kalifen wurden durch Nordländer ergänzt, die von Natur aus tapfer sind. Die entweder gefangengenommenen oder gekauften kräftigen türkischen Jünglinge, die jenseits des Oxus und Jaxartes wohnten, wurden im mohammedanischen Glauben und zu Soldaten erzogen. Die türkischen Leibwachen umstanden bewaffnet den Thron ihres Wohltäters, ihre Anführer maßten sich die Herrschaft über den Palast und die Provinzen an. Motassem, als erster der Kalifen, berief über fünfzigtausend Türken in die Hauptstadt. Ihr zügelloses Betragen veranlaßte öffentliche Unruhen, ja die Streitigkeiten der Soldaten und des Volkes bewogen den Kalifen, Bagdad zu verlassen und seine Residenz und das Lager seiner barbarischen Lieblinge zu Samara am Tigris ungefähr zwölf Stunden oberhalb der Stadt des Friedens aufzuschlagen. Sein Sohn Motawakkel war ein eifersüchtiger und grausamer Tyrann; gehaßt von seinen Untertanen, verließ er sich auf die Treue von Fremden, die sich von Ehrgeiz und Besorgnis angetrieben, durch Versprechungen zu einer Umwälzung verführen ließen. Auf Anstiften oder wenigstens zugunsten seines Sohnes drangen sie am Abend in das Gemach des Kalifen und hieben ihn in sieben Stücke mit denselben Schwertern, die er kürzlich selbst unter sie verteilt hatte. Zum Thron, noch von des Vaters Blut rauchend, wurde Montaser im Triumphe geführt, hatte aber während seiner sechsmonatlichen Regierung nichts als ein schlechtes Gewissen. Beim Anblick einer alten Tapete, die das Verbrechen und die Strafe des Sohnes Chosroes' zeigte, weinte er, seine Tage wurden durch Schmerz und Gewissensqual gekürzt, und wir können den Vatermörder bemitleiden, der sterbend ausrief, er habe sowohl diese als jene Welt verloren. Nach dieser Tat des Hochverrates wurde die Königswürde im Staate Mohammeds durch fremde Söldlinge usurpiert, die in vier Jahren drei Beherrscher der Gläubigen ernannten, absetzten, mordeten. So oft Furcht, Wut oder Habsucht die Türken entflammte, wurden diese Kalifen bei den Füßen aus ihrem Palast geschleppt, nackt der Sonne ausgesetzt, mit eisernen Keulen geschlagen und gezwungen, abzudanken, wodurch sie wenigstens ihr Leben retteten. Endlich kehrte wieder mehr Ruhe ein; die Abbassiden kehrten nach Bagdad zurück, die Türken wurden strenger im Zaum gehalten und in ausländischen Kriegen beschäftigt und vermindert. Aber die Nationen des Ostens hatten jetzt gelernt, die Nachfolger des Propheten mit Füßen zu treten, und der Friede konnte nur dadurch gewahrt werden, daß die Macht und Zucht abnahm. So ähnlich ist der militärische Despotismus in allen Ländern, daß ich die Geschichte der Prätorianer von Rom zu wiederholen scheine.

Während Schwärmerei durch Geschäfte, Üppigkeit und wissenschaftliche Bestrebungen des Zeitalters vermindert wurde, erhielt sie sich um so heftiger in den wenigen Auserwählten, die in dieser oder jener Welt herrschen wollten. Das Buch der Prophezeiungen war durch den Propheten sorgfältigst zusammengestellt worden, aber die Fanatiker glaubten, daß Gott, der sich bereits Adam, Noah, Moses, Christus und Mohammed geoffenbart hatte, dies nochmals in vollständigerer Weise tun werde. Im zweihundertsiebenundsiebzigsten Jahre der Hegira nahm ein arabischer Priester namens Karmath, der in der Nähe von Kufa lebte, folgende Titel an: Führer, Leiter, Beweiser, heiliger Geist, Kamel, Herold des Messias, Sohn Alis, Johannes des Täufers und des Engels Gabriel. Der Messias hatte angeblich in menschlicher Gestalt mit ihm verkehrt. Die Vorschriften des Korans verfeinerte er in seinen Büchern in geistiger Weise. Die Anzahl der Waschungen, Fasten und Wallfahrten wurde vermindert, er gestattete den Genuß des Weines und bisher verbotener Speisen. Seine Schüler mußten täglich fünfzig Gebete sprechen, um ihre Inbrunst zu steigern. Die Gärung unter dem müßiggehenden Landvolk erregte die Aufmerksamkeit der Regierung von Kufa. Die Fortschritte der neuen Sekte wurden durch eine geringe Verfolgung gesteigert, und der Tod des Propheten veranlaßte ein Anschwellen seiner Anhänger. Seine zwölf Apostel predigten unter den Beduinen, »einem Volke«, sagt Abulfeda, »dem es ebensosehr an Vernunft, wie an Religion fehlt.« Diese Predigten schienen in Arabien eine neue Umwälzung vorzubereiten. Die Karmathier wurden zur Empörung reif, weil sie das Recht des Hauses Abbas leugneten und den weltlichen Pomp der Kalifen von Bagdad verabscheuten. Sie waren befähigt, militärische Zucht zu erhalten, weil sie ihrem Imam unbedingten Gehorsam gelobten, der durch Gottes und Volkes Stimme zu seinem Prophetenamte berufen wurde. Statt des gesetzlichen Zehnten forderte er ein Fünftel ihres Eigentums und ihrer Beute; die Brüder waren miteinander durch einen Eid, durch den sie Gehorsam gelobten, verbunden und gegenseitig gesichert. Nach einem blutigen Kampfe behielten sie in der Provinz Bahrein, am Persischen Meerbusen gelegen, die Oberhand. Weit und breit waren die Stämme der Wüste dem Zepter oder vielmehr dem Schwerte Abu Saids und seines Sohnes Abu Taher Untertan. Diese rebellischen Imame konnten ein Heer von hundertsiebzigtausend Fanatikern in das Feld stellen. Die Söldner des Kalifen zitterten bei der Annäherung eines Feindes, der weder Pardon gab noch verlangte. Der Unterschied zwischen ihnen an Standhaftigkeit und Geduld beweist die Veränderung, die innerhalb dreier Jahrhunderte des Glückes bei den Arabern vorgegangen ist. Solche Truppen wurden in jedem Gefecht geschlagen, die Städte Rakka und Baalbek, Kufa und Bassora erstürmt und geplündert. Bagdad wurde von Bestürzung ergriffen und der Kalif bebte in seinem Palaste. Auf einem kühnen Streifzuge auf dem jenseitigen Ufer des Tigris drang Abu Taher mit nur fünfhundert Reitern bis vor die Tore der Hauptstadt. Auf besonderen Befehl Moktaders waren die Brücken abgebrochen worden, und der Beherrscher erwartete stündlich die Einlieferung des Rebellen oder seines Kopfes. Ein Unterbefehlshaber machte Abu Taher aus Mitleid oder Furcht auf die Gefahr aufmerksam und empfahl einen schleunigen Rückzug. »Dein Gebieter«, antwortete der unerschrockene Karmathier dem Boten, »steht an der Spitze von dreißigtausend Soldaten, drei Männer wie diese fehlen in seiner Schar.« In demselben Augenblick wandte er sich zu seinen Gefährten, befahl dem ersten, sich einen Dolch in die Brust zu stoßen, dem zweiten, in den Tigris zu springen und dem dritten, sich in einen Abgrund zu stürzen. Sie gehorchten ohne Murren. »Berichte«, fuhr der Imam fort, »was du gesehen hast. Noch vor Abend wird dein Feldherr unter meinen Hunden an der Kette liegen.« Noch vor Abend war das Lager überrumpelt und die Drohung ausgeführt. Die Raubsucht der Karmathier wurde durch ihren Abscheu vor dem Kultus von Mekka geheiligt. Sie plünderten eine Karawane von Pilgern und gaben zwanzigtausend Muselmanen dem Tod durch Verhungern auf dem heißen Wüstensande preis. In einem anderen Jahre ließen sie die Pilger ungestört ziehen; aber mitten in der andächtigen Feier stürmte Abu Taher in die Stadt und trat die ehrwürdigsten Reliquien der Mohammedaner mit Füßen. Dreißigtausend Bürger und Fremde fielen durch das Schwert, die geheiligten Städte wurden durch dreißigtausend Leichenbegängnisse entweiht, der Brunnen Zemzem füllte sich mit Blut, die goldene Gießröhre wurde abgebrochen, der Schleier der Kaaba unter die ruchlosen Sektierer geteilt und der schwarze Stein, das älteste Denkmal der Nation, im Triumphe in ihre Hauptstadt gebracht. Nach Verübung dieser Frevel und Grausamkeiten fuhren sie fort, die Grenzen von Irak, Syrien und Ägypten unsicher zu machen; aber es zeigte sich, daß der Enthusiasmus früherer Zeiten unwiederbringlich dahin war. Aus Gewissensbissen oder Habsucht gestatteten sie wieder die Wallfahrt nach Mekka und gaben den heiligen Stein der Kaaba zurück. Es ist überflüssig nachzuforschen, in welche Parteien sie sich teilten und durch welches Schwert sie schließlich ausgerottet wurden. Die Sekte der Karmathier kann als zweite Ursache für das Sinken und den Verfall des Reiches angesehen werden.

Die dritte und augenfälligste Ursache lag im Reiche selbst. Der Kalif Almamon erklärte mit Stolz, daß es ihm leichter sei, den Osten und Westen zu beherrschen als auf dem Schachbrett zu triumphieren; ich aber vermute, daß er sich hier wie dort manchen verderblichen Mißgriff zuschulden kommen ließ und stelle fest, daß in den fernen Provinzen die Herrschaft des mächtigsten der Abbassiden bereits geschwächt war. In einem despotisch regierten Reiche ist der Stellvertreter mit der vollen Majestät des Fürsten bekleidet; die Teilung der Gewalt verringerte vielleicht den Gehorsam und regte die tyrannisierten Untertanen an, über die Regierung nachzudenken. Der im Purpur Geborene ist selten der Herrschaft würdig, wenn aber ein Privatmann, Bauer oder Sklave auf den Thron erhoben wird, liegt die Vermutung nahe, daß er besonderen Mut und Fähigkeiten besitzt. Der Vizekönig eines fernen Landes strebte danach, unabhängig zu werden und das Königtum seinem Geschlechte zu sichern. Die Völker freuen sich, wenn ihr Souverän unter ihnen lebt. Die Macht über Heere und Schätze bietet dem Ehrgeizigen das Mittel zu seiner Unabhängigkeit. Eine Veränderung wurde kaum sichtbar, solange sich die Stellvertreter des Kalifen mit dem Statthaltertitel begnügten, solange sie für sich und ihre Söhne um die Bestellung zum Statthalter baten, solange sie Münzen mit dem Bilde des Beherrschers der Gläubigen prägen und in öffentlichen Gebeten seinen Namen preisen ließen. Aber während der langen Regierung nahmen sie den Stolz und die Abzeichen des Königtums an. Krieg oder Frieden, Belohnung oder Strafe hing allein von ihrem Willen ab, und die Staatseinkünfte wurden zu örtlichen Zwecken oder für sie persönlich verwendet. Statt dem Kalifen regelmäßig Soldaten zu stellen und Geld zu liefern, schenkte man ihm, um ihm zu schmeicheln, einen Elefanten, Falken, seidene Teppiche oder einige Pfunde Moschus und Ambra.

Nach der Empörung der Spanier gegen die Abbassiden brachen auch die ersten Aufstände in der Provinz Afrika aus. Ibrahim, der Sohn Aglabs, des Statthalters des wachsamen und strengen Harun, hinterließ seinen Nachfolgern, den Aglabiten, große Machtmittel. Der wahrscheinlich träge Kalif verschmerzte den Verlust. Er begnügte sich, den Stifter der Edrisiten, der das Königreich und die Stadt Fez am Gestade des westlichen Ozeans gegründet hatte, mit giftigen Schmähungen zu verfolgen. Im Oriente war die erste selbständige Monarchie diejenige der Taheriten, der Nachkommen des tapferen Taher, der in dem Bürgerkriege zwischen den Söhnen Haruns mit nur zu großem Eifer und Erfolg Almamon, dem jüngeren der Brüder, gedient hatte. Er wurde in ehrenvolle Verbannung gesandt, um an den Ufern des Oxus zu befehlen. Seine unabhängigen Nachfolger, die in Chorasan bis ins vierte Geschlecht herrschten, hatten ein bescheidenes und ehrfurchtsvolles Benehmen, ihre Untertanen lebten glücklich und die Grenzen des Reiches waren sicher. Sie wurden durch einen jener Abenteurer gestürzt, die in der Geschichte des Orients so häufig zu finden sind. Er hatte sein Gewerbe, das eines Kupferschmiedes (daher der Name Soffariden), mit dem eines Räubers vertauscht. Bei einem nächtlichen Besuche, den er dem Schatze des Fürsten von Sistan abstattete, stolperte Jakob, der Sohn des Leith, über einen Klumpen Salz, das er zufällig kostete. Salz ist bei den Morgenländern das Zeichen der Gastfreundlichkeit, und der gewissenhafte Räuber zog sich augenblicklich zurück, ohne Beute mitzunehmen oder Schaden anzurichten. Die Kunde von diesem ehrenhaften Benehmen verschaffte Jakob Vertrauen und Gnade; er führte ein Heer zuerst für seinen Wohltäter, endlich für sich selbst, unterjochte Persien und bedrohte die Residenz der Abbassiden. Auf dem Marsch gegen Bagdad wurde der Eroberer von einem Fieber befallen. Er erteilte dem Gesandten des Kalifen auf dem Krankenlager Audienz. Neben ihm auf dem Tisch lag ein Schwert, ein Stück Schwarzbrot und Zwiebeln. »Wenn ich sterbe«, sagte er, »so ist euer Gebieter von seiner Angst erlöst. Wenn ich am Leben bleibe, so muß das Schwert zwischen uns entscheiden. Wenn ich besiegt werden sollte, so wird es mir nicht schwer fallen, zu der bescheidenen Kost meiner Jugend zurückzukehren.« Von der Höhe, auf der er stand, wäre der Sturz wohl nicht so sanft und harmlos gewesen. Sein früher Tod befreite den Kalifen von seiner Sorge, der mit verschwenderischen Zugeständnissen den Rückzug seines Bruders Amru nach Schiraz und Ispahan erkaufte. Die Abbassiden waren zu schwach, um zu kämpfen und zu stolz, um zu verzeihen; sie riefen die mächtigen Samaniden zu Hilfe, die mit zehntausend Mann über den Oxus gingen. Sie waren so arm, daß ihre Steigbügel aus Holz waren und so tapfer, daß sie das achtmal so starke Heer der Soffariden besiegten. Der gefangene Amru wurde als willkommenes Geschenk in Ketten an den Hof von Bagdad gesendet, und da sich der Sieger mit Transoxiana und Chorasan begnügte, kehrte das Königreich Persien für eine Weile unter die Herrschaft der Kalifen zurück. Die Provinzen von Syrien und Ägypten wurden ihren Herrschern zweimal von türkischen Sklaven aus dem Stamme Tulun und Ikschid entrissen. Diese Barbaren, in Religion und Sitten den Muselmanen gleich, erhoben sich aus den blutigen Parteifehden, erlangten den Thron und beherrschten die Provinzen. Sie waren zu ihrer Zeit berühmt und gefürchtet. Die Gründer dieser beiden mächtigen Dynastien waren sehr eitel auf ihre Herrschaft. Der eine flehte auf dem Sterbebette Gottes Barmherzigkeit für einen Sünder an, der die Grenzen seiner eigenen Macht nicht kenne; der andere umgab sein Schlafgemach mit vierhunderttausend Soldaten und achttausend Sklaven. Ihre Söhne gewöhnten sich frühzeitig an die Laster der Könige. Ägypten und Syrien wurde von den Abbassiden wieder erobert und durch dreißig Jahre beherrscht. Beim Verfall des Reiches geriet Mesopotamien mit den wichtigen Städten Mosul und Aleppo in die Gewalt der arabischen Fürsten aus dem Stamme Hamadan. Die Dichter ihres Hofes priesen die Schönheit ihres Antlitzes, ihre Beredsamkeit, Freigebigkeit und Tapferkeit. In Wirklichkeit bietet die Erhebung und Regierung der Hamadaniten ein Bild des Verrates, Mordes und Vatermordes. Zu derselben Zeit wurde Persien abermals usurpiert, und zwar von den Bowiden. Drei Brüder, die verschiedentlich als Stützen und Säulen des Staates bezeichnet wurden, teilten sich in die Herrschaft und duldeten vom Kaspischen Meer bis zum Ozean keinen anderen Tyrannen neben sich. Unter ihrer Herrschaft lebte der Geist und die Sprache Persiens wieder auf. Die Araber verloren dreihundertvier Jahre nach dem Tode des Propheten wieder das Zepter des Ostens.

Rhadi, der zwanzigste Abbasside und neununddreißigste Nachfolger Mohammeds, war der letzte, der den Titel Beherrscher der Gläubigen verdiente, der letzte, sagt Abulfeda, der zum Volke redete oder sich mit den Gelehrten beriet, der in seinem Haushalte die Pracht und den Reichtum der früheren Kalifen zeigte. Nach ihm sanken die früheren Herren der orientalischen Welt ins tiefste Elend und wurden als Knechte mißhandelt. Ihre Herrschaft wurde durch die Empörung der Provinzen auf Bagdad beschränkt. Diese Stadt hatte noch immer eine große Einwohnerzahl, die auf ihr vergangenes Glück eitel, mit ihrem gegenwärtigen Zustand unzufrieden und bedrückt von den Forderungen war, die die Staatskasse an sie stellte, die ehemals die Beute und den Tribut der Nationen enthielt. In ihrem Müßiggang beschäftigten sie sich mit Religions- und Parteistreitigkeiten. Unter der Maske der Frömmigkeit störten die Anhänger Hanbals das häusliche Leben, brachen in die Häuser der Plebejer und Fürsten ein, gossen den Wein aus, zerbrachen die Musikinstrumente, schlugen die Musiker und verdächtigten schändlicherweise jeden, der mit einem schönen Jüngling angetroffen wurde. Wo immer zwei Personen beisammen waren, war die eine ein Verehrer, die andere ein Gegner Alis, und die Abbassiden wurden von jenen Sektierern verflucht, die ihre Thronrechte leugneten. Ein aufrührerisches Volk kann nur durch Militärmacht im Zaume gehalten werden, aber wer vermochte die Habsucht der Söldner selbst zu befriedigen und ihren Gehorsam zu erzwingen? Die afrikanischen und türkischen Leibwachen kämpften gegeneinander, und ihre Oberbefehlshaber, die Emire al Omra, kerkerten ihre Souveräne ein oder setzten sie ab und drangen in Harems und in die Moscheen. Wenn die Kalifen zu einem benachbarten Fürsten flüchteten, so vertauschten sie nur ihre alte Knechtschaft mit einer neuen. Sie riefen endlich, von Verzweiflung getrieben, die Bowiden, Persiens Sultane, zu Hilfe, die alle Parteien in Bagdad zum Schweigen brachten. Moez-al-Dowlat, der zweite der drei Brüder, übernahm die Zivil- und Militärgewalt und wies dem Beherrscher der Gläubigen edelmütig sechzigtausend Pfund Sterling zu. Am vierzigsten Tage jedoch, bei der Audienz der Gesandten von Chorasan, wurde der Kalif auf Befehl des Fremdlings vor den Augen der zitternden Menge vom Thron in den Kerker geschleppt. Seine Augen wurden ihm ausgestochen und sein Palast geplündert. Trotz all dieser Vorgänge strebten die ehrgeizigen Abbassiden auch weiterhin nach dem Throne von Bagdad. Im Unglück kehrten die vormals üppigen Kalifen zu der Lebensweise und Enthaltsamkeit der ersten Herrscher zurück. Ihrer Rüstungen und seidenen Gewänder beraubt, fasteten sie, beteten sie, studierten den Koran und die Überlieferungen der Sunniten und gaben sich eifrig dem Gottesdienst hin. Die Völker hingen noch immer an den Nachfolgern des Apostels, an den Orakeln, dem Gesetze; und den Streitigkeiten und der Schwäche ihrer Gegner verdanken die Abbassiden, daß sie noch zuweilen auf den Thron gelangten. Sie litten besonders unter dem Triumph der Fatimiten, der wirklichen oder angeblichen Nachkommen Alis. Aus dem äußersten Afrika kommend, erlangten diese glücklicheren Nebenbuhler in Ägypten und Syrien die geistliche und weltliche Oberhoheit, und der Monarch am Nil tyrannisierte den demütigen Priester an den Ufern des Tigris. In dem Jahrhundert, das dem Kriege des Theophilus mit Motassem vorausging, waren die Feindseligkeiten bei der Nation auf einige Streifzüge zur See und zu Lande beschränkt, was unausbleiblich bei dem gemeinsamen Hasse und den gemeinsamen Grenzen war. Als aber die orientalische Welt zerrüttet und zertrümmert wurde, wurden die Griechen mit der Hoffnung auf Rache und Eroberungen aus ihrer Trägheit geweckt. Das byzantinische Reich hatte seit der Thronbesteigung der Herrscher aus dem basilischen Hause Frieden und Ruhe genossen. Es konnte daher leicht irgendeinen kleinen Emir angreifen, der außerdem von seinen mohammedanischen Brüdern bedroht war. Nikephorus Phokas, der ebenso berühmt im Lager, wie unbeliebt in der Stadt war, wurde mit den ehrenvollen Titeln Morgenstern, Sarazenentod begrüßt. Er hatte die untergeordnete Würde eines Großdomestikus oder Feldherrn des Ostens inne. Er bezwang die Insel Kreta und rottete das Seeräubernest aus, das solange ungestraft dem Reiche getrotzt hatte. Seine kriegerischen Talente bewährten sich bei der Leitung und bei dem Erfolg eines so oft mit Verlusten und Schmach gescheiterten Unternehmens. Die Sarazenen wurden durch die Landung seiner Truppen mittels hölzerner Brücken, die er von den Schiffen auf das Gestade warf, in Bestürzung gesetzt. Sieben Monate vergingen mit der Belagerung von Kandia. Die eingeborenen Kreter wurden durch die häufig aus Afrika und Spanien einlangende Hilfe der Mauren in Verzweiflung gestürzt. Nachdem die Griechen die dicken Mauern und den doppelten Graben erstürmt hatten, wurde der hoffnungslose Kampf noch in den Straßen und Häusern der Stadt fortgesetzt. Mit der Hauptstadt war die ganze Insel unterjocht, und die Bevölkerung unterwarf sich ohne Widerstand der Taufe. Konstantinopel konnte sich an dem Pompe eines lange nicht mehr gesehenen Triumphes freuen. Das kaiserliche Diadem war jedoch die einzige Belohnung, die die Dienste des Nicephorus bezahlen oder seinen Ehrgeiz befriedigen konnte.

Nach dem Tode des jüngeren Romanus, der vierte des basilischen Hauses, vermählte sich seine Witwe Theophania mit Nikephorus Phokas und später mit seinem Mörder Johann Zimisces, den zwei Helden des Zeitalters. Sie herrschten als die Vormünder und Kollegen der unmündigen Söhne der Kaiserin, und die zwölf Jahre, in denen sie den militärischen Oberbefehl hatten, bilden die glänzendste Epoche in den byzantinischen Annalen. Ihr Heer, aus Untertanen und Bundesgenossen zusammengesetzt, war, wenigstens in den Augen der Feinde, zweihunderttausend Mann stark. Dreißigtausend davon waren mit Brustharnischen versehen, viertausend Maultiere folgten den Truppen, und das tägliche Lager wurde mit einer Einfriedung von eisernen Pflöcken umgeben. Eine Reihe blutiger und unentschiedener Kämpfe bewirken nichts anderes, als was im Laufe der Zeiten ohnehin von selbst erfolgt wäre; ich werde dennoch die Eroberungen der beiden Kaiser von den Bergen von Kappadokien bis zur Wüste von Bagdad kurz schildern. Die Belagerung von Mopsu Hestia und Tarsus in Kilikien gewöhnten die Truppen, die ich für kurze Zeit Römer nenne, an Kämpfe und machten sie ausdauernd. In der Doppelstadt Mopsu Hestia, durch die der Fluß Sarus fließt, wurden zweihunderttausend Muselmanen getötet oder zu Sklaven gemacht. Diese erstaunlich große Zahl der Bevölkerung muß jedenfalls die Bewohner der Provinz ebenfalls enthalten. Mopsu Hestia wurde umzingelt und im Sturm genommen, Tarsus dagegen durch Hunger langsam bezwungen. Kaum hatten die Sarazenen eine ehrenvolle Übergabe unterzeichnet, als sie die nun unnütze ägyptische Hilfsflotte sich nähern sahen. Man entließ sie unter sicherem Geleite nach Syrien. Ein Teil der früheren Christen hatte ruhig unter ihrer Herrschaft gelebt, und die verlassenen Wohnungen füllten sich mit neuen Ansiedlern. Die Moschee wurde in einen Stall verwandelt, die Kanzel den Flammen überliefert und viele reich verzierte Kreuze aus Gold und Edelsteinen, die Beute aus den asiatischen Kirchen, vom Kaiser der Kirche dargebracht. Dieser ließ die Tore von Mopsu Hestia und Tarsus nach Konstantinopel schaffen und in die Mauer als ewiges Andenken seines Sieges einfügen. Die beiden römischen Fürsten trugen, nachdem sie sich der Engpässe des Berges Amanus bemächtigt hatten, ihre Waffen wiederholt bis in das Herz von Syrien. Statt jedoch die Mauern von Antiochia zu stürmen, schien Nikephorus aus Menschlichkeit oder Aberglauben die alte Metropole des Ostens zu ehren. Er begnügte sich, einen Wall um die Stadt zu ziehen, ließ ein Heer zurück und gebot seinem Feldherrn, ohne Ungeduld den Frühling abzuwarten. Im tiefen Winter, in einer finsteren und regnerischen Nacht, näherte sich ein Unteranführer mit dreihundert Soldaten der Mauer, legte die Sturmleitern an, besetzte zwei naheliegende Türme, hielt sich standhaft gegen die Übermacht und behauptete seinen Posten tapfer, bis endlich spät die ausgiebige Hilfe seines ihn tadelnden Oberfeldherrn anlangte. Nach dem ersten Gemetzel und der Plünderung legte sich der Tumult, die Herrschaft Christi und des Kaisers wurde wieder hergestellt, und hunderttausend Sarazenen, die Heere und Flotten von Afrika, rannten später vergeblich gegen die Mauern von Antiochia. Die königliche Stadt Aleppo war dem Seif-ul-Dowlat aus der Dynastie Hamadan unterworfen. Dieser Fürst befleckte seinen früheren Ruhm durch einen eiligen Rückzug: er gab sein Königreich und seine Hauptstadt den eingedrungenen Römern preis. Diese bemächtigten sich in seinem prachtvollen Palaste, der außerhalb der Mauern von Aleppo stand, freudig eines reichgefüllten Waffenmagazins, eines Stalles mit vierzehnhundert Maultieren und dreitausend Beutel mit Gold und Silber. Die Mauern der Stadt widerstanden jedoch den Stößen ihrer Sturmwidder. Die Belagerer schlugen ihre Zelte auf dem benachbarten Berge Jauschan auf. Während ihres Rückzuges brach ein erbitterter Kampf zwischen den Söldnern und Städtern auf dem Marktplatze aus, sie verließen ihre Wachtposten an den Toren und auf den Wällen, und während sie einander wütend angriffen, wurden sie von ihrem zurückkehrenden gemeinsamen Feinde geschlagen. Die Männer wurden getötet, zehntausend Jünglinge in Gefangenschaft geführt, mehr als zehntausend Traglasten an Beute wurden erobert und der überflüssige Rest verbrannt. Nach zehntägigem Plündern und Morden zogen die Römer aus der blutenden Stadt ab. Bei ihren Einbrüchen in Syrien befahlen sie den Bauern ihre Felder zu bestellen, damit sie selbst in der folgenden Jahreszeit die Früchte ernten könnten. Mehr als hundert Städte wurden unterworfen und achtzehn Kanzeln der vornehmsten Moscheen als Sühne für die Tempelschändung der Anhänger Mohammeds den Flammen überliefert. Die klassischen Städte Hierapolis, Apamea und Emesa wurden für kurze Zeit wieder erobert. Der Kaiser Zimisces lagerte in dem Paradiese von Damaskus, nahm das Lösegeld eines unterwürfigen Volkes an, und erst die uneinnehmbare Festung Tripolis an der phönizischen Küste bot ihm Einhalt. Seit den Tagen des Heraklius war der Euphrat unterhalb des Passes des Taurusgebirges für die Griechen unzugänglich gewesen, sie bekamen ihn nicht einmal zu Gesicht. Der siegreiche Zimisces überschritt den Strom wieder und eroberte mit unglaublicher Schnelligkeit die einst berühmten Städte Samosata, Edessa, Martyropolis, Amida und Nisibis, die die alte Grenze des Reiches in der Nähe des Tigris darstellten. Er verlangte danach, sich der Schätze von Ekbatana zu bemächtigen, eine wohlbekannte Stadt, unter welchem Namen der byzantinische Geschichtschreiber die Hauptstadt der Abbassiden meinte. Flüchtlinge hatten bereits Schrecken vor ihm verbreitet, die erträumten Reichtümer von Bagdad waren jedoch bereits von den einheimischen Tyrannen früherer Zeiten vergeudet worden. Das Volk und der Statthalter der Bowiden verlangten von dem Kalifen, daß er ernsthaft für die Verteidigung der Stadt sorge. Der hilflose Mothi erwiderte, daß ihm seine Waffen, Einkünfte und Provinzen entrissen worden wären und daß er bereit sei, eine Würde niederzulegen, die er nicht zu behaupten vermöge. Der Emir war unerbittlich. Der Schmuck des Palastes wurde verkauft und die dafür erzielte geringe Summe von vierzigtausend Goldstücken sogleich verpraßt. Die Besorgnisse der Bevölkerung von Bagdad wurden durch den Rückzug der Griechen zerstreut und Mangel an Nahrungsmitteln und Wasser machten die mesopotamische Wüste unzugänglich. Der Kaiser kehrte ruhmgesättigt und mit der Beute des Orients beladen nach Konstantinopel zurück und stellte triumphierend die Seidenstoffe, Spezereien und Gold und Silber zur Schau. Aber die Macht des Orients war durch diesen vorübergehenden Sturm nur gebeugt, nicht gebrochen. Nach dem Abzüge der Griechen kehrten die flüchtigen Fürsten in ihre Hauptstädte zurück. Die Untertanen verleugneten den erzwungenen Treueid, die Muselmanen reinigten ihre Moscheen wieder und stürzten die Bilder der Heiligen und Märtyrer um. Die Nestorianer und Jakobiten zogen die Sarazenen einem orthodoxen Gebieter vor, und die Melchiten waren nicht mutig und zahlreich genug, Kirche und Staat zu verteidigen. Von diesen Eroberungen wurde nur Antiochia, die Städte Kilikiens und die Insel Cypern dauernd dem Römischen Reiche einverleibt.

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