Sänger von Schiras

Der Sänger von Schiras

Gedichte des Hafiz aus dem Persischen übertragen von Friedrich von Bodenstedt

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Zweites Buch

11.

Komm, nie lässt auf festem Grund
sich der Hoffnung Ban errichten!
Bring' mir den Wein! ein Windhauch kann
selbst des Lebens Ban vernichten.

Jenem hochgesinnten Mann
Will ich Dienst und leben weih'n,
Der hinweg von dieser Welt
kehrt sein Denken und sein Dichten.

Als ich süßen Weines voll
gestern saß, ein Engel kam
Zu mir aus dem Geisterland,
frohe Botschaft auszurichten,

Und er sprach: "O Königsfalk,
Du bist nicht von dieser Welt,
Dieses dunkle Leidensnest
ist Dein bleibend Haus mit nichten.

Eine Stimme aus der Höh'
ruft Dir zu mit Himmelston:
"Wie nur fielst Du in dies Netz,
dessen Dunkel nicht zu lichten?"

Einen guten Rat vernimm,
den ein alter Weiser gab;
Merk' ihn, wie ich selbst getan,
um Dich klug danach zu richten:

"Bau nicht auf das Wort der Welt,
die so treulos ist wie alt,
Tausend Freier lockt sie stets,
Dieser Braut, mit Truggesichten."

Flieh' die schnöde Buhlerin,
und ein inhaltschweres Wort,
Das ein vielgereister Mann
mir vertraut, lass Dir berichten:

"Nimm Gescheh'nes ruhig hin,
denn des freien Willens Tor
Bleibt verschlossen Dir wie mir –
aber treu tu' Deine Pflichten.

Selbst der Rose Lächeln trügt,
kurz ist ihre Blütenzeit;
Klag', verliebte Nachtigall,
Du hast Stoff zu Gramgeschichten!" -

Blick' auf Hafis nicht mit Neid,
armer Dichterling, - denn Gott
Gab ihm Wortgewalt, das Herz
Zu erfreuen durch sein Dichten!

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