Sänger von Schiras

Der Sänger von Schiras

Gedichte des Hafiz aus dem Persischen übertragen von Friedrich von Bodenstedt

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Viertes Buch

An Hadschi Kiwameddin (1)

Komm, erleuchte meinen Becher,
Saki, neu mit Weinesglut;
Sänger, sing' ein Lied, denn Alles
fügt sich meinen Wünschen gut.

In des Bechers Grunde seh' ich
holder Wangen Wiederschein;
O, Du ahnst Nichts von der Wonne
die mir quillt aus meinem Wein!

Wisse, dass dies Liebsgetändel
mir so lange nur behagt,
Bis, wie Pinien schwangend, wieder
die Zypresse11 vor mir ragt.

Wessen Herz belebt durch Liebe,
dem kommt nie das Sterben bei,
Drum im Buch der Welt geschrieben
steht, dass ich unsterblich sei.

Und am tage des Gerichtes
Wird des Scheich's12 erlaubtes Brot
Höher nicht im Preis stehn, fürcht' ich,
als mein Wein, den man verbot.

Morgenwind, wehst Du vorüber
an der Freunde Rosenhain,
Hauch' dem Ohre meiner Liebe
meine schönsten Grüße ein!

Sprich: "Warum mit Absucht willst Du
Den vergessen der Dich liebt,
Da sich leider das Vergessen
mit der Zeit von selbst ergibt?"

Fand doch selbst der Liebe Auge,
dass es schön im Rausche sei,
Darum ließ man mir im Rausche
auch die Zügel immer frei.

Hafis, lass die Tränenperle
fallen, die im Aug' Dir hängt
Und vielleicht in ihrem Netze
noch den Liebesvogel fängt.

Sieh, das grüne Meer des Himmels,
und der Mond, der Silberkahn.
Tauchen unter in das Hadschi13
Kiwan Gnadenocean!

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