Der Islam im Dialog

Der Islam im Dialog - Aufsätze

Prof. Abdoldjavad Falaturi

Inhaltsverzeichnis

3. Erfolge

Es hat sich mittlerweile herausgestellt, dass sehr viele Probleme generations- und mentalitätsbedingt waren. Die neue Generation der muslimischen Mitbürger, von denen die meisten hier geboren wurden und auch ihre schulische Ausbildung hier erhalten haben, sind zwar überzeugte praktizierende Muslime, aber dennoch in ihrer Erziehung und Vertrautheit mit den hiesigen Sitten und Gebräuchen dem Dialog gegenüber so aufgeschlossen, dass sie vielfach die Initiative dafür ergreifen. Hier möchte ich gerne abschließend ein Beispiel aus einer neulich veröffentlichten Erklärung einer der größten muslimischen Organisationen türkischer Herkunft, AMGT, zitieren. Diese Erklärung hat die Aufgabe, den vielfachen Anschuldigungen entgegenzuwirken und gleichzeitig die Bereitschaft und Notwendigkeit eines verständnisvollen Zusammenlebens mit den Christen im Rahmen des Grundgesetzes der Bundesrepublik zu betonen.

Unter der Überschrift „Islam und Muslime, Grundgesetz und Verfassungstreue" heißt es u.a.: „Neben vielfältigen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Problemen, die das Leben als Minderheit in der Fremde mit sich bringt, gibt es auch des anderen Glaubens und der anderen Glaubenspraxis wegen eine Reihe von Schwierigkeiten. Dass nun fast die gesamte öffentliche Berichterstattung zum Thema Islam nicht durch die 2 Mio. Muslime in der BRD, sondern vor allem durch Ereignisse in anderen Gegenden der Welt, die zugegebenermaßen wesentlich spektakulärer sind, bestimmt ist, macht das bedauerliche Aufkommen von Missverständnissen und Fehlvorstellungen verständlich.

Hinzu kommt, dass jüngste sozialwissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass es historisch gewachsene gesellschaftliche Mechanismen gibt, die, die Entstehung und Erhaltung von Vorurteilen über die Muslime und den Islam begünstigen. Das Schlagwort des ‘islamischen Fundamentalismus‘ hört man inzwischen häufiger, und das öffentliche Bild des Islam ist ohnehin das einer aggressiven, martialischen Religion, in der die Wörter Toleranz und Pluralismus nicht vorkommen, in der Frauen eine Art beseelter Ware sind, in der jeder Nichtmuslim mit ‘Feuer und Schwert‘ zum ‘rechten Glauben‘ bekehrt werden muss und die eine politisch-ideologische Komponente besitzt, die sich mit den Wertvorstellungen der westlichen Demokratie, wie sie sich etwa durch das Grundgesetz der BRD repräsentiert, nicht vereinen lässt. Angesichts dessen fragt sich nun jeder politisch interessierte Bürger und jeder verantwortlich denkende Politiker, ob die Muslime aus ihrem Bekenntnis heraus geradezu zwanghaft verfassungsfeindlich sein müssen, um fromme Gläubige ihres Glaubens zu sein.

Kurz, Verfassungstreue und islamischer Glaube sind keine unvereinbaren Gegensätze. Durch unseren Glauben sind wir Muslime zu konstruktivem Handeln und zum Dialog verpflichtet, Koexistenz in sozialem Frieden ist auch unser Ziel. Es belastet uns, wenn durch Missverständnisse und Vorurteile über uns und unseren Glauben der Eindruck entsteht, wir könnten den sozialen Frieden gefährden. Durch das nun vorzulegende Gutachten des Vorstandsausschusses ‘Recht‘, das der Vorstand für verbindlich erklärt, wollen wir aufzuklären versuchen, damit solch fundamentale Fehlvorstellungen überwunden werden können, die, wenn sie denn zuträfen, eine Koexistenz unmöglich machen würden.

Die Verfassungstreue, die, die Muslime bisher an den Tag legten, zeigt, dass die Dinge auf muslimischer Seite offenbar immer schon so verstanden wurden und zum Selbstverständnis gehörten, wie sie in dem Gutachten zum Ausdruck kommt... im übrigen besteht zwischen den grundsätzlichen Wertvorstellungen des Islam und denen des Grundgesetzes Übereinstimmung. Auch im Islam sind Menschenwürde, freie Entfaltung der Persönlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit, der Schutz der Ehe und Familie sowie andere Grundrechte ebenso tragende wie unantastbare Prinzipien.

Die Wertordnung des Islam und die Wertordnung des GG sind nicht grundsätzlich verschieden, was es den Muslimen zusätzlich erleichtert, die bundesdeutsche Rechtsordnung anzuerkennen. Soweit die Entwicklung auf der muslimischen Seite. Genauso erfreulich ist die positive Entwicklung, die man auf der christlichen Seite und der offiziellen Ebene erlebt. Hier ist vor allem die Aktivität der Islamischen Wissenschaftlichen Akademie zu erwähnen, die eigens zur kulturellen Völkerverständigung gegründet wurde und ihre Vorreiterrolle erfolgreich behauptet hat, und zwar hauptsächlich in den Analysen der Schulbücher zum Thema Islam in den Fächern Geschichte, evangelische und katholische Religion, Geographie sowie der Richtlinien für den Unterricht.

Diese Analyse ist in einer Schriftreihe des Georg-Eckert-Instituts in Braunschweig veröffentlicht worden, und die Bände sind von allen Schulen, Lehrern und kulturellen Institutionen positiv aufgenommen worden. Mittlerweile lassen sich sogar direkte Einflüsse auf die Schulbuchautoren beweisen. Das Ziel der sieben bereits überarbeiteten und durch den Diesterweg-Verlag vertriebenen Bände ist es, zu einem guten Zusammenleben deutscher und ausländischer Kinder und ihrer Familien beizutragen und das Gespräch zwischen den Kulturen zu fördern. Dieses Ziel lässt sich nur erreichen, wenn man die Anwesenheit großer, aus anderen Ländern und Kulturen stammender Gruppen in der Bundesrepublik nicht aus der Defensive betrachtet, sondern als Chance zur Erweiterung und Bereicherung eigener Lebenshorizonte begreift.

Es geht nicht nur um die pädagogische Förderung und Integration der ausländischen Kinder, sondern auch um eine entsprechende Gesamtausrichtung des schulischen Unterrichts und der außerschulischen Erziehung, durch die Kinder aus verschiedenen Kulturen und Religionen befähigt werden, einander mit Verständnis und Offenheit zu begegnen.

Nur so kann die Erziehung dem Auftrag des Grundgesetzes (bes. Art. 3 und 4) gerecht werden, das Glaubens- und Gewissensfreiheit im umfassenden Sinne garantiert. Was den weiteren Verlauf betrifft, hängt in der Tat alles von dem guten Willen der Anhänger der beiden Religionen ab, sich gegenseitig zu achten und zu respektieren.

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